OGH 6Ob520/94

OGH6Ob520/9410.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin Mag.Eva B*****, vertreten durch Dr.Christoph Liebscher, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Anmerkung des über die Klage der Antragstellerin gegen die beklagten Parteien 1. Gertrude K*****, 2. Mag.Susanne H*****, und 3. Forstgut K***** KEG, ***** alle vertreten durch Dr.Robert Csokay, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unwirksamkeit eines Vertrages, Unterlassung und grundbücherliche Einverleibungen beim Landesgericht St.Pölten zu 2 Cg 392/92, anhängigen Rechtsstreites in den Grundbuchseinlagen EZ 8, 91, 94 und 131 des Grundbuches *****, infolge Revisionsrekurses der Forstgut K***** KEG gegen den zum Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten vom 10. Dezember 1992, GZ 2 Cg 392/92-2, ergangenen rekursgerichtlichen Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 15.April 1993, AZ 16 R 19/93(ON 6), den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird stattgegeben und die angefochtene Rekursentscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des den Antrag auf Streitanmerkung abweisenden erstinstanzlichen Beschlusses abgeändert.

Der Antrag auf Zuspruch von Kosten für den Revisionsrekurs wird abgewiesen.

Text

Begründung

Der Vater der Klägerin war Eigentümer eines Forstgutes. Er hatte 1957 seine Ehefrau mit der Anordnung testamentarisch zur Vorerbin eingesetzt, daß seine Kinder Nacherben sein sollten; ihnen sollte der Pflichtteil ausgezahlt werden. Im Zuge der Abhandlung der Verlassenschaft nach dem 1975 verstorbenen Forstguteigentümer trafen dessen Witwe und dessen drei Töchter auf der Grundlage der erwähnten letztwillige Verfügung eine Vereinbarung. Mit dieser stellten die Vertragsteile fest, "daß sie diese Verfügung des Erblassers als Einsetzung eines Substitutionsbandes eius quod super erit betrachten und die Verlassenschaftsabhandlung in diesem Sinne durchführen werden"; dazu hielten die Vertragsteile ausdrücklich fest, die Vereinbarung "im Interesse der Erhaltung des Familienvermögens als wirtschaftliche Einheit, wie dies vor allem der Wille des Erblassers war", zu schließen. Der Nachlaß nach dem Forstguteigentümer wurde dann auch seiner Witwe eingeantwortet und deren Liegenschaftseigentum mit der Anmerkung der fideikommissarischen Substitution auf den Überrest zugunsten der Klägerin und ihrer Schwestern einverleibt.

Die Witwe des seinerzeitigen Forstguteigentümers verband sich mit ihrer jüngsten Tochter zur Verwaltung des Gutes zu einer eingetragenen Kommanditerwerbsgesellschaft, an der sich die Tochter als Komplementärin und die Mutter mit einer Vermögenseinlage beteiligten.

Hierauf brachte die Witwe des seinerzeitigen Gutseigentümers das Forstgut unter Aufstockung ihres Kommanditanteiles von 10.000 S auf 9 Mio S in die KEG ein. Dazu wurde - offenkundig aus steuerrechtlichen Erwägungen - ausdrücklich festgehalten, daß die das Forstgut einbringende Gesellschafterin "als einzige Kommanditistin der...KEG (...) zu 100 % (einhundert Prozent) an der Substanz beteiligt ist".

Die Klägerin erblickt in der Einbringung des Forstgutes in die von ihrer Mutter mit ihrer jüngeren Schwester gegründete Kommanditerwerbsgesellschaft einen groben Verstoß gegen den Sinn der 1975 zur Regelung der Abhandlung getroffenen Vereinbarung und wertet die Einbringung als einen ausschließlich auf Schädigung der Klägerin und ihrer älteren Schwester in deren Nacherbenstellung gerichteten Rechtsmißbrauch.

Sie erhob daher klageweise gegen ihre Mutter und Vorerbin, gegen ihre jüngere Schwester als deren Partnerin in der KEG und gegen diese Gesellschaft ein mehrgliedriges Begehren, und zwar im einzelnen 1. auf Unwirksamerklärung und Aufhebung des KEG-Vertrages, 2. auf Löschung des Eigentumsrechtes der KEG an den Gutsliegenschaften, hilfsweise auf "Bewirkung" der (Rück-)Übertragung der Gutsliegenschaften an die Vorerbin und grundbücherliche (Wieder-)Einverleibung deren Eigentumsrechtes an diesen Liegenschaften, 3. auf Unterlassung von Veräußerungsgeschäften und sonstigen sich auf das Substitutionsgut, insbesondere die Gutsliegenschaften beziehenden Handlungen ohne Zustimmung der Klägerin und auf "Eintragung" eines Veräußerungs- und Belastungsverbotes - hilfsweise nur eines Veräußerungsverbotes - in Ansehung der Gutsliegenschaft, sobald an ihnen das Eigentumsrecht der Vorerbin wieder einverleibt sein werde; 5. hilfsweise (mangels Stattgebung aller oder auch nur einzelner zu Punkt 1 bis 4 gestellten Begehren?) die Feststellung einer Schadenersatzhaftung aller Beklagten.

Mit dieser Klage verband die Klägerin den Antrag, die Klage in den Gutsliegenschaften anzumerken.

Das Prozeßgericht erster Instanz wies den Antrag auf Klagsanmerkung ab, weil die Klägerin weder die Verletzung eines ihr zustehenden bücherlichen Rechtes noch einen Anspruch auf Ausfolgung der Liegenschaften im Sinne des § 823 ABGB geltend mache.

Das Rekursgericht ordnete in Abänderung dieses Beschlusses die beantragten Klagsanmerkungen in den verschiedenen Gutsliegenschaften an. Dazu sprach das Rekursgericht (mit Ergänzungsbeschluß) aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt. Weiters sprach das Rekursgericht aus, daß eine Revisionsrekursvoraussetzung im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG vorliege.

Die Kommanditerwerbsgesellschaft ficht als grundbücherlich eingetragene Liegenschaftseigentümerin diese Rekursentscheidung mit einem auf Wiederherstellung der die Klagsanmerkung abweisenden erstinstanzlichen Entscheidung gerichteten Abänderungsantrag an. (Die gleichgerichteten Revisionsrekurse der Vorerbin und der KEG-Komplementärin sind bereits rechtskräftig zurückgewiesen.)

Die Rechtsmittelausführungen übernehmen ein Rechtsgutachten von Univ.Prof. Dr.Rudolf Welser, das mit geringfügigen Änderungen unter dem Titel "Befreite Vorerbschaft und Löschungsklage des Nacherben" in NZ 1993, 140 ff veröffentlicht wurde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil zur Frage nach einem bücherlichen Recht des Vorerben bei einem mit der Beschränkung aus der fideikommissarischen Substitution zugunsten eines namentlich genannten Nacherben grundbücherlich einverleibten Eigentumsrecht des Voerben im Fall der sogenannten "befreiten Vorerbschaft" auf den Überrest höchstrichterliche Rechtsprechung fehlt.

Dem Rechtsmittel ist auch die Berechtigung nicht abzusprechen.

Der seinerzeitige Grundeigentümer hatte testamentarisch seine Witwe ausdrücklich als Vorerbin eingesetzt und seine Kinder zu ihren Nacherben berufen. Die drei damit zu Nacherbinnen berufenen Töchter beschränkten sich in einer zur Abhandlung des Nachlasses nach ihrem Vater mit ihrer als Vorerbin eingesetzten Mutter unter der Klarstellung, daß deren Ableben Substitutionsfall sei, geschlossenen Vereinbarung auf die Stellung von bloßen Nacherben auf den Überrest.

Im Sinne der Einantwortung (vom 23.November 1976) wurde im Jahr 1977 das Eigentumsrecht der Witwe an den in den Nachlaß gefallenen Gutsliegenschaften einverleibt und gleichzeitig die fideikommissarische Substitution auf den Überrest zugunsten der drei Töchter eingetragen (der genaue Wortlaut geht aus dem Inhalt der Eintragung im umgestellten Grundbuch nicht hervor - vgl die Abfrage im Notariatsakt vom 22.Mai 1992 = Beilage 1).

Die Eintragung einer fideikommissarischen Substitution bei einer grundbücherlichen Eigentumseinverleibung könnte grundsätzlich zweierlei aussagen, entweder

1.) unter der Vorstellung, daß es jeweils nur einen einverleibungsfähigen aktuellen Eigentümer geben könne, bloß die Beschränkung der als Eigentümer eingetragenen Person, bei ihrer Rechtsausübung beachten zu müssen, daß das vom Rechtsvorgänger einem anderen zugedachte (sei es schon angetretene oder noch nicht angetretene) Recht auf Nachfolge nicht geschmälert werde, oder

2.) in Anerkennung zeitlichen geteilten Eigentums (vgl dazu Feil, Liegenschaftsrecht I Punkt 6.2.1) als eine zwar weder im allgemeinen bürgerlichen Recht noch im Grundbuchsrecht ausdrücklich geregelte, aber doch sachenrechtlich vollwirksame Spielart des Eigentums, darüber hinaus, daß ab dem Eintritt des Substitutionsfalles, also nur zeitlich bis dahin hinausgeschoben, die Rechtszuständigkeit dem Substituten zufällt.

Der zweite Fall setzte allerdings bei testamentarisch angeordneter Nacherbschaft voraus, daß

a) der Nacherbfall, wenn auch ungewiß wann, so doch mit Sicherheit eintreten wird (etwa, wie hier, der Tod des Vorerben),

b) der für den Substitutionsfall Berufene die ihm zugedachte Nacherbschaft auch annimmt, etwa durch eine bereits in der Abhandlung nach dem Testator abgegebene Erbserklärung (so geschehen nach den veröffentlichten Entscheidungsgründen in dem zu 5 Ob 174/61 = RZ 1961, 182 entschiedenen Rechtsfall) und

c) die grundbücherliche Eintragung nicht die Lesart ausschließt, es sollte die bis zum Eintritt des Substitutionsfalles bloß zeitlich hinausgeschobene, aber bereits allseits wirksame Rechtsstellung des Nacherben (als übertragbares, sicherbares, klagbares) Recht dokumentiert werden. Anderenfalls könnte dem als Nacherben Berufenen unabhängig von der Streitfrage über den Zeitpunkt des Rechtserwerbes des (Nach-)Erben an den einzelnen Verlassenschaftsstücken ein erst nach dem Vollzug der in § 177 AußStrG erwähnten Verbücherung bestehendes "bücherliches Recht" keinesfalls zustehen.

In dem vorliegenden Sonderfall einer sogenannten "befreiten Vorerbschaft" ist nun der Rechtserwerb des Nacherben an den einzelnen Stücken der Substitutionsmasse noch davon abhängig, daß der Vorerbe nicht eine - in sein Gutdünken gelegte - zulässige Verfügung über das Substitutionsgut trifft. In diesem Sinne ist eine Bedingung anzunehmen.

Der erkennende Senat wertet dies nicht wie eine positive auflösende, sondern wie eine verneinende Suspensivbedingung.

In dieser Sicht könnte aus der Beschränkung des grundbücherlich einverleibten Eigentumsrechtes des (befreiten) Vorerben durch die Rechtsstellung des Nacherben (auf den Überrest für diesen keinesfalls eine aktuelle dingliche Rechtsstellung abgeleitet werden, weil der Eintritt aller Rechtsfolgen durch den ungewissen Bedingungseintritt (Unterbleiben einer lebzeitigen Verfügung durch den Voerben) noch in Schwebe wäre. In einem solchen Fall trifft es zu, von einer bloßen (sachenrechtlich noch völlig unwirksamen) Anwartschaft des Nacherben zu sprechen.

Einem Nacherben auf den Überrest wie der Antragstellerin steht somit vor dem Nacherbfall keinesfalls ein bücherliches Recht im Sinn des § 61 GBG zu.

Im erstgenannten Fall einer Wertung der grundbücherlichen Eintragung als bloßer Hinweis auf die durch die Nacherbschaft beschränkte Rechtsstellung des als Eigentümer einverleibten Vorerben ist bei der sogenannten befreiten Vorerbschaft vor dem Eintritt des Substitutionsfalles gegenüber lebzeitigen Verfügungen des Vorerben auch kein Verbotsrecht nach der Art des § 364c ABGB anzunehmen, das verletzt hätte werden können.

Aus diesen Erwägungen war der antragsabweisende erstinstanzliche Beschluß in Abänderung der Rekursentscheidung wiederherzustellen.

Das Verfahren über den Antrag auf Streitanmerkung bleibt auch bei Zuständigkeit des Streitrichters zur Entscheidung ein Grundbuchsverfahren, in dem kein Verfahrenskostenersatz vorgesehen ist. Der Antrag auf Zuspruch von Revisionsrekurskosten war deshalb abzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte