OGH 5Ob530/94

OGH5Ob530/9431.5.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 16.Juni 1993 verstorbenen Elisabeth L*****, infolge Revisionsrekurses der erbl. Tochter und Testamentserbin Elisabeth E*****, vertreten durch Dr.Jürgen Hinterwirth, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 1.März 1994, GZ 22 R 75/94-35, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 13.Dezember 1993, GZ 3 A 280/93h-26, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Am 16.6.1993 ist in Salzburg Frau Elisabeth L*****, geboren am 12.10.1904, verstorben. Die Erblasserin stand zu 3 SW 24/87 bezüglich aller ihrer Angelegenheiten unter Sachwalterschaft (Beschluß des Erstgerichtes vom 10.7.1987). Noch vor Anordnung der Sachwalterschaft verfaßte die Erblasserin am 21.7.1986 ein Testament, worin sie ihr Haus in Salzburg, ***** je zur Hälfte ihrer Tochter Elisabeth und ihrer Enkelin Barbara vermachte. Im Punkt 3. ihres Testamentes setzte die Erblasserin für das restliche Vermögen ihre Tochter Elisabeth als Universalerbin ein. Sie bestimmte jedoch ihre Enkelin Barbara zur Nacherbin auf den Überrest, wobei die Tochter unter Lebenden keinerlei Beschränkung hinsichtlich des geerbten Vermögens unterworfen ist. Aufgrund der Einkommens- und Vermögenslage der Erblasserin wurde schließlich die Veräußerung des Hauses ***** notwendig. Laut einem Bericht des Sachwalters vom 25.3.1992 betrug der monatliche Abgang im Vermögen der Kurandin durchschnittlich S

85.218. Mit Beschluß vom 30.3.1992 genehmigte das Erstgericht den Kaufvertrag betreffend die Veräußerung der Liegenschaft sachwaltergerichtlich. Mit Vertrag vom 25.3.1992 wurde demnach die Liegenschaft um einen Kaufpreis von S 19,600.000 veräußert.

Die Enkelin der Erblasserin Barbara (gleichzeitig Tochter der Testamentserbin) beantragte am 15.Juli 1993 die Nachlaßabsonderung gemäß § 812 ABGB mit folgender Begründung: Sie sei Legatarin bezüglich der Hälfte der Liegenschaft *****. Diese Liegenschaft habe mit pflegschaftsbehördlicher Genehmigung verkauft werden müssen. Die Erblasserin sei zu diesem Zeitpunkt geistig derartig behindert gewesen, daß ihre Zustimmung nicht mehr habe eingeholt werden können. Nach § 724 ABGB werde ein Speziesvermächtnis als widerrufen angesehen, wenn der Erblasser die Sache veräußere. Durch die Veräußerung werde die Leistung in ihrer ursprünglichen Form unmöglich, daher sei ein förmlicher Widerruf nicht notwendig. Dabei handle es sich aber um eine Interpretationsregel, die den Beweis eines anderen Willens des Erblassers zulasse. Der Verkauf der Liegenschaft sei ohne Mitwirkung der Erblasserin erfolgt; sie sei aber bis kurz vor Abschluß des Kaufvertrages noch ansprechbar gewesen und habe niemals erklärt, daß sie das Vermächtnis der Einschreiterin widerrufen wolle. Es sei daher davon auszugehen, daß die Erblasserin für den Fall der Liegenschaftsveräußerung der Einschreiterin die Hälfte des Erlöses als Ersatz für die vermachte Liegenschaftshälfte zugedacht hätte. Einen Widerruf des Vermächtnisses habe die Erblasserin nie beabsichtigt; sie habe offensichtlich auch nicht an die Möglichkeit eines Verkaufes des Hauses gedacht, sodaß sie diesbezüglich ihr Testament nicht ergänzt habe. Es bestehe nun die begründete Besorgnis, daß für den Fall der Einantwortung des vorhandenen Barvermögens an die Universalerbin - ihre Mutter - sie ihre Legatsansprüche nicht mehr durchsetzen könne. Ihre Mutter habe nämlich 1987 einen schwer vorbestraften Gewohnheitsverbrecher geheiratet und stehe völlig unter dessen Einfluß. Ihre Mutter habe nicht einmal ein Pensionseinkommen, sei somit auf das Ererbte angewiesen und stehe zu befürchten, daß, zumal bereits erhebliche Verbindlichkeiten bestünden, das Ererbte verbraucht werde.

Das Erstgericht wies den Antrag der erbl. Enkelin auf Nachlaßabsonderung ab. Es verwies auf die Bestimmung des § 724 ABGB, wonach ein Legat für widerrufen angesehen werde, wenn der Erblasser die jemand zugedachte Sache veräußere. Gegenständlich komme die Veräußerung durch den Sachwalter einer Veräußerung durch die Erblasserin selbst gleich. Der Ausnahmetatbestand des § 725 ABGB - ohne Einwilligung des Erblassers - liege nicht vor.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der erbl. Enkelin Folge und änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß die beantragte Nachlaßabsonderung gemäß § 812 ABGB verfügt werde. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu.

Nach § 812 ABGB könne ein Legatar die Nachlaßabsonderung verlangen, wenn er besorge "daß er durch Vermengung der Verlassenschaft mit dem Vermögen des Erben für seine Forderung Gefahr laufen könne". Die Einschreiterin sei nach dem Inhalt des Testamentes zweifellos als Vermächtnisnehmerin anzusehen. Ihre Forderung sei damit bescheinigt, wobei an die Bescheinigung keine strengen Anforderungen zu stellen seien (Edlbacher, Verfahren außer Streitsachen2 E 34 zu § 44; Welser in Rummel2, Rz 13 zu § 812 ABGB). Die Gefahr durch die Vermengung des Nachlasses mit dem Vermögen des Erben müsse nicht bescheinigt werden. Hier genüge eine subjektive Besorgnis, jedes hinreichend motivierte, auch bloß subjektive Bedenken (Welser aaO Rz 14; Edlbacher aaO E 40). Das Vorbringen konkreter Umstände sei erforderlich; ganz unlogisches oder widersinniges Vorbringen reiche aber nicht aus (Welser aaO Rz 15). Die von der Einschreiterin aufgestellten Behauptungen genügten diesen Anforderungen einer subjektiven Besorgnis. Aus im Akt erliegenden Ablichtungen von Exekutionsakten gehe hervor, daß die Testamentserbin mehrfach höher verschuldet sei. Stehe somit fest, daß die Einschreiterin Legatarin sei und daß Gefahr für ihre Forderung bestehe, sei noch zu prüfen, ob

nicht die Bescheinigung ihrer Forderung deshalb mißglückt sei, weil nach § 724 ABGB durch die Liegenschaftsveräußerung das Legat "für widerrufen" angesehen werde. Bei dieser Prüfung gehe aber das Erstgericht von der unzutreffenden Ansicht aus, daß die Veräußerung durch den Sachwalter einer Veräußerung durch die Erblasserin selbst gleichkomme. Wie Kralik in ErbR 151 f nachweise, sei auch beim Widerruf einer letztwilligen Verfügung der Grundsatz der Höchstpersönlichkeit nur scheinbar aufgeweicht. Nur wenn der Erblasser höchstpersönlich den Widerruf auch wolle, könne er die Veräußerung der Sache (oder die Einziehung der Forderung) auch einem Dritten überlassen; dieser sei dann gleichsam bloß verlängerter Arm des Erblassers. Ohne ausdrücklichen Auftrag des Testators sei aber das Handeln eines Dritten dem Erblasser nicht zurechenbar. Daraus folge, daß die Veräußerung einer vermachten Sache durch einen gesetzlichen Vertreter ohne persönlichen Willen des Testators keinen wirksam vermuteten Widerruf darstelle. Würden die Widerrufsakte aber nicht höchstpersönlich gesetzt, also wie hier das Haus nicht von der Erblasserin selbst, sondern vom Sachwalter verkauft, dann greife die Vermutung des § 724 ABGB nicht. Vielmehr müsse hier bewiesen werden, daß der Verkauf auf dem Willen der Erblasserin beruhe, das Vermächtnis zu widerrufen (Eccher in Schwimann, § 724 ABGB Rz 2). Beweispflichtig sei, wer behaupte, daß die von der Erblasserin nicht höchstpersönlich vorgenommene Umwandlung ihrem Willen entsprochen habe (Welser aaO Rz 1). Die Vermutung des § 724 ABGB greife hier also nicht, weil die Erblasserin die Liegenschaft nicht selbst verkauft habe. Daß sie mit diesem Verkauf durch ihren Sachwalter das Legat habe widerrufen wollen, habe daher im vorliegenden Fall die Erbin zu behaupten und unter Beweis zu stellen. Auf eine Willenskundgebung der Erblasserin habe sich die Erbin gar nicht berufen, sondern lediglich rechtsirrig auf die gesetzliche Vermutung des § 724 ABGB.

Wenn auch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes EvBl 1962/27 die vorliegende Auffassung stütze, liege eine Rechtsprechung zur Frage, wie im Falle der Veräußerung nach § 724 ABGB einer nicht eigenberechtigten Erblasserin vorzugehen sei, nicht vor, sodaß der Revisionsrekurs zulässig sei.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Testamentserbin wegen Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne der Abweisung des Separationsantrages abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens liegt nicht vor (§ 16 Abs 3 AußStrG, § 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

In ihrer Rechtsrüge macht die Rechtsmittelwerberin geltend, das Legat sei gemäß § 724 ABGB infolge Veräußerung der zugedachten Sache als widerrufen anzusehen. Der Ausnahmetatbestand des § 725 ABGB liege nicht vor. Der Verkauf der Liegenschaft durch den Sachwalter komme einer Veräußerung durch die Erblasserin gleich, zumal die Liegenschaft zur Sicherstellung des Unterhaltes der Erblasserin habe verkauft werden müssen.

