OGH 13Os33/94

OGH13Os33/9411.5.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Mai 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel, Dr. Mayrhofer, Dr. Ebner und Dr. Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Czedik‑Eysenberg als Schriftführer, in der Strafsache gegen Gerhard S* wegen des Verbrechens der versuchten Bestimmung zum Amtsmißbrauch nach §§ 12, 15, 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 14. Dezember 1993, GZ 31 Vr 1928/93‑12a, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0130OS00033.9400000.0511.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

 

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gerhard S* des Verbrechens der versuchten Bestimmung zum Amtsmißbrauch nach §§ 12, 15, 302 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 15.Mai 1993 Beamte der Bundespolizeidirektion Linz zur Unterlassung einer Anzeigeerstattung wegen Störung der öffentlichen Ordnung zu bestimmen versuchte, damit sie mit dem Vorsatz, dadurch einen anderen an seinen Rechten zu schädigen, ihre Befugnis, im Namen des Bundes als deren Organe in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbrauchen, indem er zu ihnen äußerte: "... Ihr zieht die Anzeige wegen Ordnungsstörung zurück und ich zeige Euch nicht wegen Körperverletzung an; ich weiß auch, daß Ihr Euch damit viel Zeit, Arbeit und Ärger erspart und außerdem wären wir alle aus dem Schneider".

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen schritten am 15.Mai 1993 die Polizeibeamten R* und H* vor einem Lokal gegen den erheblich alkoholisierten Angeklagten ein, weil dieser im Laufe einer tätlichen Auseinandersetzung mit seiner Lebensgefährtin vom Kellner aus dem Lokal gedrängt worden und mit diesem in ein Handgemenge geraten war. Da sich der Angeklagte an Ort und Stelle weigerte, seine Identität anzugeben und diese erst am Wachzimmer bekanntgeben wollte, forderten die Beamten über Funk ein Fahrzeug an und unterrichteten ihn von ihrer Absicht, eine Anzeige wegen Ordnungsstörung zu erstatten.

Während Rev. Insp. H* im Lokal Erhebungen durchführte, klärte Rev. Insp. R* am Wachzimmer die Identität des Angeklagten und setzte ihn nochmals von der Erstattung einer Anzeige wegen Störung der öffentlichen Ordnung in Kenntnis. Darüber verärgert erklärte der Angeklagte unter Hinweis auf eine Armverletzung, die er sich ohne Zutun der Polizeibeamten zugezogen hatte: "Wenn Ihr mich anzeigt wegen so einer Kleinigkeit, dann zeige ich Euch alle wegen Körperverletzung an; alle wie ihr hier seid."

Er wurde deshalb auf die Rechtsfolgen seines Vorhabens aufmerksam gemacht und zum Verlassen des Wachzimmers aufgefordert. Da er dieser Aufforderung aber nicht nachkam und immer aggressiver und unsachlicher reagierte, wurde er von den Beamten schließlich gewaltsam aus dem Wachzimmer gewiesen, wobei er mit dem einschreitenden Rev. Insp. W* auf den Gehsteig vor dem Wachzimmer zu Sturz kam und sich zusätzliche Verletzungen am rechten Unterarm zuzog.

Etwa eine halbe Stunde später kehrte der Angeklagte wieder in das Wachzimmer zurück und versuchte erneut teils freundlich, teils aggressiv die Beamten von der Erstattung einer Anzeige abzuhalten. Dabei äußerte er die oben eingangs der Entscheidungsgründe wiedergegebene Aufforderung zur Anzeigerückziehung.

Obwohl er wußte, daß sich die Beamten keiner Körperverletzung schuldig gemacht hatten, versuchte er "unter dem Druck einer wenngleich ungerechtfertigten Anzeige", sie zur Abstandnahme von der Erstattung einer Anzeige zu bewegen, und beharrte darauf auch noch nach einer weiteren Belehrung, "daß sein Ansinnen einen Amtsmißbrauch darstelle" (S 73 a bis 73 c).

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den Schuldspruch erhobene, auf § 281 Abs. 1 Z 3, 5, 5 a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Der behauptete Verstoß gegen § 260 Abs. 1 Z 1 StPO (Z 3) liegt schon deshalb nicht vor, weil die Bezeichnung der Tat im Urteilsspruch nur ihrer Individualisierung dient, während für ihre Konkretisierung die Urteilsgründe heranzuziehen sind. Daraus ergibt sich jedoch zweifelsfrei, daß die Tatrichter das Geschehen vom Beginn des Einschreitens der Polizeibeamten vor dem Lokal (ca 4,20 Uhr) bis zum Verlassen des Wachzimmers durch den Angeklagten nach seiner Rückkehr (ca 5,20 Uhr) als Einheit beurteilten und von der Verwirklichung des Tatbestandes der dem Angeklagten angelasteten Straftat in Ansehung der subjektiven Tatseite jedenfalls bei seinem zweiten Versuch, sie zur Unterlassung der Anzeigeerstattung zu bewegen, ausgingen. Damit kommt der Uhrzeit, zu der die Tat geschah, keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu. Es liegt deswegen weder ein Verstoß gegen § 260 Abs. 1 StPO noch die behauptete Undeutlichkeit oder Unvollständigkeit (Z 5) vor.

Der Frage, ob der Angeklagte wußte, daß sich die Beamten keiner Körperverletzung schuldig gemacht haben (S 73 d; siehe auch S 62, 64), kommt keine für den Schuldspruch entscheidende Bedeutung zu. Es ist nämlich für die Bestimmung zum Mißbrauch der Amtsgewalt rechtlich ohne Relevanz, ob der Angeklagte die Beamten durch Drohung mit einer bewußt falschen Verdächtigung oder durch das Anbieten, von einer (allenfalls sachlich sogar berechtigten) Anzeige (gegen den Beamten) abzusehen, zum wissentlichen Befugnismißbrauch zu bewegen versuchte.

Fehl geht auch der Einwand, das Schöffengericht habe sich mit seiner Verantwortung, wonach er der Meinung gewesen sei, der Beamte habe die "Anzeigewürdigkeit" zu prüfen und könne allenfalls von einer Anzeige absehen, nicht auseinandergesetzt (S 74 c), denn dieses ging ersichtlich ohnedies beschwerdekonform davon aus, daß er erst beim zweiten Bestimmungsversuch (S 73 c) infolge der wiederholten Belehrungen wußte, "daß die Beamten ihre Befugnis mißbrauchen würden, sollten sie auf seinen Vorschlag eingehen" (S 73 d), also jedenfalls zu diesem Zeitpunkt (S 74 c) mit der für die Tatbestandsverwirklichung erforderlichen Wissentlichkeit, einen Befugnismißbrauch anzustreben, gehandelt hat.

Ob der Angeklagte die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung nach § 81 SPG tatsächlich begangen hat, ist irrelevant. Es genügt, daß die intervenierenden Beamten der begründeten Meinung waren, der Angeklagte habe eine Verwaltungsübertretung begangen, die nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen weder nach § 21 Abs. 2 VStG noch durch Organstrafverfügung erledigt werden könnte (S 12), sie deshalb zur Erstattung einer Anzeige verpflichtet waren und ihre Auffassung dem Beschwerdeführer mitteilten. Trotzdem hat dieser dem Beschwerdevorbringen und seiner Verantwortung zuwider nicht bloß, wie die Beschwerde behauptet, eine Diskussion über die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung begonnen, sondern mit Hinweis auf eine objektivierbare eigene Verletzung die Anzeigeerstattung gegen die Beamten wegen einer Körperverletzung angedroht, um sie dadurch zur Unterlassung der subjektiv pflichtgemäßen eigenen Anzeigeerstattung zu veranlassen.

Sicherlich ist es nicht gerichtlich strafbar, in (legitimer) Verfolgung seiner Rechte mit Polizeibeamten darüber zu diskutieren, ob ein vorgehaltener Sachverhalt tatsächlich verwirklicht wurde. Der Schuldvorwurf besteht jedoch nicht darin, daß der Angeklagte sein Verhalten (in diesem Sinn legitim bagatellisierend) als Kleinigkeit bezeichnete (S 73 b), sondern darin, daß er den Beamten ohne Bezugnahme auf den ihm vorgeworfenen Sachverhalt und die Möglichkeit einer Erledigung nach § 21 Abs. 2 StVG die Erstattung einer nach den Urteilsfeststellungen ungerechtfertigten Anzeige wegen Körperverletzung androhte, soferne diese nicht bereit wären, die Anzeige wegen Störung der öffentlichen Ordnung zurückzuziehen (S 74 b, 73 c).

Der Angeklagte hat sich auch nicht damit verantwortet, er habe die Beamten bloß davon überzeugen wollen, daß er mangels Vorliegens eines besonders rücksichtslosen Verhaltens die ihm angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen habe. Eine Erörterung der diesbezüglichen Aussagen des Angeklagten im Urteil war insoweit daher gar nicht möglich, womit sich diese erstmals in der Beschwerde vorgebrachte Verantwortung als im Nichtigkeitsverfahren unzulässige Neuerung erweist.

Die Tatsachenrüge (Z 5 a) unternimmt gar nicht den Versuch, unter Hinweis auf aktenkundige Beweisergebnisse erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der damit allein bekämpften Feststellung wissentlichen Handelns in Ansehung des angestrebten Befugnismißbrauches aufzuzeigen. Die Tatrichter schlossen nämlich aus dem Wissen des Angeklagten um die Entstehung seiner Verletzung am rechten Unterarm nicht auf seinen Vorsatz, die Beamten zu wissentlichem Befugnismißbrauch zu veranlassen, sondern stellten lediglich fest, daß die Drohung mit einer ungerechtfertigten Anzeige wegen Körperverletzung nicht den Versuch einer Verteidigung darstellte (S 73 d).

Auch die Rechtsbelehrung der Beamten war keineswegs unrichtig. Gemäß § 21 Abs. 1 VStG kann die Behörde ohne weiteres von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Unter diesen Voraussetzungen können Organe der öffentlichen Aufsicht von einer Organstrafverfügung oder Erstattung einer Anzeige absehen und den Täter in solchen Fällen in geeigneter Weise auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens hinweisen (Abs. 2 leg.cit .).

Gelangt aber ein solches Organ im Zuge einer Amtshandlung nach pflichtgemäßer Abwägung aller Umstände zur Ansicht, daß ein Absehen von der Strafe nach § 21 Abs. 2 VStG nicht gerechtfertigt ist, dann darf es von der Erstattung einer Anzeige nicht Abstand nehmen. Wären daher die beiden Beamten dem Verlangen des Angeklagten nachgekommen, hätten sie ihre Befugnis mißbraucht (15 Os 163/92).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vernachlässigt den Urteilsinhalt und geht neuerlich davon aus, der Angeklagte habe nur sein Verteidigungsrecht ausgeübt und die Beamten davon überzeugen wollen, daß eine Anzeige nicht unbedingt notwendig wäre. Da der relevierte materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund das Festhalten am gesamten Urteilssachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf angewendeten Gesetz und den daraus abgeleiteten Nachweis erfordert, daß dem Erstgericht dabei ein Rechtsirrtum unterlaufen ist, gelangt die Beschwerde in dieser Hinsicht somit nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher (zumal im vorliegenden Fall die Äußerung zur Stellungnahme der Generalprokuratur nichts Entscheidendes mehr zu bringen vermochte) aus den angeführten Erwägungen schon in nichtöffentlicher Beratung teils als offenbar unbegründet (§ 285 d Abs. 1 Z 2 StPO), teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt (§ 285 d Abs. 1 Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO) zurückzuweisen.

Über die Berufung wird demnach das zuständige Oberlandesgericht zu entscheiden haben (§ 285 i StPO).

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