OGH 9ObA216/93(9ObA217/93)

OGH9ObA216/93(9ObA217/93)8.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Friedrich Hötzl und Leopold Smrcka als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Roswitha K*****, Angestellte, *****, vertreten durch Dr.Georg Grießer und Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei G*****GesmbH, *****, vertreten durch Dr.Wolfgang Emberger, Rechtsanwalt in Wien, sowie des Nebenintervenienten auf Seiten der Beklagten A***** AG, *****, vertreten durch Dr. Hans Peter Draxler, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 325.356,58 brutto und S 1,081.447,-- brutto s.A., infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 31.März 1993, GZ 34 Ra 106/92-21, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 18.Mai 1992, GZ 16 Cga 626/91-12, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der Beklagten wird nicht Folge gegeben.

Der Revision der Klägerin wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden teilweise dahin abgeändert, daß sie insgesamt zu lauten haben:

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin S 1,225.628,67 brutto samt 4 % Zinsen seit 19.12.1991 zu zahlen.

Das Mehrbegehren von S 181.174,91 samt 4 % Zinsen seit 19.12.1991 wird abgewiesen.

Die Beklagte ist weiters schuldig, der Klägerin S 118.822,05 an Verfahrenskosten erster Instanz (darin enthalten S 15.495,07 Umsatzsteuer und S 25.851,60 Barauslagen) sowie S 38.938,65 an Verfahrenskosten zweiter Instanz (darin enthalten S 5.091,97 Umsatzsteuer und S 8.386,80 Barauslagen) sowie die mit S 24.552,72 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 3.552,12 Ust. und S 3.240 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war seit 1.11.1969 als Angestellte Leiterin des Rechnungswesens bei der Firma A***** AG (Rechtsvorgängerin der Beklagten). Am 17.Mai 1990 wurde aufgrund beabsichtigter gesellschaftsrechtlicher Veränderungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretern ein Sozialplan samt Zusatzprotokoll vereinbart, in dem für Arbeitnehmer, die bis 31.12.1991 aus dem Unternehmen ausscheiden, freiwillige Leistungen der Beklagten festgelegt wurden. Im Punkt 3.2. ist festgehalten, daß Arbeitnehmer "über die gesetzlichen, kollektivvertraglichen, betrieblichen oder sonstigen Abfertigungsbestimmungen Anspruch auf eine Erhöhung ihrer Abfertigungssumme um 25 % derselben". Ferner wurden folgende Leistungen vereinbart:

"3.3 Für jedes Lebensjahr ab dem 40. Lebensjahr erhält der Arbeitnehmer S 7.000,--.

3.4 Arbeitnehmer, welche bei angenommener Weiterführung ihres Arbeitsverhältnisses innerhalb von drei Jahren ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Dienstjubiläum feiern würden, erhalten die volle Jubiläumsgabe laut bestehender Betriebsvereinbarung.

3.5 Arbeitnehmer erhalten bei Kündigung durch den Arbeitgeber:

Bei mindestens 10-jähriger Firmenzugehörigkeit S 15.000,--

bei mindestens 20-jähriger Firmenzugehörigkeit S 25.000,--

bei mindestens 30-jähriger Firmenzugehörigkeit

S 35.000,--."

Zur Klarstellung des Begriffes "Abfertigungssumme" haben die Vertragsparteien ein Zusatzprotokoll verfaßt und unterfertigt. Danach sollte es sich bei dem Begriff "Abfertigungssumme" gemäß Punkt 3.2. des Sozialplanes "um die Endsumme aller sich aus dem Sozialplan, gesetzlichen, kollektivvertraglichen, betrieblichen und sonstigen Regelungen ergebenden Ansprüche" handeln.

Unmittelbar nach der Unterfertigung des Sozialplanes samt Zusatzprotokoll suchten die Betriebsräte mit einer Ausfertigung des Sozialplanes und des Zusatzprotokolles die Klägerin auf, um sie über die für sie maßgeblichen Bestimmungen zu informieren. Die Klägerin erklärte, daß ihr zur Vornahme von Auszahlungen auch das Zusatzprotokoll zum Sozialplan zu wenig sei; sie müsse genau wissen, welche Ansprüche von Arbeitnehmern sie konkret unter den Begriff der "Abfertigungssumme" zu subsumieren hätte. Die Klägerin verlangte daher ein klärendes Gespräch mit ihrem unmittelbaren Vorgesetzten. Bei diesem wurden die einzelnen möglichen Ansprüche durchgegangen und von der Klägerin auf der ihr übergebenen Kopie des Zusatzprotokolles zum Sozialplan jeweils wie folgt handschriftlich vermerkt:

"=gesetzliche Abfertigung

+Firmenzugehörigkeit (Punkt 3.5)

+Jubiläum (Punkt 3.4)

+Lebensjahr (Punkt 3.3)

+Urlaubsentschädigung (Punkt 2.4)

+anteilige Sonderzahlungen bis Austrittsdatum

+ voll(= UZ, WR, TR, PR, FZA)."

Unter dieser Liste jener Ansprüche, die unter "Abfertigungssumme" zu subsumieren waren, machte die Klägerin einen Strich, setzte darunter das Summenzeichen und eine Zeile tiefer zunächst ein Pluszeichen und daneben "25 %" mit der Anmerkung "(Punkt 3.2)". Ihr Vorgesetzter zeichnete diese Aufstellung mit dem Vermerk i.o. und seiner Unterschrift ab.

Die Klägerin ließ hierauf für alle Beteiligten Kopien dieser Beilage anfertigen und nahm das Original mit ins Lohnbüro.

Die Klägerin wurde zum 31.12.1991 unter Dienstfreistellung ab 5.6.1991 gekündigt. Sie hatte die von ihr mit handschriftlichen Vermerken versehene Kopie des Zusatzprotokolles zum Sozialplan bei sich behalten. Am 17.12.1991 wurde sie vom Prokuristen der Beklagten aufgefordert, dieses Dokument spätestens am nächsten Tag abzugeben, widrigenfalls sie entlassen würde. Noch am Vormittag des 18.12.1991 übergab sie die Urkunde. In dieser hatte sie das vor dem Vermerk "25 5" stehende Additionszeichen (Pluszeichen) ohne Absicht "in Form einer Kritzelei" in ein Sternchen abgeändert, was die Beklagte als Verfälschung auffaßte und die Klägerin mit Schreiben vom 19.12.1991 entließ.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten mit den verbundenen Klagen (- die erste wurde vor, die zweite nach der Entlassung eingebracht -) S 325.356,58 brutto und S 1,081.447,-- brutto, zusammen S 1,406.803,58 brutto an Gehalt (Einstufungsdifferenzen) und Kündigungsentschädigung, Jubiläumsgeld, Überstunden, Fahrtkosten, Sonderzahlungen, Urlaubsentschädigung, Leistungsprämie (S 92.090,--) und Abfertigung. Hievon entfallen auf die "Abfertigungssumme" gemäß Punkt 3.2. des Sozialplanes S 353.768,44 sowie auf die sonstige Abfertigung S 813.731,17. Sie stützt ihre Ansprüche somit auf den Sozialplan, den Arbeitsvertrag sowie die ihrer Ansicht nach ungerechtfertigte Entlassung. In die Berechnung der "Abfertigungssumme" gemäß Punkt 3.2. des Sozialplanes seien unter anderem auch die Urlaubsentschädigung, die Vergütung pro Lebensjahr (Punkt 3.3), die Jubiläumsgabe (Punkt 3.4) sowie die Vergütung für langjährige Firmenzugehörigkeit (Punkt 3.5) unter Hinzurechnung der anteiligen Sonderzahlungen einzubeziehen. Von der Endsumme seien 25 % als Abfertigungssumme zu berechnen. Für das Jahr 1991 stehe der Klägerin eine Leistungsprämie von S 92.090,-- zu.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klagebegehren. Weder die Urlaubsentschädigung noch die Sonderzahlungen fielen unter den Begriff der "Abfertigungssumme" im Sinne des Sozialplanes. Die Entlassung sei wegen Entziehung und Verfälschung einer Urkunde begründet ausgesprochen worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit S 1,170.287,09 brutto s.A. statt und wies das Mehrbegehren von S 236.516,49 ab.

Vertrauensunwürdigkeit liege nicht vor. Die Beklagte habe die Klägerin nach Kenntnis von der Entfernung der Urkunde nicht sofort entlassen, sondern diese Maßnahme für den Fall der nicht rechtzeitigen Übergabe der Urkunde angedroht. Da die Klägerin der Aufforderung entsprochen habe, sei die im nachhinein ausgesprochene Entlassung verspätet. Die Änderung des Pluszeichens in der Urkunde in ein Kreuzchen ohne besondere Absicht bilde keinen Entlassungsgrund, zumal dadurch eine inhaltliche Änderung der Urkunde nicht herbeigeführt worden sei. Die Auslegung des Sozialplanes als Betriebsvereinbarung ergebe, daß die Formulierung "Endsumme aller sich ... ergebenden Ansprüche" eindeutig dafür spreche, daß damit nicht nur Abfertigungsansprüche, sondern auch sonstige Ansprüche gemeint waren. Daher seien jedenfalls auch die Urlaubsentschädigung und die anteiligen Sonderzahlungen als "Abfertigungssumme" um 25 % zu erhöhen. Der Klägerin sei für ihre Tätigkeit ein erfolgsabhängiger Zusatzbezug entsprechend jährlich festzusetzender Zielvereinbarungen zuerkannt worden. Für das Jahr 1990 seien die zu erreichenden Ziele festgesetzt worden. Die Klägerin habe daher auch für 1991 Anspruch auf Abschluß einer Zielvereinbarung gehabt. Das Unterlassen einer Zielvereinbarung für dieses Jahr könne nicht zu ihren Lasten gehen. Unter der Voraussetzung, daß eine Zielvereinbarung getroffen wordenwäre, hätte die Klägerin eine Leistungsprämie erwirtschaftet. Da infolge des Krankenstandes und der Dienstfreistellung der Klägerin das Ausmaß der Leistungsprämie nicht feststellbar sei, sei die Leistungsprämie gemäß § 273 ZPO mit einem Monatsbezug festzustellen.

Die Ansprüche der Klägerin setzten sich daher zusammen: Restliches Gehalt Dezember 1991 S 28.950,77, Jubiläumsgeld S 46.045,--, Überstundendifferenz Dezember 1991 S 7.569,77, Defferenz Weihnachtsremuneration S 1.600,--, restliche Urlaubsentschädigung für 87 Werktage S 60.680,58, gesetzliche Abfertigung S 740.372,22, Leistungsprämie S 46.045,--, "Abfertigungssumme" S 285.068,75.

Das Berufungsgericht gab nur der Berufung der Klägerin teilweise Folge, es erhöhte den Zuspruch an die Klägerin auf S 1,179.583,67 brutto s.A., weil es auch einen Anspruch der Klägerin auf eine Nachzahlung für November 1991 von S 1.600 und von S 7.696,58 an Urlaubsentschädigung bejahte.

Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen beider Streitteile. Die Klägerin macht unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, ihr weitere S 84.045,-- brutto zuzusprechen.

Die Beklagte begehrt - gleichfalls aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung - die Abänderung der Urteile der Vorinstanzen in eine gänzliche Klageabweisung.

Beide Streitteile beantragen, der Revision des jeweiligen Revisionsgegners nicht stattzugeben.

Nur die Revision der Klägerin ist teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zur Revision der Klägerin:

Mit Recht macht die Klägerin geltend, daß das Erstgericht zwar den Anspruch auf die Leistungsprämie für 1991 bejaht und der Höhe nach gemäß § 273 ZPO mit einem Monatsbezug im ausmaß von S 46.045,-- bestimmt und auch bei der Ermittlung der Erhöhung der Abfertigungssumme berücksichtigt, aber den Betrag von S 46.045,-- als solchen nicht zugesprochen hat. Auch das Berufungsgericht bejahte zwar bei der Behandlung der Berufung der Beklagten das Bestehen dieses Anspruches, nahm aber zu der in der Berufung der Klägerin geltend gemachten Unterlassung des Zuspruches der Leistungsprämie nicht Stellung. Der Betrag ist daher zuzusprechen.

Die Klägerin rügt ferner, daß ihr weitere Beträge von S 25.000,-- für "Firmenzugehörigkeit" und S 14.000,-- für "Alter" gemäß Punkt 3.3 und

3.5 des Sozialplanes zuzusprechen gewesen wären. Diese Ansprüche seien entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichtes nicht als Neuerungen im Berufungsverfahren geltend gemacht worden. Sie seien rechnerisch bereits in der Klage berücksichtigt.

Diese Rüge ist nicht berechtigt. Die Klägerin begehrte in ihrer Klage 16 Cga 117/92 des Erstgerichtes an Abfertigung S 813.731,17 sowie als Abfertigungssumme gemäß Punkt 3.2 des Sozialplanes S 353.768,44 (abzüglich der bereits vorher eingeklagten Teilsummen), ohne die Berechnungsgrundlagen offenzulegen. Die Klägerin hat damit zwar dem Erfordernis der ziffernmäßigen Bestimmtheit und der Individualisierung des geltend gemachten Anspruches entsprochen und als Rechtsgrund des Anspruches Punkt 3.2 des Sozialplanes genannt, aber nicht erkennbar gemacht, daß sie damit auch Ansprüche aus Punkt

3.3. (Alter) und 3.5. (Firmenzugehörigkeit) geltend machen wollte. Sie hat damit erstmalig im Berufungsverfahrenneue Ansprüche iS des § 482 Abs 1 ZPO aus bisher nicht genannten rechtserzeugenden Grundlagen erhoben. Es geht daher nicht um eine der rechtlichen Beurteilung zuzuordnende Berechnungsfrage. Die in den begehrten Beträgen zwar rechnerisch enthaltenen, aber in erster Instanz weder individualisierten noch konkretisierten Ansprüche konnte daher ohne Verstoß gegen das Neuerungsverbot nicht mehr geltend gemacht werden (Fasching, ZPR2 Rz 1726 ff). Die Geltendmachung eines neuen Gesichtspunktes wäre bei der Berechnung der Klageansprüche (- also bei der rechtlichen Beurteilung -) im Rechtsmittelverfahren nur dann zulässig, wenn die hiefür erforderlichen Tatsachen bereits im Verfahren erster Instanz behauptet oder festgestellt worden wären (SZ 52/146 mwN) und den aus den Klagebehauptungen eindeutig erkennbaren Inhalt der Klage gebildet hätten (SZ 27/12; ÖBl 1982, 66).

Auch wenn die Beklagte die Zuschläge für Firmenzugehörigkeit und Alter (Lebensjahr) bei ihrer Berechnung der Ansprüche der Klägerin als abfertigungserhöhende Umstände berücksichtigte (Beilage H), kam dies mangels einer entsprechenden Behauptung der Klägerin keiner Außerstreitstellung gleich, so daß darauf nicht Bedacht genommen werden kann.

Zur Revision der Beklagten:

Das Berufungsgericht hat die Fragen, ob der Begriff "Abfertigungssumme" im Sozialplan jedenfalls auch die Urlaubsentschädigung und anteilige Sonderzahlungen mitumfaßt, ob der Klägerin eine Leistungsprämie gebührt und ob die Entlassung der Klägerin wegen Vertrauensunwürdigkeit zu Unrecht erfolgte, zutreffend bejaht. Es genügt daher insofern, auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist in Ausführungen der Revisionswerberin, daß die Entlassung der Klägerin wegen Entfernung eines betriebsinternen Originaldokuments und dessen Verfälschung zu Recht erfolgte, daß unter der "Abfertigungssumme" bei einschränkender Auslegung dieses Begriffes im Sinne einer ausgewogenen Interessenabwägung nur die gesetzliche Abfertigung nach § 23 AngG verstanden werden könne und daß die Klägerin mangels einer außergewöhnlichen Tätigkeit im Jahr 1991 keinen Anspruch auf eine Leistungsprämie habe, folgendes zu erwidern:

Die Beklagte hat die Klägerin in Kenntnis des Umstandes, daß sich die Klägerin im Besitz des Originales der Aktennotiz vom 17.5.1990 befand, am 17.12.1991 aufgefordert, die Urkunde spätestens am nächsten Tag zu übergeben, widrigenfalls sie entlassen würde. Da die Klägerin dieser Aufforderung fristgerecht nachkam, konnte die Beklagte die Sanktion der Entlassung am 19.12.1991 nicht mehr auf den Besitz der Urkunde durch die Klägerin stützen.

Aber auch die behauptete "Verfälschung" der Urkunde bildet keinen Entlassungsgrund. Für die Erfüllung des Entlassungsgrundes der Vertrauensunwürdigkeit ist entscheidend, ob das Verhalten des Angestellten nach den gewöhnlichen, objektiven Anschauungen der beteiligten Kreise und nicht nach dem subjektiven Empfinden des Arbeitgebers als so schwerwiegend angesehen werden muß, daß diesem die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses wegen heftiger Erschütterung des Vertrauens nicht mehr zugemutet werden kann (Arb 10.416; SZ 62/214; RdW 1992, 249). Da die "Abfertigungssumme" laut Punkt 3.2. des Sozialplanes nicht nur die gesetzliche Abfertigung als Rechnungsfaktor, sondern auch die im Zusatzprotokoll aufgelisteten Entgeltansprüche entielt, war die Endsumme aller dieser Ansprüche gemäß Punkt 3.2. des Sozialplanes um 25 v.H. zu erhöhen. Dies ergab sich schon aus dem Text des Sozialplanes in Verbindung mit dem Zusatzprotokoll. Ob nun ein Additionszeichen oder ein daraus durch die "gedankenlose Kritzelei" der Klägerin entstandendes Sternchen auf den Erhöhungsfaktor 25 % hinwies, war für den Inhalt der Urkunde, von der alle Beteiligten Kopien (ohne das durch Kritzelei entstandene Sternchen) besaßen, ohne jede Bedeutung. Die von der Klägerin ohne jede Absicht vorgenommene Veränderung war keineswegs so schwerwiegend, daß sie bei objektiver Beurteilung das Vertrauen des Arbeitgebers erschüttern konnte. Der Entlassungsgrund des § 27 Z 1 AngG liegt daher nicht vor.

Der normative Teil einer Betriebsvereinbarung, deren Eigenschaft auch einem Sozialplan iS des § 109 Abs 3 ArbVG zukommt, ist, so wie ein Kollektivvertrag oder ein Gesetz, nach den §§ 6, 7 ABGB auszulegen (Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht3 II 398; ZAS 1991/3 [Marhold] = Arb 10.864 mwN). Die Auslegung hat nach dem objektiven Inhalt zu erfolgen; die subjektive Absicht der beteiligten Personen ist nicht maßgeblich. Die Normadressaten, denen nur der Text der Betriebsvereinbarung zur Verfügung steht, müssen sich darauf verlassen können, daß die Absicht der Parteien in erkennbarer Weise im Vertragstext ihren Niederschlag gefunden hat (RZ 1990/89 mwN). Eine von einem gesetzlichen Begriff abweichende Bedeutung eines in einer Betriebsvereinbarung verwendeten Wortes muß daher klar und unmißverständlich zum Ausdruck gebracht werden (DRdA 1976, 160). Die Auslegung des Inhaltes einer umstrittenen Betriebsvereinbarung kann auch durch die die Betriebsvereinbarung abschließenden Parteien selbst erfolgen. Diese sogenannte "autentische Interpretation" durch den Normengeber ist aber nicht Auslegung, sondern die Schaffung einer neuen Norm, die so gelten soll, als wäre sie schon in der "auszulegenden" Norm enthalten gewesen (Koziol-Welser, Grundriß9, 21; vgl. auch SZ 58/15).

Die Formulierung im Zusatzprotokoll zum Sozialplan, daß es sich bei der um 25 v.H. zu erhöhenden "Abfertigungssumme um die Endsumme aller sich aus dem Sozialplan, gesetzlichen, kollektivvertraglichen, betrieblichen und sonstigen Regelungen ergebenden Ansprüche" handle, ist daher eindeutig im Sinne einer Endsumme aller aus diesen Regelungen abzuleitenden Ansprüche zu verstehen, auch wenn sie im Sozialplan nicht namentlich aufgezählt sind. Eine Einschränkung auf gesetzliche Ansprüche (insbes. nach § 23 AngG) läßt sich aus dieser klaren und unmißverständlichen Formulierung nicht ableiten. Hätte eine solche einschränkende Absicht bestanden, hätte es keiner "authentischen Interpretation" bedurft, weil sich Punkt 3.2. der Betriebsvereinbarung sich im Gegensatz zur Neuformulierung nur auf Ansprüche aus ".....gesetzlichen, kollektivvertraglichen, betrieblichen oder sonstigen Abfertigungsbestimmungen......" bezog, nicht jedoch auf weitergehende Ansprüche aus "Regelungen jeglicher Art".

Der Klägerin wurde mit den Vereinbarungen vom 7.8.1990 und 26.11.1990 ein erfolgsabhängiger, mit zwei Monatsgehältern begrenzter Zusatzbezug "entsprechend jährlich festzusetzender Zielvereinbarungen" zugesichert, mit dessen Gewährung Treuprämien, Freizeitausgleich und Tantiemen entfallen sollten. Ihr Anspruch hing daher im Regelfall davon ab, welche Zielvereinbarung getroffen wurde und ob die Klägerin diese Leistung auch erbracht hat. Da aber die Beklagte die Bedingung für den Erwerb der zugesagten Leistung im Jahr 1991 dadurch einseitig und unbegründet verhindert hat, daß sie keine Zielvereinbarungen traf und die Klägerin ab 5.6.1991 dienstfrei stellte, womit diese redlicherweise nicht zu rechnen brauchte, gilt die Bedingung als eingetreten, so daß der Klägerin die grundsätzlich zugesagte Leistung zusteht (JBl. 1991, 382). Da die Höhe des Zusatzbezuges von einer bestimmten Leistung der Klägerin abhing und erfolgsabhängig war, der Umfang dieser Leistung der Klägerin aber mangels einer Zielvorgabe durch die Beklagte nicht ermittelt werden konnte, hat das Erstgericht zutreffend § 273 ZPO angewendet.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 43 Abs 1, 50 ZPO.

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