OGH 1Ob623/92

OGH1Ob623/9223.2.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der beim Bezirksgericht Bad Aussee anhängigen Verlassenschaftssache nach dem am 14. April 1988 verstorbenen, zuletzt in S***** wohnhaft gewesenen Pensionisten Engelbert T***** (A 1021/92), infolge Rekurses des Dkfm. Dr. Engelbert T*****, vertreten durch Dr. Manfred Buchmüller, Rechtsanwalt in Altenmarkt i.P., gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als des gemäß § 23 JN zuständigen Gerichts vom 25. September 1992, GZ Nc 33/92-1, womit die Ablehnung sämtlicher Richter des Kreisgerichtes Leoben im Verfahren über den Rekurs des Rechtsmittelwerbers gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Bad Aussee vom 8. August 1992, GZ A 1021/92-55, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Anläßlich der Erhebung eines Rekurses an das Kreisgericht Leoben in der dem Bezirksgericht Bad Aussee zugewiesenen Verlassenschaftssache nach seinem am 14.4.1988 verstorbenen Vater lehnte der Rekurswerber „vorsichtshalber bereits jetzt“ sämtliche Richter dieses Gerichtshofs ab. Er gehe zwar davon aus, daß die Richter von sich aus „erneut“ Befangenheitsanzeigen erstatten würden, sollte dies jedoch nicht der Fall sein, werde er, sobald ihm bekannt sein werde, welche Richter über seinen Rekurs entscheiden werden, entsprechende Ablehnungserklärungen erstatten.

Aufgrund von Befangenheitsanzeigen und Ablehnungserklärungen des Rechtsmittelwerbers im vorangegangenen Verfahren sind nun in der Tat zahlreiche Richter des Kreisgerichtes Leoben dem Rechtsmittelwerber gegenüber als befangen anzusehen. In der Folge sind jedoch mehrere Richter, darunter auch der derzeitige Präsident, auf Planposten dieses Gerichtshofs ernannt worden, die sich dem Rechtsmittelwerber gegenüber nicht als befangen erachten.

Das Oberlandesgericht Graz wies als das gemäß § 23 JN zuständige Gericht die Ablehnungserklärung zurück. Es führte im wesentlichen aus, ein Richter sei dann als befangen anzusehen, wenn Umstände vorliegen, die objektiv Anlaß dazu geben, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Dabei genüge schon die Besorgnis, daß bei der Entscheidung dieses Richters andere als rein sachliche Motive eine Rolle spielen könnten. Der Ablehnungswerber müsse allerdings schon in der Ablehnungserklärung alle ihm bekannten Ablehnungsgründe vorbringen, weil sonst angenommen werden müßte, daß er auf deren Geltendmachung verzichte. Immer müsse es sich um in der Person des abgelehnten Richters gelegene Gründe handeln. Solche habe der Ablehnungswerber jedoch jedenfalls gegen die neu ernannten Richter des Kreisgerichtes Leoben nicht ins Treffen geführt. Lehne der Ablehnungswerber den gesamten - restlichen - Gerichtshof ab, so sei diese Vorgangsweise jedenfalls unzulässig.

Mit dem dagegen erhobenen Rekurs an den Obersten Gerichtshof verband der Rechtsmittelwerber unter anderem die Erklärung, er lehne den Vorsitzenden und die beiden weiteren Mitglieder jenes Senats des Oberlandesgerichtes Graz ab, die über seine Ablehnungserklärung entschieden haben. Er brachte hiezu vor, er habe erst nach Zustellung dieses Beschlusses in Erfahrung gebracht, welche Richter des Oberlandesgerichtes Graz an diese Entscheidung mitgewirkt hätten. Gerade diese Richter habe er aber bereits im Verfahren 4 Cg 287/89 des Kreisgerichtes Leoben abgelehnt und die Gründe hiefür seien in der Zwischenzeit nicht weggefallen. Die abgelehnten Richter wären von sich aus verpflichtet gewesen, die ihnen bekannte Ablehnungserklärung bekanntzugeben. Sie hätten sich in dem genannten, aber auch im Verfahren 5 Cg 276/88 des Kreisgerichtes Leoben als Richter des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes des „strafbaren Mißbrauchs der Amtsgewalt durch Unterdrückung der gegenständlichen öffentlichen Urkunde vom 22.10.1969/23.1.1970 (Realteilungsvertrag) als gesetzliches Beweismittel“, dem in der vorliegenden Verlassenschaftssache „infolge Verquickung mit strafbaren Handlungen wesentliche Bedeutung“ zukomme, „und der Begünstigung der von Strafe bedrohten Zeugen“ (zweier weiterer Personen), sowie des namentlich genannten Richters des Kreisgerichtes Leoben schuldig gemacht und seien deshalb mit Strafanzeige vom 15.2.1992 bei der Generalprokuratur angezeigt worden. Der Beschluß sei durch die „des wiederholten Mißbrauchs der Amtsgewalt“ beschuldigten Richter (gemeint sind der Vorsitzende und die beiden weiteren Mitglieder des mit der Ablehnungserklärung befaßten Senats des Oberlandesgerichtes Graz) rechtswidrig zustandegekommen.

Rechtliche Beurteilung

Vor Erledigung des Rekurses ist auf die Ablehnungserklärung einzugehen. Diese ist - selbst wenn unterstellt wird, daß sie noch rechtzeitig angebracht wurde (vgl. hiezu JBl. 1989, 664 mwN) - nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt. Eine Mehrzahl von Richtern kann nur durch Ablehnung jedes einzelnen von ihnen sowie durch Angabe detaillierter konkreter Ablehnungsgründe in Ansehung eines jeden einzelnen Richters erfolgreich abgelehnt werden (EvBl. 1989/18 mwN; Fasching LB2 Rz 165 und im Komm.I 200). Dementgegen erhebt der Rechtsmittelwerber gegen die von ihm abgelehnten Richter den pauschalen Vorwurf, sie hätten sich in anderen Verfahren bei Erledigung von Rechtsmitteln des Ablehnungswerbers durch Unterdrückung einer öffentlichen Urkunde in mehreren Streitverfahren des Mißbrauchs der Amtsgewalt schuldig gemacht. Aufgrund dieser Angaben kann jedoch nicht beurteilt werden, worin das den abgelehnten Richtern angelastete Verhalten nun in der Tat bestand, und es könnte daher auch gar nicht geprüft werden, ob diese Richter auch im vorliegenden Verfahren (EvBl. 1990/145 ua) zu Recht als befangen abgelehnt wurden.

Sollte mit diesem Vorbringen aber - was immerhin dem Vorbringen im Rekurs des Rechtsmittelwerbers an das Kreisgericht Leoben entnommen werden könnte - die Tatsachenfeststellungen in den Streitverfahren des Rechtsmittelwerbers 5 Cg 276/88 und 4 Cg 287/89 dieses Gerichtshofes (und allenfalls in weiteren Streitverfahren) und die diesen zugrundeliegende Beweiswürdigung der damit befaßten Tatsacheninstanzen gemeint sein, stünde der sachlichen Erledigung einer solchen Ablehnungserklärung zunächst schon entgegen, daß die die Ablehnung begründenden Umstände gemäß § 22 Abs.1 JN in dem Schriftsatz, mit dem die Ablehnung erklärt wird, genau anzugeben sind; daß Ablehnungsgründe dem Vorbringen nur gerade noch erschlossen werden könnten, genügt nicht. Überdies hat selbst der Oberste Gerichtshof dem Rechtsmittelwerber bereits mehrfach (zB in 3 Ob 518/90 bzw. 1 Ob 575/91) beschieden, daß das in dem genannten Rechtsmittel zum wiederholten Mal zum Gegenstand seiner Ablehnungserklärung gemachte rein verfahrensbezogene richterliche Verhalten, das auch jetzt wieder den abgelehnten Rechtsmittelrichtern zur Last gelegt wird, für sich keine Befangenheit dieser Richter begründen könnte. Solche stereotyp auf dieselben schon mehrfach als nicht begründet erkannten Befangenheitsgründe gestützte Ablehnungserklärungen sind - wie der Oberste Gerichtshof gleichfalls schon zu wiederholten Malen (zB in EvBl. 1989/18) ausgesprochen hat - als rechtsmißbräuchliche Vorgangsweise des Ablehnungswerbers unzulässig, sodaß sie an sich gar nicht mehr zum Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung gemacht werden müßten.

Gleiche Erwägungen gelten auch für den Hinweis des Rekurswerbers auf die von ihm erstatteten Strafanzeigen gegen diese Richter bei der Generalprokuratur, die von der Staatsanwaltschaft Leoben zudem bereits am 5.3.1992 gemäß § 90 StPO zurückgelegt worden ist. Der erkennende Senat hat bereits mit dem schon erwähnten Beschluß vom 18.9.1991, 1 Ob 575/91, der übrigens die Ablehnung des unter anderem auch hier abgelehnten Vorsitzenden durch den Ablehnungswerber aus denselben Gründen zum Gegenstand hatte, dem Rechtsmittelwerber eröffnet, von einem Richter könne erwartet werden, daß er selbst dann unbefangen entscheidet, wenn eine Partei gegen ihn - noch dazu unbegründete - Straf- bzw. Disziplinaranzeigen erstattet; sie hätte es doch sonst auch in der Hand, ihr Ziel, ihr mißliebig erscheinende Richter in ihren Rechtssachen vom Richteramt auszuschließen, durch wiederholte unbegründete und substanzlose Strafanzeigen zu erreichen; an dieser Auffassung ist auch hier festzuhalten. So wie auch aufgrund der bloßen Tatsache, daß gegen den abgelehnten Richter Amtshaftungsansprüche geltend gemacht wurden, dessen Befangenheit nur bei Vorliegen besonderer Umstände angenommen werden kann, müssen auch bei Erstattung von Strafanzeigen derartige Tatsachen hinzutreten, um in solchen Fällen Zweifel an der Unbefangenheit annehmen zu können (vgl. 1 Ob 2/88 und 1 Ob 7/88); solche Umstände läßt - wie schon die früheren Ablehnungserklärungen - auch die vorliegende Erklärung nicht erkennen.

Werden in einem Rechtsmittel konkrete - also gegen die Person des oder der abgelehnten Richter gerichtete substantiierte und detaillierte - Befangenheitsgründe nicht ins Treffen geführt, besteht kein Anlaß, vor der Entscheidung über das Rechtsmittel die Entscheidung des zuständigen Senats des unterstellten Gerichtshofs über die Ablehnungserklärung einzuholen (5 Ob 366/87 und 5 Ob 517/90). Da die Ablehnungserklärung des Rechtsmittelwerbers nicht ausreichend substantiiert ist, müssen auch keine Äußerungen der als befangen abgelehnten Richter des Oberlandesgerichtes Graz (§ 22 Abs 2 JN) eingeholt werden (5 Ob 307/85).

Demgemäß hat der Oberste Gerichtshof trotz der Ablehnung der in erster Instanz tätig gewesenen Richter sogleich über den Rekurs gegen die Ablehnungsentscheidung zu befinden. Die Ausführungen in diesem Rechtsmittel beschränken sich letztlich auf die Behauptung, das Oberlandesgericht Graz habe voreilig über die Ablehnungserklärung entschieden; der Rechtsmittelwerber habe lediglich ersucht, ihm bekanntzugeben, welche Richter des Kreisgerichtes Leoben über seinen Rekurs entscheiden würden. Dieses Vorbringen ist insofern aktenwidrig, als der Rechtsmittelwerber dort ausdrücklich erklärte, er stelle „vorsichtshalber bereits jetzt“ einen „Ablehnungsantrag gegen sämtliche Richter des Kreisgerichtes Leoben“. Sein weiteres Vorbringen in diesem Zusammenhang kann nur so verstanden werden, daß ihm die mit der Rechtsmittelerledigung befaßten Richter vor der Beschlußfassung bekanntzugeben sein würden, damit er dann gegen diese „die entsprechenden gesetzesgemäß auszuführenden Ablehnungsanträge stellen“ könne. Wie der erkennende Senat auch schon im Beschluß 1 N 512/93, der die Erledigung der Ablehnung eines davon betroffenen Richters des Obersten Gerichtshofes zum Gegenstand hat, aussprach, sind Ablehnungsgründe nicht bloß sofort (Fasching aaO Rz 161), sondern gemäß § 22 Abs 1 zweiter Satz JN bereits in der Ablehnungserklärung konkret und genau anzugeben; der Ablehnungswerber kann sich daher die nähere Begründung (Substantiierung) der Ablehnungserklärung nicht bis zur Bekanntgabe jener Richter, die über sein Rechtsmittel entscheiden werden, vorbehalten (5 Ob 307/85 ua). Er hätte vielmehr die jeden einzelnen der abgelehnten Richter des Kreisgerichtes Leoben treffenden Ablehnungsgründe schon in der mit dem Rekurs verbundenen Ablehnungserklärung bestimmt und genau angeben müssen. Dementgegen beschränkte er sich auf den schon weiter oben dargestellten pauschal erhobenen Vorwurf des Mißbrauchs der Amtsgewalt, und auch auf diesen nur gegen namentlich genannte Richter des Kreisgerichtes Leoben (bzw. des Oberlandesgerichtes Graz und des Obersten Gerichtshofs). Daß damit eine dem Gesetz gemäß ausgeführte Ablehnungserklärung nicht vorliegt, wurde schon weiter oben - bei Erörterung der Ablehnung der Richter des Oberlandesgerichtes Graz - dargelegt, sodaß zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese Ausführungen verwiesen werden kann.

Zu Recht hat das Oberlandesgericht Graz daher die Erklärung des Rechtsmittelwerbers, alle Richter des Kreisgerichtes Leoben abzulehnen, zurückgewiesen, sodaß dem Rekurs gegen dessen Beschluß ein Erfolg zu versagen ist.

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