OGH 1Ob613/94

OGH1Ob613/9423.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 7.12.1992 verstorbenen Anna F*****, wohnhaft gewesen, infolge von Revisionsrekursen von 1.) der erbl. Schwester Margaretha S*****, vertreten durch Dr. Gernot Kusatz, Rechtsanwalt in Wels, und 2.) Ing. Rudolf P*****, vertreten durch Dr. Ulrich Schwab und Dr. Georg Schwab, Rechtsanwälte in Wels, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 27. Juli 1994, GZ R 643/94-31, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 8. April 1994, GZ 1 A 1132/92-25, teilweise aufgehoben und der Rekurs des Zweitrevisionsrekurswerbers gegen diesen Beschluß teilweise zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

1.) Dem Revisionsrekurs der erbl. Schwester wird nicht Folge gegeben; aus Anlaß dieses Rechtsmittels wird der rekursgerichtliche Beschluß indessen als nichtig aufgehoben, soweit das Gericht zweiter Instanz den erstgerichtlichen Beschluß in dessen Punkten 2., 3. und 5. aufgehoben hat, und der Rekurs des Zweitrevisionsrekurswerbers an das Gericht zweiter Instanz in diesem Umfang zurückgewiesen.

2.) Dem ordentlichen Revisionsrekurs des Zweitrevisionsrekurswerbers wird soweit Folge gegeben, als das Erstgericht in Punkt 4. seines Beschlusses die Bank von der Verfügungsberechtigung der erbl. Schwester über die dort näher bezeichneten Sparguthaben verständigt hat, und die Beschlüsse der Vorinstanzen in diesem Umfang (ersatzlos) aufgehoben.

3.) Dagegen werden der außerordentliche Revisionsrekurs des Zweitrevisionsrekurswerbers gegen Punkt 1. des rekursgerichtlichen Beschluß und dessen ordentlicher Revisionsrekurs, soweit sich dieser gegen die zweitinstanzliche Entscheidung im Ausspruch über Punkt 2. und 3. des erstinstanzlichen Beschlusses wendet, zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die erbl. Schwester hat als Testamentserbin die unbedingte Erbserklärung abgegeben; die pflichtteilsberechtigten Eltern der Erblasserin haben auf ihre Ansprüche verzichtet. Das eidesstättige Vermögensbekenntnis vom 17.2.1993 weist Aktiven von S 340.453,52 und Passiven von S 116.055,87 aus. Vier von der Erbin bei der Todfallsaufnahme als weiterer Nachlaß bezeichnete, jedoch in Verwahrung des Zweitrevisionsrekurswerbers befindliche Sparbücher wurden in das eidesstättige Vermögensbekenntnis nicht aufgenommen.

Mit Beschluß vom 17.3.1993 legte das Erstgericht das eidesstättige Vermögensbekenntnis der Verlassenschaftsabhandlung zugrunde und erklärte diese für beendet. Gleichzeitig erließ es die Einantwortungsurkunde, mit der es den Nachlaß der Testamentserbin zur Gänze einantwortete. Mit Beschluß vom 27.8.1993 berichtigte das Erstgericht das in der Einantwortungsurkunde unrichtig bezeichnete Datum der Testamentserrichtung.

Am 31.1.1994 beantragte die Testamentserbin die Nachtragsabhandlung wegen erst später hervorgekommenen Nachlaßvermögens. Sie habe nunmehr die Aufzeichnungen der Erblasserin über einzelne Zahlungen und die in Drittverwahrung befindlichen fünf Sparbücher der Erblasserin aufgefunden.

Das Erstgericht beauftragte den Gerichtskommissär mit der Durchführung einer Nachtragsabhandlung, in der das eidesstättige Vermögensbekenntnis durch Aufnahme von fünf näher bezeichneten Sparbüchern mit einem Gesamtguthaben von S 2,263.452,89 am 7.3.1994 ergänzt wurde. Die Erbin brachte dazu vor, die Erblasserin habe diese Sparbücher dem Zweitrevisionsrekurswerber mit dem Auftrag übergeben, die Gelder einer besseren Veranlagung zuzuführen. Die Sparbücher befänden sich auch derzeit noch in dessen Händen, die Erblasserin habe indessen den Willen zum Besitz an diesen Sparbüchern niemals aufgegeben.

