OGH 3Ob124/49

OGH3Ob124/4911.5.1949

SZ 22/71

Normen

ABGB §156
ZPO §534
ABGB §156
ZPO §534

 

Spruch:

Für den Beweis durch erbbiologische Untersuchung beginnt die Notfrist des § 534 Abs. 2 Z. 4 ZPO. nicht zu laufen, bevor nicht alle Ähnlichkeitsmerkmale der zu untersuchenden Personen vollkommen ausgebildet sind.

Entscheidung vom 11. Mai 1949, 3 Ob 124/49.

I. Instanz: Bezirksgericht Eibiswald; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Das Erstgericht hat die Klage der mj. Klägerin auf Wiederaufnahme der durch das rechtskräftige Urteil des Bezirksgerichtes Deutschlandsberg vom 22. November 1944, C 30/44 , entschiedenen Streitsache, wonach die Klage der Minderjährigen gegen den Beklagten auf Feststellung der außerehelichen Vaterschaft und Leistung des Unterhaltes abgewiesen worden war, mit der Begründung abgewiesen, daß die Klage nicht innerhalb der Notfrist von einem Monat erhoben worden sei.

Das Rekursgericht hob die Entscheidung auf und trug dem Erstgericht auf, in das gesetzliche Verfahren über die erhobene Wiederaufnahmsklage einzutreten, wobei es aussprach, daß das Verfahren erst nach Rechtskraft dieses Beschlusses fortzusetzen sei.

Das Rekursgericht ging bei seiner Entscheidung von folgenden Erwägungen aus: Die abweisende Entscheidung des Bezirksgerichtes Eibiswald grundet sich auf die Mitteilung des Prof. Dr. P. vom 21. Februar 1946 an das Bezirksgericht für ZRS. Graz im Verfahren C 25/48 des Bezirksgerichtes Eibiswald, wonach für eine einigermaßen verläßliche erbbiologische Begutachtung das Kind ungefähr 3 Jahre alt sein soll, während das Kind bereits über 4 Jahre alt ist. Die medizinische Wissenschaft sei nach Ansicht des Rekursgerichtes, wie gerichtsbekannt sei, in der Frage, wann eine erbbiologische Untersuchung vorgenommen werden kann, durchaus nicht einheitlicher Meinung. Die Ansichten schwanken von 2 bis 4 Lebensjahren. Infolge Fehlens eines bestimmt festgesetzten Lebensalters zur Vornahme der erbbiologischen Untersuchung kann im vorliegenden Falle nicht von einer Versäumung der im § 534 ZPO. festgesetzten Frist gesprochen werden, da der Beginn der einmonatlichen Notfrist infolge dieser Unsicherheit nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann. Außerdem handelt es sich bei den erwähnten Altersstufen um früheste Zeitpunkte, bei denen eine Untersuchung überhaupt mit einiger Aussicht auf Erfolg durchgeführt werden kann. Nach dem Umkehrschluß kann gesagt werden, daß eine angemessene spätere Untersuchung, wie im konkreten Fall mit 4 Jahren 8 Monaten, die jedenfalls nicht außerhalb der üblichen Zeitspanne liegt, infolge der ausgeprägteren Merkmale des Kindes ein besseres Untersuchungsergebnis und damit auch ein verläßlicheres Bild liefern wird.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Oberste Gerichtshof teilt die vom Rekursgericht dargelegte Rechtsansicht, daß in derart gelagerten Fällen die Frist des § 534 ZPO. gewahrt erscheint, auch wenn die Wiederaufnahmsklage, die sich lediglich auf das Beweismittel der erbbiologischen Untersuchung stützt, erst zu einem Zeitpunkt eingebracht wird, in dem das zu untersuchende Kind ein Alter von fast 5 Jahren erreicht hat. Bei der besonderen Beschaffenheit dieses Beweismittels kann von vornherein nicht mit Sicherheit gesagt werden, wann die Frist des § 534 ZPO. für den Wiederaufnahmskläger zu laufen begonnen hat. Denn erfahrungsgemäß treten bei tatsächlicher Abstammung eines Kindes von dem in Anspruch genommenen Vater mit fortschreitendem Alter des Kindes die Ähnlichkeitsmerkmale immer deutlicher hervor, wie auch neue, bisher nicht vorhandene Übereinstimmungen sichtbar werden können, so daß die Notfrist von einem Monat mit Recht vom Eintreten dieser Tatsachen an erst zu laufen beginnen kann, somit nicht eher, bevor nicht alle Ähnlichkeitsmerkmale der zu untersuchenden Personen vollkommen ausgebildet sind.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte