OGH 1Ob7/75

OGH1Ob7/7519.3.1975

SZ 48/29

Normen

AHG §1
Bundesstraßengesetz 1971 §5
StVO §90
AHG §1
Bundesstraßengesetz 1971 §5
StVO §90

 

Spruch:

Die Beschränkung der Haftung des Straßenerhalters auf grobes Verschulden gilt für Rechtsverletzungen in Vollziehung der Straßenverkehrsordnung, aus denen Amtshaftungsansprüche abgeleitet werden, nicht

Die Behörde hat dafür zu sorgen, daß eine Baustellenverkehrsampel so aufgestellt wird, daß Verkehrsteilnehmer nicht durch eine in einem besonderen Gefahrenbereich angeordnete Anhaltepflicht mehr als unvermeidbar gefährdet werden

OGH 19. März 1975, 1 Ob 7/75 (OLG Innsbruck 2 R 275/74; LG Feldkirch 1 a Cg 176/73)

Text

Der Kläger fuhr am 14. Feber 1973 gegen 16 Uhr mit seinem PKW auf der Vorarlberger Landesstraße Nr. 7 (Schwarzachtobelstraße) von Alberschwende in Richtung Bregenz. Vor dem Straßentunnel, der sich vom Kilometer 1.34 bis Kilometer 1.42 erstreckt, mußte er sein Fahrzeug anhalten, weil die dort aufgestellte Verkehrsampel für ihn das rote Lichtzeichen zeigte. Der Kläger stand mit seinem PKW etwa 15 bis 20 m vor der Tunneleinfahrt auf der rechten Fahrbahnseite, als plötzlich von der rechts der Straße gelegenen Felsböschung eine Steinlawine im Ausmaß von etwa 2 m3 niederging und den PKW des Klägers beschädigte.

Der Kläger nimmt das Land Vorarlberg sowohl in seiner Eigenschaft als Straßenerhalter als auch nach dem Amtshaftungsgesetz in Anspruch. Nach seinem Vorbringen handle es sich bei der Unfallstelle um eine bekannte Steinschlagstelle, an der schon wiederholt Steinlawinen niedergegangen seien. Es wäre daher Aufgabe der Organe der beklagten Partei gewesen, diese Straßenstelle besonders sorgfältig gegen Steinschlag abzusichern, zumal die Verkehrsampel so angebracht gewesen sei, daß die bei Rotlicht anhaltenden Fahrzeuge ausgerechnet im Bereich dieser gefährlichen Steinschlagstelle anhalten mußten. Der Amtshaftungsanspruch werde einerseits darauf gestützt, daß es die beklagte Partei unterlassen habe, die durch die beauftragte Baufirma vorgenommene Aufstellung der Ampelanlage an anderer Stelle zu veranlassen, und andererseits darauf, daß die beklagte Partei gegen die Bestimmung des § 96 Abs. 1 StVO verstoßen habe. Dem Kläger sei ein Reparaturaufwand von 13.056 S entstanden, außerdem habe das Fahrzeug eine Wertminderung von 2500 S erlitten. Die beklagte Partei, die das Aufforderungsschreiben des Klägers vom 29. Juni 1973 abschlägig beschied, beantragte Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte im wesentlichen fest: Östlich des Tunnelausganges befinde sich eine mit Steinen durchsetzte, etwa 5 bis 6 m hohe Böschung, die sich ab dem östlichen Tunnelausgang in westöstlicher Richtung über eine Strecke von etwa 50 m hinziehe. Die Abbruchstelle des auf den PKW des Klägers abgegangenen Steinmaterials sei etwa fünf Meter oberhalb der Fahrbahn und etwa 15 bis 20 m östlich des Tunnelausganges gelegen. Im Bereiche der Verkehrsampelanlage östlich des Tunnelausganges sei keine Sicherung gegen etwa abgehendes Steinmaterial angebracht gewesen. Im Gebiete westlich des Tunneleinganges erhebe sich an der Nordseite der Straßenböschung in einer Höhe von etwa 10 bis 20 m und einer West-Ost-Erstreckung von rund 30 bis 40 m felsiges Gelände. Die vorhandene Gefahr sei durch bei Kilometer 1.11 und Kilometer

2.63 angebrachte Steinschlaggefahrenzeichen angekundigt.

Am 8. Mai 1972 sei die Übergabe des Bauloses "Steinschlag-Galerie-Kreuzfelsen" an die Baufirma S erfolgt. Anläßlich dieser Bauübergabe sei der Baufirma der Auftrag erteilt worden, bei der Bezirkshauptmannschaft Bregenz die erforderliche straßenpolizeiliche Bewilligung einzuholen, was mit Ansuchen vom 17. Mai 1972 geschehen sei. Mit Bescheid der genannten Behörde vom 24. Mai 1972 sei die Genehmigung zur Durchführung von Bauarbeiten an der Landesstraße Nr. 7 bei Kilometer 1.30 erteilt worden; u. a. sei vorgeschrieben worden, daß während der gesamten Bauzeit zumindest ein Einbahnverkehr aufrechtzuerhalten und zu diesem Zwecke eine verläßlich funktionierende und dauernd in Betrieb stehende Baustellen-Verkehrsampel gut sichtbar und befestigt für den unmittelbaren Arbeitsbereich aufzustellen sei. Weiters sei die Auflage erteilt worden, beiderseits der Baustelle gut sichtbare und befestigte Straßenverkehrszeichen gemäß § 50 Z. 9 StVO 1960 "Baustelle" und Z. 8 "Engpaß" aufzustellen und zur Vorankündigung des Ampelbetriebes 200 m vor der Baustelle das Straßenverkehrszeichen gemäß § 53 Z. 22 StVO 1960 "Voranzeige für Ampelregelung"- anzubringen. Eine Überprüfung in der Richtung, ob und inwieweit die Baufirma den erteilten Bedingungen in der Folge entsprochen habe, sei seitens der Bezirkshauptmannschaft Bregenz bis zum Unfallsereignis nicht vorgenommen worden.

Die eigentliche Baustelle sei westlich des Tunneleinganges gelegen gewesen. Östlich des Tunnelausganges habe die Firma S die Verkehrsampel etwa ein bis zwei Meter vor dem Tunnelausgang aufgestellt. In der ersten Dezemberhälfte 1972 sei Egon G, Straßenmeister des Landesstraßenbauamtes Feldkirch, zu dessen Überwachungsbereich die Schwarzachtobelstraße gehört, von einer Frau angerufen worden; diese habe ihm mitgeteilt, daß sie bei der östlichen Verkehrsampel gerade verkehrsbedingt gestanden sei, als ein Stein mit einem Durchmesser von zirka sechs bis sieben Zentimeter an ihrem Wagen vorbeigesaust sei. Die Frau sei der Meinung gewesen, daß sich dieser Stein im waldigen Bereich oberhalb der Felspartie gelöst haben dürfte. Diese Mitteilung habe Egon G veranlaßt, am 13. Dezember 1972 eine Felsräumpartie im Bereiche östlich des Tunnelausganges zum Einsatz zu bringen. Es seien vier bis sechs Mann durch zirka 134 Stunden im Einsatz gewesen. Es sei zunächst das waldige Gebiet oberhalb der Felsböschung abgesucht und geräumt worden. Noch am 13. Dezember 1972 sei mit der Untersuchung und Räumung der felsigen Böschung des Tunnelausganges in der gesamten Breite von etwa 50 m und in der Höhe von etwa 6 m begonnen worden. Die erfahrenen Arbeiter hätten eine große Fülle von Material abgeräumt. Nach Abschluß dieser Felsräumung habe Egon G feststellen können, daß die Arbeiten grundlich und ordnungsgemäß durchgeführt worden seien. Am 8. Feber 1973 sei auf Grund der Meldung eines Straßenwärters, daß im besagten Gebiet ein Stein abgegangen oder lose sei, nochmals eine Kontrolle durchgeführt worden. Zu diesem Zwecke seien zwei Mann an einem Tag durch etwa sieben bis zwölf Stunden im Einsatz gewesen. Dem um etwa 12.30 Uhr eingetroffenen Straßenmeister Egon G sei von den Arbeitern berichtet worden, daß sie alles in Ordnung angetroffen und keine weiteren Räummaßnahmen für notwendig erachtet hätten. Von den durchgeführten Räumarbeiten und Kontrollmaßnahmen sei die Bezirkshauptmannschaft Bregenz von Egon G nicht verständigt worden.

Im Bereiche der Felspartie östlich des Tunnelausganges seien vor dem strittigen Ereignis außer jenem Zwischenfall im Dezember 1972, der die erwähnten Felsräumungsarbeiten zur Folge gehabt habe, im April oder Mai 1972 etwa im selben Bereich, in dem sich der gegenständliche Unfall ereignet habe, während einer Regenperiode zirka zwei bis drei Kubikmeter Steinmaterial abgegangen, wovon der Bauhof Lauterach, nicht aber die Bezirkshauptmannschaft Bregenz verständigt worden sei. Im Jahre 1973 sei etwa acht bis zehn Tage vor dem strittigen Unfallsereignis ein zirka 2 bis 3 kg schwerer Stein etwa zehn bis fünfzehn Meter östlich des Tunnelausganges niedergegangen. Es habe sich hiebei offenbar um jenen Vorfall gehandelt, auf Grund dessen am 6. Feber 1973 die bereits erwähnten Kontrollmaßnahmen angeordnet worden seien.

Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht dahin, daß die Bezirkshauptmannschaft mit der Auferlegung der Bedingung und Auflagen im Bescheid vom 24. Mai 1972 alle notwendigen Maßnahmen im Sinne des § 90 Abs. 3 StVO 1960 angeordnet habe, der Straßenaufsichtsbehörde sohin in dieser Hinsicht eine Verletzung der einschlägigen Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 nicht zum Vorwurf gemacht werden könne. In Anbetracht der nur vereinzelten Zwischenfälle könne das fragliche Straßenstück nicht als besonders steinschlaggefährdet bezeichnet werden. Selbst wenn die Straßenaufsichtsbehörde von den einzelnen Steinabgängen Kenntnis gehabt hätte, so hätte von ihr nicht der Schluß gezogen werden müssen, daß ein durch Aufstellen der Verkehrsampel vor dem Tunnelausgang bedingtes Anhalten von Fahrzeugen in diesem Bereiche eine wesentliche Gefahrenerhöhung mit sich bringe oder gar Unfälle der gegenständlichen Art provoziere, zumal die erforderlichen Felsräumungsarbeiten und Kontrollmaßnahmen vom Straßenerhalter veranlaßt worden waren. Es habe somit für die Straßenaufsichtsbehörde keine Notwendigkeit bestanden, den Aufstellungsort der Verkehrsampel zu kontrollieren; eine allfällige Kontrolle hätte auch zu keiner Beanstandung des Aufstellungsplatzes und zur Anordnung der Anbringung der Verkehrsampel an anderer Stelle geführt. Der Bezeichnung der Unfallsstelle als bekannte Steinschlagstelle im Bericht des Gendarmeriepostenkommandos Schwarzach vom 15. Feber 1973 komme keine besondere Bedeutung zu. Es sei außerdem zu berücksichtigen, daß eine Verlegung der Verkehrsampelanlage um 30 oder 50 Meter weiter östlich des Tunnelausganges zur Aufstellung derselben in einer gefährlichen Kurve geführt hätte, was eine nicht unwesentliche Gefahrenerhöhung mit sich gebracht hätte. Die Straßenaufsichtsbehörde habe aber auch nicht gegen die Bestimmung des § 96 Abs. 1 StVO 1960 verstoßen, da nach dem Wortlaut dieser Gesetzesstelle offenbar eine erhebliche Gefährdung der Verkehrsteilnehmer, die sich aus einer Häufung von Unfällen ergebe, gemeint sei. Davon könne jedoch nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme beim Straßenstück, auf dem sich der Unfall ereignet habe, nicht die Rede sein. Die Beklagte hafte daher nicht nach dem Amtshaftungsgesetz.

Es sei aber auch die Haftung der beklagten Partei in ihrer Eigenschaft als Straßenerhalterin zu verneinen. Das Landesstraßenbauamt Feldkirch habe im strittigen Straßenstück in der Zeit zwischen 13. und 15. Dezember 1972 sogar außerhalb des für derartige Maßnahmen üblicherweise in Frage kommenden Zeitraumes umfangreiche Felsräumarbeiten durchgeführt. Schließlich sei die Felspartie noch wenige Tage vor dem gegenständlichen Schadensereignis kontrolliert worden, ohne daß weitere Räumungsmaßnahmen für notwendig befunden worden seien oder auch nur nach den örtlichen Verhältnissen als notwendig erkannt hätten werden können. Die beklagte Partei habe somit die ihr als Straßenerhalterin obliegenden zumutbaren Vorkehrungen sorgfältig getroffen, so daß auch in dieser Richtung der Vorwurf fahrlässigen Verhaltens nicht erhoben werden könne.

Abschließend führte das Erstgericht noch aus, es sei überhaupt fraglich, ob zwischen dem von der Baufirma gewählten Aufstellungsort der Verkehrsampel und dem eingetretenen Schadensereignis ein rechtserheblicher Zusammenhang bestehe. Im Falle der Verlegung der Verkehrsampel 50 Meter weiter östlich des Tunnelausganges wären die Fahrzeuge zwar nicht gezwungen gewesen, im strittigen Straßenstück anzuhalten, sie hätten sich in diesem aber eher langsam fortbewegt und wären daher ebenfalls längere Zeit der Gefahr, von Steinmaterial getroffen zu werden, ausgesetzt gewesen.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und trug ihm die Ergänzung des Verfahrens und neuerliche Entscheidung auf. Es übernahm die Festellungen des Erstgerichtes, erachtete aber die Rechtsrüge für teilweise berechtigt. Die Rechtsansicht des Klägers, daß die Behörde die ihr gemäß § 90 Abs. 3 StVO 1960 obliegende Verpflichtung nicht erfüllt habe, teilte es nicht. Die Gefährdung der Verkehrsteilnehmer sei nicht aus den mit der Bauführung zusammenhängenden Maßnahmen, sondern aus der Lage der Straße in einem steinschlaggefährdeten Gelände entstanden. Es liege auch kein Verstoß gegen die Bestimmung des § 43 Abs. 6 StVO 1960 vor; schließlich habe die Behörde auch keinen Anlaß zu einem Einschreiten gemäß § 96 Abs. 1 StVO 1960 gehabt. Das Erstgericht habe vielmehr die auf das Amtshaftungsgesetz gestützten Ansprüche des Klägers gegen die beklagte Partei als Behörde (Rechtsträger) wegen schuldhafter Unterlassungen, die ihre Organe in Vollziehung der Gesetze begangen hätten, mit Recht abgelehnt. Hingegen sei die Frage, ob die beklagte Partei als Straßenerhalterin alle ihr nach dem Vorarlberger Landesstraßengesetz obliegenden Verpflichtungen erfüllt habe, noch nicht ausreichend geklärt. Dem Straßenerhalter habe nämlich auf Grund der festgestellten Zwischenfälle im Bereich des östlichen Tunnelausganges bekannt sein müssen, daß gerade jenes Stück der Straße, wo die Fahrzeuge zufolge der Einbahnregelung bei Rotlicht der Ampel anhalten mußten, besonders steinschlaggefährdet ist. Ob der Straßenerhalter bei dieser Sachlage seine gesetzliche Verpflichtung gemäß § 4 Abs. 2, § 31 Abs. 1 und 2 Vorarlberger Landesstraßengesetz, alle zumutbaren Vorkehrungen zur Beseitigung dieser Gefahr zu treffen, erfüllt habe, könne nicht mit dem Hinweis auf die Felsräumungen bejaht werden. Der beklagten Partei hätte längst auffallen müssen, daß diese Maßnahmen zur Beseitigung der Steinschlaggefahr nicht ausreichten. Das Erstgericht habe nicht weiter geprüft, ob und welche nach den Erfahrungen der technischen Wissenschaften notwendigen und möglichen weiteren Maßnahmen erforderlich und zur Beseitigung oder Verringerung der Gefahr geeignet und der beklagten Partei im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auch zumutbar gewesen wären. Allenfalls werde auch zu prüfen und zu erörtern sein, ob die beklagte Partei als Straßenerhalterin einer gemäß § 98 Abs. 4 StVO 1960 bestehenden Mitteilungspflicht gegenüber der Behörde nachgekommen sei und ob eine Unterlassung mit dem Schaden in ursächlichen Zusammenhang stehe.

Der Oberste Gerichtshof gab den von beiden Parteien erhobenen Rekursen nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Wird durch Arbeiten auf oder neben der Straße der Straßenverkehr beeinträchtigt, so ist hiefür eine Bewilligung der Behörde erforderlich (§ 90 Abs. 1 StVO). Die Bewilligung ist unter Berücksichtigung der Art und des Umfanges der Bauführung und der Verkehrsbedeutung der Straße zur Wahrung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs bedingt, befristet oder mit Auflagen zu erteilen (§ 90 Abs. 3 StVO). Im vorliegenden Falle war für die Bewilligung, da sie nur im politischen Bezirk Bregenz wirksam werden sollte, die Bezirksverwaltungsbehörde (die Bezirkshauptmannschaft Bregenz) zuständig (§ 94b StVO), die bei Vollziehung und zur Überwachung ihrer Anordnungen die Mitwirkung der Organe der Straßenaufsicht, insbesondere der Bundesgendarmerie, anordnen konnte (§ 97 StVO). Die hiebei in Betracht kommenden Organhandlungen fielen in den Bereich von Tätigkeiten, die mit Befehls- und Zwangsgewalt ausgestattet sind (vgl. SZ 45/134; SZ 43/167 u. a.) und geschahen daher in Vollziehung der Gesetze (§ 1 AHG); aus schuldhaftem Handeln von Organen könne daher Amtshaftungsansprüche abgeleitet werden. Die Vollziehung von Angelegenheiten der Straßenpolizei ist Landessache (Art. 11 Abs. 1 Z. 4 B-VG), so daß Ansprüche gegen das Land zu richten sind (vgl. JBl. 1970, 265).

Es kann nun den Vorinstanzen nicht darin gefolgt werden, dem Vorhandensein von Steinschlaggefahrenzeichen und der dementsprechenden Bezeichnung der Unfallstelle als bekannte Steinschlagstelle im Bericht des Gendarmeriepostenkommandos Schwarzach an die Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 15. Feber 1973 komme keine besondere Bedeutung zu. Daraus ergibt sich nämlich, daß für die beklagte Partei tätigen Organen die Steinschlaggefahr im Bereich der Unfallstelle bekannt war; aus den Feststellungen der Untergerichte läßt sich entnehmen, daß im Bereiche von 50 m östlich des Straßentunnels besondere durch Gefahrenzeichen angekundigte Gefahr durch Steinschlag bestand. Diese hätte die Bezirkshauptmannschaft Bregenz, hätte sie das vor ihrem Bewilligungsbescheid nach § 90 StVO durchzuführende Ermittlungsverfahren mit der erforderlichen Sorgfalt durchgeführt, ohne Schwierigkeiten erheben können und in ihrem Bescheid durch eine weitere Auflage, die einen längeren als unbedingt notwendigen Aufenthalt von Verkehrsteilnehmern im Gefahrenbereich vermieden hätte, berücksichtigen müssen.

