OGH 3Ob512/95

OGH3Ob512/9513.3.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*****, vertreten durch Dr.Wilhelm Klade, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ing.Richard L*****, wegen S 76.170,34 sA, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 19.Oktober 1994, GZ 42 R 560/93-8, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 24.September 1993, GZ 7 C 1823/93s-5, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben, soweit sie das auf Bezahlung von S 76.170,34 sA gerichtete und das in der Klage unter Punkt 1 gestellte Feststellungsbegehren betreffen. Dem Erstgericht wird aufgetragen, über diese Begehren unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden.

Im übrigen, also soweit die angefochtene Entscheidung das in der Klage unter Punkt 2 gestellte Eventualbegehren betrifft, wird sie bestätigt.

Die Rechtsmittelkosten sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die klagende Partei begehrt vom Beklagten mit ihrem Hauptbegehren die Bezahlung von S 76.170,34 sA. Außerdem stellte sie ein Eventualbegehren auf Feststellung, daß der Beklagte den angeführten Betrag infolge Fortsetzung verschiedener, im einzelnen näher bezeichnete Exekutionsverfahren schulde und daß in zwei näher bezeichneten Entscheidungen des Exekutionsgerichtes Wien und des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien in den Tatsachenfeststellungen (Sachverhalt) zu Unrecht festgestellt worden sei, daß sie in den Jahren 1983 bis 1989 und seit 1989 keine Exekutionshandlungen gesetzt hat. In einem weiteren Eventualbegehren wird der Ausspruch begehrt, daß der Anspruch der klagenden Partei aus dem Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 19.5.1983 infolge Fortsetzung des angeführten Exekutionsverfahren nicht erloschen sei.

Die klagende Partei bringt hiezu vor, daß der Beklagte mit dem Versäumungsurteil des Handelsgerichtes Wien vom 19.5.1983 schuldig erkannt worden sei, ihr S 34.663,29 sA zu zahlen. Sie habe zur Hereinbringung dieser Forderung verschiedene Exekutionshandlungen unternommen. Der Beklagte habe eine Klage gemäß den §§ 35 und 36 EO eingebracht, die er darauf gestützt habe, daß mit ihm ein außergerichtlicher Ausgleich geschlossen worden sei, wonach er beginnend ab 15.10.1985 eine Quote von 40 % in 36 Monatsraten zu je S 546,13 bezahlen müsse. Er habe darin weiters ausgeführt, daß mit den Ratenzahlungen zwar erst am 15.2.1986 begonnen worden sei, daß die klagende Partei dem aber zumindest stillschweigend zugestimmt und das Wiederaufleben ihrer Forderung nicht geltend gemacht habe. Das Exekutionsgericht Wien habe dem Klagebegehren des nunmehr Beklagten stattgegeben, wobei es davon ausgegangen sei, daß seit dem Jahr 1988 keine Exekutionshandlungen vorgenommen worden seien und die Forderung deshalb und infolge der unkommentierten Entgegennahme sämtlicher Zahlungen erloschen sei. In der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung habe sie (klagende Partei) vorgebracht, daß ständig Exekutionshandlungen durchgeführt worden seien. Darauf sei unter Hinweis auf das Neuerungsverbot nicht Bedacht genommen worden. Eine Wiederaufnahmsklage, die darauf gestützt worden sei, daß sie ständig Exekutionshandlungen unternommen habe und daß deshalb eine materiell unrichtige Entscheidung im Vorprozeß vorliege, sei erfolglos geblieben. Die nunmehr eingebrachte Klage werde auf alle erdenklichen Rechtsgründe, insbesondere auf einen bereicherungsrechtlichen Anspruch, gestützt. Der Beklagte sei bereichert, weil sie die Kosten ihres Rechtsfreundes zahlen und einen Zinsendienst von 15 % im Jahr leisten habe müssen. Im eingeklagten Betrag seien S 34.663,29 an Kapital, S 60.816,13 an Zinsen einschließlich 18 % Umsatzsteuer seit 20.5.1983 und S 6.911,92 an restlichen Kosten enthalten; hievon seien die von ihr dem Beklagten zu ersetzenden Kosten von S 26.221,-- abzuziehen.

Das Erstgericht wies die Klage vor der Zustellung an den Beklagten wegen rechtkräftig entschiedener Streitsache zurück. Im Oppositionsstreit sei rechtskräftig festgestellt worden, daß der Anspruch der klagenden Partei aufgrund des außergerichtlichen Ausgleichs erloschen sei. Von den über die Oppositionsklage ergangenen Entscheidungen werde auch das kontradiktorische Gegenteil erfaßt, weshalb einer Klage, die sich auf dieses Gegenteil stützt, die Rechtskraft dieser Entscheidungen entgegenstehe.

Das Rekursgericht bestätigte infolge Rekurses der klagenden Partei diesen Beschluß des Erstgerichtes und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Durch die Urteile im Oppositionsprozeß sei endgültig über den Bestand des im Exekutionstitel verbrieften Anspruchs entschieden worden. Die Rechtskraft der dort ergangenen Urteile erstrecke sich auch auf alle notwendigen logischen Folgerungen aus dem Spruch. Es könne daher insbesondere nicht das begriffliche Gegenteil der bereits rechtskräftig entschiedenen Sache begehrt werden. Dies treffe hier aber sowohl auf das Hauptbegehren als auch auf die beiden Eventualbegehren zu.

