European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1995:0010OB00534.950.0227.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 4.871,04 (darin enthalten S 811,84 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung leaste mit Vertrag vom 15.11.1984 von der klagenden Partei ein Schiservice‑Gerät. Zum 1.8.1986 trat der Beklagte anstelle dieser Gesellschaft in den Leasing‑Vertrag ein. Ende Dezember 1986 wurde der Vertrag, da der Beklagte seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkam, vorzeitig aufgelöst. Die Forderung der klagenden Partei aus dem Leasing‑Vertrag beträgt unbestrittenermaßen S 62.413,02.
Am 20.2.1987 brachte die klagende Partei die vorliegende Klage ein. Diese konnte dem Beklagten infolge unbekannten Aufenthalts trotz zweier Anträge auf neuerliche Zustellung erst aufgrund eines Zustellantrags vom 7.3.1994 zugestellt werden. Bereits mit Schriftsatz vom 14.12.1987 hatte der Klagevertreter der Staatsanwaltschaft Innsbruck mitgeteilt, daß der Beklagte als Gesellschafter und Geschäftsführer der schon genannten Gesellschaft mit der klagenden Partei einen Leasingvertrag über ein Schiservice‑Gerät abgeschlossen habe, der dem Beklagten Ende Juli 1986 persönlich überbunden worden sei. Er teilte der Staatsanwaltschaft Innsbruck auch mit, daß der Verdacht des Betrugs, allenfalls der Krida bestehe, und sich die klagende Partei als Privatbeteiligte einem etwaigen Strafverfahren mit einer Forderung von S 68.248,02 anschließe.
Am 12.6.1987 erließ das Landesgericht Innsbruck einen Haftbefehl gegen den Beklagten, der unbekannten Aufenthalts war. Das Strafverfahren wurde gemäß § 412 StPO vorläufig abgebrochen. Nachdem am 3.3.1993 vom österreichischen Generalkonsulat in Frankfurt am Main mitgeteilt worden war, daß der Beklagte wieder in Deutschland wohnhaft sei, erließ das Landesgericht Innsbruck am 4.8.1993 neuerlich einen Haftbefehl gegen den Beklagten. Dieser wurde am 15.12.1993 in Deutschland festgenommen und nach Österreich zur Strafverfolgung ausgeliefert. Am 2.3.1994 erhielt der Klagevertreter als Privatbeteiligtenvertreter im Strafverfahren gegen den Beklagten eine Ladung zur für den 28.6.1994 anberaumten Hauptverhandlung. Daraufhin ermittelte er unverzüglich die Adresse des Beklagten aus dem Strafakt und stellte am 7.3.1994 einen neuerlichen Antrag auf Zustellung der vorliegenden Klage an den Beklagten.
Der Klagevertreter hatte sich, nachdem die Klage infolge unbekannten Aufenthalts des Beklagten diesem nicht hatte zugestellt werden können, immer wieder in der jeweils zuständigen Abteilung nach dem Stand des Strafverfahrens erkundigt. Es wurde ihm mitgeteilt, daß es nichts Neues gebe und der Beklagte nicht habe aufgefunden werden können. Der Klagevertreter setzte sich auch mit dem Vater des Beklagten in Verbindung und ersuchte diesen um Bekanntgabe der Anschrift seines Sohnes. Darauf reagierte der Vater des Beklagten nicht. Die klagende Partei beantragte die Bestellung eines Zustellkurators nicht, weil sie das Kostenrisiko scheute und hoffte, der Beklagte werde im Strafverfahren ausfindig gemacht werden können.
Mit der vorliegenden Klage begehrte die klagende Partei vom Beklagten S 62.413,02 samt 14,4 % Zinsen seit 1.10.1986 zuzüglich 20 % USt aus den Zinsen. Aus der Auflösung des zuvor genannten Leasingvertrags stünde ihr der eingeklagte Betrag zu; der Beklagte habe ab Oktober 1986 keine Zahlungen geleistet.
Der Beklagte wendete lediglich ein, daß die Forderung verjährt sei. Nach (fristgerechter) Klagseinbringung und einem Zustellantrag am 6.3.1987 habe die klagende Partei im vorliegenden Verfahren keine weiteren Schritte unternommen. Sie habe insbesondere nicht die Bestellung eines Prozeß‑ oder Abwesenheitskurators beantragt. Durch ihre sieben Jahre währende Untätigkeit habe sie zu erkennen gegeben, daß sie an der Durchsetzung ihrer Ansprüche nicht ernsthaft interessiert sei.
Die klagende Partei erwiderte, sie habe sich wiederholt über den Stand des gegen den Beklagten geführten Strafverfahrens erkundigt; durch den Privatbeteiligtenanschluß im Strafverfahren sei die Verjährung unterbrochen worden.
Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, der klagenden Partei S 62.413,02 samt 14,4 % Zinsen seit 23.12.1986 zuzüglich 20 % USt aus den Zinsen zu bezahlen; das Zinsenmehrbegehren wies es ab. Die eingeklagte Forderung sei, da sich die klagende Partei als Privatbeteiligte dem gegen den Beklagten geführten Strafverfahren mit einem Betrag von S 68.248,02 angeschlossen habe, nicht verjährt. Eine „ungewöhnliche Untätigkeit“ der klagenden Partei liege nicht vor.
Das Berufungsgericht gab der vom Beklagten erhobenen Berufung nicht Folge; es sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der Anschluß als Privatbeteiligte habe die Verjährung unterbrochen, weil die klagende Partei im Straf‑ und im Zivilverfahren idente Ansprüche geltend gemacht hat, nämlich solche aus der vorzeitigen Auflösung des Leasing‑Vertrags über ein Schiservice‑Gerät. Es ergebe sich aus dem Klagebegehren und aus dem Privatbeteiligtenanschluß eindeutig, welchen Zuspruch die klagende Partei verlange. Sie habe das vorliegende Zivilverfahren auch gehörig fortgesetzt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Beklagten ist nicht berechtigt.
Grundsätzlich unterbricht der Anschluß eines Geschädigten als Privatbeteiligter im Strafverfahren gegen den Schädiger die Verjährung der Schadenersatzforderung unter der Voraussetzung der gehörigen Fortsetzung der Klage nach § 1497 ABGB (Schubert in Rummel, ABGB2, Rz 11 zu § 1497; EvBl 1974/63; ZVR 1974/79; JBl 1960, 446; ZVR 1960/52; JBl 1958, 235 uva). Dies gilt für jeden in einem Strafverfahren geltend gemachten privatrechtlichen Anspruch; es muß sich nur um einen vermögensrechtlichen Schaden handeln, der unmittelbar oder mittelbar durch die strafbare, von Amts wegen zu verfolgende Handlung entstanden ist. Dabei reicht es aus, wenn das Bestehen eines aus der Straftat entstandenen, im Zivilrechtsweg geltend zu machenden Anspruchs schlüssig behauptet wird und sich ein Zusammenhang zwischen Tat und Anspruch ableiten läßt. Erkennbar muß sein, weswegen der Privatbeteiligte Ersatz verlangt (Foregger‑Kodek, StPO6, II der Erläuterungen zu § 47). Die von der klagenden Partei im Straf‑ und im Zivilverfahren geltend gemachten Ansprüche sind eindeutig ident; es ergibt sich aus den jeweiligen Begehren ganz klar, welchen Zuspruch sie verlangt (vgl SZ 51/122; ZVR 1985/129; ZVR 1957/126; SZ 29/72). Maßgeblich ist nicht der Rechtsgrund, aufgrund dessen eine Forderung erhoben wird, sondern ob im Straf‑ und im Zivilverfahren der gleiche vermögensrechtliche Nachteil geltend gemacht, der Schädiger also im Sinne des § 1497 ABGB vom Berechtigten wegen eines ihm zustehenden Rechtes belangt wurde (vgl ZVR 1960/52; JBl 1958, 235). Der Anschluß als Privatbeteiligter in einem Strafverfahren gegen den Schädiger wegen eines privatrechtlichen Anspruchs steht insofern der Erhebung einer Schadenersatzklage gleich, als dadurch die Verjährung der Schadenersatzforderung unterbrochen wird (ZVR 1974/79 ua). Hätte sich also die klagende Partei nur dem Strafverfahren als Privatbeteiligte angeschlossen und erst jetzt bzw nach Abschluß des Strafverfahrens ‑ selbst bei einem erfolgten Freispruch ‑ die Klage eingebracht, wäre die Unterbrechungswirkung des Privatbeteiligtenanschlusses nicht zweifelhaft. Umso mehr muß die Unterbrechungswirkung dann bejaht werden, wenn die Klage bereits vor der Erklärung des Privatbeteiligtenanschlusses im Strafverfahren eingebracht war.
Die vom Revisionswerber zitierten Entscheidungen (SZ 26/217; JBl 1961, 161; RZ 1956, 12; JBl 1949, 576) sind mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar: Sie behandeln die Identität von Forderungen in bezug auf den Eintritt der Rechtskraft einer Entscheidung, nicht aber die Frage, inwieweit sich die im Zuge eines Privatbeteiligtenanschlusses im Strafverfahren geltend gemachten Ansprüche mit dem Begehren im Zivilrechtsstreit decken müssen.
Von einer „nicht gehörigen Fortsetzung“ der Klage im Sinne einer beharrlichen Nichtbetätigung und mangelnden Interesses an der Fortsetzung des Verfahrens kann nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht die Rede sein (siehe hiezu 8 Ob 36/84; 8 Ob 515/83; JBl 1980, 98; SZ 52/30; EvBl 1973/17; SZ 45/97; SZ 42/54; EvBl 1965/144; vgl EvBl 1994/166; Arb 9861, 9514; Schubert aaO, Rz 10 zu § 1497).
Der Revision ist nicht Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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