Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die in ihrem dem Unterhaltserhöhungsantrag stattgebenden Ausspruch als unangefochten unberührt bleiben, werden im übrigen in ihrem den Unterhaltserhöhungsantrag abweisenden Teil aufgehoben; die Pflegschaftssache wird in diesem Umfang an das Erstgericht zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.
Text
Begründung
Die am 22.1.1978 geborene Nicole entstammt der - geschiedenen - ersten Ehe des Viktor D*****-B***** mit Katharina D*****-B*****. Sie befindet sich in der Obsorge ihrer Mutter. Der Vater ist in zweiter Ehe mit Violetka D*****-B***** verheiratet. Dieser zweiten Ehe entstammt die am 29.5.1989 geborene Tochter Jacqueline. Der Vater war zuletzt mit Beschluß des Erstgerichtes vom 12.6.1991 gegenüber Nicole zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von 5.100 S ab 1.7.1990 verpflichtet worden (ON 48).
Über Antrag des Sachwalters (ON 52 in der Fassung seiner Einschränkung ON 60) erhöhte das Erstgericht den vom Vater zu leistenden monatlichen Unterhaltsbetrag auf 5.300 S ab 1.1.1993, wies aber das auf Zuspruch eines Betrages von 5.600 S ab 1.12.1992 sowie von 6.200 S ab 1.1.1993 gerichtete Mehrbegehren ab. Der stattgebende Teil dieses Beschlusses ist in Rechtskraft erwachsen.
Das Erstgericht stellte fest, daß die zweite Ehefrau des Vaters, Violetka, einkommenslos sei. Der Vater sei daher für die zweite Ehegattin sorgepflichtig, weshalb nach der Prozentsatzmethode ein Vorabzug von 3 % zu erfolgen habe, woraus sich der zugesprochene Unterhaltsbetrag der Höhe nach ergab.
Das Rekursgericht bestätigte diese Abweisung des Mehrbegehrens des Sachwalters und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Sachwalters mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer gänzlichen Stattgebung seines Unterhaltserhöhungsantrages.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil der Rechtsmittelwerber zutreffend gravierende, auf eine Aktenwidrigkeit hinauslaufende Fehler bei der Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes aufzeigt (EvBl 1992/54; 8 Ob 656/92). Der Revisionsrekurs ist auch im Sinne einer vom Rechtsmittelantrag umfaßten Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen im noch in Rede stehenden Umfang berechtigt.
Im Revisionsrekursverfahren ist - ebenso wie im Rekursverfahren - nur noch die Frage strittig, ob den Vater tatsächlich im Hinblick auf die Einkommenslosigkeit der zweiten Ehegattin eine Sorgepflicht trifft, ob also die Vorinstanzen alle hiefür maßgeblichen Tatumstände nach dem gegensätzlichen Vorbringen des Sachwalters und des Vaters, aber auch von Amts wegen (§ 2 Abs 2 Z 5 und 6 AußStrG) mit der nötigen Sorgfalt untersucht haben. Hiezu ergibt sich nach der Aktenlage folgendes Bild:
Während der Vater dem Unterhaltserhöhungsantrag des Sachwalters (ua) auch mit der Behauptung entgegengetreten ist, er sei für seine derzeit im Haushalt tätige "Ehefrau Violetta, geboren 17.7.1963" sorgepflichtig (ON 55), hat der Sachwalter darauf verwiesen, daß der Vater keinen Alleinverdienerabsetzbetrag erhält und daher angenommen werden müsse, daß sich die zweite Ehegattin selbst erhalte (ON 60). Die vom Erstgericht dazu am 29.3.1993 eingeholte Sozialversicherungsanfrage betreffend "D*****-B***** Violetta, geboren 17.7.1963" wurde per Stichtag 30.3.1993 negativ beantwortet (ON 57); desgleichen für den Stichtag 4.5.1993 drei verschiedene Sozialversicherungsanfragen vom 30.4.1993, welche für die Namen "D***** Violetka", "D***** Violetta" und "D*****-B***** Violetka", allesamt aber mit dem Geburtsdatum 17.7.1963, ergangen sind (ON 62 bis 64). Dieser Erhebungsstand war Grundlage des erstgerichtlichen Beschlusses.
In seinem Rekurs verwies der Sachwalter darauf, daß das richtige Geburtsdatum der zweiten Ehegattin des Vaters der 15.7.1963 und ihr richtiger Vorname "Violetka" sei; die Schreibweise des Zunamens laute sowohl "D*****-B*****" als auch "D*****". Noch vor Vorlage dieses Rechtsmittels an das Rekursgericht holte daraufhin das Erstgericht am 19.5.1993 - wiederum mit negativem Erfolg per Stichtag 21.5.1993 - für den Namen "D***** Violetka, geboren 15.7.1963" eine weitere Sozialversicherungsanfrage ein (ON 69). Das Rekursgericht hat noch am Tag der Rechtsmittelvorlage am 2.6.1993 eine Sozialversicherungsanfrage betreffend "D***** Violetka, geboren 15.7.1963" an die Wiener Gebietskrankenkasse gerichtet. Diese gab aber mit Schreiben vom 15.6.1993, beim Rekursgericht eingelangt am 17.6.1993, bekannt, daß sie in Zivilrechtsangelegenheiten keine Auskünfte erteilen könne, außer es liege eine ausdrückliche Zustimmungserklärung des Betroffenen vor. In der Zwischenzeit war bereits am 9.6.1993 beim Erstgericht eine vom Sachwalter eingeholte Auskunft der Wiener Gebietskrankenkasse vom 19.5.1993 "Zu Ihrer Informationen" vorgelegt worden, aus der für "D*****-B***** Violetka, geboren 15.7.1963" ein Versicherungsnachweis ab 15.2.1993 bis 19.5.1993 und als Dienstgeberin die U***** GmbH & Co KG in W***** hervorgingen (ON 72). Eine Nachsendung des Aktenstückes an das Rekursgericht ist ebenso unterblieben wie dessen Verständigung durch das Erstgericht.
Daraus folgt bereits, daß sich im Hinblick auf die schon im Rekurs des Sachwalters aufgezeigten Mängel der bisherigen Sozialversicherungsanfragen in bezug auf Geburtsdatum, Vornamen und Schreibweise des Zunamens der zweiten Ehegattin des Vaters das Erstgericht keineswegs bloß mit der Anfrage ON 69 hätte begnügen dürfen, sondern von ihm in Kenntnis der automationsunterstützten Datenverarbeitung beim Sozialversicherungsträger zumindest eine gleichlautende Anfrage für den Zunamen "D*****-B*****" einzuholen gewesen wäre; es hat ferner die sofortige Nachsendung der ihm am 9.6.1993 vorgelegten Krankenkassenauskunft an das Rekursgericht unterlassen. Das Rekursgericht hingegen hat es bei der gemäß § 183 Abs 4 AußStrG rechtswidrigen Auskunftsverweigerung des Sozialversicherungsträgers einfach bewenden lassen.
Es sind daher sowohl dem Erstgericht als auch dem Rekursgericht bei der entscheidungswesentlichen Feststellung der Einkommenslosigkeit der zweiten Ehegattin des Vaters derart gravierende, auf eine Aktenwidrigkeit hinauslaufende Fehler (Verfahrensmängel) unterlaufen, daß im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG die Rechtssicherheit gefährdet wäre, würden diese Fehler nicht behoben. Zweckmäßigerweise hat dies durch das Erstgericht zu geschehen, da sich der Umfang der noch notwendigen Erhebungen nicht absehen läßt.
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