OGH 11Os10/93

OGH11Os10/932.3.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. März 1993 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hager, Dr. Schindler, Dr. Mayrhofer und Dr. Ebner als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kobler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Karl M* wegen des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Karl M* gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27. November 1992, GZ 5 b Vr 6890/92‑25, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur Generalanwalt Dr. Presslauer, und des Verteidigers Dr. Streit, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:E34431

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Josef M* des Vergehens der Unterschlagung nach § 134 Abs 1 StGB (A./) und des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB (B./) schuldig erkannt.

Darnach liegt ihm zur Last, in Wien mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung

A./ sich Anfang Juni 1992 ein fremdes Gut, das er gefunden hat, nämlich einen Schlüsselbund zugeeignet und

B./ am 9. Juni 1992 fremde bewegliche Sachen dem Adolf P* durch Einbruch in dessen Installateurgeschäft wegzunehmen versucht zu haben.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch richtet sich die auf die Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der auch den Strafausspruch mit Berufung bekämpft.

Zum Faktum A./ wird vom Beschwerdeführer zunächst der Sache nach eingewendet, er habe den für die Verwirklichung des Vergehens der Unterschlagung erforderlichen Bereicherungsvorsatz gar nicht entwickeln können, weil ein Schlüssel (hier: Schlüsselbund) für sich allein kein deliktstauglicher Wertgegenstand sei. Die Rüge schlägt deswegen fehl, weil ein funktionstüchtiger Schlüssel einen wirtschaftlichen Wert hat und nur wertlose Sachen keine tauglichen Unterschlagungsgüter darstellen. Ein bloß geringer wirtschaftlicher Wert (Bagatellwert) eines Gutes steht der Annahme einer Unterschlagung aber nicht entgegen. Dies ergibt sich schon aus der entsprechenden Strafbarkeit einer Entwendung nach § 141 StGB. Der zur Betätigung eines Schlosses brauchbare Schlüssel hat für den Eigentümer ‑ gleich wie für denjenigen, der ihn deliktisch erlangt und solcherart die Kosten einer Anschaffung oder Herstellung erspart ‑ einen (wenngleich unter Umständen geringen) selbständigen Vermögenswert und kann daher Objekt einer auf Bereicherung gerichteten Zueignung sein (siehe dazu JBl 1977, 604; EvBl 1986/9; 10 Os 27/85).

Dem weiteren Beschwerdevorbringen zuwider würde die (vollendete) Unterschlagung des Haustorschlüssels nicht dadurch (diebstahlsbezogen) zur straflosen Vorbereitungshandlung, daß dieser Schlüssel dem Täter zum späteren Einbruchsversuch (laut Pkt B./ des Schuldspruchs) dienen sollte. Von strafloser Vorbereitungshandlung kann nur bei einem (nicht schon selbst als Straftatbestand vertypten) Geschehen die Rede sein, welches wegen seines entwicklungsmäßigen Abstandes zu einem angestrebten strafgesetzwidrigen Verhalten noch von keiner Strafbestimmung erfaßt wird und daher strafgesetzlich nicht subsumierbar ist. Aber auch die vom Beschwerdeführer geforderte Beurteilung als "straflose Vortat" kommt nicht in Betracht. In dem damit angesprochenen Fall scheinbarer Realkonkurrenz wird für die Straflosigkeit einer Vortat vorausgesetzt, daß diese mit der Verwirklichung der Haupttat ‑ der sie dient und zu der sie eine Vorstufe darstellt ‑ ihre selbständige Bedeutung verliert, daß sie gegen das selbe Rechtsgut wie die Haupttat gerichtet ist und ihre Folgen ganz in der Haupttat aufgehen (Leukauf‑Steininger Komm3 § 28 RN 49). Dies kann bei der konkreten Sachverhaltsgestaltung deswegen nicht gesagt werden, weil der Angeklagte durch die Unterschlagung des Schlüssels eine vom unternommenen Diebstahl unabhängige und jedenfalls zusätzliche Vermögensschädigung bewirkt hat.

Somit erweisen sich sämtliche gegen den Schuldspruch wegen des Vergehens der Unterschlagung erhobenen Einwendungen als nicht stichhältig.

Das den Schuldspruch wegen des Verbrechens des versuchten Einbruchsdiebstahls betreffende Anfechtungsvorbringen, mit welchem unter Behauptung von Feststellungsmängeln der Strafaufhebungsgrund des (freiwilligen) Rücktritts vom Versuch nach dem § 16 Abs 1 StGB reklamiert wird, entspricht wegen des Unterbleibens eines Vergleiches der Urteilstatsachen mit dem darauf angewendeten Gesetz nicht den Bedingungen der prozeßordnungsmäßigen Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes (sachlich Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO). Das Erstgericht hat die Verantwortung des Angeklagten, er habe von der Tatvollendung aus inneren Erwägungen Abstand genommen, seiner ersten geständigen Einlassung (S 26) gemäß ausdrücklich für unrichtig befunden. Soweit der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen diese Negativfeststellung nicht zur Kenntnis nehmen, sondern ihre Abänderung herbeiführen will, liegt keine tauglich ausgeführte Rechtsrüge vor. Diese Ausführungen wären aber auch bei einem Verständnis als Mängelrüge (Z 5) nicht zielführend, weil die ins Treffen geführte Verantwortung des Angeklagten anläßlich einer polizeilichen Vernehmung (S 33) ebenso wie seine Behauptungen in der Hauptverhandlung vom Schöffengericht keineswegs außer Betracht gelassen wurden, sondern ohnedies Gegenstand der Entscheidungserwägungen waren und in den Urteilsgründen Berücksichtigung fanden. Die Beschwerdemeinung, das Erstgericht hätte der Verantwortung des Angeklagten über die freiwillige Aufgabe des Tatentschlusses zu folgen gehabt, zeigt indes nach keiner Richtung eine Urteilsnichtigkeit auf, sondern übt bloß nach Art einer Schuldberufung unzulässige und daher unbeachtliche Kritik an der Beweiswürdigung der Tatrichter.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Aber auch der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Bei der Strafbemessung hat das Erstgericht als erschwerend das Zusammentreffen eines Vergehens mit einem Verbrechen, die sechs einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten (die die Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall nach dem § 39 StGB erfüllen) und den überaus raschen Rückfall (nämlich nur wenig mehr als einen Monat nach der letzten Haftentlassung) gewertet, als mildernd hingegen das Geständnis zum Faktum A./, dem es jedoch nur geringe Bedeutung beimaß, zumal der Angeklagte mit dem Schlüssel betreten wurde, und den Umstand, daß es beim Einbruchsdiebstahl beim Versuch geblieben ist. Ausgehend von diesen Strafbemessungsgründen verhängte es über den Angeklagten eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten.

Die Berufung behauptet zwar das Vorliegen weiterer ‑ vom Erstgericht nicht berücksichtigter ‑ Milderungsgründe, ohne mit diesem Vorbringen allerdings im Recht zu sein.

Wer sein Verhalten als straflos darstellt, kann für sich ein reumütiges Geständnis im Sinne des § 34 Z 17 StGB nicht in Anspruch nehmen. Der rasche Rückfall läßt es auch nicht zu, die finanzielle Notlage als mildernd zu berücksichtigen, weil der Milderungsgrund des § 34 Z 16 StGB dann nicht gegeben ist, wenn der Täter nicht den geringsten Ansatz erkennen läßt, einen rechtstreuen und arbeitsamen Lebenswandel zu führen (Leukauf‑Steininger Komm3, § 34 RN 16). Daß beim Versuchsfaktum kein Schaden eingetreten ist, entspricht dem Wesen des Versuchs, vom geringen Wert des unterschlagenen Gutes gingen die Tatrichter bei der Strafbemessung ersichtlich aus. Wenn sich der Beschwerdeführer in der Berufung neuerlich gegen die Annahme des Zusammentreffens eines Vergehens mit einem Verbrechen als erschwerend mit der Behauptung des Vorliegens einer Scheinkonkurrenz wendet, versagt dieses Vorbringen aus den schon im Rahmen der Behandlung der Rechtsrüge dargelegten Erwägungen. Es liegt daher auch der in der Berufung angedeutete (der Sache nach einen Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 11 StPO darstellende) Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot nicht vor.

Es bestand daher kein Raum für die angestrebte Reduktion der über den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe, weswegen sich auch die Berufung als unberechtigt erweist.

Die Kostenentscheidung ist in der angeführten Gesetzesstelle begründet.

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