OGH 2Ob605/93

OGH2Ob605/939.12.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Graf, Dr.Schinko und Dr.Tittel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Max W*****, vertreten durch Dr.Heinz Walther, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Karl L*****, geboren am ***** 1974, 9132 Abtei Nr. 43, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt, Referat Jugend und Familie, 9135 Eisenkappel, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens C ***** des Bezirksgerichtes Eisenkappel infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 23.Juni 1993, GZ 3 R 292/93-5, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Eisenkappel vom 18. Mai 1993, GZ C 192/93 i-2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über die Wiederaufnahmsklage aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der am ***** 1974 außer der Ehe geborene Beklagte brachte nach seiner Geburt, vertreten durch den gesetzlichen Vertreter, im Verfahren C ***** des Bezirksgerichtes Eisenkappel eine Klage auf Feststellung der Vaterschaft und Unterhaltsleistung gegen den nunmehrigen Kläger ein. Im dortigen Verfahren bestritt dieser das Klagebegehren mit der Begründung, der Mutter niemals beigewohnt zu haben; die Mutter habe einen weiteren Mann als möglichen Vater angegeben, der in die Untersuchung einzubeziehen sei. Nach Einholung eines serologischen Gutachtens stellte das Gericht mit Urteil vom 24.Oktober 1975 die Vaterschaft des Klägers zum nunmehrigen Beklagten fest und verurteilte ihn zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 500. Das Urteil erwuchs in Rechtskraft.

Mit der am 10.Mai 1993 eingebrachten Klage behauptete der Kläger, sich sicher zu sein, nicht der Vater des Beklagten zu sein. Er hege den Verdacht, daß die anläßlich der Gutachtenserstellung abgenommenen Blutproben vertauscht worden seien und berief sich ausdrücklich auf die Einholung eines erbbiologischen Gutachtens.

Das Erstgericht wies die Klage a limine zurück, weil sie erst 17 Jahre nach Rechtskraft der anzufechtenden Entscheidung und sohin nach Ablauf der zehnjährigen Frist des § 534 Abs 3 ZPO eingebracht worden sei.

In dem dagegen erhobenen Rekurs brachte der Kläger erstmalig vor, Ende April 1993 die Möglichkeit gehabt zu haben, den Beklagten zu sehen; da sei ihm die Ähnlichkeit des Beklagten mit dem seinerzeit als möglichem Vater angegebenen Mann aufgefallen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge und erachtete ebenfalls die nach Ablauf von zehn Jahren eingebrachte Wiederaufnahmsklage als verspätet. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nach § 528 Abs 1 ZPO unzulässig sei.

Der Wiederaufnahmskläger bekämpft die bestätigende Rekursentscheidung wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem als außerordentlichen Revisionsrekurs ausgeführten Rechtsmittel mit dem Antrag, dem Erstgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens aufzutragen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig. Gemäß § 538 ZPO hat das Gericht vor Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung zu prüfen, ob die Klage auf einen der gesetzlichen Anfechtungsgründe (§ 529 bis § 531 ZPO) gestützt und innerhalb der gesetzlichen Frist erhoben wurde. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse oder ist die Klage wegen eine der in § 230 Abs 2 angeführten Gründe unzulässig, so ist sie als zur Bestimmung der Tagsatzung für die mündliche Verhandlung ungeeignet durch Beschluß zurückzuweisen. Wird die Wiederaufnahmsklage bereits im Vorverfahren mangels Erfüllung der in § 538 ZPO genannten Erfordernisse, also aus formellen Gründen, zurückgewiesen, ist die bestätigende Entscheidung eines derartigen zurückweisenden Beschlusses nach der Ausnahmebestimmung des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO anfechtbar, weil damit der Rechtsschutzanspruch überhaupt verneint wurde (Petrasch ÖJZ 1989, 751; 9 ObA 236/91; 6 Ob 581/91).

Der Revisionsrekurs ist auch im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO zulässig, weil das Rekursgericht bei der Frage, ob die Frist des § 534 Abs 3 ZPO auch auf Wiederaufnahmsklagen gegen Urteile, mit denen die Vaterschaft zu einem unehelichen Kind festgestellt wurde, anzuwenden ist, von der nunmehrigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist.

Zunächst trifft die im Rekurs vertretene Rechtsmeinung zu, die Notfrist des § 534 Abs 2 Z 4 ZPO für den Beweis durch erbbiologische Untersuchung beginne nicht zu laufen, bevor alle Ähnlichkeitsmerkmale der zu untersuchenden Personen vollkommen ausgebildet sind (Fasching IV, 531; SZ 22/71; EvBl 1983/116 = SZ 56/71; EFSlg 36.813). Daraus läßt sich aber die entscheidungswesentliche Frage, ob die objektive Frist des § 534 Abs 3 ZPO von zehn Jahren auch auf Wiederaufnahmsklagen gegen Urteile, mit denen die Vaterschaft zu einem unehelichen Kind festgestellt wurde, nicht beantworten.

Der Oberste Gerichtshof ist aber bei einem vergleichbaren Sachverhalt in der Entscheidung vom 28.Jänner 1993 (8 Ob 599/92) zur Ansicht gekommen, daß § 534 Abs 3 ZPO auf Wiederaufnahmsklagen gegen Urteile, mit denen die Vaterschaft zu einem unehelichen Kind festgestellt wurde, nicht anzuwenden sei. Begründet wurde diese Ansicht mit der durch die Neuregelung der "Vaterschaft zu einem unehelichen Kinde" (§§ 163 bis 164 d ABGB) beabsichtigte Angleichung der Rechtsstellung zwischen einem die Vaterschaft nach § 163 b ABGB Anerkennenden und dem, dessen Vaterschaft durch ein Urteil festgestellt wurde. Aus diesem Grunde sollte die Möglichkeit zur Anfechtung eines Vaterschaftsanerkenntnisses dem Wiederaufnahmegrund des § 530 Abs 1 Z 7 angepaßt werden, weil der Gesetzgeber eine Rechtsungleichheit in dieser Beziehung nicht für gerechtfertigt gehalten habe. Eine Rechtsungleichheit könne nämlich dazu führen, daß sich der Mann, der sich als Erzeuger eines unehelichen Kindes betrachte, wegen der ungünstigen Möglichkeiten, ein Anerkenntnis anzufechten, scheuen könnte, ein solches zu erklären; dies müsse aber auch dann gelten, wenn vermieden werden solle, daß wegen ungünstigerer Anfechtungsmöglichkeit eines Vaterschaftsfeststellungsurteiles dem Vaterschaftsanerkenntnis der Vorzug gegeben würde. Der vom Gesetzgeber gewünschten Herstellung der Gleichheit bei der Bekämpfung beider gesetzlicher Instrumente der Vaterschaftsfeststellung stünde die - für die Klage auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses nicht vorgesehene - objektive Befristung der Wiederaufnahmsklage durch § 534 Abs 3 ZPO mit 10 Jahren ab Rechtskraft der Entscheidung entgegen.

Auch der erkennende Senat teilt diese Rechtsmeinung.

Danach ist die objektive Frist des § 534 Abs 3 ZPO auf Wiederaufnahmsklagen gegen Urteile, mit denen die Vaterschaft zu einem unehelichen Kind festgestellt wurde, nicht anzuwenden. Grundsätzlich können aber auch solche, eine anthropologisch-erbbiologische Untersuchung begehrende, Wiederaufnahmsklagen nicht wegen der Versäumung der subjektiven Frist des § 534 Abs 2 Z 4 zurückgewiesen werden (EFSlg 27.878, 36.813), selbst wenn die Klage nicht darauf gestützt wurde, der Kläger habe erst nunmehr mit fortschreitendem Alter erkannt, daß das Kind auf Grund bestimmter Merkmale ihm nicht ähnlich sei; es genügt der Hinweis auf den allgemeinen Erfahrungssatz, daß der durch die anthropologisch-erbbiologische Untersuchung feststellbare Grad der Ähnlichkeit zwischen den Vergleichspersonen ein wichtiges Beweismittel bei der Vaterschaftsfeststellung darzustellen vermag, das geeignet ist, die Beweiswürdigung zu beeinflussen (EFSlg 32.114, 44.136).

Die Vorinstanzen haben ausgehend von der vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsmeinung die Klage bereits im Vorprüfungsverfahren zurückgewiesen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und dem Erstgericht die Einleitung des Verfahrens über die Klage aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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