OGH 1Ob24/94

OGH1Ob24/9414.7.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Schiemer und Dr.Gerstenecker als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerald K*****, vertreten durch DDr.Manfred Walter, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Land S*****, vertreten durch Dr.Kurt Asamer, Dr.Christian Schubert und Dr.Fritz Müller, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 205.000,-- s.A. und Feststellung (Streitwert S 50.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 12.April 1994, GZ 12 R 10/94-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Landesgerichtes Salzburg vom 8.November 1993, GZ 15 Cg 355/93p-18, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß das Zwischenurteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Prozeßkosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 13.7.1990 kam der Kläger auf der Wolfgangsee-Bundesstraße (B 158) im Gemeindegebiet von H***** in einer Rechtskurve mit einem von ihm gelenkten Motorrad der Marke Suzuki 600 zu Sturz. Dabei erlitt er unter anderem eine Oberschenkelfraktur sowie Knieverletzungen.

Am Unfallstag wurden auf der B 158 in einem Bereich kurz vor der Unfallsstelle bis über diese hinausreichend Straßenausbesserungsarbeiten durchgeführt. Es wurde auf das auf der Asphaltdecke aufgebrachte Spritzgut eine Rollsplittauflage aufgetragen. Zum Unfallszeitpunkt befand sich auf der Fahrbahn loser, bis zu 5 cm hoher Splitt, weil von dem den Bau ausführenden Unternehmen wesentlich mehr Splitt aufgebracht worden war als bei ordnungsgemäßer Ausführung erforderlich gewesen wäre. Der Sturz des Klägers erfolgte aufgrund dieser Rollsplittauflage.

Die Straßenbauarbeiten wurden durch die Bezirkshauptmannschaft S***** als Straßenpolizeibehörde erster Instanz mit Bescheid vom 2.7.1990 bewilligt. Dieser Bewilligung ging eine straßenpolizeiliche Verhandlung vom 28.6.1990 an Ort und Stelle voraus. Aufgrund der vom Bauunternehmen angebotenen Oberflächenbehandlung mußte bei ordnungsgemäßer Ausführung der Arbeiten damit gerechnet werden, daß im Fahrbahnbereich keine größere lose Splitthöhe als 22 mm entstehen werde. Der Sachbearbeiter der Bundesstraßenverwaltung Ing.L*****, der Bezirksgendarmeriekommandant Josef F***** und der Gendarmeriebeamte Johann P***** schlugen der seit April/Mai 1990 bei der Bezirkshauptmannschaft S***** tätigen Juristin Dr.Karin N*****, die die Verhandlung leitete, eine Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 50 km/h vor. Dabei orientierten sie sich an den Richtlinien für die Kennzeichnung von Baustellen, herausgegeben vom Kuratorium für Verkehrssicherheit, 3.Auflage 1978, S.31, wo es zu Punkt 5.4 heißt, daß sowohl Geschwindigkeitsbeschränkungen als auch Überholverbote nur dann zu verordnen seien, wenn mit Gefahrenzeichen nicht mehr das Auslangen gefunden werden könne. In der Regel seien Beschränkungen auf 80 oder 50 km/h zu verordnen. Nur in ganz besonderen Fällen sollten Geschwindigkeitsbeschränkungen auf 30 km/h verfügt werden. Eine Beschränkung auf 30 km/h wird von den genannten Richtlinien lediglich zum Schutz der Arbeiter oder für Abschnitte, wo dies der Fahrbahnzustand unbedingt erfordert (Schotterdecke), empfohlen. Die Verhandlungsleiterin ordnete daraufhin eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 km/h an. Zusätzlich wurde die Anbringung des Gefahrenzeichens "Andere Gefahren" mit der Zusatztafel "Rollsplitt" vorgeschrieben. Der Verhandlungsleiterin und auch den übrigen an der Verhandlung teilnehmenden Personen waren die technischen Vertragsbedingungen RVS 8.06.24, welche im Zusammenhang mit einem Erlaß des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten für die Bundesstraßenverwaltung verbindlich sind, nicht bekannt. Gemäß Punkt 7.3 dieser RVS ist bis zur Entfernung des überschüssigen Splittes eine Geschwindigkeitsbeschränkung (im Regelfall 30 km/h) unbedingt erforderlich.

