OGH 3Ob508/92

OGH3Ob508/9216.9.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Kellner, Dr.Graf und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin Claudia H*****, vertreten durch Dr.Walter Anzböck, Rechtsanwalt in Tulln, wider den Antragsgegner Ing.Wolfgang H*****, vertreten durch Dr.Eduard Pranz, Dr.Oswin Lukesch, Dr.Anton Hintermeier, Rechtsanwälte in St.Pölten, wegen Bestellung eines Heiratsgutes, infolge von Revisionsrekursen beider Parteien gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Rekursgerichtes vom 22.November 1991, GZ 2 R 138/91-25, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Krems an der Donau vom 21.Februar 1991, GZ 1 Nc 104/90-21, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Beiden Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.

Der Antrag des Antragsgegners auf Kostenersatz wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Antragstellerin ist die eheliche Tochter des Antragsgegners. Sie heiratete am 12.August 1989 in erster Ehe Reinhard F*****, der ihren Familiennamen angenommen hat. Zum Zeitpunkt der Eheschließung hatte sie für ein Kind zu sorgen, dessen Vater ihr Ehegatte ist.

Mit dem am 2.Oktober 1989 bei Gericht erhobenen Antrag begehrte sie, den Antragsgegner zur Bestellung eines Heiratsguts von S 400.000 sA zu verpflichten.

Der Antragsgegner beantragte die Abweisung des Antrages und brachte vor, die Antragstellerin besitze einerseits Anteile an der Claudia H***** GmbH, die das Lokal "S*****" ***** betreibe; im übrigen lägen für ihn ausreichende Gründe vor, diese Ehe zu mißbilligen: Gegen den Ehegatten der Antragstellerin seien rund 50 Exekutionsverfahren beim BG St.Pölten anhängig, dieser sei hoch verschuldet, ein Konkursantrag sei mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen worden. Die Verständigung von der Eheschließung sei nicht rechtzeitig erfolgt, die von ihm sofort angestellten Nachforschungen hätten letztlich die genannten Mißbilligungsgründe ergeben. Im übrigen sei das Begehren weitaus überhöht; zum einen müsse sich die Antragsstellerin Vorempfänge in Form eines im September 1985 übergebenen Bausparvertrags mit einem Guthaben von S 60.500 sowie eines Mopeds im Wert von S 6.000 anrechnen lassen. Der Antragsgegner sei darüber hinaus für ein minderjähriges Kind sorgepflichtig.

Das Erstgericht verpflichtete den Antragsgegner zu einer Heiratsgutszahlung von S 180.000 in 6 Monatsraten zu je S 30.000 und wies das Mehrbegehren von S 220.000 ab. Es stellte fest, daß die persönlichen Kontakte zwischen den Parteien Ende 1985 abgebrochen worden seien. Die Antragstellerin habe in diesem Jahr maturiert und danach an der veterenärmedizinischen Universität in Wien inskribiert. In der Folge habe sie einen Studienwechsel vorgenommen und im Mai 1988 die Abschlußprüfung am Fremdenverkehrskolleg in Krems an der Donau mit gutem Erfolg abgelegt. Zu diesem Zeitpunkt sei sie bereits schwanger gewesen. Kurz vor der Hochzeit am 12.August 1989 sei die Claudia H***** GmbH gegründet worden; die Antragstellerin habe den Betrag von S 225.000, den sie als Darlehen erhalten habe, bar eingezahlt. Am 1.August 1989 habe sie dem Antragsgegner mit einem eingeschriebenen Brief mitgeteilt, daß sie am 12.August 1989 um 10 Uhr 30 am Standesamt St.Pölten Herrn Reinhard F***** heiraten werde. Im Jahr 1982 habe die Antragstellerin ein Motorfahrrad erworben, das vom Antragsgegner teilweise mitfinanziert worden sei. Am 6.September 1985 habe der Antragsgegner der Antragstellerin einen Bausparvertrag mit dem Ansparbetrag von S 60.500 zur Verfügung gestellt, gleichzeitig in einem eingeschriebenen Brief jedoch mitgeteilt, daß dieser Betrag als Vorempfang auf allfällige Ansprüche der Antragstellerin zu beurteilen sei. Im Jahr 1988 habe der Antragsgegner ein Nettoeinkommen von S 716.000 erzielt, in dem die Einkünfte als selbständiger Sachverständiger für das Kfz-Wesen und aus der Verpachtung einer Pension in Gastein und alle weiteren Einkünfte enthalten seien. Für das Jahr 1989 habe er keinen Einkommenssteuernachweis vorgelegt. Er sei außerdem grundbücherlicher Alleineigentümer einer Liegenschaft in St.Pölten und für ein minderjähriges Kind aus zweiter Ehe sorgepflichtig.

In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht zunächst davon aus, daß der Antragsgegner rechtzeitig von der bevorstehenden Eheschließung seiner Tochter in Kenntnis gesetzt worden sei und bereits zu diesem Zeitpunkt seine Mißbilligung zum Ausdruck bringen hätte müssen, um im Falle deren Begründetheit von seiner Heiratsgutsverpflichtung befreit zu sein. Im übrigen sei weder die Vermögenslosigkeit des erwerbsfähigen Ehegatten der Antragstellerin noch die Unterlassung seiner Vorstellung oder dessen mangelndes Verständnis für die Führung eines bestimmten Geschäftes ein Ehemißbilligungsgrund. Die Dotationspflicht des Antragsgegners bestehe sohin im Grunde zu Recht. Für deren Bemessung sei mangels anderer Nachweise das für das Jahr 1988 festgestellte Nettoeinkommen maßgeblich; die vom Antragsgegner als Anrechnungsposten genannten Vorleistungen seien auf das Heiratsgut allerdings nicht anzurechnen.

Infolge der Rekurse beider Teile hob das Gericht zweiter Instanz die Entscheidung des Erstgerichtes auf und trug diesem eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf; den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erklärte es für zulässig. Die Verständigung des dotationspflichtigen Vaters von der Eheschließung müsse so rechtzeitig vorher erfolgen, daß dieser vor dem Hochzeitstermin ausreichende Möglichkeiten zur Verfügung habe, die Person und die Vermögenslage des Bräutigams zu überprüfen und danach noch vor der Eheschließung die Gründe seiner Billigung oder Mißbilligung der Ehe bekanntzugeben. Im vorliegenden Fall sei denkbar, daß diese Verständigung nicht rechtzeitig erfolgt sei. Sei aber der Bräutigam dem Vater vorher unbekannt gewesen, dann sei ihm unabhängig davon, ob ihm die ursprüngliche Weigerung der Annahme des Briefes vom 1.August 1989 zum Verschulden zuzurechnen sei, in einer Frist von nicht einmal zwei Wochen die ausreichende Information über die Person und Vermögenslage des Bräutigams nicht möglich gewesen. Aus der bloßen Mitteilung des Hochzeitstermins und des Namens des Bräutigams könne noch keine Verpflichtung des dotationspflichtigen Vaters abgeleitet werden, ohne weitere Erhebungen sogleich eine Erklärung zu dieser Ehe abzugeben etwa dahin, daß er die Eheschließung vorerst ohne konkrete Begründung mißbillige. Gemäß § 1222 ABGB seien die Eltern zur Bestellung eines Heiratsgutes nicht verpflichtet, wenn eine Tochter ohne Wissen und gegen ihren Willen sich verehelicht hat. Die Bestimmung diene der Verhinderung leichtfertig geschlossener Ehen, sodaß grundsätzlich die Mißbilligung der Ehe mit einem zumindest namentlich bekannten Bräutigam vor der Eheschließung zu äußern sei. Der Eheschließung ohne Wissen der Eltern sei es aber gleichzustellen, wenn diese so knapp vor dem Hochzeitstermin in Kenntnis gesetzt würden, daß keine ausreichende Gelegenheit mehr gegeben sei, die Voraussetzungen für eine Mißbilligung zu prüfen. Grundsätzlich sei allerdings Vermögenslosigkeit eines erwerbsfähigen Ehegatten kein Mißbilligungsgrund; mit einer solchen sei es aber nicht vergleichbar, wenn der Bräutigam bereits im Zeitpunkt der Eheschließung mit mehr als 1,5 S Mio verschuldet sei, weil dies die wirtschaftliche Existenz der Ehe gefährden, wenn nicht sogar über Jahre hinaus zerstören könne. Besonders dann, wenn diese Schulden leichtfertig eingegangen wurden oder Folge der Unfähigkeit des Bräutigams, ordentlich zu wirtschaften, seien, könne ein Mißbilligungsgrund vorliegen. Anders wäre es nur dann, wenn das Entstehen der Schulden dem Ehegatten der Tochter nicht vorwerfbar wäre. Sollte sich im fortgesetzten Verfahren ergeben, daß die Mißbilligung der Ehe durch den Antragsgegner nicht gerechtfertigt sei, werde dessen Einkommen im Jahr 1989 - in welchem die Ehe der Antragstellerin geschlossen wurde - auf geeignete Weise festzustellen sein. Die vom Antragsgegner als anrechenbar behaupteten Vorleistungen seien jedoch auf das Heiratsgut nicht anrechenbar, weil bei der Bestellung eines Heiratsguts die erbrechtlichen Bestimmungen auch nicht analog anzuwenden seien.

