OGH 9ObA142/93(9ObA143/93)

OGH9ObA142/93(9ObA143/93)8.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Dr.Friedrich Hötzl und Leopold Smrcka als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Parteien 1. Dimitrije V*****, Arbeiter, ***** und 2. Stijepo J*****, Arbeiter, ***** beide vertreten durch Dr.Bernhard S*****, Sekretär der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich, ***** dieser vertreten durch Dr.Gottfried Eypeltauer und Dr.Alfred Hawel, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei S***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Karl Wampl und Dr.Elisabeth Mühlberger, Rechtsanwälte in Oberndorf, wegen 92.295,71 S brutto sA und 108.525,37 S brutto sA (Revisionsstreitwert 66.000 S brutto sA und S 93.500 S brutto sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 2.März 1993, GZ 12 Ra 123,124/92-19, womit infolge Berufungen der Kläger die Urteile des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Arbeits- und Sozialgericht vom 23. September 1992, GZ 4 Cga 154/91-12, und 4 Cga 153/91-6, abgeändert wurden, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Erstkläger und dem Zweitkläger je 3.735,90 S (darin je 622,65 S Umsatzsteuer) an Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Da die Begründung des angefochtenen Urteils zutrifft, genügt es, auf ihre Richtigkeit hinzuweisen § 48 ASGG).

Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin noch folgendes zu erwidern:

Ebenso wie Kollektivverträge sind Betriebsvereinbarungen in ihrem normativen Teil nach den Regeln, die für die Auslegung von Gesetzen

gelten (§§ 6 und 7 ABGB), auszulegen (Arb 9997 = ZAS 1983/2

[Fischer]; Arb 10.864 = ZAS 1991/3 [Marhold]). Die Normadressaten,

denen nur der Text der Betriebsvereinbarung zur Verfügung steht, müssen sich darauf verlassen können, daß die Absicht der Parteien in erkennbarer Weise im Vertragstext ihren Niederschlag gefunden hat. In erster Linie ist daher der Wortsinn - auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen - zu erforschen und die sich aus dem Text der Betriebsvereinbarung ergebende Absicht der Parteien zu berücksichtigen (siehe Kuderna, Die Auslegung kollektivrechtlicher Normen und Dienstordnungen sowie deren Ermittlung im Prozeß, DRdA 1975, 161 ff [167 und 169]; Arb 10.815 = SZ 62/135 mwH; zuletzt 9 Ob A 603/92 und 9 Ob A 605/93). Punkt 1 der gegenständlichen Betriebsvereinbarung umschreibt den persönlichen Geltungsbereich des Sozialplanes dahin, daß er auf alle Mitarbeiter der beklagten Partei, die bis 1.12.1990 in ungekündigtem Arbeitsverhältnis stehen und deren Dienstverhältnis durch den Dienstgeber gekündigt wird, Anwendung findet, wobei als ausdrückliche Ausnahme die Fälle der Kündigung durch den Dienstnehmer, der selbstverschuldeten Entlassung und des ungerechtfertigten vorzeitigen Austrittes aufgezählt werden. Nach Punkt 2 lit c der Betriebsvereinbarung werden die betroffenen Mitarbeiter von der bevorstehenden Kündigung und dem voraussichtlichen Ende des Dienstverhältnisses vom Unternehmer schriftlich in Kenntnis gesetzt; es wird ihnen gleichzeitig eine einvernehmliche Lösung des Dienstverhältnisses zu diesem Endzeitpunkt angeboten. Dem Dienstnehmer wird die Möglichkeit eingeräumt, sich im Falle der Kündigung des Dienstverhältnisses durch den Dienstgeber bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu entscheiden, ob er einer einvernehmlichen Lösung und damit einer Inanspruchnahme der Regelungen des Sozialplanes zustimmt oder die Kündigung durch den Dienstgeber aufrecht bleibt.

Geht man vom klaren Text der Betriebsvereinbarung aus, dann ist mit jeder Dienstgeberkündigung diese Anspruchsvoraussetzung für die Inanspruchnahme des Sozialplanes erfüllt, gleichgültig, ob das Motiv für die Lösung des Dienstverhältnisses betriebliche Erfordernisse oder Gründe in der Person oder im Verhalten des Dienstnehmers sind. Lediglich dann, wenn das schuldhafte Verhalten des Dienstnehmers zu einer berechtigten Entlassung durch den Dienstgeber führte, sollte die einseitige Lösung des Dienstverhältnisses durch den Dienstgeber nicht die Anwendung des Sozialplanes zur Folge haben.

Da bei Auslegung von Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen grundsätzlich anzunehmen ist, daß die Parteien eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen und einen gerechten Ausgleich der sozialen Interessen herbeiführen wollten (s Kuderna aaO 169 f; Arb 10.815 = SZ 62/135 mwH; zuletzt 9 Ob A 605/93), ist vor allem darauf Bedacht zu nehmen, ob das aufgrund einer nur am Wortlaut orientierten Auslegung gewonnene Ergebnis mit diesen Grundsätzen vereinbar ist. Da auch der Gesetzgeber - jedenfalls im individualarbeitsrechtlichen Bereich, etwa in den §§ 20 Abs 2 und 23 Abs 7 AngG, 9 Abs 1 Z 3 UrlG und 7 BPG - Regelungen trifft, die lediglich auf die Kündigung durch den Dienstgeber abstellen, ohne nach dem Motiv zu differenzieren, kann nicht davon ausgegangen werden, daß sich die beiden Fallgruppen so weit unterscheiden, daß ihre Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt und willkürlich wäre (siehe Bydlinski in Rummel, ABGB2 I § 7 Rz 7; EvBl 1988/21; WBl 1990, 271 ff [Liebeg 261] = ZAS 1991/11 [Fink]). Darüber hinaus kann den Betriebsparteien nicht unterstellt werden, daß sie den Fall einer nicht durch betriebliche Erfordernisse begründeten Dienstgeberkündigung nicht bedacht haben; eher ist ihnen zu unterstellen, daß sie in ihrem durchaus legitimen Bestreben, eine praktikable Regelung zu treffen, nur auf die Art der Lösung des Dienstverhältnisses und nicht auf die dahinterstehenden Motive abgestellt haben. Ist aber vom Normgeber ein weiterer Fall, der nicht alle motivierenden Merkmale der übrigen von der Regelung erfaßten Fälle enthält, bewußt nicht ausgenommen worden, kommt eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereiches nicht in Frage (vgl Arb 10.560 = SZ 59/177 = EvBl 1987/9 = DRdA 1987, 428 [Cerny] mwH).

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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