Bei einer losen Rollsplittauflage von 2 cm oder mehr liegen für einspurige Fahrzeuge bereits äußerst ungünstige Straßenverhältnisse vor, bei welchen eine stabile Fahrlinie ohne weiteres nicht mehr erreichbar ist. Bereits bei einer Splitthöhe von 0,5 bis 1 cm im Unfallsbereich wäre fahrtechnisch die Festlegung einer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h zweckmäßig und notwendig gewesen.

Der Kläger begehrte aus dem Titel der Amtshaftung Schadenersatz im Betrag von S 205.000,-- sowie die Feststellung, daß die Beklagte für künftige Schäden aus dem Unfall vom 13.7.1990 hafte. Entgegen der RVS 8.06.24 habe die Bezirkshauptmannschaft S***** im Unfallsbereich lediglich eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h verfügt, obwohl aus technischer Sicht unbedingt eine Beschränkung auf 30 km/h erforderlich gewesen wäre. Der Kläger hätte bei Verordnung einer derartigen Höchstgeschwindigkeit seine Fahrgeschwindigkeit entsprechend reduziert, was den Unfall verhindert hätte. Die Beklagte hafte in Vollziehung von Angelegenheiten der Straßenpolizei für den entstandenen Schaden.

Die Beklagte wendete ein, den RVS käme kein Verordnungscharakter zu. Eine Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h sei auch in den RVS nicht zwingend vorgesehen. Die verfügte Geschwindigkeitsbeschränkung (auf 50 km/h) sei anläßlich der straßenpolizeilichen Verhandlung vom 28.6.1990 allgemein als ausreichend angesehen worden.

Das Erstgericht erkannte mit Zwischenurteil den Anspruch des Klägers dem Grunde nach als zu Recht bestehend. Die Bezirkshauptmannschaft S***** hätte in Entsprechung der RVS 8.06.24 bei zu erwartenden losen Splittschichten bis zu 22 mm eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h verordnen müssen. Durch die Unterlassung einer derartigen Verfügung infolge fahrlässiger Unkenntnis der RVS habe die Beklagte rechtswidrig und schuldhaft gehandelt.

Das Berufungsgericht wies in Stattgebung der Berufung der Beklagten das Klagebegehren zur Gänze ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei.

Auch das Berufungsgericht ging davon aus, daß eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h zur Vermeidung von Sicherheitsbeeinträchtigungen zu verfügen gewesen wäre und die Unterlassung einer derartigen Verfügung ein rechtswidriges Verhalten darstelle. Es verneinte aber ein Verschulden der Bezirksverwaltungsbehörde. Die RVS 8.06.24 seien lediglich für die Bundesstraßenverwaltung verbindlich. Die Bezirkshauptmannschaft S***** habe aber straßenpolizeiliche Agenden wahrgenommen. Die Nichtanwendung der für die Ausübung straßenpolizeilicher Agenden nicht verbindlichen RVS und deren Unkenntnis seitens der Verhandlungsleiterin stellten kein Verschulden dar. Würde man vom juristischen Leiter einer Bewilligungsverhandlung gemäß § 90 StVO die Sachkunde verlangen, beurteilen zu können, welche Höchstgeschwindigkeit im Einzelfall angemessen sei, stellte dies eine Überspannung des Sorgfaltsmaßstabes des § 1299 ABGB dar. Die Verhandlungsleiterin sei auch nicht verhalten gewesen, einen Sachverständigen zur Beurteilung der Frage der zu verordnenden Höchstgeschwindigkeit beizuziehen. Sie habe auf die Sachkompetenz des Vertreters der Bundesstraßenverwaltung und der Angehörigen der Exekutive im Zusammenhalt mit den Empfehlungen in den Richtlinien des Kuratoriums für Verkehrssicherheit vertrauen dürfen. Ein Amtshaftungsanspruch sei auch deshalb zu verneinen, weil es für die Beklagte wegen der beschränkten finanziellen und personellen Ressourcen bzw. des häufig gebotenen raschen Einschreitens nicht zumutbar erscheine, anläßlich jeder Verordnung von (vorübergehenden) Geschwindigkeitsbeschränkungen Sachverständige beizuziehen.