Die gegen den Aufhebungsbeschluß der zweiten Instanz gerichteten Revisionsrekurse beider Parteien sind nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 1222 ABGB sind Eltern, wenn die Tochter ohne Wissen oder gegen den Willen ihrer Eltern sich verehelicht hat und das Gericht die Ursache der Mißbilligung gegründet findet, selbst in dem Falle, daß sie in der Folge die Ehe genehmigten, nicht schuldig, ihr ein Heiratsgut zu geben. Der Ausstattungsanspruch ist also auch bei Heirat der Tochter ohne Wissen der Eltern davon abhängig, daß der Dotierungspflichtige nicht zureichende Gründe für eine Mißbilligung der Ehe gehabt hätte (EFSlg 38.545; 54.214 uva; Petrasch in Rummel2, Rz 1 zu § 1222). Die Eheschließung der Tochter gegen den erklärten Willen des Dotationspflichtigen führt zur gerichtlichen Prüfung jener Mißbilligungsgründe, deretwegen die Zustimmung bei richtiger und vollständiger Information über Namen und Person des Bräutigams versagt wurde (Petrasch aaO; SZ 37/142 ua). Weiss (in Klang2 V 744) fordert in diesem Sinn die vollständige und wahrheitsgetreue Unterrichtung des Dotationspflichtigen über alle für seine Entscheidung wesentlichen Umstände. Dieser Auffassung ist beizupflichten. Die Frage, ob die vom Antragsgegner erst nach der Eheschließung der Antragstellerin erklärte Mißbilligung der Ehe wegen Verfristung unbeachtlich ist, ist daher wie folgt zu beantworten: Die Tochter hat den dotationspflichtigen Vater vor der beabsichtigten Eheschließung vollständig und wahrheitsgemäß über die persönlichen Verhältnisse des Bräutigams zu unterrichten, damit diesem noch vor der Eheschließung eine fundierte Äußerung (Billigung oder Mißbilligung) zur beabsichtigten Ehe möglich ist. Eine solche Information erfordert, so wie etwa in einer intakten Familie eine Tochter ihre Eltern über ihren Bräutigam zu informieren pflegt, die Bekanntgabe aller wesentlichen Umstände der Person (Namen, Beruf, Vorleben, Charaktereigenschaften, finanzielle Verhältnisse udgl) des Bräutigams. Die bloße Nennung des Namens und des Hochzeitstermins ohne die genannten weiteren Informationen werden den dargestellten Anforderungen nicht gerecht. Dies trifft auch auf den Brief der Antragstellerin vom 1.August 1989 zu, wann und auf welchem Wege immer er vor dem Hochzeitstermin dem Antragsgegner zugekommen ist. Wenn demnach der Bräutigam dem Antragsgegner nach seiner Person und seinen persönlichen Verhältnissen vor der Mitteilung über den Hochzeitstermin unbekannt gewesen sein sollte, was im fortgesetzten Verfahren zu klären ist, muß die erst nach der Eheschließung (und nach der Erhebung der vorliegenden Heiratsgutsforderung) erklärte Mißbilligung der Ehe - wie bei einer Eheschließung ohne Wissen der Eltern - als rechtzeitig und zulässig angesehen und auf ihre Berechtigung (Gegründetheit) überprüft werden. Erkundigungspflichten vor dem knapp bevorstehenden Hochzeitstermin trafen den Antragsgegner dann nicht. Kommt es im fortgesetzten Verfahren auf die Gründe der Mißbilligung an, so werden noch folgende Aspekte zu beachten sein:

