OGH 9ObA66/93

OGH9ObA66/9319.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Vera Kremslehner und Mag.Gabriele Jarosch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei H***** O*****, Pensionist, Leonding, Flaksiedlung 8, vertreten durch Dr.J*****K*****, Sekretär der Gewerkschaft der Privatangestellten in Linz, dieser vertreten durch Frischenschlager & Gallistl, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei K*****Ö***** reg. Genossenschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Hans Bichler ua Rechtsanwälte in Wien, wegen 132.189 S brutto sA, infolge Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. November 1992, GZ 12 Ra 97/92-15, womit infolge Berufung des Klägers das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 1.April 1992, GZ 13 Cga 200/91-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung als Zwischenurteil zu lauten hat:

"Der Anspruch des Klägers auf Zahlung des sich bei Erhöhung seines Gehaltes entsprechend der Anhebung der kollektivvertraglichen Mindestgehälter der Handelsangestellten zum 1.1.1983 ergebenden Betrages an Gehalt einschließlich Sonderzahlungen ab November 1988, Urlaubsentschädigung, Abfertigung und Pensionszuschuß besteht dem Grunde nach zu Recht."

Die Entscheidung über die Kosten erster, zweiter und dritter Instanz wird der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der Beklagten vom Jahre 1967 bis zu seiner Pensionierung am 31.7.1990 beschäftigt. Er übte zunächst die Funktion eines Prokuristen aus, leitete ab 1970 die Linzer Wurstfabrik und von 1980 bis 1982 die S*****-Werke. Im Jahre 1982 erlitt der Kläger einen schweren Unfall, war ein halbes Jahr im Krankenstand und wechselte in die neugeschaffene Position "Standorterhebung", die er bis zu seiner Pensionierung innehatte. Seit 1974 war das Gehalt des Klägers immer um den jeweiligen Kollektivvertragssatz erhöht worden, mit Ausnahme des Jahres 1983. In diesem Jahr wurde eine Valorisierung des Gehaltes des Klägers vom zuständigen Vorstandsdirektor abgelehnt, um das vom Kläger aufgrund seiner früheren Positionen bezogene Gehalt an das niedrige Gehaltsniveau in seinem neuen Tätigkeitsbereich anzupassen. Der Kläger urgierte im Jahre 1983 zweimal vergeblich die Gehaltserhöhung. In der Folge ließ er die Sache auf sich beruhen und kam erst wieder kurz vor Ende seines Dienstverhältnisses darauf zurück.

Der Kläger begehrt 132.189 S brutto sA. Diese Differenz an Gehalt einschließlich Sonderzahlungen (für die letzten drei Jahre), Abfertigung, Urlaubsentschädigung und Pensionszuschuß ergebe sich bei Berücksichtigung der ihm rechtswidrig vorenthaltenen Bezugserhöhung im Jahre 1983.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Valorisierungen des Gehaltes des Klägers seien ohne Rechtsanspruch und in Abhängigkeit von den Leistungserfordernissen individuell vereinbart worden. Im Jahre 1983 sei zwischen den Streitteilen keine derartige Vereinbarung getroffen worden. Der Kläger habe dies ausdrücklich zur Kenntnis genommen, so daß nicht nur die Gehaltserhöhung für das Jahr 1983 verjährt sei, sondern auch sämtliche Folgeansprüche, die sich daraus ergeben.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und stellte folgenden weiteren wesentlichen Sachverhalt fest:

Der Dienstvertrag des Klägers vom 1.12.1971 sieht vor, daß das Jahresgehalt zwischen der Geschäftsführung und den Angestellten in leitender Stellung "vereinbart" wird. Weiters enthält der Vertrag eine Verpflichtung der Vertragspartner, im Falle einer allgemeinen Gehalts- bzw Lohnsenkung über eine entsprechende Anpassung der Bezüge zu verhandeln. Gehaltserhöhungen der leitenden Angestellten erfolgten nicht automatisch, sondern wurden anläßlich kollektivvertraglicher Erhöhungen verhandelt. Es war bei der Beklagten ständige Übung, daß alljährlich der Personalchef mit dem zuständigen Vorstandsmitglied besprach, ob die betreffenden leitenden Angestellten dem Grunde nach eine Valorisierung erhalten sollten oder nicht. Eine ausdrückliche, zu einer solchen Besprechung verpflichtende Dienstanweisung bestand nicht. Ausschlaggebend für die Entscheidung des Vorstandes über die Valorisierungen waren einerseits objektive Kriterien, wie funktionelle oder organisatorische Veränderungen, andererseits subjektive Kriterien, wie der persönliche Eindruck, den der Vorstand von dem leitenden Angestellten gewonnen hatte. Das Ergebnis der Besprechung wurde nur informell bekannt, sei es durch Erwähnung im Zuge einer Vorstandsbesprechung oder durch den Personalchef. Zu einer formellen Mitteilung über die Erhöhung der Gehälter an die einzelnen leitenden Angestellten kam es nicht. Üblicherweise erfüllten die leitenden Angestellten die von ihnen erwarteten Leistungserfordernisse, so daß bei unveränderter Tätigkeit mit einer Gehaltserhöhung zu rechnen war. Die Erhöhung wurde immer um den kollektivvertraglichen Satz vorgenommen. Im Betrieb der Beklagten kam es aber vor, daß leitende Angestellte wegen funktioneller oder organisatorischer Änderungen von einer Valorisierung ihrer Gehälter ausgenommen wurden.

Bis zum Jahre 1974 erhielt der Kläger überkollektivvertragliche Gehaltserhöhungen, über die er auch schriftlich verständigt wurde. Ab 1974 wurde das Gehalt des Klägers nur mehr um den jeweiligen kollektivvertraglichen Satz erhöht; eine schriftliche Verständigung erfolgte nicht mehr. Nach dem Jahre 1983 wurden dem Kläger die laufenden Erhöhungen laut Kollektivvertrag wieder gewährt.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß aus dem Verhalten der Beklagten im Hinblick darauf, daß in jedem Einzelfall jährlich geprüft worden sei, ob eine Valorisierung des Gehaltes des leitenden Angestellten sachlich gerechtfertigt sei, ein Wille der Beklagten, sich für die Zukunft zu einer generellen Bewilligung derartiger Gehaltserhöhungen zu verpflichten, nicht zu erschließen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Die aus den Auswirkungen der unterlassenen Lohnerhöhung im Jahre 1983 abgeleiteten Ansprüche könnten nicht aus dem Titel des Entgeltes, sondern nur aus dem des Schadenersatzes begehrt werden. Dieser Schadenersatzanspruch sei aber ebenso verjährt wie der ursprüngliche Anspruch auf Gehaltserhöhung im Jahre 1983, weil es der Kläger verabsäumt habe, der drohenden Verjährung mit einer Feststellungsklage zu begegnen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne des Klagebegehrens abzuändern.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zu Recht wendet sich aber der Revisionswerber gegen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes. Nicht zu folgen vermag der Oberste Gerichtshof der nicht näher begründeten Auffassung der zweiten Instanz, ab Verjährung des (1.) Anspruches auf Aufwertung des Gehaltes könne die Aufwertung für spätere Fälligkeiten nur mehr aus dem Titel des Schadenersatzes geltend gemacht werden; dieser Schadenersatzanspruch sei ebenso wie der Entgeltanspruch verjährt, weil der Kläger nach Verweigerung der Gehaltserhöhung keine Feststellungsklage erhoben habe. Abgesehen davon, daß der Entgeltanspruch auch nach Eintritt der Verjährung als Naturalobligation bestehen bleibt, unterliegt der Anspruch auf Aufwertung des Entgeltes im Unterschied zu den einzelnen aufgrund der Wertsicherung geschuldeten Entgeltbeträgen nicht der dreijährigen, sondern der 30-jährigen Verjährung. Daß der Kläger aber durch sein Verhalten auf die Aufwertung seines Gehaltes im Ausmaß der kollektivvertraglichen Gehaltserhöhung zumindest schlüssig verzichtet hätte, hat die hiefür beweispflichtige Beklagte nicht einmal behauptet.

Der Kläger hat unter Beweis gestellt, daß sein Gehalt in den Jahren 1974 bis 1982 alljährlich um den jeweiligen kollektivvertraglichen Satz erhöht wurde, wovon er nicht eigens verständigt wurde, sondern die Erhöhungen nur aus seinem Gehaltszettel ersehen konnte. Aus diesem Verhalten konnte der Kläger den Willen des Arbeitgebers erschließen, sein überkollektivvertragliches Entgelt jeweils zumindest um den Satz zu erhöhen, um den die kollektivvertraglichen Mindestgehälter angehoben wurden, sofern der Arbeitgeber seinen mangelnden Verpflichtungswillen für die Zukunft nicht deutlich zum Ausdruck brachte. Entscheidend ist dabei, welchen Eindruck der Kläger von dem schlüssigen Verhalten des Arbeitgebers haben mußte, nicht aber das tatsächliche Vorhandensein eines Erklärungswillens auf der Seite des Arbeitgebers (SZ 52/76 = Arb 9786 = DRdA 1980/16 = ZAS 1980/12; Arb 9812 = ZAS 1980/21 = DRdA 1981/3; ZAS 1987/2; Arb 10.493 ua; vgl auch 9 Ob A 601/93 über eine Valorisierung der Gehälter auf Grund einer Betriebsübung). Die für die Unverbindlichkeit der betrieblichen Übung beweispflichtige Beklagte (siehe insbesondere WBl 1987, 309) hat nicht einmal behauptet, daß es vor dem Jahre 1983 Ausnahmen von der kollektivvertraglichen Lohnerhöhung gegeben habe und der Kläger hievon und auch von den jährlichen Verhandlungen zwischen dem Personalchef und dem Vorstand Kenntnis gehabt habe. Durch die regelmäßige, vorbehaltslose Erhöhung des Gehaltes des Klägers jeweils um den Satz der kollektivvertraglichen Erhöhung der Mindestgehälter wurde daher der Einzelarbeitsvertrag des Klägers schlüssig dahin ergänzt, daß sein Gehalt bei Erhöhung der kollektivvertraglichen Mindestgehälter jeweils um diesen Satz zu erhöhen war (siehe insbesondere die einen ähnlichen Sachverhalt betreffende Entscheidung 9 Ob A 205/89).

Über die Höhe der Ansprüche des Klägers kann aber noch nicht abgesprochen werden, weil die Vorinstanzen dazu infolge ihrer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsauffassung keine Feststellungen getroffen haben. Daher konnte in Stattgebung der Revision lediglich mit Zwischenurteil die Berechtigung des Klageanspruches dem Grunde nach ausgesprochen werden. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht über die Höhe der dem Kläger zustehenden Ansprüche zu verhandeln und zu entscheiden haben (siehe Fasching Komm ZPO III 597 f; 4 Ob 3/80, 9 Ob A 169/89).

Der Vorbehalt bezüglich der Verfahrenskosten beruht auf § 52 ZPO.

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