OGH 8Ob521/94

OGH8Ob521/946.5.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Jelinek, Dr.Rohrer und Dr.Adamovic als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Willibald K*****, Kaufmann, ***** vertreten durch Dr.Walter Rinner, Rechtsanwalt in Linz, wider die Gegnerin der gefährdeten Partei Firma Bus- und Reiseservice K***** GmbH, ***** vertreten durch die Geschäftsführerin Helga K*****, diese vertreten durch Dr.Franz Kriftner, Rechtsanwalt in Linz, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung (Verbot der Veräußerung einer Liegenschaft, Streitwert S 500.000,-) infolge Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 30.September 1993, GZ 18 R 649/93-6, womit infolge Rekurses der Gegnerin der gefährdeten Partei der Beschluß des Bezirksgerichtes Neufelden vom 6.August 1993, GZ C 436/93 -2, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der erstgerichtliche Beschluß wieder hergestellt wird.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Willibald K***** und seine Ehefrau Helga K***** sind die beiden Gesellschafter der Firma Bus- und Reiseservice K***** GmbH in *****. Geschäftsführer dieser Gesellschaft ist Helga K*****.

In dem zwischen den Ehegatten K***** vor dem Bezirksgericht Linz zu 3 C 85/91 anhängigen Scheidungsverfahren schlossen die Parteien nach vorangegangenen Vergleichsgesprächen, in denen auch eine Vereinbarung (II) im Sinne des § 55a EheG zustandegekommen war, am 6.5.1993 in der Streitverhandlung ein Übereinkommen (AS 151 ff), nach dessen Punkt 3 "Herr Willibald K***** aus der K***** GmbH ausscheidet und wirtschaftlich gesehen die Liegenschaften der Gesellschaft erhält. Es handelt sich dabei um das Betriebsgebäude samt Garage sowie den Grund in M***** (unrichtig: L*****). Damit sind alle Ansprüche des Herrn Willibald K***** aus seiner Beteiligung an dem Unternehmen beglichen. Die Formulierung des diesbezüglichen Vertrages hat einvernehmlich so zu erfolgen, daß sie für beide Teile möglichst steuerschonend gestaltet wird. Die Bus- und Reiseservice K***** GmbH hat die Liegenschaft bis längstens 31.7.1993 zu räumen, umgekehrt hat Herr Willibald K***** alle jene Gegenstände, die er auf Grund der seinerzeit geführten Besprechung in Benützung hat, Zug um Zug bei Räumung zurückzustellen".

Am 5.8.1993 stellte Willibald K***** als gefährdete Partei den Antrag, der Firma Bus- und Reiseservice K***** GmbH als Gegnerin der gefährdeten Partei die Veräußerung der Liegenschaft EZ 428 Grundbuch 47223 W***** des Bezirksgerichtes N***** durch einstweilige Verfügung zu verbieten und dieses Veräußerungsverbot im Grundbuch anzumerken. Hiezu brachte er vor, Helga K***** habe sich als Geschäftsführerin der Gegnerin der gefährdeten Partei geweigert, die Liegenschaften zu übergeben und zwar mit der Begründung, daß nicht eine solche Übergabe sondern die Übergabe von Geschäftsanteilen bzw. einer Gesellschaft mit Liegenschaften die steuerschonendste Übergabeform darstelle. Diese Form sei auch nach Ansicht der gefährdeten Partei noch festzulegen, vereinbart sei aber jedenfalls, daß diese aus der Gesellschaft ausscheide und das Betriebsgebäude samt Garage sowie den Grund in M***** (= EZ 428 KG W*****) erhalte. Obschon an dieser Vereinbarung nicht zu rütteln sei, habe die Gegnerin der gefährdeten Partei eine Immobilienfirma mit dem Verkauf der Liegenschaft beauftragt und diese habe bereits einen Käufer namhaft gemacht, der sich über seinen Vertreter Dr.Wolfgang D***** auch an die gefährdete Partei gewendet habe. Dem Gemeindeamt St.M***** sei ebenfalls der beabsichtigte Verkauf mitgeteilt und auch dieses sei eingeladen worden, noch schnell ein Kaufangebot zu erstellen, da der Verkauf schon "nächste Woche" über die Bühne gehen solle.

Somit bestehe die dringende Gefahr, daß die Liegenschaft vereinbarungswidrig von der vorgenannten Gesellschaft veräußert und solcherart der gefährdeten Partei ein erheblicher und unwiederbringlicher Vermögensnachteil zugefügt werde. Demgemäß werde beantragt, eine vorherige Einvernahme der Gegnerin der gefähreten Partei oder die Einholung einer Äußerung derselben zu unterlassen und der gefährdeten Partei zur Einbringung der Unterlassungsklage eine zweimonatige Frist einzuräumen.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung im Sinne des gestellten Antrages. Auf Grund der vorgelegten Urkunden, insbesondere auch jene betreffend die beabsichtigte Grundstücksveräußerung, hielt es für bescheinigt, daß die Gegnerin der gefährdeten Partei über eine Immobilienfirma die Liegenschaft EZ 428 KG W***** dem Interessenten D***** sowie der Interessentin Marktgemeinde St.M***** zum Erwerb angeboten hat und daß Verkaufsverhandlungen geführt werden. Diese Verhandlungen widersprächen der von der Geschäftsführerin der Gesellschaft für diese mit der gefährdeten Partei geschlossenen Vereinbarung, wonach die Liegenschaft dieser zufallen sollte. Wegen der mit der beabsichtigten Veräußerung für die gefährdete Partei offenkundig verbundenen Gefahr eines unwiederbringlichen Vermögensnachteiles sei daher dem gestellten Antrag vollinhaltlich stattzugeben gewesen.

Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es den Antrag der gefährdeten Partei abwies. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteigt und daß der Revisionsrekurs nicht zulässig sei. In seiner Entscheidungsbegründung vertrat es die Rechtsansicht, die zwischen der gefährdeten Partei und der Geschäftsführerin der Gegnerin der gefährdeten Partei namens dieser abgeschlossene Vereinbarung gebe noch keinen mittels einstweiliger Verfügung zu sichernden Anspruch auf Übergabe der Liegenschaft. Sie diene der Auflösung der gesellschaftsrechtlichen Beziehungen zwischen den Ehegatten K***** an dem gemäß § 82 Abs 1 Z 3 und 4 EheG nicht der Aufteilung unterliegenden Busunternehmen und sei, da sie alle essentialia negotii enthalte, als Punktation zu werten, die einen sofortigen Erfüllungsanspruch entstehen lasse. Unter diesen Gesichtspunkt habe Wilhelm K***** seinen Anspruch auf Übertragung der Liegenschaft ausreichend bescheinigt. Für die Gültigkeit einer Punktation sei aber die Einhaltung der gesetzlichen Formvorschriften erforderlich. Da Willibald K***** mit der gegenständlichen Vereinbarung seinen Geschäftsanteil aufgegeben habe, handle es sich bei dieser um einen Vertrag nach § 76 Abs 2 GmbHG, also eine Übertragung von Geschäftsanteilen mittels Rechtsgeschäft unter Lebenden. Eine solche Übertragung sei nur in Notariatsaktform zulässig. Die Vereinbarung vom 6.5.1993 sei daher mangels Einhaltung der gesetzlichen Formvorschrift nichtig. Sie könne nämlich auch nicht als gerichtlicher Vergleich im Sinne des § 204 ZPO angesehen werden, da die Vertragsparteien erst binnen vier Wochen eine Vertragsurkunde errichten hätten wollen. Somit habe Willibald K***** derzeit keinen Anspruch auf Übertragung der Liegenschaft.

Gegen die rekursgerichtliche Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der gefährdeten Partei mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß der erstgerichtliche Beschluß wieder hergestellt werde. Die Rekurswerberin führt aus, die zwischen den Ehegatten K***** getroffene vergleichsweise Vereinbarung könne nur in Zusammenhang mit der Übertragung der Geschäftsanteile teilnichtig sein, sei aber hinsichtlich der Verpflichtung zur Übertragung der Liegenschaften jedenfalls wirksam. Die am 6.5.1991 geschlossene Vereinbarung stelle einen Vertrag dar, den auch die Gegnerin der gefährdeten Partei teilweise, zB durch den Verkauf eines Reisebusses, schon effektuiert habe. Über die steuerschonendste Variante der Gesamtabwicklung müsse zwar noch Einigung erzielt werden, die gefährdete Partei habe sich aber bereits verbindlich zur Übertragung ihrer Geschäftsanteile verpflichtet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch gerechtfertigt.

Die Vereinbarung vom 6.5.1993 (AS 151 ff des Scheidungsaktes), wurde, wie die Gegnerin der gefährdeten Partei selbst zugesteht, von Helga K***** auch als Geschäftsführerin der Gesellschaft namens dieser abgeschlossen und ist daher auch für letztere grundsätzlich verbindlich. Nach dem klaren Wortlaut dieser Vereinbarung haben sich die beiden Gesellschafter dahin geeinigt, daß Willibald K***** aus der Gesellschaft ausscheidet und das Betriebsgebäude samt Garage sowie den Grund in M*****, das ist die hier verfahrensgegenständliche Liegenschaft EZ 428 KG W*****, erhält. Die durch Helga K***** als Geschäftsführerin vertretene Gesellschaft hat sich in diesem zwischen den Gesellschaftern geschlossenen Vertrag demgemäß auch ihrerseits ausdrücklich verpflichtet, die Liegenschaft bis längstens 31.7.1993 zu räumen.

Solcherart hat der Gesellschafter Willibald K***** aber jedenfalls einen vertraglichen Anspruch darauf, daß ihm diese Liegenschaft im Rahmen des zu errichtenden, sein Ausscheiden aus der Gesellschaft betreffenden, auch eine einvernehmliche, für beide Gesellschafter möglichst steuerschonende Formulierung enthaltenden, Vertrages diese Liegenschaft - in welcher rechtlichen Konstruktion auch immer - zukommt. Die durch Helga K***** als Geschäftsführerin vertretene, in den Vertrag vom 6.5.1993 eingebundene Gesellschaft ist daher verpflichtet, alles zu unterlassen, was die Durchsetzung dieses Vertragsanspruches des Gesellschafters Willibald K***** hindert.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß der gerichtliche Vergleich einen Notariatsakt ersetzt (SZ 45/74; 6 Ob 830/80; 3 Ob 567/91; Gschnitzer in Klang2 IV/1 250 f; Rummel in Rummel ABGB2 I § 886 Anh Rz 15) und zwar auch dann, wenn der verglichene Anspruch vorher nicht Streitgegenstand war (JBl 1968, 32; JBl 1971, 263). Gschnitzer (aaO 251) bejaht dies nicht nur für den Bereich des NZwG, sondern auch für jene Fälle, in denen das GmbHG die Form des Notariatsaktes vorschreibt; diese Auffassung vertritt auch Reich-Rohrwig (Das österreichische GmbH-Recht 9). Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung HS 3246 ausdrücklich ausgesprochen, daß der gerichtliche Vergleich die für die Übertragung des Geschäftsanteiles unter Lebenden vorgeschriebene Form des Notariatsaktes ersetzt. Zu dem die Form der Abtretung von Geschäftsanteilen ähnlich wie § 76 Abs 2 GmbHG regelnden § 15 Abs 3 und 4 dGmbHG wird in der deutschen Rechtsprechung und Lehre gleichfalls die Auffassung vertreten, daß ein gerichtlicher Vergleich den in notarieller Form geschlossenen Vertrag sowohl für die Abtretung selbst als auch für die vertragliche Verpflichtung zur Abtretung ersetzt (siehe Winter in Scholz Kommentar zum GmbHG8 § 15 Rz 8 und 54). Die von Kostner-Umfahrer (Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung4 Rz 36) vertretene Auffassung, ein gerichtlicher Vergleich könne den Notariatsakt nicht ersetzen, weil bei Gericht die Aufklärungs- und Belehrungspflicht zum Schutz der Vertragsparteien nicht gewährleistet sei, vermag nicht zu überzeugen, da auch der Richter verpflichtet ist, die Parteien bei der Formulierung des Vergleiches zu beraten und darauf zu achten, daß der Inhalt des Vergleiches nicht gegen zwingendes materielles Recht oder gegen die guten Sitten verstößt und ausreichend bestimmt ist (siehe Fasching ZPR2 Rz 1353 und 1354).

Abgesehen davon, könnte das Ausscheiden des Willibald K***** aus der GmbH nicht nur durch Abtretung seiner Geschäftsanteile, sondern etwa auch durch Spaltung im Sinne des im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses schon in Geltung stehenden UmgrStG BGBl 699/1991 (zu den bereits vor Inkrafttreten des GesRÄG 1993, BGBl 458/1993 bestehenden Möglichkeiten der handelsrechtlichen Umsetzung der in den §§ 32 ff UmgrStG enthaltenen steuerlichen Vorschriften über die Spaltung siehe Reich-Rohrwig, Spaltung von Kapitalgesellschaften ecolex 1992, 700 f und Fries, Entflechtung von AG und GmbH durch Spaltung, ecolex 1992, 703 ff) oder des damals bereits dem Justizausschuß als Initiativantrag vorliegenden, knapp vor der Beschlußfassung stehenden GesRÄG 1993 und des in Art I dieses Gesetzes enthaltenen SpaltG bewirkt werden (siehe Aman, Einige Gedanken zum GesRÄG 1993, RdW 1993, 138). Da für Stimmbindungs- oder Syndikatsverträge eine besondere Form nicht vorgesehen ist (Reich-Rohrwig GmbH-Recht 370), konnte sich Willibald K***** jedenfalls wirksam zu einem Abstimmungsverhalten im Sinne des § 6 SpaltG verpflichten. Ebenso ist die Ausführung der getroffenen Auseinandersetzungsvereinbarung durch Liquidation der GmbH unter Übernahme der Liegenschaften durch Willibald K***** und des Unternehmens durch Helga K***** möglich; auch zu einem Abstimmungsverhalten im Sinne des § 39 Abs 1 GmbHG konnte sich Willibald K***** wirksam verpflichten.

Da Willibald K***** daher mit der Unterfertigung des gerichtlichen Vergleiches eine gültige Verpflichtung zur Mitwirkung an der Aufteilung des Vermögens der GmbH, sei es durch Unterfertigung des erforderlichen Notariatsaktes, sei es durch ein entsprechendes Abstimmungsverhalten, übernommen hat, wurde entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes auch sein Anspruch auf Übertragung der gegenständlichen Liegenschaft wirksam begründet.

Da die Gegnerin der gefährdeten Partei in ihrem Rekurs ON 3 AS 17 f die Führung von Verkaufsverhandlungen ihrerseits betreffend die gegenständliche Liegenschaft selbst ausdrücklich als bescheinigt zugesteht, also zugibt, ist auch die Gefahrenbescheinigung erbracht, zumal die von der gefährdeten Partei behauptete drohende Schädigung evident erscheint.

Demgemäß war der erstgerichtliche Beschluß wieder herzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 78 und 402 Abs 2 EO sowie § 52 ZPO.

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