Zunächst ist der Vorinstanz beizupflichten, daß es einen beachtenswerten Mißbilligungsgrund darstellen kann, wenn der Bräutigam zwar arbeits- und erwerbsfähig, aber nicht bloß vermögenslos, sondern schwer verschuldet und konkursreif ist und ihm diese Umstände vorwerfbar sind. Die Gründe für die Mißbilligung können auch auf das Vermögen und die Einkünfte sowie die persönlichen Eigenschaften und Verhältnisse des (künftigen) Ehegatten bezogen werden (EFSlg. 54.216 ff; 56.961, 56.964 ua). Muß auch das Wohl des dotationsberechtigten Kindes im Vordergrund stehen und nicht das Interesse der Eltern (EFSlg. 24.799; EvBl. 1976/153; EFSlg. 54.216 bis 219; 56.961, 56.964), so kann doch eine erhebliche vorwerfbare Überschuldung des Bräutigams bei der Eheschließung ein Grund für die aus berechtigter Sorge um die Tochter erklärte Mißbilligung der Ehe sein, wenn diesen Verbindlichkeiten keine Aktiven gegenüberstehen, (wie etwa bei der von der Antragstellerin in ihrem Revisionsrekurs mehrfach erwähnten Verschuldung junger Ehepaare infolge Erwerbs einer Wohnung udgl.) und deshalb eine mit beträchtlicher finanzieller Not begonnene eheliche Verbindung von Anfang an mit Krisen behaftet sein kann, die im Interesse des Kindes besser vermieden würden.

Im Zusammenhang mit der Verschuldung des Bräutigams wird auch von Bedeutung sein, ob die Antragstellerin für diese Verbindlichkeiten (mit)haftet, weil nur in diesem Fall die vom Antragsgegner befürchtete Verwendung seiner Heiratsgutsleistung zur Schuldentilgung für den Bräutigam vordergründig in Erwägung zu ziehen ist (vgl EFSlg 38.548). Ohne konkrete Feststellungen kann aber auch noch nicht gesagt werden, ob selbst im Falle einer (Mit)Haftung der Antragstellerin eine finanzielle Unterstützung des Bräutigams oder des von diesem geführten Unternehmens mittels des begehrten Heiratsguts nicht doch insgesamt zum Vorteil der wirtschaftlichen Bedingungen der ehelichen Verbindung gereichen kann oder aber jedenfalls einen verlorenen Aufwand darstellt. Darüber hinaus muß bei der Beurteilung der Mißbilligung der Ehe der Antragstellerin aber auch bedacht werden, daß nach der Aktenlage die Antragstellerin den Vater ihres vorehelich geborenen Kindes heiratete, sodaß zwischen ihnen bereits familienähnliche Beziehungen bestanden, die eine darauf achtende Beurteilung der Eheschließung erforderten.

Soweit der Antragsgegner allerdings auch im Revisionsrekurs die Anrechnung der der Antragstellerin überlassenen oder zugewendeten Vorempfänge (die Ansparsumme eines Bausparguthabens, die Finanzierung eines Englandaufenthaltes in der Schulzeit sowie eines Motorfahrrades) auf eine von ihm allenfalls zu erbringende Dotationsleistung erreichen will, ist ihm mit dem Rekursgericht entgegenzuhalten, daß alle diese Leistungen nicht im Hinblick auf die bevorstehende Ehe der Tochter, sondern im Zuge ihrer Ausbildung und/oder aus Anlaß der Haushaltstrennung (wenn auch mit der unklaren Widmung der Bausparvertragssumme als "Vorempfang auf allfällige Ansprüche") erbracht wurden. Solche Leistungen können daher möglicherweise auf einen Pflichtteilsanspruch im Sinne der §§ 787 ff ABGB anrechenbar sein, nicht aber auf den Dotierungsanspruch der Tochter, der die eheliche Haushaltsgründung fördern soll.

Aus den dargelegten Gründen, die mit der Rechtsauffassung des Rekursgerichtes teils im Einklang stehen, diese aber teils auch korrigieren und ergänzen, erweist sich die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und die Ergänzung des Verfahrens im aufgezeigten Sinn als notwendig, sodaß es im Ergebnis bei der Entscheidung der zweiten Instanz bleibt.

Im außerstreitigen Verfahren besteht - von hier nicht maßgeblichen Ausnahmen abgesehen - keine Kostenersatzpflicht der verfahrensbeteiligten Parteien.

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