Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die Erblasserin setzte in einem Testament ihre volljährige Tochter Csilla H***** zur Alleinerbin ein. Die minderjährige Tochter ihres vorverstorbenen Sohnes ist pflichtteilsberechtigt. Die Erbin hat auf Grund des Testamtes zum gesamten Nachlaß die unbedingte Erbserklärung abgegeben, die Pflichtteilsberechtigte hat die Inventierung des Nachlasses und die Pflichtteilsausweisung gemäß § 162 AußStrG beantragt. Der Gerichtskommissär errichtete unter Beiziehung der Beteiligten das Hauptinventar und eine vorläufige Pflichtteilsberechnung. Mit dem von den Parteien nicht bekämpften Beschluß ON 18 genehmigte das Erstgericht das Hauptinventar mit Bruttoaktiven von S 217.633,81 sowie eine "vorläufige Pflichtteilsberechnung" abhandlungs- und in Ansehung der minderjährigen Noterbin auch pflegschaftsbehördlich. Mit Eingabe vom 10.6.1992 (ON 22) beantragte die Pflichtteilsberechtigte unter Anführung bestimmter Umstände, aus denen sie Zweifel an der Richtigkeit des Inventars ableitete, die Erbin zur eidlichen Angabe des Nachlaßvermögens zu verhalten. Das Erstgericht vernahm hierauf die Erbin ohne Beteiligung der Pflichtteilsberechtigten zum Umfang des Nachlasses und zu den finanziellen Verhältnissen der Erblasserin (Protokoll vom 4.9.1992, ON 27) und übersandte das Protokoll dem Rechtsvertreter der pflichtteilsberechtigten Noterbin zur Stellungnahme. Daraufhin beantragte die Noterbin am 1.10.1992 (ON 29) unter Anführung eines Fragenkatalogs, aus dem zum Teil konkrete Behauptungen, zum Teil reine Anfragen über Existenz oder Verbleib von Vermögen der Erblasserin zu entnehmen sind, die Erbin nochmals zur Auskunft und sodann zur Beeidigung ihrer Angaben zu verhalten.
Das Erstgericht wies diesen Antrag ab und teilte den Akt dem Gerichtskommissär zur weiteren Abhandlungspflege zu. Es vertrat die Auffassung, das Hauptinventar sei bereits rechtskräftig genehmigt worden, damit sei den gemäß § 784 ABGB gestellten Anforderungen Genüge getan. Gemäß § 162 AußStrG sei auf eine Pflichtteilsausweisung zu dringen, wenn Zweifel bestünden, ob ein Minderjähriger im Pflichtteil verletzt sei. Im Verlassenschaftsverfahren selbst stünden dafür lediglich die Vernehmung der Erben und die Inventierung des im Besitz der Verstorbenen befindlichen Nachlaßgutes zur Verfügung. Begehre ein Noterbe jedoch die eidliche Angabe von Vermögenswerten durch die Erben, stünde ihm die Klage auf Leistung des Offenbarungseides gemäß Art XLII EGZPO zu. Es sei nicht ersichtlich, daß diese eidliche Angabe im außerstreitigen Verfahren erzwungen werden könne.