In ihrem Bescheid vom 25. Mai 1972 erteilte die Bezirksverwaltungsbehörde die von der Firma S beantragte straßenpolizeibehördliche Ausnahmegenehmigung zur Durchführung der Bauarbeiten an der Schwarzachtobelstraße allerdings unter anderen Auflagen; eine lautete dahin, daß zur Aufrechterhaltung eines Einbahnverkehrs eine Baustellenampel für den unmittelbaren Arbeitsbereich aufzustellen sei; nach einer weiteren waren die Arbeiten so durchzuführen, daß eine Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs ausgeschlossen war; eventuell durch die Arbeiten zur Verhütung von Unfällen erforderliche Verkehrsmaßnahmen waren unverzüglich der Bezirkshauptmannschaft Bregenz mitzuteilen. Dieser Bescheid erging nachrichtlich auch an das Gendarmeriepostenkommando Schwarzach zur Kenntnisnahme mit dem Auftrag, die Einhaltung der Bescheidbedingungen zu überwachen. Damit war nicht nur die Firma S verpflichtet, die Bescheidauflagen einzuhalten, sondern es bestand auch eine öffentlich-rechtliche Pflicht der Bundesgendarmerie, die Einhaltung der Auflagen zu überwachen, Gefährdungen der Sicherheit des Straßenverkehrs zu vermeiden und, wenn Verkehrsmaßnahmen erforderlich schienen, Meldung an die Bezirksverwaltungsbehörde zu erstatten. Es wäre daher jedenfalls in Erfüllung des ergangenen Auftrages der Bezirksverwaltungsbehörde Sache des Gendarmeriepostenkommandos Schwarzach gewesen, festzustellen, daß die Firma S die Verkehrsampel so aufgestellt hatte, daß die bei rotem Lichtzeichen anhaltenden Fahrzeuge gerade im kritischen Bereich auf das grüne Lichtzeichen warten mußten und so durch Steinschlag mehr als unvermeidbar gefährdet waren. Die enge Auffassung des Berufungsgerichtes, daß die erhöhte Gefahr nicht aus der Bauführung entstanden wäre, ist abzulehnen. Die Bauführung bedingte die Aufstellung der Verkehrsampel und damit den verlängerten Aufenthalt im gefährlichen Bereich, der eine erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Beschädigung durch Steinschlag zur Folge hatte. Die Gendarmerie hätte entweder selbst Abhilfe durch anderweitige Aufstellung der Verkehrsampel schaffen oder, wenn dies ohne Änderung des Bescheides der Bezirksverwaltungsbehörde nicht möglich gewesen wäre, unverzüglich Mitteilung an diese machen müssen, damit die erforderlichen behördlichen Schritte unternommen und die Verkehrsampel so angebracht wurde, daß eine Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs jedenfalls auf das unvermeidliche Minimum beschränkt wurde.

Die aufgezeigten Unterlassungen der Bezirksverwaltungsbehörde bzw. der zuständigen Beamten des Gendarmerieposten Schwarzach stellen, wie der Rekurs des Klägers richtig hervorhebt, ein schuldhaftes rechtswidriges Verhalten dar, für welches die beklagte Partei dem Kläger gegenüber nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes zu haften hat. Die Beschränkung der Haftung der beklagten Partei als Straßenerhalterin auf grobes Verschulden ihrer Organe (§ 5 Abs. 6, § 31 Abs. 1 und 2 Vorarlberger Landes-Straßengesetz, LGBl. 8/1969, in Verbindung mit § 5 BStG 1971) gilt für Rechtsverletzungen in Vollziehung der Straßenverkehrsordnung, aus denen Amtshaftungsansprüche abgeleitet werden, nicht. Die beklagte Partei kann sich auch nicht darauf berufen, der Unfall hätte sich vielleicht ebenso zugetragen, wenn die Verkehrsampel nicht an der gefährlichen Stelle angebracht worden wäre. Gesetzliche Aufgabe der Bezirksverwaltungsbehörde und der von ihr beauftragten Organe der Straßenaufsicht war es, die Sicherheit des Verkehrs trotz der Straßenarbeiten zu gewährleisten. Da sie dies schuldhaft nicht in bestmöglicher Weise getan haben, könnte sich die beklagte Partei von einer Haftung für ihre Organe nur dann befreien, wenn ihr der Beweis gelänge, daß der Schaden auch ohne Verletzung der Verpflichtungen durch ihre Organe eingetreten wäre (vgl. die ständige Rechtsprechung zu § 1311 ABGB wie SZ 38/204; SZ 26/59 u. v. a.). Diesen Beweis hat die beklagte Partei nicht angetreten, er wäre wohl auch nicht erbringbar.

Der Rekurs des Klägers ist demnach darin im Recht, daß die beklagte Partei für den Schaden des Klägers nach dem Amtshaftungsgesetz einzustehen hat. Es hat nur deswegen bei der Aufhebung des erstinstanzlichen Urteiles zu verbleiben, weil das Erstgericht, von seiner Rechtsansicht ausgehend, keine Feststellungen über die Höhe des behaupteten Schadens getroffen hat.

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