Mit Beschluß vom 8.4.1994 ordnete das Erstgericht die Einleitung der Nachtragsabhandlung an (Punkt 1.), wies die fünf Sparbücher mit einem Einlagestand von S 2,263.452,89 der Testamentserbin zu (Punkt 2), berichtigte das eidesstättige Vermögensbekenntnis durch Aufnahme dieser Sparguthaben dahin, daß der reine Nachlaß nunmehr S 2,486.550,54 betrage (Punkt 3.), verständigte die Bank von der Verfügungsberechtigung der Erbin über diese Sparbücher (Punkt 4.) und bestimmte im Punkt 5. die Gebühren des Gerichtskommissärs.

Das Gericht zweiter Instanz wies den Rekurs des Zweitrevisionsrekurswerbers, soweit dieser gegen Punkt 1 des erstinstanzlichen Beschlusses gerichtet war, zurück und hob den Beschluß in Stattgebung dieses Rechtsmittels im übrigen Umfang auf. In diesem Umfang trug es dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es führte dazu aus, werde durch die abhandlungsgerichtliche Entscheidung in das von einem Dritten behauptete Eigentumsrecht eingegriffen, sei dagegen ein Rechtsmittel statthaft, weil dessen rechtlich geschützte Interessen beeinträchtigt würden. Ob ihm die beanspruchten Vermögenswerte tatsächlich zustünden, habe auf dessen Rekurslegitimation keinen Einfluß. Grundsätzlich werde einem Dritten, der sich gegen die Aufnahme bestimmter, angeblich ihm gehöriger Gegenstände in das Inventar wende, das Rekursrecht zugebilligt, weil er eigene Rechte geltend mache; das gelte auch für die Aufnahme eines solchen Vermögenswerts in das eidesstättige Vermögensbekenntnis. Da der Zweitrevisionsrekurswerber die Sparbücher für sich beanspruche, sei sein Rekursrecht zu bejahen, soweit er sich gegen deren Aufnahme in das eidesstättige Vermögensbekenntnis, deren Zuweisung an die Erbin und die Erteilung der Verfügungsberechtigung wende.

Das eidesstättige Vermögensbekenntnis sei zwar vom Verlassenschaftsgericht nicht auf seine Richtigkeit zu prüfen, es seien daher auch einzelne nach Inventarrecht nicht in den Nachlaß gehörige Aktiven oder Passiven nicht auszuscheiden, da aber der Oberste Gerichtshof in SZ 35/94 das Rekursrecht des Dritten gegen die Aufnahme eines von diesem beanspruchten Gegenstands in das Vermögensbekenntnis bejaht habe, müsse in einem solchen Fall im Verfahren außer Streitsachen der Besitz des Erblassers am Todestag geklärt werden. Die der Nachtragsabhandlung zugrundeliegenden Sparbücher hätten sich am Todestag nicht in der Gewahrsame der Erblasserin befunden; die Erbin behaupte aber, die Erblasserin habe die Sparbücher dem Zweitrevisionsrekurswerber nur zur besseren Veranlagung der Spargelder übergeben. Sollte diese Behauptung richtig sein, wären die Sparbücher in das Vermögensbekenntnis aufzunehmen. Angesichts der gegensätzlichen Behauptungen der beiden Revisionsrekurswerber müsse die Besitzfrage durch geeignete Erhebungen geklärt werden. Sollte der Besitz der Erblasserin am Todestag erweislich sein, könne auch die Auskunft der Bank über den Einlagestand verwertet werden; die Bank dürfe aber erst zur Auskunft aufgefordert werden, wenn ausreichende Anhaltspunkte dafür sprechen, daß die Erblasserin Kontoinhaberin sei. Deshalb sei der bekämpfte Beschluß in seinem Punkten 2. bis 4. aufzuheben, was zur Folge habe, daß er auch in seinem Punkt 5. (über die Bestimmung der Gerichtskommissionsgebühren) zu kassieren sei. Ein Rekursrecht gegen die Beschlußfassung auf Einleitung der Nachtragsabhandlung stünde dem Inhaber der Sparbücher aber nicht zu. Gegen die Aufhebung der Punkte 2 - 5 des erstgerichtlichen Beschlusses ließ das Rekursgericht den (ordentlichen) Revisionsrekurs zu, nicht aber im Umfang der Zurückweisung des Rechtsmittels.

Gegen diesen Beschluß richten sich die Revisionsrekurse der erbl. Schwester (in dessen Punkt 2.), der außerordentliche Revisionsrekurs des Inhabers der fünf Sparbücher gegen dessen Punkt 1. und dessen ordentlicher Revisionsrekurs gegen dessen Punkt 2. (im Umfang der Punkte 2 bis 4 des erstgerichtlichen Beschlusses).

