OGH 5Ob35/94

OGH5Ob35/9431.5.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Univ.Prof.Primarius Dr.Ulrich-Michael K*****, Augenfacharzt, ***** vertreten durch Dr.Klaus Braunegg und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die Antragsgegner I***** Gesellschaft mbH, ***** und alle anderen Miteigentümer der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches *****, darunter die Antragsgegner a) Dr.Gerhard T*****, b) Mag.Sieglinde T*****, c) Silvia B***** und d) Dipl.Ing.Hanns S*****, die Antragsgegner b) bis d) vertreten durch Dr.Gerhard Taufner, Rechtsanwalt in Melk, wegen § 26 Abs 1 Z 2 WEG infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes St.Pölten als Rekursgerichtes vom 27.Oktober 1993, GZ R 589, 590/93-56, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes St.Pölten vom 15.Juni 1993, GZ 5 Msch 2/91-46, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs des Antragstellers wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Zu 5 Msch 2/91 begehrte der Antragsteller den Ausspruch, die Antragsgegner seien verpflichtet, die in der Wohnung Nr.2 des Hauses 1 der im Kopf dieser Entscheidung genannten Liegenschaft eingerichtete Augenarztordination des Antragstellers als Widmungsänderung zu dulden.

Zu 5 Msch 1/92 begehrte ein anderer Miteigentümer dieser Liegenschaft den Ausspruch, die anderen Miteigentümer seien verpflichtet, die in der Wohnung Nr.26 desselben Hauses eingerichtete Steuerberatungskanzlei als Widmungsänderung zu dulden.

Beide Verfahren waren in erster und zweiter Instanz zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Das Erstgericht gab beiden Anträgen statt. Das Rekursgericht bestätigte die die Steuerberatungskanzlei betreffende Entscheidung des Erstgerichtes, änderte jedoch diejenige betreffend die Umwidmung der Wohnung des Antragstellers in eine Ordination für zwei Augenfachärzte, nämlich für den Antragsteller und seine Ehegattin, in antragsabweisendem Sinn ab. Der Sachbeschluß über die Umwidmung der Wohnung eines Miteigentümers in eine Steuerberatungskanzlei wurde rechtskräftig. Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist daher nur noch die abweisende Entscheidung des Rekursgerichtes betreffend das Umwidmungsbegehren des im Kopf dieser Entscheidung genannten Antragstellers.

Das Erstgericht legte seiner stattgebenden Entscheidung im wesentlichen folgenden Sachverhalt zugrunde:

Die Liegenschaft umfaßt das sogenannte "City-Center". Dieses besteht ebenerdig aus zahlreichen Geschäftslokalen. Das Flachdach über diesen Geschäftsräumlichkeiten ist als Dachgarten gestaltet, darüber erheben sich drei Wohnhaustürme (Haus 1, 2 und 3) mit insgesamt 216 Eigentumswohnungen, welche eine einheitliche Betriebskostenabrechnung haben, im Keller ist eine Tiefgarage gelegen.

Das Haus Nr.1 mit der Anschrift ***** hat 9 Stockwerke und weist 47 Wohnungen auf. Im Halbstock dieses Hauses (an der äußeren Liftanzeige mit I bezeichnet) liegen die Hausbesorgerwohnung sowie die Hausnebenräume (versperrbare Waschküche, von den Wohnungseigentümern allerdings meisten unversperrt gehalten; versperrbarer und tatsächlich versperrter Kinderwagenabstellplatz und Kellerabteile). Mit Ausnahme der schon betriebenen Ordination des Antragstellers und seiner Gattin sowie der Steuerberatungskanzlei sind die übrigen Eigentumswohnungen dieses Hauses derzeit ausschließlich als Wohnungen genützt.

Der Eingang in das Haus Nr.1 (die beiden anderen Wohntürme sind Nr.2 und 3) ist von der E*****straße kommend, einen unversperrten Glaswindfang passierend, vom Rest der früheren Passage aus erreichbar. Diese Passage, die vormals auch zu den Häusern 2 und 3 führte, ist nun aber nicht mehr offen (Trennwände mit Türen). Die Eingangstüre zum Haus Nr.1 ist versperrt (Gegensprechanlage vorhanden). Nach Passieren der Hauseingangstüre gelangt man in einen Flur, in dem lediglich die Postkästchen und ein Depotkasten der Post montiert und zwei Liftanlagen (der Raum vor den Liftanlagen hat eine Tiefe von 240 cm) situiert sind. Mittels dieser beiden Lifte gelangt man abwärts in die Tiefgarage (von der Tiefgarage kommend benötigt man einen Generalhausschlüssel, um in das Haus Nr.1 zu gelangen, von innen ist diese Tür aufzustossen), aufwärts in die einzelnen Stockwerke des Hauses Nr.1, vorerst in den Halbstock I, sodann in den

1. Stock, wobei in den Liftkabinen die Bedienungsknöpfe in arabischen Ziffern die jeweiligen Stockwerkszahlen aufweisen, lediglich der Knopf für den Halbstock ist nicht bezeichnet.

Den Dachgarten im 1.Stock erreicht man zu Fuß von der E*****straße mittels eigenen Stiegenaufganges (allerdings von außen her versperrt, von innen - als Fluchtweg für die Hausbewohner - ist die Türe aufzustossen), sowie vom Flur des Halbstockes bzw. über das Stiegenhaus von den einzelnen Stockwerken in den Halbstock abwärts kommend.

Im Jahre 1986 kaufte der Antragsteller, nachdem ihn der Hausverwalter angerufen und mitgeteilt hatte, daß eine Wohnung im City-Center frei sei, die Eigentumswohnung Tür Nr.2 im 1.Stock, einerseits, weil er als Primararzt des AÖKH in ***** seiner vertraglichen Residenzpflicht nachzukommen hatte, andererseits, um in Zukunft in diesen Räumlichkeiten für sich und seine Gattin Ordinationsräume für eine Augenarztordination zur Verfügung zu haben.

Am 28.12.1987 nahmen der Antragsteller, am 19.5.1988 seine Gattin den Ordinationsbetrieb als Augenfachärzte auf. Beides wurde der Hausverwaltung gemeldet, eine Hausvertrauensleutebesprechung im Februar 1988 ergab keine dem widersprechende Stimme.

Der Antragsteller, der ausschließlich Privatpatienten betreut, hat Ordination am Dienstag von 12.30. bis 16.00 Uhr, seine Gattin, die alle Krankenkassen hat, ordiniert am Montag von 14 bis 17 Uhr, Dienstag und Freitag von 8.30 bis 11.30 Uhr, sowie am Donnerstag von 11 bis 14 Uhr.

Der Antragsteller hat an diesem einen Ordinationsnachmittag in der Woche ein Patientenaufkommen von ca. 20 Personen, seine Gattin von 20 bis 25 Personen pro Ordinationseinheit, an Spitzentagen, etwa zweimal pro Monat von 35 bis 40 Personen. Bei beiden Ärzten besteht Anmeldungspflicht mit Ausnahme von Notfällen bei der Ehefrau des Antragstellers (zB zerbrochene Brillen, Augenentzündungen). Patienten mit stark blutenden Wunden am Auge, etwa nach Unfällen, kommen von vornherein nicht zum Augenarzt, sondern sofort ins Krankenhaus, weil kein Augenarzt das notwendige Operationsgerät in der Ordination hat, um solche Akutfälle entsprechend zu versorgen. Die Patienten werden vormittags ca. eine Stunde, nachmittags ca. eine halbe Stunde vor Ordinationsbeginn in den Warteraum der Ordination eingelassen, wobei allerdings die Ordinationshilfen mit der Bahn anreisen, daher früher in der Ordination anwesend sind und Patienten, die wesentlich früher ankommen, im Warteraum Platz nehmen lassen. Eine Überschreitung der festgestellten Ordinationszeiten kommt fallweise vor, ohne daß dies exakt auf Tag und Stunde festzulegen ist, dasselbe gilt für die mit der Rettung gebrachten Parteien (die Rettungswagen stehen dann, wie auch die Müllabfuhrwagen im Halte- und Parkverbotsbereich). Sowohl der Antragsteller als auch seine Gattin haben an ihre Ordinationshilfen (der Antragsteller hat eine, seine Gattin nunmehr zwei) die strikte Anweisung gegeben, den Hauseingangstüröffner nur nach Namensnennung durch den Patienten zu öffnen, was allerdings nicht ausnahmslos befolgt wird. Da die Gegensprechanlage nicht unmittelbar neben der Hauseingangstüre situiert ist, kommt es vor, daß Patienten dann, wenn sie zur Türe gelangt sind und der Summton des Türöffners bereits verstummt ist, die Türe nicht mehr öffnen können und daran rütteln.

Pro Ordinationseinheit werden bei der Ehefrau des Antragstellers maximal 24 Anmeldungen angenommen. Sollte ein Patient mit einer ansteckenden Augenkrankheit Viren auf Tür- oder Liftknopf bringen, müßte eine andere Person innerhalb von 30 Sekunden diese Stelle berühren und darauf unmittelbar sein eigenes Auge anfassen, um die Krankheit weiterzutragen.

Patienten, die in die Ordination des Antragstellers und seiner Gattin kommen, haben folgenden Weg vor sich:

Von der E*****straße kommend weisen zwei Metallschilder auf die Ordinationszeiten der Ärzte, Telefonnummer, Lift/Aufzug und die Lage der Ordination im ersten Stock hin. Im Passagevorraum rechts an der Wand ist die Gegensprechanlage, wobei sich links außen, dritter Knopf von unten der Bedienungsschalter des Antragstellers mit deutlicher Kennzeichnung "Augenarzt" befindet. Links daneben ist nunmehr wieder ein Metallschild in Pfeilform angebracht mit dem Eindruck "Augenarzt", wobei die Pfeilspitze auf den Klingelknopf des Augenarztes hinweist, vor der Tagsatzung vom 10.9.1991 war an der Wand ein solcher weiterer Hinweis zur Ordination angeklebt, der aber damals ebenso Heruntergerissen war (wobei auch die Dispersionsfarbe Schaden gelitten hat), wie etwa in den ersten zwei Jahren seit Ordinationsbeginn andere Informationszettel (wie Urlaubshinweise der Augenärzte). Nach Passieren der einige Meter von der Gegensprechanlage entfernten Hauseingangstüre (an dieser ist innen mit Aufschrift nach außen ein Hinweis fixiert "Bitte Summton abwarten" und fettgedruckt "ziehen") gelangt man unweigerlich zu den beiden bereits beschriebenen Lifttüren. Andere Möglichkeiten, das Haus Nr.1 zu betreten, gibt es für Hausfremde nicht. In den Liftkabinen weist je ein ca.6 mal 3 cm großes weißes Kunststoffschild mit dem eingravierten Wort "ARZT" in leuchtend roter Farbe als Pfeil auf den Liftbedienungsknopf für den 1.Stock hin (allerdings wurde dieses Schild im rechten Lift vor der Tagsatzung vom 10.9.1991 von einem Unbekannten abmontiert, obwohl es mit Superkleber aufgeklebt war, der Antragsteller hat solche Schilder aber bereits nachbestellt und waren bei der Tagsatzung am 1.4.1993 beide Liftkabinen wieder mit diesem Schild ausgestattet). Der rechte Lift ist zugelassen für 8 Personen oder 600 kg, der linke Lift für 6 Personen oder 450 kg. An der Ordinationstüre ist sowohl eine Metallplatte montiert, auf der in Großbuchstaben "ARZT" eingraviert ist, als auch weiters ein Papierschild mit den Worten "Bitte eintreten, Tür ist offen". Über dem oberen Türrahmen ist eine ca. 30 cm breite und ca.7 cm hohe Leuchte mit weißer Glasumhüllung, auf der mit schwarzen Klebebuchstaben das Wort "ARZT" aufgeklebt ist, montiert. Diese Leuchte wird von zwei 40 Watt starken Glühbirnen erleuchtet und ist gekoppelt mit der Vorzimmerbeleuchtung in der Ordination. Bei Verlassen der Lifte im 1.Stock fällt einem die Ordinationstüre infolge der eben festgestellten Leuchte unwillkürlich auf.

Wenn Patienten ihre Augen eingetropft erhalten, um eine Pupillenerweiterung zu erreichen, werden sie von den Ärzten in den Warteraum geschickt und nach zehn bis zwanzig Minuten von dort wieder in das Behandlungszimmer geholt. Behinderte Personen und Kinder werden über Weisung der Ärzte von Begleitpersonen begleitet.

Weder Haus noch Lift werden allein durch den Betrieb der Augenarztordination des Antragstellers und seiner Gattin stärker verschmutzt, ebensowenig ist tatsächlich nachweisbar, daß der Hauseingangstüröffner oder die Liftanlagen öfter defekt sind, als vor Beginn der Ordinationseröffnung. Für alle 216 Wohnungen aller drei Wohntürme erfolgt eine einheitliche Betriebskostenabrechnung, ein denkbarer Mehrverbrauch elektrischer Energie infolge Liftbenützung durch die Patienten der Arztordination ist bis dato nicht aufgefallen. Für das Jahre 1988 kam es zu einer starken Betriebskostennachzahlung, weil diese infolge unrichtiger Einschätzung durch die Hausverwaltung wesentlich zu niedrig akontiert worden waren. Bezüglich der Lifte besteht ein Vollwartungsservicevertrag, das heißt, daß die Servicefirma zu jeder Reparatur kommt und dies durch das von vornherein vereinbarte Honorar abgedeckt ist (ausgenommen boshafte Beschädigungen des Liftes).

Häufige tatsächlich vorhandene Anfangsschwierigkeiten der Patienten, die gegenständliche Ordination zu finden, die Ordinationszeiten einzuhalten und damit verbundene Belästigung der anderen Hausbewohner durch Anläuten an fremden Türen, Herumirren im Haus, und dgl. haben nunmehr abgenommen. Jedoch werden die glaubwürdigen Angaben der Antragsgegner, daß Patienten nach wie vor an fremde Türglocken anläuten, im Hause herumirren, die Hausbewohner von Patienten fallweise rüde behandelt werden (manchmal "angeschnautzt" werden, weil manche Patienten das Haus offenbar als "öffentliches Haus" ansehen), solche Patienten sich trotz Protestes der Eigentümer mit ins Haus drängen, in die Feststellungen übernommen.

Der Antragsteller hat in seinem Wohnhaus in ***** eine kleine Ordination (ca. 50 bis 60 Quadratmeter groß, bestehend aus einem Vorraum, einem Warteraum und dem Behandlungsraum) eingerichtet, die er für Notfälle an Wochenenden oder für Notfälle dann, wenn seine Gattin gerade Ordinationszeit in der gegenständlichen Ordination hat, verwendet. Dieses Wohnhaus ist 200 m von einer Bushaltestelle (Busfrequenz alle 60 Minuten) über eine nunmehr asphaltierte Gasse erreichbar.

Die antragsgegenständliche Wohnung/Ordination liegt praktisch unmittelbar am Rande der City der L*****stadt mit ordentlich angelegten Gehsteigen und Fußgängerübergängen. Ca. 80 Meter entfernt vom Hauseingang ist eine Autobushaltestelle, von wo aus man zum Hauptbahnhof ***** fahren kann; vom Hauptbahnhof und Busbahnhof ***** erreicht man die Ordination zu Fuß in knapp zehn Minuten.

Der Antragsteller hat nunmehr in *****, ein einstöckiges Haus gekauft (vom Bahnhof ***** ca. 250 m entfernt, nächste Bushaltestellen sind je ca. 250 m weg), wo er gerade im ersten Stock (im Parterre ist ein Geschäftslokal in Betrieb) eine insgesamt etwa 74 Quadratmeter große Wohnung als provisorische Ordination adaptieren läßt.

Rechtlich führte das Erstgericht im wesentlichen folgendes aus:

Gemäß § 13 Abs 2 Z 1 WEG dürfe mit der Umwidmung einer Eigentumswohnung weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Miteigentümer, vor allem keine Gefahr für die Sicherheit von Personen, des Hauses oder von anderen Sachen verbunden seien. Allerdings seien die Wohnungseigentümer sowohl zur gegenseitigen Rücksichtnahme auf schutzwürdige Interessen der anderen als auch zu einen zumutbaren Maß an wechselseitiger Toleranz verpflichtet. Dem Richter werde in Umwidmungsfällen ein weiter Wertungspielraum überlassen, wobei zu beachten sei, daß nicht jede Beeinträchtigung von Interessen von Mieteigentümern der Änderung entgegenstehe, sondern nur eine wesentliche Beeinträchtigung, welche die Interessen der anderen Miteigentümer am Unterbleiben der Änderung so schutzwürdig erscheinen lasse, daß das Verfügungsrecht des Wohnungseigentümers über Änderungen der im Wohnungseigentum stehenden Räumlichkeiten zurückstehen müsse. Nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofes sei in Umwidmungsfällen eher großzügig zugunsten einer Umwidmung zu entscheiden. Dies müsse vor allem dann gelten, wenn es sich um die Umwidmung für eine Berufstätigkeit handle, die üblicherweise in Wohnungen ausgeübt werde. Der festgestellte Sachverhalt sei daher im Sinne einer Zulässigkeit der vom Antragsteller begehrten Umwidmung zu werten.

Das Rekursgericht änderte den Sachbeschluß des Erstgerichtes in antragsabweisendem Sinn ab und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Rekursgericht begründete seine Entscheidung in wesentlichen wie folgt:

Der Hinweis des Gesetzes auf die Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Miteigentümer lasse erkennen, daß auf den Einzelfall abzustellen sei, und daß alle in Betracht kommenden Umstände der Interessenbeeinträchtigung zu berücksichtigen seien, insbesondere auch die Benützungssituation der gesamten Liegenschaft (MietSlg 38.627). Dabei genüge es aber zur Annahme einer unzumutbaren Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer, daß hausfremde Personen, ohne durch die Hauseingangstür in irgendeiner Weise daran gehindert zu werden, in das Stiegenhaus gelangen könnten (MietSlg 38.627). Derartige Überlegungen seien auch der Entscheidung MietSlg 37.616 zugrunde gelegen. In der Entscheidung 5 Ob 103/90 hingegen habe der Oberste Gerichtshof der Umwidmung einer Wohnung in ein Institut für Nuklearmedizin, das jedoch nicht über den Umfang einer schlichten ärztlichen Ordination hinausgehe, mit der Begründung zugestimmt, es handle sich von vornherein um ein zu Wohn- und Geschäftszwecken gewidmetes Gebäude, sodaß in der geplanten Ausübung ärztlicher Tätigkeit, die üblicherweise in Wohnhäusern ausgeübt werde, keine von den Miteigentümern nicht zu erwartende und allenfalls unter diesem Gesichtspunkt ihre schutzwürdigen Interessen unzumutbare beeinträchtigende Änderung der Verhältnisse gelegen sei.

Wende man die den genannten Entscheidungen zur Auslegung des § 13 Abs 2 Z 1 WEG zugrundeliegenden Gedanken auf den hier zu beurteilenden Rechtsfall an, so bedeute dies folgendes:

Es handle sich bei der hier betroffenen Liegenschaft um eine an einer sehr verkehrsreichen Stelle im Zentrum der L*****stadt gelegene "Wohnburg", die im Erdgeschoß zahlreiche, teils supermarktähnliche Geschäfte beherberge. Die Obergeschoße seien aber bisher ausschließlich zu Wohnzwecken gewidmet. Wohn- und Geschäftsbereich seien auf dieser Liegenschaft trotz allem strikt getrennt. Durch die Umwidmung der Wohnung des Antragstellers in eine Augenarztordination würden nunmehr zahlreiche hausfremde Personen, wenn auch Patienten des Arztes, Zugang zum Wohnbereich erhalten. Da von diesen Personen festgestelltermaßen nach wie vor, wenn nunmehr auch in geringerem Ausmaß als früher, Belästigungen der Antragsgegner ausgehen, seien diese nicht verbunden, den Betrieb einer Augenarztordination im Haus zu dulden. Wenn auch die ärztliche Tätigkeit überwiegend oder gewöhnlich in Wohnungen ausgeübt wird, so werde sich eine solche Tätigkeit, vor allem wenn sie den Umfang der hier festgestellten erreicht, auf Wohnungen zu beschränken haben, die in Gebäuden liegen, welche Wohn- und Geschäftszwecken dienen.

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage, ob die Umwidmung einer Wohnung in eine Ordination, von welcher eine gegenüber Wohnzwecken erhöhte Inanspruchnahme von allgemeinen Teilen der Liegenschaft ausgeht, in einem bisher ausschließlich zu Wohnzwecken gewidmeten Gebäude (oder abgegrenzten Gebäudeteil) jedenfalls ausgeschlossen ist oder nicht, keine ausreichende Rechtsprechung vorliege.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag, den Sachbeschluß des Rekursgerichtes dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Ein Teil der Antragsgegner begehrt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Gemäß § 26 Abs 2 Einleitungssatz WEG iVm § 37 Abs 3 Z 16 und 18 MRG sowie § 528 Abs 1 ZPO hängt die Zulässigkeit des Revisionsrekurses vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne der letztgenannten Gesetzesstelle ab.

Das Rekursgericht begründete seine abweisende Entscheidung nicht ausschließlich, ja nicht einmal vorwiegend damit, daß die Umwidmung einer Wohnung in eine Arztordination von dem hier festgestellten Umfang nur dann zulässig sei, wenn es sich um eine Wohnung in einem Gebäude handle, welches Wohn- und Geschäftszwecken diene. Das Rekursgericht äußerte zwar eine solche Meinung, doch war sie für die Entscheidung nicht tragend. Das Rekursgericht hat nämlich - ebenso wie das Erstgericht, jedoch mit anderem Ergebnis - den festgestellten Sachverhalt nach der Norm des § 13 Abs 2 Z 1 WEG, insbesondere nach dessen unbestimmten Gesetzesbegriff "Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Miteigentümer" beurteilt. Dabei berücksichtigte es die vom Obersten Gerichtshof in den oben genannten Entscheidungen ausgedrückten Grundsätze. Die Entscheidung des Rekursgerichtes stellt daher insgesamt das Ergebnis eines dem Gesetzeswortlaut und der zu seiner Auslegung ergangenen Judikatur entsprechenden Wertungsvorganges, beruhend auf dem im Einzelfall festgestellten Sachverhalt, dar. Dem Rechtsanwender ist bei einer solchen Entscheidung ein gewisser Beurteilungs- bzw. Wertungsspielraum eingeräumt. Solange sich die Entscheidung innerhalb dieses Beurteilungsspielraumes bewegt, also vom Rekursgericht die Rechtslage nicht verkannt wurde, liegt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO vor (vgl MietSlg 42.436 = WoBl 1991/78).

In der hier zu beurteilenden Rechtssache liegt auch deswegen keine erhebliche Rechtsfrage vor, weil die Entscheidung von einer besonderen Einzelfallgestaltung (Bauart des Gebäudes - kein Stiegenhaus, Gegensprechanlage nicht neben dem Eingang; Unzukömmlichkeiten im Zusammenhang mit älteren und sehbehinderten Personen sind gerade darauf zurückzuführen) abhängt. Es ist nicht ersichtlich, daß gerade eine solche Fallgestaltung einer grundsätzlichen Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof bedarf.

Da der Oberste Gerichtshof an den Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichtes nicht gebunden ist (§ 526 Abs 2 ZPO, hier anzuwenden gemäß § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 26 Abs 2 Einleitungssatz WEG) war der Revisionsrekurs trotz des Zulässigkeitsausspruches des Rekursgerichtes aus den dargelegten Gründen als unzulässig zurückzuweisen.

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