OGH 8ObA283/94

OGH8ObA283/9414.7.1994

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Langer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Kurt Retzer und RegRat Theodor Kubak als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei F***** B*****, ***** vertreten durch Dr.Charlotte Böhm und Dr.Erika Furgler, Rechtsanwältinnen in Wien, wider die beklagte Partei Dr.P***** Z*****, Rechtsanwalt, Stephansplatz 4, 1010 Wien, als Masseverwalter in Konkurs des S***** Z*****, Inhaber der Firma D***** S***** Z*****, wegen 8.762 S brutto sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.Oktober 1993, GZ 31 Ra 99/93-13, womit infolge Berufung des Klägers das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 12.Mai 1993, GZ 16 Cga 31/93g-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger war im Unternehmen der nunmehrigen Gemeinschuldnerin ab 16. Juni 1992 als Tischlerhelfer beschäftigt. Als er am Freitag den 10. Juli 1992 seinen Lohn für den Monat Juni abholte, wurde ihm ein Stundenzettel für die folgende Woche ausgehändigt. Eine Mitteilung, daß das Dienstverhältnis beendet werde, erfolgte nicht. Auch als er am 13.Juli 1992 eine Krankenstandsbestätigung überbrachte, wurde ihm nicht erklärt, daß das Dienstverhältnis beendet werde. Vom 16.Juli bis 24.Juli 1992 befand sich der Kläger sodann wegen eines Leistenbruches in stationärer Krankenhauspflege. Danach war er im Krankenstand. Erst als er die neue Krankenstands- und Spitalaufenthaltsbestätigung überbrachte, wurde ihm mitgeteilt, daß er ab nun sein Geld von der Krankenkasse bekomme und eine Bestätigung über das Dienstverhältnis unterschreiben solle. Gleichzeitig wurde dem Kläger auch die Lohnsteuerkarte und die Arbeitsbescheinigung ausgefolgt. Er wurde per 11.Juli 1992 "abgerechnet" und erhielt hiebei weder die Entgeltfortzahlung für die Zeit des Krankenstandes noch eine Urlaubsabfindung.

Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger von seiner Dienstgeberin einen Betrag von 8.762 S brutto samt 4 % Zinsen seit 28. Juli 1992 geltend, den er wie folgt aufschlüsselte:

Entgeltforderung vom 13.Juli bis 27.Juli 1992

6.920 S brutto

Urlaubsabfindung für sechs Wochen 1.842,60 S brutto

Summe 8.762,60 S brutto

Die Dienstgeberin beantragte die Abweisung des Klagebegehrens mit der Begründung, das Dienstverhältnis sei innerhalb des vereinbarten Probemonats mit 11.Juli 1992 beendet worden. Die Urlaubsabfindung sei mit 866 S ordnungsgemäß abgerechnet und zur Auszahlung an den Kläger bereit gehalten worden. Dieser Betrag werde anerkannt.

Mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 12.November 1992 wurde über das Vermögen der Dienstgeberin der Konkurs eröffnet. In diesem meldete der Kläger eine Gesamtforderung von 8.343,41 S netto an, und zwar betreffend die eingeklagten Beträge von 8.762,60 S brutto eine Forderung von 6.812,01 S netto, weiters 4 % Zinsen aus diesem Nettobetrag für den Zeitraum vom 28.Juli 1992 bis 12.November 1992 im Betrag von 79,88 S netto sowie die bisher aufgelaufenen Prozeßkosten von 1.451,52 S.

Nach Bestreitung dieser angemeldeten Forderung setzte der Kläger diesen Prozeß gegen den Masseverwalter fort, stellte aber ein dem ursprünglichen Klagebegehren entsprechendes Begehren auf Feststellung einer Forderung von 8.762,60 S brutto "sA".

Das Erstgericht erkannte im Sinne dieses Feststellungsbegehrens und führte zur Begründung aus: Es sei zwar wirksam eine Probezeit vereinbart worden, doch sei das Dienstverhältnis nicht innerhalb der Probezeit gelöst worden, da man dem Kläger erstmals bei Überreichung der zweiten Krankenstandsbestätigung Ende Juli 1992 mitgeteilt habe, daß das Dienstverhältnis beendet worden sei. Betreffend den unmittelbar vor Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz erhobenen Einwand des beklagten Masseverwalters, auf Grund der Bestimmung des § 110 KO sei das Klagebegehren abzuweisen, verwies das Erstgericht nur auf die Anmeldung der Forderung im Konkurs und ihre Bestreitung durch den Masseverwalter.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil. Zur Rüge des Berufungswerbers, das Klagebegehren sei nicht auf den in der Konkursanmeldung genannten Betrag umgestellt worden, Gegenstand des Prüfungsprozesses sei aber der in der Prüfungstagsatzung geltend gemachte Teilnahmeanspruch, verwies das Berufungsgericht darauf, daß das Klagebegehren in der Tagsatzung vom 12.Mai 1993 der Höhe nach außer Streit gestellt worden sei, so daß das Berufungsvorbringen eine unzulässige Neuerung darstelle.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens, in eventu im Sinne der Zuerkennung eines Konkursteilnahmeanspruches auf der Basis der Nettolohnansprüche abzuändern.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil zur Frage, ob bei Anmeldung eines Nettobetrages die Geltendmachung eines diesem entsprechenden Bruttobetrages im Prüfungsprozeß zulässig ist, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt.

Die Revision ist auch berechtigt.

Gemäß § 110 Abs 1 Satz 2 KO kann das Klagebegehren im Prüfungsprozeß nur auf den in der Anmeldung angegebenen Grund gestützt und nicht auf einen höheren als den dort angegebenen Betrag gerichtet werden. Dies beruht auf der Erwägung, daß nur die Feststellung einer im Prüfungsverfahren bestrittenen Forderung erforderlich und zulässig ist (SZ 39/76; EvBl 1968/427). Der Geltendmachung einer im Konkursverfahren nicht in diesem Sinn angemeldeten Forderung steht das Prozeßhindernis der Unzulässigkeit des Rechtsweges entgegen (DRdA 1983/9; SZ 59/208). Mit den Ausführungen, das Feststellungsbegehren entspreche nicht der Anmeldung, behauptete der Beklagte daher einen Nichtigkeitsgrund.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (JBl 1957, 20; JBl 1968, 89; 9 Ob A 207/88; 1 Ob 530/93) können Neuerungen zur Dartuung oder Widerlegung des Berufungsgrundes der Nichtigkeit vorgebracht werden. Das Berufungsgericht hätte sich daher mit dem Vorbringen des Beklagten, das Klagebegehren entspreche nicht dem in der Forderungsanmeldung genannten Nettobetrag, auseinandersetzen müssen. Diese Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens kann wahrgenommen werden, weil das Berufungsgericht das Vorliegen der Nichtigkeit nicht verneint (RZ 1976/110; SZ 54/190; EvBl 1987/168; 4 Ob 169/90; 5 Ob 530/91), sondern unter unrichtiger Anwendung der Verfahrensgesetze die Prüfung der geltend gemachten Nichtigkeit abgelehnt hat.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß nach dem Inhalt der Anmeldung mit dem Teilbetrag von 6.812 S netto lediglich der dem Bruttobegehren von 8.762,60 S entsprechende Nettobetrag geltend gemacht wurde. Wie der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen SZ 54/169 sowie DRdA 1985/2 (kritisch Burgstaller) zum Ausdruck gebracht hat, sind auf Brutto- und Nettobeträge lautende Forderungen als gleichartig anzusehen; es steht dem Arbeitnehmer frei, im Konkurs des Arbeitgebers Brutto- oder Nettobeträge geltend zu machen (RZ 1991/30). Sieht man mit Klicka (Bestimmtheit des Begehrens bei Leistungsklagen, 83) den "Bruttozusatz" im Urteil lediglich als unverbindliche Rechtsbelehrung an, mit der das Gericht auf allfällige, nach dem Gesetz bestehende, aber erst künftig existent werdende Abzugsmöglichkeiten hinweist, erscheint es auch im Hinblick auf die Vorschrift des § 235 Abs 4 ZPO vertretbar, das Brutto- und das diesem entsprechende Nettobegehren als ident anzusehen. Soweit - dies wäre vom Berufungsgericht zu prüfen - der im Prozeß geltend gemachte Bruttobetrag dem im Konkurs angemeldeten Nettobetrag entspricht bzw. diesen nicht übersteigt, ist daher Identität der Begehren im Sinne des § 110 Abs 1 Satz 2 KO gegeben. Hingegen ist bezüglich der wohl nur aus dem Nettobetrag zustehenden Zinsen überdies die § 54 Abs 1 KO entsprechende, in der Anmeldung beachtete Begrenzung vorzunehmen.

Schließlich ist zu bemerken, daß der Kostenersatzanspruch nicht erst mit dem rechtskräftigen Zuspruch durch das Gericht sondern - bedingt durch den Prozeßerfolg - mit der Vornahme der einzelnen Prozeßhandlungen entsteht. Die Wirkungen der Konkurseröffnung erstrecken sich daher gemäß § 54 Abs 1 KO auf den Teil der Prozeßkosten, der auf die bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens vorgenommenen Prozeßhandlungen entfällt (SZ 16/16 = JB 48 neu; WBl 1988, 203). Auch diesem Umstand wurde mit der vom Kläger im Konkurs der beklagten Partei vorgenommenen Anmeldung Rechnung getragen.

Der Revision war daher Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte