Spruch:
Der Revisionsrekurs des Abteilungsleiters wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die nunmehr 40 Jahre alte Patientin befindet sich seit dem Jahr 1960 ohne Unterbrechung in der stationären Behandlung des*****krankenhauses. Sie leidet an angeborenem Schwachsinn, zu dem noch eine fetale Gehirnschädigung hinzukommt. Ihr Zustand erfüllt das Bild einer erethischen Idiotie, die durch Beißen, Kratzen und Losgehen auf andere Patienten aber auch durch Selbstaggression gekennzeichnet ist. Es wurde daher eine Sicherung mit Gürtel und Schutzjacke angeordnet, von der sowohl tagsüber als auch des nachts oftmals Gebrauch gemacht wurde.
Auf Antrag der Patientenanwältin leitete das Erstgericht ein Verfahren nach dem Unterbringungsgesetz ein. Mit dem Beschluß vom 24. April 1992 erkannte es die Beschränkung der Bewegungsfreiheit innerhalb eines Raumes durch Fixierung mit Gürtel und Schutzjacke an das Bett - unter Umständen auch ganztägig - je nach Anordnung des medizinischen Abteilungsleiters für die Zeit bis 18.Juni 1992 für zulässig. Es wertete die in Form einer erethischen Idiotie vorliegende schwere geistige Behinderung der Patientin wegen der mit dem Zustand verbundenen Begleiterscheinungen auch als psychische Erkrankung, zu deren zielführenden Behandlung die Unterbringungsmaßnahmen unerläßlich seien.
Das Rekursgericht sprach in Stattgebung des Rekurses der Patientenanwältin nach Einholung eines weiteren fachärztlichen Gutachtens aus, daß die Unterbringung nicht zulässig und sofort aufzuheben sei. Es ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Das Rekursgericht ging davon aus, daß bei der geistig schwer behinderten Patientin keine als solche behandelbare psychische Erkrankung vorliege. Es erachtete die zu prüfenden freiheitsbeschränkenden Maßnahmen nur unter den Voraussetzungen des Unterbringungsgesetzes als zulässig, das aber lediglich auf psychisch Kranke anwendbar sei und auf geistig Behinderte auch analog nicht angewendet werden dürfe. Dazu zitierte das Rekursgericht höchstrichterliche Entscheidungen, die auf Grund von Unterbringungsmaßnahmen in dem Krankenhaus beruhten, in das auch die Patientin dieses Verfahrens aufgenommen wurde.
Rechtliche Beurteilung
Ungeachtet des Ablaufes der für die Unterbringung gesetzten Zeitdauer bis 18.Juni 1992 erhob der Anstaltsleiter am 28.Juni 1992 (wie im gleichgelagerten Fall 6 Ob 568/92) gegen die abändernde Rekursentscheidung Revisionsrekurs. Dieses Rechtsmittel ist unzulässig:
Zum einen entspricht die vom Rechtsmittelwerber mit dem Hinweis auf die praktischen therapeutischen Folgerungen bekämpfte Rechtsansicht des Rekursgerichtes der von ihm zitierten Auslegung des Obersten Gerichtshofes, daß nach der aus den Gesetzesmaterialien eindeutig hervorgehenden Absicht des Gesetzgebers (siehe vor allem die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage 464 Beil Nr XVII., 14 zur "Eingrenzung des Gesetzesvorhabens") bewußt ausschließlich die Stellung psychisch Kranker geregelt werden sollte und sich deshalb für den Rechtsanwender eine erweiternde Auslegung des Gesetzes auf Fälle geistiger Behinderung verbiete (4 Ob 541/91; 4 Ob 592/91; 8 Ob 587/91; 8 Ob 593/91; 7 Ob 590/91; 6 Ob 568/92).
Zu dieser Auslegungsfrage bringt der Rechtsmittelwerber keine neuen juristischen Gesichtspunkte vor.
Die vom Rekursgericht angenommenen Voraussetzungen eines ordentlichen Revisionsrekurses nach § 14 Abs 1 AußStrG liegen nicht vor.
Zum anderen gebricht es dem Abteilungsleiter nach Ablauf der für zulässig erklärten Anwendungsfrist an einer aufrechten Beschwer durch die die Unterbringungsmaßnahme für nicht zulässig erklärende Rekursentscheidung.
Es ist ein allgemeines Rechtsmittelerfordernis, daß auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel eine Beschwer des Rechtsmittelwerbers durch die angefochtene Entscheidung vorliegen müsse. Auf Grund der besonderen Interessenlage wurde diese Beschwer auch noch nach Aufhebung freiheitsbeschränkender Maßnahmen für den Betroffenen anerkannt, weil ein rechtliches Interesse des Betroffenen auch daran zu bejahen sei, daß eine bereits aufgehobene freiheitsbeschränkende Maßnahme ungerechtfertigt gewesen sei (SZ 39/83 und ÖA 1988, 108 zur Rechtslage vor dem UbG; 1 Ob 549/91 uva zum UbG).
Dieser Gedanke gilt aber nicht spiegelbildlich auch für den Abteilungsleiter. Über dessen Rechte ist im gerichtlichen Verfahren nach dem Unterbringungsgesetz nicht zu entscheiden. Für ihn oder den Krankenhausträger könnte eine nachträgliche feststellende Entscheidung über die Zulässigkeit inzwischen bereits wieder aufgehobener Unterbringungsmaßnahmen nur Reflexwirkungen auslösen. Nach richtigem Verständnis der Stellung und Aufgaben des Abteilungsleiters im Verfahren nach dem Unterbringungsgesetz hat dieser ebenso wie der Patientenanwalt ausschließlich die Interessen des Kranken wahrzunehmen, die gleichzeitig auf wirksame ärztliche Behandlung und auf tunlichste Wahrung der persönlichen Freiheit gerichtet sind und einander insofern widersprechen können. In dieser für psychisch kranke Patienten typischen Lage weist der Gesetzgeber die Wahrung der aufgespalteten Interessen des Patienten im gerichtlichen Verfahren einerseits dem Abteilungsleiter und andererseits dem Patientenanwalt zu. Das ändert aber nichts daran, daß beide im Verfahren nur die Interessen des Patienten wahrzunehmen haben, der Abteilungsleiter also nicht etwa auch die des Krankenhauses oder der behandelnden Ärzte.
Der Oberste Gerichtshof hat daher in vergleichbaren Fällen auch bereits das Rechtsschutzinteresse des Abteilungsleiters verneint (2 Ob 550/91; 6 Ob 568/92; vgl auch 5 Ob 505/92).
Der Revisionsrekurs des Abteilungsleiters war aus diesen Erwägungen als unzulässig zurückzuweisen.
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