Das Rekursgericht "änderte" in teilweiser Stattgebung des Rekurses der Erbin die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es diesem "die eidliche Einvernahme der Erbin zum Umfang des Nachlasses und zu allfälligen Vorausempfängen auftrug", es wies im übrigen Umfang den Rekurs zurück und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es vertrat folgende Rechtsauffassung:
Sei ein Noterbe minderjährig oder pflegebefohlen, dürfe die Einantwortung des Nachlasses vor Erbringung eines Pflichtteilsausweises nicht erfolgen. Das Abhandlungsgericht habe auf den Pflichtteilsausweis zu dringen und danach zu prüfen, ob er den Bestimmungen der §§ 783 bis 789 ABGB entspricht. Zu diesem Zweck müsse es mit den Beteiligten - ausgehend vom durch den Erben zu erstattenden Pflichtteilsausweis - über Art und Berechnung des Pflichtteils unter Berücksichtigung der Vorempfänge und Schenkungen verhandeln, einzurechnende Posten dem Grunde und der Höhe nach erörtern und die hiebei strittigen Tat- und Rechtsfragen erheben. Der Gesetzgeber beabsichtige damit, einen Prozeß von mj.Noterben möglichst zu verhindern und alle Möglichkeiten, die im Abhandlungsverfahren genützt werden können, voll auszuschöpfen. Es bedürfe nach der vorliegenden Verfahrenslage noch nicht der Lösung der Frage, ob der Noterbe vom Erben (persönlich) im Verlassenschaftsverfahren die eidliche Vermögens- und Schuldenangabe nach Art XLII EGZPO begehren könne, weil das maßgebliche Bestreben der Noterbin in erster Instanz noch nicht über die Durchführung einer Beweisaufnahme durch eingehende, wenngleich eidliche Parteieneinvernahme der Erbin hinausgehe. Der Umstand, daß das Hauptinventar und eine "vorläufige Pflichtteilsberechnung" bereits unbekämpft genehmigt worden seien, stehe diesem Begehren der Noterbin nicht entgegen, weil das Hauptinventar bis zur Einantwortung richtiggestellt werden könne und allenfalls müsse und für den Pflichtteilsausweis als Einantwortungsvoraussetzung nichts anderes gelten könne. Darüber, ob im Verfahren außer Streitsachen eine eidliche Einvernahme der Parteien außer den im Gesetz besonders angeführten Fällen erfolgen dürfe oder nicht, bestünden unterschiedliche Auffassungen:
Ott (Rechtsfürsorgeverfahren [1906] 187) verneine die Möglichkeit einer solchen eidlichen Einvernahme, "weil sie mangels eines Gegners, der im Prozeß durch die vorausgehende uneidliche Abhörung beider Parteien dargebotenen Kontrolle entbehre". Rintelen (Grundriß des Verfahrens außer Streitsachen, 29) bejahe hingegen die Möglichkeit der Beeidigung der Parteien Hantsch (NZ 1915, 309 ff) trete der Meinung Rintelens bei, meine jedoch, daß in solchen Fällen die Beteiligten grundsätzlich gemäß § 2 Abs 2 Z 7 AußStrG auf den Rechtsweg zu verweisen seien. Die Entscheidung SZ 17/109 meine ohne nähere Begründung, daß im Verfahren außer Streitsachen abgesehen von der eidlichen Parteienvernehmung alle Beweismittel zugänglich seien, welche die ZPO kenne. Schima (NZ 1949, 113 ff, 116) halte die eidliche Parteienvernehmung erkennbar für unzulässig. Stagel (Grundzüge der österreichischen Zivilgerichtsverfassung und des Verfahrens außer Streitsachen [1951] 49) lege allgemein die Beeidigung von Zeugen und Beteiligten in das Ermessen des Gerichtes, wenn es solches für erforderlich halte. Kralik (Die Vorfrage im Verfahrensrecht, 34) bejahe die Möglichkeit der Beeidigung vor allem auf Grund der konkret vorgesehenen Beeidigungsvorschriften für Testamentszeugen und nach dem Todeserklärungsverfahren ganz allgemein. Gögl (Der Beweis im Verfahren außer Streitsachen ÖJZ 1956, 344 ff, 350) bejahe die beeidete Parteienvernehmung schon deshalb, weil das Gericht verpflichtet sei, die materielle Wahrheit von Amts wegen zu erforschen und es in seinen Möglichkeiten zur Sammlung des Tatsachenstoffes in keiner Weise beschränkt sei, sodaß auch dieses Erkenntnismittel offenstehen müsse. Dabei sei jedoch eine spärliche und vorsichtige Anwendung der eidlichen Vernehmung der Parteien empfohlen, um unerfreuliche Begleiterscheinungen zu vermeiden. Davon solle daher nur Gebrauch gemacht werden, wenn sie das Gericht infolge besonderer Umstände für unumgänglich notwendig erachte. Feil (Verfahren außer Streitsachen, Handkommentar 59) vertrete den Standpunkt, daß mehr dafür spreche, die eidliche Vernehmung zuzulassen. Dolinar (Außerstreitverfahrensrecht, AllgT 131 f) halte die eidliche Einvernahme der Parteien unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen der ZPO auch für zulässig.
Das Rekursgericht schließe sich den überzeugenden Argumenten von Kralik, Gögl ua an und erachte somit, daß im außerstreitigen Verfahren nach den Umständen des Einzelfalles eine eidliche Einvernahme der Erbin zum Umfang des Nachlasses und zur Frage von Vorausempfängen tunlich sei, weil anzunehmen sei, daß dies zur Streitbereinigung (Verhinderung) beitragen könnte.
Im fortgesetzten Verfahren wäre sohin vom Erstgericht die Erbin - nach der Lage des Falles tunlicherweise unter Beiziehung der Pflichtteilsberechtigten (ihres Rechtsfreundes) - als Partei in sinngemäßer Anwendung der Vorschriften der ZPO über die Parteienvernehmung zum aufgezeigten Beweisthema (Antrag ON 29) zunächst ergänzend uneidlich und sodann eidlich zu vernehmen (§§ 376, 377 ZPO). Das Rekursgericht vertrete allerdings die Meinung, daß jedenfalls in der vorliegenden Konstellation, bei der es um rein vermögensrechtliche Ansprüche gehe, die Partei, ebenso wie nach den Vorschriften der ZPO zur Aussage und zur Eidesleistung nicht gezwungen werden könne.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Erbin gegen die rekursgerichtliche Entscheidung ist nicht berechtigt.
Zur Frage, ob auch Parteien (Antragsteller, Beteiligte ...) im außerstreitigen Verfahren beeidet werden können, ist vorerst auf den vom Rekursgericht ausführlich dargelegten Meinungsstand zu verweisen. Dem Rekursgericht ist auch grundsätzlich darin beizupflichten, daß im Sinne des überwiegenden Schrifttums auch die beeidete Vernehmung der Partei(en) im Verfahren außer Streitsachen möglich und zulässig ist, ist doch dieses Verfahren vom Untersuchungsgrundsatz und von der materiellen Wahrheitsforschung geprägt und die sichere Überzeugung des Außerstreitrichters von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit widerstreitender Parteienbehauptungen und -aussagen oft nur nach Vornahme des höchstrangigen Beweismittels, der beeideten Aussage, möglich. Dieses Ergebnis folgt auch aus einer analogen Anwendung der in den außerstreitigen Angelegenheiten des Todeserklärungsgesetzes und des Kraftloserklärungsgesetzes eröffneten Möglichkeit, Antragsteller und andere Personen unter Eid zu vernehmen (§ 15 Abs 3 TEG und § 1 Abs 2 KEG), zumal diese Bestimmungen nicht zu dem Umkehrschluß, soweit die Beeidigung nicht gesetzlich ermöglicht sei, sei sie im außerstreitigen Verfahren untersagt, hinführen oder gar zwingen. Insoweit wird der Entscheidung SZ 17/109, in der die eidliche Parteienvernehmung im außerstreitigen Verfahren ohne weitere Begründung abgelehnt wird, nicht gefolgt. Somit kommt eine Beeidigung von Parteien oder anderen von der Sache unterrichteten Personen (§ 2 Abs 2 Z 5 AußStrG) im Verfahren außer Streitsachen für den Außerstreitrichter als eine "letzte" Möglichkeit der Wahrheitsfindung in diesem Verfahren je nach der Sachlage und dem richterlichen Ermessen in Betracht. Nicht jedoch ist eine Beeidigung von Parteien über bloßen Antrag einer anderen Partei - wie dies der Noterbin hier vorschwebt - zwingend vorzunehmen. Für eine derartige analoge Auslegung bieten die oben genannten Bestimmungen des TEG und des KEG schon deshalb keine Grundlage, weil auch dort die Beeidigung nur fakultativ ist. Im Sinne der zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichtes ist das Abhandlungsgericht verhalten, in Wahrung der Rechte des minderjährigen (pflegebefohlenen) Noterben gemäß § 162 AußStrG auf die Pflichtteilsausweisung durch den Erben zu dringen und mit der Einantwortung des Nachlasses bis zum Ausweis und zur allfälligen Sicherung des Pflichtteiles zuzuwarten. Gibt sich die Noterbin mit den von der Erbin vor Gericht zu diesem Zweck gemachten Angaben nicht zufrieden, sondern vermutet sie die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit dieser Angaben, so hat das Abhandlungsgericht diese Umstände mit den Parteien (der Erbin und der Noterbin) am besten in einer mündlichen Verhandlung zu erörtern und die Sachumstände allenfalls unter Abforderung des Eides zu konkreten Angaben ins Klare zu setzen (RZ 1967, 166 mwN ua). Ordnet daher wie im vorliegenden Verfahren das Rekursgericht die zulässige eidliche Vernehmung der Erbin an, so ist diese der Verfahrens(fort)führung zur Erzielung von Tatsachenfeststellungen dienende Anordnung vom Obersten Gerichtshof als Rechtsinstanz nicht weiter überprüfbar.
Diese Erwägungen führen zur spruchgemäßen Entscheidung.
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