Die Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 1 Abs.1 AHG haften die dort genannten Rechtsträger, unter anderem die Länder, nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts für den Schaden am Vermögen oder an der Person, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben. Eine Tätigkeit im Sinne des § 1 AHG liegt dann vor, wenn das faktische Handeln im Dienste der Erreichung der eigentlichen hoheitlichen Zielsetzung steht und einen hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit hoheitlichen Aufgaben aufweist (SZ 53/70 uva).

Wird durch Arbeiten auf oder neben der Straße der Straßenverkehr beeinträchtigt, so ist hiefür eine Bewilligung der Behörde erforderlich (§ 90 Abs.1 StVO). Die Bewilligung ist unter Berücksichtigung der Art und des Umfanges der Bauführung und der Verkehrsbedeutung der Straße zur Wahrung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs bedingt, befristet oder mit Auflagen zu erteilen (§ 90 Abs.3 StVO). Im vorliegenden Fall war für die Bewilligung die Bezirksverwaltungsbehörde, nämlich die Bezirkshauptmannschaft S***** zuständig (§ 94b StVO). Die hiebei in Betracht kommenden Organhandlungen fielen in den Bereich von Tätigkeiten, die mit Befehls- und Zwangsgewalt ausgestattet sind und geschahen daher in Vollziehung der Gesetze (§ 1 AHG). Aus schuldhaftem Handeln von Organen können daher Amtshaftungsansprüche abgeleitet werden. Die Vollziehung von Angelegenheiten der Straßenpolizei ist Landessache (Art.11 Abs.1 Z 4 B-VG), sodaß die klägerischen Ansprüche richtigerweise gegen das Land Salzburg gerichtet wurden (SZ 48/29; SZ 53/70; SZ 59/83; SZ 62/44; SZ 56/134; 1 Ob 11/81 uva).

Gemäß § 90 Abs.3 2.Satz StVO dürfen Geschwindigkeitsbeschränkungen aus Anlaß von Arbeiten auf oder neben der Straße nur von der Behörde und nur im unbedingt notwendigen Ausmaß und nur für die unbedingt notwendige Strecke angeordnet werden. Gemäß § 43 Abs.1 lit.b Z 1 StVO hat die Behörde durch Verordnung, wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden Verkehrs erfordert, unter anderem vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere Geschwindigkeitsbeschränkungen zu erlassen. Den getroffenen Feststellungen nach beginnt auf der vom Kläger befahrenen Straße kurz vor der Unfallsstelle eine Rechtskurve mit allmählich abnehmendem Krümmungsradius. Die im Zuge der Bauarbeiten aufgetragene Rollsplittauflage begann etwa 40 bis 45 m vor jener Stelle, an welcher das klägerische Motorrad von seiner ursprünglichen Fahrlinie abweichend schräg nach links gefahren ist (AS 143). Die Verhandlungsleiterin mußte damit rechnen, daß im Bereich der Fahrbahn keine größere lose Splittschichte als 22 mm entstehen werde (AS 144). Bei einer losen Rollsplittauflage von 2 cm oder mehr sind fahrtechnisch äußerst ungünstige Straßenverhältnisse gegeben, bei welchen eine stabile Fahrlinie von einspurigen Fahrzeugen ohne weiteres nicht mehr erreichbar ist. Es treten Seitenführungskräfte auf, die üblicherweise nur bei Glatteis erreicht werden. Bei einer losen Rollsplittauflage in der Höhe von 2 cm oder mehr ist das Befahren einer Kurve nur dann möglich, wenn die Fliehkraftwirkung weitgehend herabgesetzt ist. Bei einer Fahrgeschwindigkeit von 50 km/h entsteht eine 2,8mal so große Fliehkraftwirkung als bei einer Geschwindigkeit von 30 km/h. Schon bei einer losen Rollsplittauflage von 0,5 bis 1 cm wäre im Unfallbereich fahrtechnisch die Festlegung einer Fahrgeschwindigkeit von 30 km/h zweckmäßig und notwendig gewesen. Eine Rollsplittauflage in loser Form von 2 cm oder mehr stellt bei einer Fahrgeschwindigkeit von 50 km/h eine stabile Fahrlinie jedenfalls in Frage, und ist damit zu rechnen, daß bei einer derartigen Geschwindigkeit im Zuge des Befahrens der Rechtskurve massive fahrtechnische und stabilitätstechnische Probleme auftreten (AS 146 ff).

Ausgehend von diesen Feststellungen hätte seitens der Bezirkshauptmannschaft S***** eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h verfügt werden müssen, sodaß in Anbetracht der §§ 90 Abs.3, 43 Abs.1 lit.b Z 1 StVO an der Rechtswidrigkeit des Verhaltens der genannten Behörde (Unterlassung der Verfügung einer derartigen Geschwindigkeitsbeschränkung) nicht zu zweifeln ist.

In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, daß die von der Beklagten in ihrer Berufung geforderte Feststellung der Fahrbahnbreite der Wolfgangsee-Bundesstraße im Unfallsbereich aus rechtlichen Gründen entbehrlich ist. Der Verlauf (Rechtskrümmung) der Straße wurde vom Erstgericht ohnehin festgestellt. Die Feststellung der Fahrbahnbreite ist deswegen entbehrlich, weil es nur darauf ankommt, ob die Höhe der zu erwartenden Rollsplittauflage die Verordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h erforderlich gemacht hätte, was aber völlig unabhängig von der zur Verfügung stehenden Fahrbahnbreite ist.

Der oben genannten Verhandlungsleiterin ist aber im Gegensatz zur Rechtsansicht des Berufungsgerichtes auch ein schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen.

Die Normen der Straßenverkehrsordnung sind grundsätzlich Schutzvorschriften im Sinne des § 1311 ABGB. Dies trifft auch für die Vorschrift des § 43 Abs.1 lit.b Z 1 StVO zu. Soweit gesetzliche Schutzpflichten die Behörde treffen, haftet für deren Verletzung der Rechtsträger nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes. Die Beklagte müßte beweisen, daß hinsichtlich der Unterlassung der Verfügung einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h ihr Organ kein Verschulden trifft (SZ 56/134; JBl. 1992, 649; 1 Ob 17/92 uva).

Für den an Organe der amtshaftungsrechtlich haftenden Rechtsträger anzulegenden Maßstab bei Prüfung des Vorliegens eines Organverschuldens gilt § 1299 ABGB. Der Sorgfaltsmaßstab wird durch die typischen und demnach objektiv bestimmten Fähigkeiten eines Angehörigen des betreffenden Verkehrskreises bestimmt; entscheidend ist der Leistungsstandard der betreffenden Berufsgruppe (ZVR 1989/94). Es kommt allein darauf an, ob die getroffene Entscheidung bei pflichtgemäßer Überlegung als vertretbar bezeichnet werden kann. Unvertretbarkeit der Rechtsansicht und damit Verschulden des Organs wird jedenfalls dann angenommen, wenn das Organ von einer klaren Gesetzeslage oder einer ständigen Rechtsprechung ohne sorgfältige Überlegung bzw. Darlegung der Gründe abwich (JBl. 1993, 399; 1 Ob 17/92 uva). Rechtsträger haften nicht nur für grobes, sondern auch für leichtes, am Maßstab des § 1299 ABGB zu messendes Verschulden (JBl. 1992, 649; 1 Ob 17/92 uva).