Der von der klagenden Partei gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof gemäß § 526 Abs 2 ZPO nicht bindenden - Ausspruch des Rekursgerichtes zulässig, weil die angefochtene Entscheidung der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht entspricht. Der Zulässigkeit steht auch die Bestimmung des § 528 Abs 2 Z 1 ZPO nicht entgegen. In der eingeklagten Forderung sind zwar Nebengebühren enthalten. Sie bilden aber einen Teil der auf einen einheitlichen Rechtsgrund gestützten gesamten Klagsforderung und werden deshalb nicht als Nebenforderungen geltend gemacht, weshalb § 54 Abs 2 JN nicht anzuwenden ist und der Entscheidungsgegenstand daher S 50.000,-- übersteigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist auch teilweise berechtigt.

Die klagende Partei leitet die mit dem Hauptbegehren geltend gemachte Forderung daraus ab, daß die Entscheidungen im Oppositionsstreit unrichtig seien und daß der Beklagte deshalb bereichert sei, weil er infolge von unrichtigen gerichtlichen Entscheidungen weniger bezahlen habe müssen, als er geschuldet habe. Dieser Anspruch ist aber von jenem verschieden, der den Gegenstand des Oppositionsstreites bildete. Dort war allein darüber zu entscheiden, ob der der klagenden Partei im Versäumungsurteil zuerkannte Anspruch erloschen ist. Der hier mit dem Hauptbegehren geltend gemachte Anspruch bildet auch nicht das begriffliche Gegenteil des den Gegenstand des Oppositionsstreites bildenden Anspruchs, in welchem Fall ebenfalls das Prozeßhindernis der materiellen Rechtskraft gegeben sein könnte (Fasching, Komm III 705 und ZPR2 Rz 1517; dieser nur für den Fall der "reinen Negation"; allgemein Rechberger in Rechberger, ZPO Rz 8 zu § 411; Rechberger/Simotta, ZPR4 Rz 700). Das begriffliche Gegenteil zur Entscheidung im Oppositionsstreit ist, daß der der klagenden Partei im Versäumungsurteil zuerkannte Anspruch noch besteht. Dies hat die klagende Partei aber mit dem Hauptbegehren nicht geltend gemacht, sie hat dieses Begehren vielmehr auf einen anderen Rechtsgrund als die Zuerkennung durch das Versäumungsurteil gestützt.

Das Gesagte gilt in gleicher Weise für das erste Eventualbegehren, in dem im wesentlichen das Leistungsbegehren in die Form eines Feststellungsbegehren gekleidet wird und nur Gründe für dessen Berechtigung angeführt werden. Sowohl dem Hauptbegehren als auch dem ersten Eventualbegehren steht daher die Rechtskraft des im Oppositionsstreit ergangenen Urteils nicht entgegen, weil die hiefür erforderliche Identität des Anspruchs (JBl 1994, 482 ua) nicht gegeben ist. Etwas anderes gilt nur für das zweite Eventualbegehren, das mit den Entscheidungen im Oppositionsstreit unvereinbar und daher von diesen Entscheidungen bereits erfaßt ist. Da es sich dabei um die "reine Negation" handelt, muß auf die bereits zitierten, von einander abweichenden Ansichten Faschings und Rechbergers bzw Rechberger/Simottas (vgl auch SZ 55/74 und EvBl 1969/6) nicht eingegangen werden.

Die Zurückweisung des zweiten Eventualbegehrens kann schon jetzt ausgesprochen werden, obwohl über das Hauptbegehren noch nicht entschieden wurde und ein Eventualbegehren nur als für den Fall gestellt anzusehen ist, daß das Hauptbegehren ab-, allenfalls auch zurückgewiesen wird (Miet 39.750; SZ48/19 ua; ausdrücklich nur für den Fall der Abweisung 6 Ob 543/91; auch für den Fall der Zurückweisung 5 Ob 695/82). Dies bedeutet aber nur, daß über das Eventualbegehren erst verhandelt und in der Sache entschieden werden darf, wenn das Hauptbegehren schon erledigt wurde. Ist das Eventualbegehren unzulässig und nicht geeignet, daß hierüber in der Sache entschieden wird, so besteht kein Grund, diese Entscheidung bis zur Erledigung des Hauptbegehrens aufzuschieben (so für den Fall eines als Klagsänderung zu behandelnden Eventualbegehrens schon 4 Ob 91, 92/73).

Hinzuweisen ist abschließend darauf, daß hier nicht zu beurteilen war, ob dem Hauptbegehren oder dem ersten Eventualbegehren ein Erfolg beschieden sein kann. Selbst wenn das hiezu erstattete Vorbringen unschlüssig oder das Eventualbegehren etwa schon mangels Feststellungsinteresse unberechtigt wäre, müßte hierüber eine mündliche Verhandlung durchgeführt und mit Urteil in der Sache entschieden werden. In Betracht kommt vor allem die Bindungswirkung, die mit der materiellen Rechtskraft der im Oppositionsstreit ergangenen Entscheidungen verbunden ist. Sie kam zwar durch eine im materiellen Recht begründete Klage nicht beseitigt werden, mag diese Klage auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes oder der Bereicherung gestützt werden (EvBl 1971/332; SZ 49/81; 1 Ob 527/94). Die Bindungswirkung äußert sich aber nur darin, daß das Gericht der zweiten Entscheidung die rechtskräftige erste Entscheidung zugrundezulegen hat, sie ändert aber nichts daran, daß über das zweite Begehren mit Sachentscheidung abzusprechen ist (EF 70.550; SZ 60/43; SZ 55/74; RZ 1977/49; 1 Ob 527/94; 1 Ob 576/92). Diese Entscheidung war dem Erstgericht aufzutragen.

Der Ausspruch über die Rechtsmittelkosten beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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