Hiezu verweist der Oberste Gerichtshof zunächst auf die von ihm gebilligte Rechtsansicht des Rekursgerichtes (§ 16 Abs 3 AußStrG, § 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Klarzustellen ist noch folgendes:

Mit ihren Ausführungen, es hätte ausgehend von der Rechtsmeinung des Rekursgerichtes ergänzender Beweisaufnahmen zur Widerrufsabsicht der Erblasserin bedurft, verkennt die Rechtsmittelwerberin das Wesen der Nachlaßabsonderung, bei der den einstweiligen Verfügungen vergleichbar kein voller Beweis für den behaupteten Anspruch zu verlangen ist, die Forderung vielmehr nur bescheinigt werden muß. Dementsprechend ist die Nachlaßseparation nicht an strenge Bedingungen zu knüpfen. Es schadet auch nicht, daß der Anspruch bestritten wird (RZ 1989/98 mwN; Welser in Rummel2 § 812 ABGB Rz 13). Mit der Bewilligung der Nachlaßseparation wurde daher nicht abschließend darüber abgesprochen, ob der erbl. Enkelin ein Legat zusteht.

Mißverständlich und nicht der angegebenen Belegstelle (Welser aaO §§ 724, 725 ABGB Rz 1) entsprechend ist in der rechtlichen Beurteilung des Rekursgerichtes lediglich die Darstellung, beweispflichtig sei, wer behaupte, daß die von der Erblasserin nicht höchstpersönlich vorgenommene "Umwandlung" (gemeint wohl: Veräußerung) ihrem Willen entsprochen habe. Unter Umwandlung des Vermächtnisses ist im gegebenen Zusammenhang nämlich der Surrogationsfall - hier Anteil am Veräußerungserlös statt an der Liegenschaft - zu verstehen (vgl Zeiller, Comm II/2, 707; Ehrenzweig, Familien- und Erbrecht 475; Welser aaO Rz 1 und 6; Eccher in Schwimann §§ 724, 725 ABGB Rz 3). Ob es zu einer Surrogation kommt, hängt davon ab, ob mit der Veräußerung der vermachten Sache der Widerruf des Vermächtsnisses gewollt ist. Hiezu stellt § 724 ABGB die widerlegliche Vermutung auf, daß die Veräußerung durch den Erblasser - oder einen von ihm beauftragten Dritten (Kralik ErbR 152 f; Welser aaO Rz 1) - einen Widerruf beinhaltet (EvBl 1962/27 mwN; Eccher aaO Rz 2). Greift die gesetzliche Vermutung, so ist ein fehlender Widerrufswille vom Legatar zu beweisen; andernfalls ist es Sache des Erben, den Widerrufswillen des Erblassers zu beweisen (vgl EvBl 1962/27; Zeiller aaO; Welser aaO Rz 1 und 5; Eccher aaO Rz 2).

Wie sich aus § 725 ABGB ergibt, gilt die Widerrufsvermutung des § 724 ABGB freilich nur bei willentlichen, aktiven Verhaltensweisen des Erblassers (Kralik aaO 152; Eccher aaO Rz 3); schon Zeiller (aaO 706) spricht von "freiwilliger" Veräußerung. Das Rekursgericht hat zutreffend erkannt, daß die Veräußerung der vermachten Sache durch einen gesetzlichen Vertreter ohne persönlichen Willen des Testators keinen wirksamen vermuteten Widerruf darstellt (Kralik, ErbR 153). Die Veräußerung durch den Sachwalter der Erblasserin ist einem willentlichen Widerruf der Erblasserin selbst nicht gleichzusetzen. Im übrigen ist dem Aufgabenkreis eines Sachwalters, auch wenn er mit der Besorgung aller Angelegenheiten betraut wurde, der Bereich der Verfügungen von Todes wegen entzogen (Kralik in FS Wagner 241).

Die Veräußerung durch den Sachwalter löste die Widerrufsvermutung des § 724 ABGB somit nicht aus. Dies bedeutet, daß die erbl. Enkelin trotz der erfolgten Veräußerung der ihr zugedachten Sache einen fehlenden Widerrufswillen der Erblasserin nicht bescheinigen mußte.

Es kann vorerst auf sich beruhen, welche Voraussetzungen für einen persönlichen Widerruf des Legats durch die Erblasserin, für die ein Sachwalter bestellt worden war, bestünden (vgl Welser aaO §§ 717, 718 ABGB Rz 2 und 4 mwN). Ebensowenig muß derzeit untersucht werden, welchen Einfluß auf die Höhe des Anspruches der erbl. Enkelin es hätte, wenn Teile des Veräußerungserlöses für die Bestreitung des Lebensunterhaltes der Erblasserin verbraucht worden sein sollten.

Dem Revisionsrekurs war demnach ein Erfolg zu versagen.

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