Rechtliche Beurteilung

A.) Zum Revisionsrekurs der erbl. Schwester:

Dieses Rechtsmittel ist zwar nicht berechtigt, weil es den aufhebenden Teil des rekursgerichtlichen Beschlusses lediglich mit der Behauptung bekämpft, die Verfahrensergebnisse erster Instanz reichten zur Annahme aus, daß die Erblasserin zur Zeit ihres Todes Besitzerin der Sparbücher gewesen sei, dem Antrag auf Einleitung der Nachtragsabhandlung aber nur stattzugeben ist, wenn der Antragsteller bescheinigt, daß die strittigen Sparbücher Nachlaßvermögen sind (NZ 1985, 54 ua), und der Oberste Gerichtshof nicht überprüfen kann, ob die vom Gericht zweiter Instanz auf der Grundlage einer richtigen Rechtsauffassung angeordnete Verfahrensergänzung auch in der Tat notwendig ist, aus Anlaß dieses - zulässigen - Rechtsmittels ist jedoch von Amts wegen zu untersuchen, ob der Inhaber der Sparbücher überhaupt zum Rekurs gegen den erstinstanzlichen Beschluß legitimiert war und das Gericht zweiter Instanz daher nicht in die (Teil-)Rechtskraft dieses Beschlusses eingegriffen hat. Das ist aber - mit Ausnahme des Punktes 3. dieses Beschlusses - zu bejahen:

Durch das Abhandlungsverfahren soll lediglich geklärt werden, wem der Nachlaß einzuantworten ist; außer den Personen, die zu Erben berufen sind, sind bestimmten Personen gewisse Rechte - so vor allem den Vermächtnisnehmern, den Pflichtteilsberechtigten und den übrigen Nachlaßgläubigern die in den §§ 811 bis 815 ABGB umschriebenen Rechte - als Verfahrensbeteiligte eingeräumt; darüber hinaus bleibt ihnen allerdings die Einflußnahme auf die Verlassenschaftsabhandlung verwehrt (ZfRV 1989, 153 ua). Der Inhaber der fünf Sparbücher, derentwegen die erbl. Schwester als Alleinerbin die Einleitung der Nachtragsabhandlung begehrt hat, kann indessen nicht einmal eine solche Beteiligtenstellung ins Treffen führen, weil er lediglich behauptet, die Sparbücher seien nie im Besitz der Erblasserin gewesen und gehörten daher auch nicht zu deren Nachlaß.

Mit der Entantwortung werden dem Erben nicht mehr Rechte übertragen, als der Erblasser hatte (NZ 1973, 15 ua), sie verschafft dem Erben also kein materielles Recht an Vermögensschaften, die in Wahrheit nicht zum Nachlaß gehören; sie kann auch nicht als Beweis seines Eigentums verwendet werden, sondern legitimiert ihn bloß, als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers Ansprüche auf von der Einantwortung betroffene Gegenstände im Rechtsweg geltend zu machen. Durch die Nachtragsabhandlung (§ 179 Abs 1 AußStrG), in der weder eine neuerliche Erbserklärung abzugeben, noch eine weitere Einantwortung stattfindet und in der das Inventur bzw das eidesstättige Vermögensbekenntnis lediglich zu ergänzen ist (NZ 1985, 45; EvBl 1968/98 ua), wird das neu hervorgekommene Verlassenschaftsvermögen dem Erben auch nur auf der Grundlage der schon verfügten Einantwortung zugewiesen, sodaß der Erbe in Wahrheit damit keinerlei Änderung in seiner Rechtsstellung erfährt. Demgemäß wird aber auch die Rechtsphäre jener Personen, die behaupten, Eigentümer oder wenigstens Besitzer von in die Abhandlung einbezogener Vermögensschaften zu sein, nicht berührt. Behauptet die Erbin, daß die neu hervorgekommenen Gegenstände (siehe also die fünf Sparbücher) zum Nachlaß gehören, kann sie ihre Rechte an diesen Sachen im Rechtsweg geltend machen, ob nun eine Nachtragsabhandlung durchgeführt wurde oder nicht. Die Rechtstellung des Dritten bleibt unberührt, auch wenn das um die von ihm beanspruchten Gegenstände ergänzte eidesstättige Vermögensbekenntnis - wie hier - der Nachtragsabhandlung zugrundegelegt und dieses Vermögen der Erbin zugewiesen wurde. Nach wie vor befinden sich die Sparbücher ohnehin in der Gewahrsame des Zweitrevisionsrekurswerbers; durch die Aufnahme in das (ergänzte) Vermögensbekenntnis und die Zuweisung an die Erbin wird, wenn die Erbin die behaupteten Rechte durchsetzen will, der unvermeidbare Rechtsstreit ebensowenig präjudiziert, wie wenn das Vermögensbekenntnis nicht ergänzt worden, ja die Nachtragsabhandlung überhaupt unterblieben wäre; die Einbeziehung von Gegenständen in das Abhandlungsverfahren oder in eine Nachtragsabhandlung schafft gegen denjenigen, der sein Eigentum oder seinen Besitz daran behauptet, keineswegs eine Vermutung, daß dem nicht so sei (SZ 42/109 ua). Der in zweiter Instanz als Rekurswerber aufgetretene Inhaber der von der Erbin als Nachlaßvermögen beanspruchten Sparbücher entbehrte somit jedweder Beschwer, soweit er sich gegen die Einleitung der Nachtragsabhandlung, die überdies schon deshalb geboten war, um den Antrag der Erbin prüfen zu können, die Ergänzung des eidesstättigen Vermögensbekenntnisses, dessen Bedeutung sich ohnedies darin erschöpft, daß es der Abhandlung zugrundegelegt wird (EvBl 1974/226 ua), und die Zuweisung des Vermögens an die Einantwortungserbin richtete; das Rechtsmittel wäre daher vom Gericht zweiter Instanz in diesem Umfang zurückzuweisen gewesen, was aus Anlaß des zulässigen Rechtsmittels der erbl. Schwester nun vom Obersten Gerichtshof zur Vermeidung eines unzulässigen Eingriffs in die (Teil-)Rechtskraft des erstgerichtlichen Beschlusses in diesem Umfang nachzuholen ist.

Soweit in einzelnen Entscheidungen dem Dritten ein Rekursrecht zugebilligt wurde, war dessen Rechtsstellung nach der gegebenen Sachlage tatsächlich beeinträchtigt, weil etwa dem erbserklärten Erben die Besorgung und Verwaltung auch dieser (unbeweglichen) Sachen bewilligt und diese Liegenschaft in die Verbücherungsklausel der Einantwortungsurkunde aufgenommen wurde (SZ 35/94) oder dem Dritten durch die Verfügung des Abhandlungsgerichtes ein Verfügungsrecht entzogen wurde (SZ 23/246); soweit dem Dritten dagegen ein Rechtsmittel ohne Prüfung seiner Rechtstellung zugestanden wurde (etwa in NZ 1969, 120), kann diese Auffassung nicht geteilt werden.

B.) Zu den Revisionsrekursen des Inhabers der Sparbücher:

Soweit die beiden Rechtsmittel zurückgewiesen werden, kann der Revisionsrekurswerber auf die Erwägungen zur Erledigung des Rechtsmittels der erbl. Schwester verwiesen werden: Er entbehrt jedweder Beschwer.

Anders liegen die Dinge indessen, soweit er sich gegen die Verständigung der Bank, die die fünf Sparbücher ausgegeben hat, dahin wendet, daß die erbl. Schwester hierüber nun verfügungsberechtigt sei. Damit wird massiv in die Rechtstellung des Inhabers der Sparbücher eingegriffen, weil er nun Gefahr laufen könnte, daß ihm die Bank angesichts der Verständigung durch das Verlassenschaftsgericht weitere Verfügungen über die Sparguthaben verwehrt, zumal sie dem Inhaber von Sparbüchern als Legitimationspapieren bei deren Vorlage den Nachweis der materiellen Berechtigung abfordern kann (EvBl 1985/160 ua); das liegt nahe, weil der Beschluß des Abhandlungsgerichtes der erbl. Schwester den Anschein der verfügungsberechtigten Eigentümerin der Sparbücher verleiht. Durch diesen Eingriff in die Rechtsphäre des Inhabers der Sparbücher hat das Erstgericht seine abhandlungsgerichtliche Kompetenz überschritten, sodaß die Beschlüsse der Vorinstanzen im Umfang des Punkt 4. des erstgerichtlichen Beschlusses in Stattgebung des soweit zulässigen ordentlichen Revisionsrekurses des Inhabers der Sparbücher (ersatzlos) zu beheben ist. Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte