OGH 10Os27/85

OGH10Os27/8516.4.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.April 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Köhl als Schriftführer, in der Strafsache gegen Bruno A wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach § 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht in Jugendstrafsachen vom 4.Oktober 1984, GZ 27 Vr 2441/84-12, nach öffentlicher Verhandlung, in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek und des Verteidigers Dr. Datzik zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 4.Dezember 1969 geborene jugendliche Angeklagte Bruno A des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach § 127 Abs 1, Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 15 StGB schuldig erkannt, weil er mit dem Vorsatz auf unrechtmäßige Bereicherung in Hall in Tirol (1.a) am 1.Juli 1984 der Maria B (richtig: Marianne C) einen Schlüssel unerhobenen Wertes und nach Eindringen in ihre Wohnung mit diesem widerrechtlich erlangten Schlüssel Bargeld im Betrag von 5.000 S und einen Damenring; sowie (1.b) am 21.August 1984 in Gesellschaft des strafunmündigen Alexander D der Firma 'TOP-DISCOUNT' durch Einsteigen in ein Gebäude Schulartikel im Wert von 1.631,60 S weggenommen und (2.) am 2.Juli 1984 der Marianne C durch Eindringen in deren Wohnung mit dem (zu 1. a) erwähnten, widerrechtlich erlangten Schlüssel Bargeld in unbekannter Höhe wegzunehmen versucht hatte.

Nach den hier wesentlichen, unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Jugendschöffengerichtes durchsuchte der Angeklagte am 1.Juli 1984 bereits mit Diebstahlsvorsatz eine unversperrte Kommode im Flur des Hauses Hall in Tirol, Salvatorgasse 25; er fand dort einen Schlüssel, der im Eigentum der Marianne C steht und zum Schloß ihrer Wohnung paßt. Mit diesem Schlüssel gelang es dem Angeklagten, die Wohnungstüre der Genannten aufzusperren und aus der Wohnung 5.000 S und einen Ring zu stehlen. Den Schlüssel behielt er, um damit allenfalls später noch einmal in die Wohnung eindringen zu können, wobei er außerdem beabsichtigte, diesen Schlüssel überhaupt für sich zu behalten und nicht nur vorübergehend zu benützen. Er warf ihn auch nach dem tags darauf unternommenen (fehlgeschlagenen) Diebstahlsversuch nicht weg, sondern behielt ihn bei sich. Mit seiner auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft der Angeklagte dieses Urteil nur im Schuldspruch wegen Diebstahls des Schlüssels (1.a): er wendet ein, ein Schlüssel sei kein taugliches Diebstahlsobjekt; hilfsweise bringt er vor, die Wegnahme des Schlüssels sei nur als straflose Vortat zum nachfolgenden Einbruchsdiebstahl zu werten.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist unbegründet.

Tatobjekte des Diebstahls sind im Gewahrsam eines anderen stehende fremde bewegliche Sachen. Dabei kommt es wegen des Charakters des Diebstahls als das Vermögen des Opfers schädigenden Deliktes, das auf der Seite des Täters dessen Vorsaz auf unrechtmäßige Bereicherung voraussetzt, für den Sachbegriff des § 127 StGB darauf an, ob die Sache einen Wert im wirtschaftlichen Sinn, also einen nicht völlig unerheblichen Tauschwert hat (Kienapfel BT II § 127 RN 22). Zwar scheiden deshalb nach der Verkehrsauffassung gänzlich oder nahezu ('praktisch') wertlose Sachen aus, nicht aber solche, denen bloß wegen ihrer Widmung als Zubehör oder als (selbständiger oder unselbständiger) Bestandteil einer anderen (Haupt-) Sache (§ 294 ABGB) oder für einen bestimmten persönlichen Gebrauch des Gewahrsamsträgers (etwa Prothesen u dgl) oder weil der Handel mit ihnen verboten wäre (Kennzeichentafeln, Suchtgift ua), kein Tauschwert nach Art eines Handelswertes (mehr) zukommt. Die Sache muß nämlich (entgegen Bertel im WK § 127 StGB Rz 3 und 5) weder für den Handel bestimmt noch in concreto dazu geeignet sein. Auch Dinge, die sich im redlichen Rechtsverkehr nicht oder nur schwer 'zu Geld machen' lassen, können den strafrechtlichen Sachbegriff erfüllen (Kienapfel aaO RN 24). Insoweit kommt es bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise auf der äußeren Tatseite auch auf die (wirtschaftliche) Funktion der Sache im Vermögen des Bestohlenen an; die Reduktion des Wertes solcher funktioneller Sachen auf ihren bloßen Materialwert (vgl Bertel aaO Rz 5) würde eben dieser wirtschaftlichen Betrachtungsweise zuwiderlaufen. Solcherart hat ein zu einer Wohnungstüre gehöriger oder passender Schlüssel sehr wohl für den Bestohlenen - gleichwie für den Dieb, der sich durch dessen Wegnahme die Kosten der Anschaffung bzw Herstellung desselben erspart - einen (wenngleich unter Umständen geringen) selbständigen Vermögenswert (vgl insbesondere JBl 1977, 604 ua;

Leukauf-Steininger, Kommentar 2 § 127 StGB RN 5 lit l) um den sich im vorliegenden Fall der Angeklagte bereichern wollte; hat er doch - nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen - im Tatzeitpunkt mit dem Vorsatz gehandelt, den Schlüssel zu behalten und ihn nicht nur vorübergehend zu benützen.

Auch mit dem Einwand, die Wegnahme des Schlüssels sei nur 'straflose Vortat', ist der Beschwerdeführer nicht im Recht.

In diesem Fall scheinbarer Realkonkurrenz wird für die Straflosigkeit einer Vortat vorausgesetzt, daß diese mit der Verwirklichung der Haupttat - der sie dient und zu der sie eine Vorstufe darstellt - ihre selbständige Bedeutung verliert, daß sie gegen dasselbe Rechtsgut wie die Haupttat gerichtet ist und daß ihre Folgen ganz in der Haupttat aufgehen (Leukauf-Steininger Kommentar 2 § 28 StGB RN 49). Dies kann bei der konkreten Sachverhaltsgestaltung nicht gesagt werden; hat doch der Angeklagte durch die Wegnahme des Schlüssels jedenfalls eine zusätzliche Vermögensschädigung der Marianne C herbeigeführt, die über die übrigen Folgen des betreffenden Diebstahls augenscheinlich hinausgeht. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

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