Es ist der Verhandlungsleiterin als Verschulden anzulasten, daß sie die technischen Vertragsbedingungen RVS 8.06.24, Ausgabe November 1989, nicht gekannt hat. Diese von der Forschungsgesellschaft für das Verkehrs- und Straßenwesen, Arbeitsgruppe "Erhaltung von Asphaltstraßen", erarbeiteten Richtlinien wurden mit Erlaß des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten aus dem Jahre 1989 für die Bundesstraßenverwaltung für verbindlich erklärt. Damit ist zum Ausdruck gebracht, daß die RVS 8.06.24 ähnlich Ö-Normen den letzten Stand der Technik wiedergeben. Wenn es nun dem Organ eines Rechtsträgers obliegt, im Interesse der Sicherheit des sich bewegenden Verkehrs Geschwindigkeitsbeschränkungen zu erlassen (§ 43 Abs.1 lit.b Z 1, § 90 Abs.3 StVO), dann hat es hiebei den letzten Stand der Technik zu berücksichtigen. Im Punkt 7.3 der RVS 8.06.24 ist normiert, daß bis zu dem Zeitpunkt, bis zu welchem der überschüssige Splitt mittels geeigneter Kehrmaschinen beseitigt ist, eine Geschwindigkeitsbeschränkung (im Regelfall 30 km/h) unbedingt erforderlich ist. Dies bedeutet, daß die Verhandlungsleiterin bei Verfügung der Geschwindigkeitsbeschränkung grundsätzlich vom Regelfall, also Verordnung einer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h, hätte ausgehen müssen, außer sie hätte begründete Veranlassung gehabt, infolge Nichtvorliegens eines "Regelfalls" eine andere Geschwindigkeitsbeschränkung - sei es höher oder niedriger - zu verfügen. Die fahrlässige Unkenntnis der RVS 8.06.24 führte dazu, daß die Verhandlungsleiterin die ihr ansonsten oblegene Rückfrage an die übrigen Verhandlungsteilnehmer, die die genannte RVS ebenfalls nicht kannten, unterlassen hat, warum eben im vorliegenden Fall mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h das Auslangen gefunden werden könne. Im Zweifel hätte die Verhandlungsleiterin jedenfalls einen Sachverständigen zur Beurteilung der Frage, welche Geschwindigkeitsbeschränkung zu verfügen sei, beiziehen müssen. Daran kann auch der Hinweis des Berufungsgerichtes auf die "zweifellos beschränkten finanziellen und personellen Ressourcen" der Bezirksverwaltungsbehörden nichts ändern.

Es ist zwar richtig, daß der Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB nicht überspannt werden darf (ZVR 1989/94; JBl. 1992, 649 uva). Es ist aber für ein im Interesse der Verkehrssicherheit tätig werdendes Organ unerläßlich, die für die Erlassung von Verordnungen gültigen Grundlagen zu beherrschen, insbesondere über den letzten Stand der Technik Bescheid zu wissen. Von einer kritischen oder schwer überschaubaren Situation, in der ein Entschluß rasch zu fassen gewesen wäre, kann im vorliegenden Fall keine Rede sein, das für die Beklagte handelnde Organ stand nämlich nicht unter Entscheidungsdruck, weshalb die Schuldhaftigkeit des Verhaltens zu bejahen ist (vgl. JBl. 1992, 649; JBl. 1991, 526; SZ 59/83; SZ 64/23).

Wenn die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung letztlich darauf hinweist, der Kläger sei wegen der allenfalls überhöhten losen Splittauflage - nicht aber wegen der "zu geringen Geschwindigkeitsbeschränkung" - gestürzt, ist sie darauf zu verweisen, daß sie - wie vorher ausgeführt - hiefür beweispflichtig gewesen wäre. Aufgrund der Feststellungen der Vorinstanzen war aber die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h bei einer Splittauflage von etwa 2 cm nicht ausreichend, und ist daher der Beklagten der ihr obliegende Beweis für den fehlenden Kausalzusammenhang nicht gelungen.

Der Revision ist Folge zu geben, das erstinstanzliche Zwischenurteil wiederherzustellen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 393 Abs.4 ZPO.

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