Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war vom 21.4.1992 an Ferialarbeiter in der V***** AG. Am 28.4.1992 erkrankte er an einer fiebrigen Angina-Tonsilitis. Er arbeitete noch bis zum Ende der Schicht um 13 Uhr 30, obgleich es ihm schlecht ging. Nach Beendigung der Arbeit begab er sich nach Hause und wurde in der Folge vom praktischen Arzt mit 28.4.1992 krank geschrieben. Mit diesem Tag wurde auch die Krankmeldung beim Dienstgeber erstattet. Die beklagte Partei gewährte dem Kläger vom 2.5.1992 bis 4.5.1992 Krankengeld, lehnte jedoch eine Krankengeldgewährung für den 1.5.1992 mit Bescheid vom 14.9.1992 ab. Dem Kläger gebühre Krankengeld erst ab dem 4.Tag der Arbeitsunfähigkeit. Als erster Tag der Arbeitsunfähigkeit sei der 29.4.1992 anzusehen; auf der Krankmeldung scheine der 28.4.1992 als letzter Arbeitstag auf und der Kläger habe an diesem Tag auch noch seine volle Arbeitsleistung erbracht. Fehlstunden seien an diesem Tag nicht angelaufen. An diesem Tag habe daher noch keine Arbeitsunfähigkeit bestanden.
Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage begehrt der Kläger die Zahlung des Krankengeldes für den 1.5.1992 im Betrag von 618,34 S. Es sei nicht der 2.5.1992, sondern der 1.5.1992 als vierter Tag seiner Arbeitsunfähigkeit anzusehen.
Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens, wobei sie ihren in der Begründung des Bescheides dargelegten Rechtsstandpunkt wiederholte.
Das Erstgericht wies das Begehren des Klägers ab. Der Kläger habe am 28.4.1992 seine vertraglichen Arbeitsverpflichtungen erfüllt; Arbeitsunfähigkeit habe daher erst ab 29.4.1992 bestanden.
Das Berufungsgericht gab über Berufung des Klägers dem Klagebegehren statt. Arbeitsunfähigkeit liege auch dann vor, wenn der Erkrankte nur unter Gefahr der Verschlechterung seines regelwidrigen Körper- oder Geisteszustandes in der Lage sei, seiner vor Eintritt des Versicherungsfalles ausgeübten Erwerbstätigkeit nachzugehen. Hier stehe fest, daß der Kläger bereits für den 28.4.1992 krankgeschrieben gewesen sei. Diese Krankschreibung bilde bereits für sich allein die Grundlage des Leistungsanspruches. Daß der Kläger an diesem Tag tatsächlich gearbeitet habe, spreche nicht gegen die Annahme seiner Arbeitsunfähigkeit. Eine unrichtige Krankschreibung berühre nur die Rechtsbeziehungen zwischen dem krankschreibenden Arzt und dem Krankenversicherungsträger. Gehe man aber davon aus, daß der Kläger bereits am 28.4.1992 arbeitsunfähig gewesen sei, so stehe ihm die begehrte Leistung zu. Daß zufolge der Erzielung eines entsprechenden Arbeitsverdienstes das Krankengeld geruht habe, sei nicht behauptet worden. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die Revision zulässig sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Gemäß § 138 Abs 1 ASVG haben Pflichtversicherte sowie aus der Pflichtversicherung ausgeschiedene, nach § 122 ASVG Anspruchsberechtigte aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit vom vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit an Anspruch auf Krankengeld. Demzufolge fällt das Krankengeld mit dem vierten Tag nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit an. Der Gesetzgeber drückt sich allerdings bei dieser Leistungsbestimmung unklar aus. In § 106 GSVG spricht er davon, daß bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit vom vierten Tag ein tägliches Krankengeld gebühre, in § 138 ASVG formuliert er, der Versicherte habe vom vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit an Anspruch auf Krankengeld. Sieht man nur auf den Wortlaut des Gesetzes, würde nach dem ASVG der Leistungsanfall mit dem Entstehen des Anspruches zusammenfallen, während nach dem GSVG bloß der Leistungsanfall vom vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit eintreten, der Anspruch jedoch früher entstehen würde. Nach dem ASVG wäre also die Dauer der Arbeitsunfähigkeit eine besondere materielle Leistungsvoraussetzung, nach dem GSVG hingegen nicht. Betrachtet man freilich das ASVG näher, wird deutlich, daß sich der Gesetzgeber offenkundig über die Bedeutung der von ihm gewählten Worte nicht im Klaren war. Dies leuchtet aus § 204 ASVG eindeutig hervor. In dieser Bestimmung regelt der Gesetzgeber den Anfall der Versehrtenrente, wobei er differenziert, ob gleichzeitig ein Anspruch auf Krankengeld besteht oder nicht. Im ersten Fall soll die Versehrtenrente nach dem Wegfall des Krankengeldes, im zweiten schon mit dem Tag nach Eintritt des Versicherungsfalles anfallen. Würde der Anspruch auf Krankengeld erst mit dem vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit entstehen, wäre diese Bestimmung weitgehend sinnlos. Sie wäre lediglich für den seltenen Fall anwendbar, daß jemand zwar sofort nach dem Unfall arbeitsunfähig wird, eine Minderung der Erwerbsfähigkeit aber erst nach dem vierten Tag dieser Arbeitsunfähigkeit in einer den Anspruch auf Versehrtenrente begründenden Höhe eintritt. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Bestimmung aber den Normalfall des auch krankenversicherten Arbeitnehmers regeln und Doppelleistungen vermeiden. Eine sinnvolle Interpretation muß daher dazu führen, daß der Gesetzgeber in § 138 ASVG trotz der von ihm verwendeten Worte am vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit nicht den Anspruch auf die Leistung begründen, sondern nur ihren Anfall festlegen wollte (Schrammel in Tomandl, System des österr Sozialversicherungsrechtes 5. ErgLfg 147 f). Der Anspruch entsteht dementsprechend mit dem Eintritt des Versicherungsfalles, die Leistung fällt jedoch erst am vierten Tag nach Eintritt des Versicherungsfalles an.
Das Krankengeld soll den durch die Arbeitsunfähigkeit erlittenen Entgeltverlust (zumindest teilweise) ersetzen und den Unterhalt des Versicherten während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit sicherstellen (Lohnersatzfunktion - Binder in Tomandl aaO, 5.ErgLfg 231; idS auch Tomandl Grundriß des österr.Sozialrechtes4 Rz 119).
Aus dieser Lohnersatzfunktion ergibt sich, daß ein Anspruch auf Krankengeld nicht entstehen kann, solange das Synallagma des Arbeitsvertrages durch die beiderseits geschuldeten Leistungen erfüllt wird. Solange der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Leistungen erbringt und er aus diesem Titel Anspruch auf Entgelt gegen den Arbeitgeber hat, ist für einen Anspruch auf Krankengeld kein Raum. Nur dann, wenn der Arbeitnehmer ungeachtet der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit und Unterbleiben der Arbeitsleistung Anspruch auf Weiterleistung der Bezüge gegen den Arbeitgeber hat, entsteht auch ein Anspruch auf Krankengeld, doch ruht in diesem Fall das Krankengeld unter den Voraussetzungen des § 143 ASVG. Der Anspruch auf Krankengeld entsteht daher nur dann, wenn der Arbeitnehmer durch Krankheit an der Leistung seiner Arbeit verhindert ist; der Anspruch auf Entgelt für tatsächlich geleistete Arbeit schließt den Krankengeldanspruch aus.
Nach den vorliegenden Feststellungen hat der Kläger am 28.4.1992 seine Arbeit im vereinbarten Umfang (bis Schichtende) erbracht. Er hatte daher gegen den Arbeitgeber für diesen Tag Anspruch auf Lohn für diese Arbeitsleistung. Ein Anspruch auf Krankengeld konnte daher für diesen Tag nicht bestehen. Erst am 29.4.1992 war er zufolge Krankheit an der Leistung seiner Arbeit verhindert; an diesem Tag begann sohin der Anspruch auf Krankengeld. An diesem Tag begann damit der Lauf der dreitägigen Karenzfrist, die am 1.5.1992 endete. Das Krankengeld fiel daher erst am 2.5.1992 an. Von diesem Tag an gewährte die beklagte Partei jedoch dem Kläger das Krankengeld. Ein Anspruch auf diese Leistung auch für den 1.5.1992 besteht nicht, so daß das darauf gerichtete Begehren abzuweisen war. Was zu gelten hätte, wenn der Kläger nach teilweiser Absolvierung seiner Schicht die Arbeit am 28.4.1992 vor Schichtende wegen seiner Erkrankung verlassen hätte, kann unerörtert bleiben, weil dieser Fall hier nicht vorliegt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Umstände, die einen Kostenzuspruch aus Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden nicht geltend gemacht und ergeben sich auch aus der Aktenlage nicht.
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