OGH 13Os83/94

OGH13Os83/9411.5.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Mai 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Mayrhofer und Dr.Ebner als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Czedik-Eysenberg als Schriftführer in der bei dem Landesgericht für Strafsachen Wien zum AZ 23 d Vr 2154/94 anhängigen Strafsache gegen Günther O***** ua wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB und einer anderen Straftat über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten Günther O***** gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 11.April 1994, AZ 23 Bs 146/94 (GZ 23 d Vr 2154/94-29 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Durch den angefochtenen Beschluß wurde Günther O***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Günther O***** wurde aufgrund eines wegen Verdachtes des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB aus den Haftgründen der Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr erlassenen Haftbefehls am 24.Februar 1994 um 19.20 Uhr (im Sprengel des zuständigen Gerichtshofes) festgenommen (14/I) und am 26.Februar 1994 um 19.30 Uhr durch die Polizei in der Justizanstalt Wien-Josefstadt eingeliefert (13/I). Daraufhin wies die Untersuchungsrichterin des Landesgerichtes für Strafsachen Wien am 28. Februar 1994 den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verhängung der Untersuchungshaft nach § 180 Abs 2 Z 2 und 3 lit b StPO mit der Begründung ab, daß die Einlieferungsfrist nach § 176 Abs 2 StPO von 48 Stunden um zehn Minuten überschritten worden sei, (ON 11) und veranlaßte am selben Tag die Enthaftung des Genannten (3c, 12/I). Erst am 1.März 1994 (ON 14) vernahm sie den zu diesem Zeitpunkt auf freiem Fuß Befindlichen zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen und verkündete ihm den Beschluß auf Einleitung der Voruntersuchung wegen §§ 146, 147 Abs 3, 148 (zu ergänzen: erster Fall) StGB.

Mit dem angefochtenen Beschluß gab das Oberlandesgericht Wien der Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den abweislichen Beschluß des Untersuchungsrichters Folge und trug diesem (allerdings ohne vorherige Vernehmung des Beschuldigten) die Verhängung der Untersuchungshaft aus dem Grunde des § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO auf. Es wies darauf hin, daß § 176 Abs 2 StPO ausschließlich an die Sicherheitsbehörden gerichtet und der Untersuchungsrichter nicht berechtigt sei, aufgrund einer verspäteten Einlieferung - noch dazu ohne die nach § 179 Abs 1 StPO zwingend vorgeschriebene Vernehmung - von der Verhängung der Untersuchungshaft abzusehen, und bejahte das Vorliegen der materiellen Haftvoraussetzungen des dringenden Tatverdachtes, des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO und der Verhältnismäßigkeit zur Bedeutung der Sache.

Die Untersuchungsrichterin verhängte daraufhin am 18.April 1994 um

10.35 Uhr "auftragsgemäß" über den freiwillig erschienenen Beschuldigten die Untersuchungshaft aus dem angeführten Haftgrund (3g vrso, ON 14).

In seiner fristgerecht erhobenen Grundrechtsbeschwerde bekämpft der Beschwerdeführer die oben angeführte Entscheidung des Oberlandesgerichtes ausschließlich wegen der Anordnung der Untersuchungshaft trotz überschrittener Einlieferungsfrist nach § 176 Abs 2 StPO (im Ausmaß von 10 Minuten), wobei er diesen Einwand unter mehreren Gesichtspunkten beleuchtet. Er weist darauf hin, daß nach der genannten Bestimmung - von der einzigen gesetzlichen Ausnahme einer Festnahme außerhalb des Sprengels des zuständigen Gerichtes abgesehen - eine Einlieferung innerhalb der 48-Stunden-Frist erfolgen soll, daß ferner die sich aus der Auffassung des Oberlandesgerichtes ergebende Konsequenz, daß der an die Sicherheitsbehörden gerichtete gesetzliche Auftrag zur rechtzeitigen Einlieferung auf die Zulässigkeit weiterer gerichtlicher Haft keine Wirkung zeige, unverständlich sei, und daß schließlich dem vom Oberlandesgericht angesprochenen Sicherheitsbedürfnis nicht durch eine gesetzwidrige Auslegung Rechnung getragen werden dürfe.

Die Grundrechtsbeschwerde ist zwar im Hinblick auf die notwendige Ausschöpfung des Instanzenzuges zulässig, weil dem Beschwerdeführer gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes kein ordentliches Rechtsmittel mehr zustand; ihr kommt jedoch keine Berechtigung zu.

Der Beschwerdeführer bekämpft die Anordnung der Untersuchungshaft durch den angefochtenen Beschluß. Gegenstand seiner Grundrechtsbeschwerde ist, ob die Verhängung der Untersuchungshaft allein wegen der verspäteten Einlieferung durch die Sicherheitsorgane (grund-)rechtswidrig sei. Die vorangehende Frage, ob in der verspäteten Einlieferung selbst (in Vollziehung eines gerichtlichen Haftbefehles) durch die Sicherheitsbehörden eine (gesondert zu bekämpfende) Rechtsverletzung lag, kann als von der Beschwerde insoweit nicht releviert außer Betracht bleiben.

Nun ist weder in § 180 StPO noch an anderen Stellen der Strafprozeßordnung die Einhaltung der Überstellungsfrist als Voraussetzung für die Untersuchungshaft genannt. Auch aus § 176 Abs 2 StPO selbst, der nur die Dauer der Einlieferung an das Gericht durch die Sicherheitsbehörden, nicht aber die Haft schlechthin zeitlich begrenzt, können keine Anhaltspunkte entnommen werden, die die Auslegung zuließen, daß nach Einlieferung unter (wenn auch nur geringfügiger) Verletzung dieser Vorschrift, trotz Vorliegens aller gesetzlichen Voraussetzungen (§ 180 StPO), die Untesuchungshaft nicht (mehr) verhängt werden dürfe oder überhaupt eine gerichtliche Anhaltung unzulässig wäre.

Damit, umsomehr aber über einen Umkehrschluß aus ausdrücklichen gesetzlichen Hinweisen an anderen Stellen der StPO, in denen im Zusammenhang mit einem Überschreiten von Haftfristen oder zeitlichen Höchstgrenzen der zulässigen Haftdauer von einer Enthaftung die Rede ist (s §§ 181 Abs 1, 194 Abs 2 und 3 StPO), bestand kein gesetzliches Hindernis gegen eine Verhängung der Untersuchungshaft im Anschluß an die (minimale) Verspätung der Sicherheitsbehörden. Das Oberlandesgericht war daher mit seiner Auffassung, die Untersuchungshaft dürfe verhängt werden, im Recht.

Der Einwand gesetzlich unerwünschter wesentlicher Beeinträchtigung der Beschuldigtenrechte dadurch, daß die Sicherheitsorgane die Einlieferung in die Justizanstalt beschwerdelos (unbefristet) hinauszögern könnten, ist unzutreffend. Vom Beschwerdeführer wurde unmittelbar überhaupt keine Beschwerde und kein Einwand gegen die jetzt (ohne unmittelbaren Zusammenhang mit der Entscheidung des Oberlandesgerichtes) gerügte Vorgangsweise der Sicherheitsbehörden vorgebracht.

Bemerkenswert erscheint in diesem Zusammenhang vielmehr noch, daß die sicherheitsbehördliche Haft zur Gänze und ohne Begrenzung in das gerichtliche Haftsystem insoferne einbezogen wird, als durch § 181 Abs 2 Z 1 StPO die (erstmalige) 14-tägige Haftfrist nicht erst ab Einlieferung in die Justizanstalt, sondern bereits ab der Festnahme zu laufen beginnt, wobei es keinen Unterschied macht, ob die Festnahme aufgrund eines richterlichen Haftbefehles oder aus eigener Macht durch die Sicherheitsbehörden erfolgt ist.

Da durch den bekämpften Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien der Beschwerdeführer durch den von ihm bezeichneten Umstand im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt wurde (§ 3 Abs 1 iVm § 7 GRBG), war die Beschwerde - in Übereinstimmung mit dem (nicht weiter ausgeführten) Antrag der Generalprokuratur - als unbegründet abzuweisen.

Demzufolge hatte gemäß § 8 GRBG ein Ausspruch über den beantragten Ersatz der Beschwerdekosten zu entfallen.

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