OGH 9ObA169/89

OGH9ObA169/8930.8.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Fellner und Dr.Dengscherz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Edeltraud D***, Lehrling, St.Martin im Innkreis, Koblstatt 8, vertreten durch Josef D***, Vater und gesetzlicher Vertreter ebendort, dieser vertreten durch Wolfgang P***, Sekretär der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich , Linz, Volksgartenstraße 40, dieser vertreten durch Dr.Harry Zamponi, Dr.Josef Weixelbaum und Dr.Helmut Trenkwalder, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Hans M***, Landwirt, Ried im Innkreis, Hochfeld 9, vertreten durch Dr.Wolfgang Puttinger, Ried im Innkreis, wegen 47.311,80 S sA (Revisionsstreitwert 19.589,68 S sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 1.März 1989, GZ 12 Ra 135/88-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Arbeits- und Sozialgericht vom 5.August 1988, GZ 5 Cga 1053/87-12, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1. zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird, soweit sie sich gegen die Bestätigung der Abweisung eines Teilbetrages von 12.524,38 S samt 4 % Zinsen ab 9. Juli 1987 richtet, Folge gegeben. Das angefochtene Urteil und das erstgerichtliche Urteil werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung als Teil- und Zwischenurteil zu lauten hat:

"Der Anspruch der Klägerin auf Schadenersatz gemäß § 1162 b ABGB und Urlaubsentschädigung besteht dem Grunde nach zu Recht."

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster, zweiter und dritter Instanz wird der Endentscheidung vorbehalten.

2. den

B e s c h l u ß

gefaßt:

Im übrigen, soweit sie sich gegen die Abweisung eines Teilbetrages von 7.065,30 S samt 4 % Zinsen ab 9.Juli 1987 richtet, wird die Revision zurückgewiesen.

Die auf diesen Teil des Revisionsverfahrens entfallenden Kosten haben die Parteien selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 8.Februar 1970 geborene Klägerin begann am 12.Juli 1985 beim Beklagten ein Lehrverhältnis als Kochlehrling, dessen Ende für den 11.Juli 1988 vereinbart war. Beim Einstellungsgespräche, an dem die Klägerin und ihre Mutter teilnahmen, wurde vereinbart, daß die Klägerin vom Beklagten Kost und Quartier erhält und auch für sie gewaschen wird. Der Beklagte erklärte, daß die Klägerin genausoviel an Lehrlingsentschädigung erhalten werde wie die übrigen Lehrlinge. Über genaue Zahlen und darüber, ob der Klägerin von der Lehrlingsentschädigung die Kosten für die freie Station abgezogen würden, wurde nicht gesprochen.

Die Klägerin hatte folgende Dienstzeiten:

Abwechselnd an einem Tag von 7.00 Uhr bis 14.00 Uhr und von 17.00 Uhr bis 22.00 Uhr und am nächsten Tag von 9.00 Uhr bis 17.00 Uhr und von 19.00 Uhr bis 21.00 Uhr. Der Montag war zur Gänze frei, der Dienstag bis 14.00 Uhr frei; arbeitet die Klägerin am Dienstag von 17.00 Uhr bis 21.00 Uhr, hatte sie am folgenden Mittwoch ab 17.00 Uhr frei. Bei dieser Arbeitszeiteinteilung gab es allerdings immer wieder Verschiebungen. Die Klägerin arbeitete regelmäßig an Sonn- und Feiertagen.

Die Lehrlingsentschädigung wurde in barem gezahlt; die Klägerin erhielt niemals eine Abrechnung über die Lehrlingsentschädigung. Ende 1985 begehrte die Klägerin anläßlich einer solchen Barauszahlung eine Abrechnung vom Beklagten. Daraufhin bot ihr der Beklagte die Einsicht in die Lohnkonten an, doch machte die Klägerin davon keinen Gebrauch. Während der gesamten Dauer des Lehrverhältnisses leistete die Klägerin wöchentlich durchschnittlich 11 Überstunden. Diese wurden ihr teilweise durch Freizeitgewährung, teilweise (wenngleich nicht zur Gänze) durch Geld abgegolten. Der Beklagte zog der Klägerin monatlich 2.040 S für Kost und Quartier von der Lehrlingsentschädigung ab. Er zahlte an sie folgende Nettobeträge aus:

Vom Juli bis Dezember 1985 je 1.200 S; von Jänner 1986 bis Juli 1986 je 2.000 S und von August 1986 bis Jänner 1987 je 2.500 S. Vom 5.Mai bis 27.Juni 1986 und vom 27.Oktober bis 20.Dezember 1986 besuchte die Klägerin die Berufschule. Dort erfuhr sie, daß die ihr ausbezahlte Lehrlingsentschädigung erheblich geringer war als die ihrer Mitschülerinnen. Die Klägerin erzählte dies zwar ihren Eltern, erwähnte davon aber nichts gegenüber dem Beklagten. Die Klägerin hat wghrend ihres Lehrverhältnisses an insgesamt 37 Arbeitstagen länger als 22.00 Uhr gearbeitet, und zwar an 8 Arbeitstagen bis 22.15 Uhr, an 11 Arbeitstagen bis 22.30 Uhr, an 3 Arbeitstagen bis 22.45 Uhr, an 13 Arbeitstagen bis 23.00 Uhr, an einem Arbeitstag bis 23.15 Uhr und an einem Arbeitstag bis 1.00 Uhr des nächsten Tages.

Die Arbeitsleistungen an den Feiertagen wurden der Klägerin durch Freizeitgewährung abgegolten. Die Klägerin hatte über Befragen durch die Gattin des Beklagten ausdrücklich erklärt, sie wolle zusammen mit dem Kochlehrling Brunhilde M*** an Sonn- und Feiertagen arbeiten.

Die Klägerin trachtete vor allem wegen der geringen Höhe der Lehrlingsentschädigung, einen anderen Arbeitsplatz zu finden. Nachdem mit der Firma S*** per 1.Februar 1987 ein neuer Lehrvertrag abgeschlossen worden war, erklärte die Klägerin mit Einverständnis ihrer Eltern mit eingeschriebenem Brief vom 18. Februar 1987 gegenüber dem Beklagten die vorzeitige Auflösung des Lehrverhältnisses zum 22.Februar 1987. Die Klägerin führte als Gründe die Unterentlohnung infolge ungerechtfertigter Abzüge für Kost und Quartier, Überschreitung der zulässigen Wochenarbeitszeit, die Nichtbeachtung des Nachtarbeitsverbotes und der Sonn- und Feiertagsruhe und die Nichtausfolgung einer Lohnabrechnung an. Der Beklagte nahm auch bei allen sonstigen bei ihm beschäftigten Lehrlingen und Arbeitnehmern, die bei ihm wohnten und verköstigt wurden, Abzüge für Kost und Quartier vor. Bis zur Beendigung des Lehrverhältnisses hatte die Klägerin insgesamt 52 Werktage Urlaub konsumiert (zuletzt vom 26.Jänner 1987 bis 16.Februar 1987). Im Kollektivvertrag für die Arbeiter im Gast- und Beherbergungsgewerbe ist unter anderem folgendes bestimmt:

".....

6. Allgemeine Lohnzahlungsbestimmungen

..............

b) Bei der Lohnauszahlung ist jedem Arbeitnehmer eine Lohnabrechnung

auszuhändigen, aus der der Bruttolohn, die Lohnsteuer, die

Sozialversicherungsbeiträge und alle sonstigen Abzüge ersichtlich

sind.

..............

e) Lohnansprüche verfallen, wenn sie nicht vier Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitnehmer selbst oder dem Betriebsrat oder der Gewerkschaft beim Arbeitgeber oder dessen Stellvertreter schriftlich geltend gemacht werden. Diese Frist verlängert sich um den Zeitraum, um welchen die letzte Lohnabrechnung aus Verschulden des Arbeitgebers verspätet durchgeführt wurde.

7. Lohnordnung

a) Die von den vertragschließenden Parteien jeweils vereinbarten Lohnabkommen bilden einen Bestandteil des Kollektivvertrages. Änderungen des jeweils gültigen Lohnabkommens können jederzeit vereinbart werden, ohne daß dadurch die Gültigkeit dieses Kollektivvertrages berührt wird.

..............

h) Lehrlinge haben Anspruch auf ein Pauschale für die Dienstkleidung

in der Höhe von (ab 1.Mai 1984 bis 30.April 1987) 180 S monatlich.

..............

8. Mahlzeiten und Wohngelegenheiten

Die Inanspruchnahme von Mahlzeiten und Wohngelegenheiten im Betrieb bleibt der freien Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vorbehalten.

a) Wird eine derartige freiwillige Vereinbarung bezüglich der Mahlzeiten getroffen, kann in dieselbe das Ausmaß der freiwilligen Zuschüsse des Arbeitgebers zu verbilligten Mahlzeiten an seine Arbeitnehmer im Sinne des EStG 1972, § 3 Z 24, aufgenommen werden.

b) Die für die Inanspruchnahme von Wohngelegenheiten in Betracht kommenden Kosten sind unter Weglassung einer Verdienstspanne für den Arbeitgeber zwischen den Vertragspartnern zu vereinbaren und im jeweils gültigen Lohnabkommen festzulegen. Die festgesetzten Beträge werden vom Lohn einbehalten.

.............

11. Jahresremuneration

a) Alle Arbeitnehmer (Arbeiter und Lehrlinge), die mindestens zwei

Monate ununterbrochen im selben Betrieb beschäftigt sind, haben

Anspruch auf Jahresremuneration (ab dem 1.Mai 1984) in der Höhe von

230 % des im jeweiligen Lohnübereinkommen festgelegten

Mindestmonatsbezuges (Tariflohnes), jedoch maximal bis zur Höhe des

tatsächlich ins Verdienen gebrachten Lohnes für die

Normalarbeitszeit. ..........."

In der ab 1.Mai 1985 gültigen Lohntabelle für Gastronomie, Hotel- und Beherberungsgewerbe in Oberösterreich sind die Lehrlingsentschädigung für Kochlehrlinge im ersten Lehrjahr mit

2.520 S, die Kosten für Unterkunft mit Beheizung und Beleutung mit 45 S und die Kosten für die Reinigung der Dienstkleidung mit 6 S, jeweils pro Monat, festgelegt.

In der ab 1.Mai 1986 gültigen Lohntabelle ist die Lehrlingsentschädigung für Kochlehrlinge im ersten Lehrjahr mit

2.680 S, im zweiten Lehrjahr mit 3.000 S festgelegt; die Kosten für Unterkunft und Reinigung der Dienstwäsche unverändert mit 45 S bzw. 6 S pro Monat.

Die Klägerin begehrte einen Betrag von 47.311,80 S netto.

Im einzelnen machte sie folgende Ansprüche geltend:

Unterentlohnung in der Zeit vom 12.Juli 1985

bis 22.Februar 1987 31.933,78 S

Entgelt für Arbeitsleistung an

14 Feiertagen 2.853,64 S

Schadenersatzansprüche gemäß § 1162 b ABGB 11.480,90 S

Urlaubsentschädigung für 6 Werktage 1.044,19 S

Die Klägerin brachte vor, sie sei berechtigt ausgetreten und führte die in ihrem Austrittsschreiben genannten Gründe an. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit der Klägerin habe 51 Stunden betragen; ein Entgelt für die Inanspruchnahme von Kost und Quartier sei nicht vereinbart worden.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er habe anläßlich des Abschlusses des Lehrvertrages erklärt, daß für die Gewährung von Kost und Quartier die hiefür vorgesehenen kollektivvertraglichen bzw. gesetzlichen Abzüge vorgenommen würden. Die Klägerin habe lediglich fallweise Mehrarbeit geleistet; diese Überstunden seien ihr bezahlt bzw. durch Zeitausgleich abgegolten worden. Den für beide Dienstjahre zustehenden Urlaubsansprüche von 58 Werktagen habe die Klägerin zur Gänze verbraucht. Die Klägerin sei nur ganz selten über 22.00 Uhr hinaus beschäftigt worden. Der Beklagte habe dadurch keinen Grund für die vorzeitige Auflösung des Lehrverhältnisses gegeben. Zur Höhe des Schadenersatzanspruches wurde eingewendet, daß er nur mit der Grundlehrlingsentschädigung von 3.000 S brutto anzusetzen sei; hingegen wurde die rechnerische Höhe der begehrten Urlaubsentschädigung für 6 Werktage nicht bestritten.

Das Erstgericht gab der Klage hinsichtlich eines Teilbetrages von 27.722,12 S sA statt und wies das Mehrbegehren von 19.589,68 S sA ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß eine - gemäß Punkt 8 Kollektivvertrag zulässige - freie Vereinbarung über die Inanspruchnahme von Mahlzeiten und Wohngelegenheiten zwischen den Streitteilen nicht zustandgekommen sei. Darüber hinaus habe der Beklagte der Klägerin kollektivvertragswidrig keine Abrechnungen über die Lehrlingsentschädigung zukommen lassen, sodaß die Klägerin keine ausreichende Möglichkeit zur Prüfung der Höhe der ausgezahlten Lehrlingsentschädigung gehabt habe. Der Abzug für Kost und Quartier sei daher objektiv rechtswirdrig gewesen, doch habe der Beklagte weder gewußt noch hätte er infolge der ihm obliegenden Sorgfaltspflichten wissen müssen, daß seine Vorgangsweise unrechtmäßig sei, zumal ihm die diesbezüglichen Einwendungen der Klägerin erstmals mit Schreiben vom 18.Februar 1987 zur Kenntnis gekommen seien. Die Unterentlohnung rechtfertige daher die Auflösung des Lehrverhältnisses nicht. Ferner habe die Beklagte durch die Anordnung von 11 Überstunden pro Woche gegen § 11 Abs. 1 KJBG und durch die Beschäftigung der Klägerin nach 22.00 Uhr gegen § 17 Abs. 2 KJBG verstoßen. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten, die das Gastgewerbe vor allem bezüglich der Arbeitszeit mit sich bringe, seien diese Verstöße nicht als so gravierend anzusehen, daß sie als gröbliche Verletzung der dem Lehrherrn obliegenden Pflichten im Sinne des § 15 Abs. 4 lit. b BAG angesehen werden könnten. Dasselbe gelte für den Verstoß des Beklagten gegen die kollektivvertragliche Verpflichtung zur Ausfolgung einer Lohnabrechnung, zumal dieser Verstoß ohnehin dadurch sanktioniert werde, daß der Beginn der Verfallsfrist für die Lohnansprüche hinausgeschoben werde. Die vorzeitige Auflösung des Lehrverhältnisses durch die Klägerin sei daher unberechtigt, sodaß das Begehren auf Schadenersatz gemäß § 1162 b ABGB von 11.480,19 S und auf Urlaubsentschädigung von 1.044,19 S unberechtigt sei. Die Arbeitsleistungen an Feiertagen seien der Klägerin abgegolten worden, sodaß auch das Begehren von 2.853,64 S für Feiertagsentgelt abzuweisen sei.

Hingegen sei dem auf den Titel der Unterentlohnung gestützten Begehren mit 27.722,12 S stattzugeben und nur ein Teilbetrag von 4.211,66 S abzuweisen.

Dieses Urteil wurde von der Klägerin nur soweit bekämpft als Ansprüche auf Schadenersatz und Urlaubsentschädigung von zusammen 12.524,38 S sA abgewiesen wurden; der Beklagte bekämpfte hingegen den stattgebenden Teil des Ersturteils zur Gänze. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und bestätigte das Ersturteil in seinem klageabweisenden Teil - unter Einbeziehung des unangefochtenen Teilbetrages von

7.065,30 S sA - als Teilurteil und sprach aus, daß die Revision zulässig sei; hingegen gab das Berufungsgericht der Berufung des Beklagten im Sinne des Aufhebungsantrages Folge.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und vertrat die Rechtsauffassung, dem Beklagten sei zuzubilligen, daß er subjektiv der Meinung sein konnte, der Abzug von 2.040 S für Kost und Quartier sei begründet, weil auch den übrigen Lehrlingen im Betrieb Kost und Quartier nur entgeltlich gewährt wurden und der Beklagte beim Einstellungsgespräche - wenn auch für die Gegenseite nicht ausreichend deutlich und ohne schriftliche Fixierung im Lehrvertrag - erklärt habe, die Klägerin werde so entlohnt werden wie die anderen Lehrlinge. Die übrigen Verstöße des Beklagten gegen kollektivvertragliche und gesetzliche Bestimmungen hätten der Klägerin die Aufrechterhaltung des Lehrverhältnisses nicht unzumutbar gemacht, zumal die Klägerin nicht einmal behauptet habe, sie habe auf Einhaltung der gesetzlichen Verbote der Mehrarbeitsleistung und der Nachtarbeit gedrängt. Die Sonn- und Feiertagsarbeit habe die Klägerin selbst gewünscht. Gegen das Teilurteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der klagenden Partei aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens hinsichtlich eines Betrages von 19.589,68 S sA abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Soweit sich die Revision gegen die Abweisung eines Teilbetrages von 7.065,30 S sA (2.853,64 S an Feiertagsentgelt und 4.211,66 S an Unterentlohnung) richtet, ist sie unzulässig, weil der diesbezügliche Teil des Ersturteils mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen ist. In diesem Umfang war die Revision daher zurückzuweisen.

Kosten für diesen Teil des Revisionsverfahrens waren dem Beklagten gemäß §§ 40, 50 ZPO nicht zuzuerkennen, weil er in seiner Revisionsbeantwortung auf die teilweise Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat.

Im übrigen ist die Revision berechtigt.

Den Vorinstanzen ist darin beizupflichten, daß eine gültige Vereinbarung über einen Kostenersatz für die Gewährung von Kost und Quartier an die Klägerin nicht zustande gekommen ist, nicht aber darin, daß die aus dem vom Beklagten einseitig vorgenommenen Abzug von 2.040 S monatlich resultierende Schmälerung der der Klägerin nach dem Kollektivvertrag gebührenden Lehrlingsentschädigung vom Beklagten subjektiv nicht vorwerfbar sei. Abgesehen davon, daß eine derartige Vereinbarung gemäß § 12 Abs. 4 Z 1 BAG in den Lehrvertrag aufzunehmen ist (siehe Berger-Fiala-Gruber, Berufsausbildungsgesetz § 12 Anm. 58), wäre der Beklagte schon nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen, den in Relation zur Lehrlingsentschädigung exorbitant hohen Abzug vor Abschluß des die Klägerin auf drei Jahre bindenden Lehrvertrages offenzulegen. Aus dem Hinweis, die Klägerin werde genauso viel ausgezahlt erhalten wie die übrigen Lehrlinge, konnte weder die Klägerin noch ihre gesetzliche Vertreterin erschließen, daß der Großteil der Lehrlingsentschädigung für Kost und Quartier einbehalten werde. Dieser Hinweis ist daher nicht etwa geeignet, den Beklagten zu exkulpieren, sondern trug dazu bei, daß die Klägerin und ihre gesetzliche Vertreterin sich nicht näher über die Konditionen für die Gewährung von Kost und Quartier sowie über die Höhe der dann an die Klägerin tatsächlich zur Auszahlung gelangenden Lehrlingsentschädigung erkundigten. Zieht man auch noch in Betracht, daß der Beklagte gemäß Punkt 8 KV im Zusammenhalt mit der für dieses Beschäftigungsverhältnis geltenden Lohnordnung für die Unterkunft nur monatlich 45 S in Abzug bringen durfte und daher auf die Kost ein völlig unangemessener, die Selbstkosten übersteigender und damit gegen § 78 Abs. 3 GewO 1859 verstoßender Abzug von 1.995 S monatlich vorgenommen wurde, dann kann dem Beklagten keinesfalls zugebilligt werden, seine Meinung, er sei zu diesem Abzug berechtigt gewesen, sei ihm subjektiv nicht vorwerfbar. Berücksichtigt man weiters, daß der Beklagte in der Folge seiner Verpflichtung laut Punkt 6 b KV, der Klägerin eine Lohnabrechnung auszuhändigen - ungeachtet eines diesbezüglichen Ersuchens der Klägerin - nicht nachkam und damit den exorbitant hohen Abzug für Kost und Quartier auch weiterhin verschleierte, hätte er sich nicht darauf berufen können, die Klägerin habe die unberechtigte - zu einer Entlohnung weit unter dem kollektivvertraglichen Mindestentgelt führenden - Abzüge hingenommen und hätte ihn vor Auflösung des Lehrverhältnisses daher unter Setzung einer Nachfrist zur Zahlung des Rückstandes und zur Gewährung einer den kollektivvertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen entsprechenden Entlohnung für die Zukunft auffordern müssen. Angesichts des geradezu auf eine Irreführung der Klägerin und ihrer gesetzlichen Vertreterin angelegten Verhaltens des Beklagten und der krassen Schmälerung des kollektivvertraglichen Mindestentgeltes konnte die Klägerin (anders als etwa in dem der Entscheidung DRdA 1989/7 !Dirschmied zugrundeliegenden Fall) nicht annehmen, daß sie den Beklagten mit einer Nachfristsetzung zur Erfüllung seiner Verpflichtungen aus dem Lehrverhältnis veranlasse werde. Die offenbare Sinnlosigkeit einer Nachfrist - der Beklagte ist von seiner Auffassung, er sei zu den Abzügen berechtigt gewesen, sogar im Prozeß nicht abgewichen und hat sich auf die Unterlassung einer Nachfristsetzung auch gar nicht berufen - macht sie aber entbehrlich (vgl. Reischauer in Rummel ABGB § 918 Rz 14 mwH). Die Klägerin war daher gemäß § 15 Abs. 4 lit. b BAG zur vorzeitigen Auflösung des Lehrverhältnisses berechtigt. In diesem Fall stehen ihr der Schadenersatzanspruch nach §§ 1162 b ABGB, 84 GewO (siehe DRdA 1982/5 !Jarbonegg , Arb. 10.176 sowie Berger-Fiala-Gruber aaO, § 9 Anm. 15) und gemäß § 9 Abs. 1 Z 2 UrlG ein Anspruch auf Urlaubsentschädigung zu (vgl. Klein-Martinek Urlaubsrecht, 112).

Über die Höhe dieser Ansprüche kann aber noch nicht abgesprochen

werden, weil die Vorinstanzen auf Grund ihrer vom Obersten

Gerichtshof nicht geteilten Rechtsauffassung diesbezüglich keine

Feststellungen getroffen haben. Es waren daher die von der

Berechtigung der vorzeitigen Auflösung abhängigen Ansprüche der

Klägerin gegenüber dem Beklagten dem Grunde nach als zu Recht

bestehend zu erkennen. Im fortgesetzen Verfahren wird das Erstgericht über die Höhe der der Klägerin zustehenden Ansprüche zu verhandeln und zu entscheiden haben (Fasching Kommentar ZPO III, 597 f; 4 Ob 3/80; 6 Ob 771/81).

Der Vorbehalt bezüglich der Verfahrenskosten beruht auf § 52 ZPO.

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