Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidung des Rekursgerichtes wird dahin abgeändert, daß der den Sicherungsantrag abweisende Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 12.447 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten 2.074,50 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Kläger betreibt in Dornbirn den Einzelhandel insbesondere mit Satellitenempfangsanlagen und Fernsehgeräten.
Die Beklagte betreibt an ihrem Sitz in Lauterach und in einer Filiale in Hohenems gleichfalls den Einzelhandel mit Radio- und Fernsehgeräten sowie insbesondere auch mit Satellitenempfangsanlagen für Fernsehgeräte.
In der Ausgabe der Sonntagszeitung "Wann & Wo" vom 10.11.1991 erschien auf Seite 40 ein ganzseitiges Inserat der Beklagten, in welchem sie unter Bezugnahme auf die Eröffnung der Filialen in Hohenems und Hörbranz, jedoch ohne Angabe eines Eröffnungsdatums, "Qualitäts-Sat-Anlagen zu unglaublichen Preisen" wie folgt anbot:
"Einzel-Sat-Anlage mit Receiver Grundig STR 12 Statt S 9.990 - S 5.990 inkl.MWSt
2-Familien-Sat-Anlage mit 2 St. Receiver Grundig STR 12 Statt S 18.990 - S 13.990 inkl.MWSt
3-Familien-Sat-Anlage mit 3 St. Receiver Grundig STR 12 Statt S 24.990 - S 18.990 inkl.MWSt
4-Familien-Sat-Anlage mit 4 St. Receiver Grundig STR 12 Statt S 30.990 - S 23.990 inkl.MWSt"
Darunter hieß es:
"In letzter Minute eingetroffen: Astra Sat-Anlage.......Receiver
Pace SS 9000.......
Statt S 9.990 - S 7.990".
Ein "Receiver" ist ein Bestandteil einer Satellitenempfangsanlage für Fernsehgeräte, welche außerdem noch aus einem Aluminiumspiegel mit einem "LNC" (Empfänger) besteht.
Das Inserat wurde in Auftrag gegeben nachdem einer der Geschäftsführer der Beklagten am 6.11.1991 telefonisch bei der L***** GmbH in N*****, Bundesrepublik Deutschland, Grundig-Receiver STR 12 bestellt und und ihm deren Geschäftsführer die prompte Lieferung von 30 Stück zugesagt hatte. In der Folge blieb aber die zugesagte prompte Lieferung der Receiver aus, weil es mit der Spedition Schwierigkeiten gab. Der Geschäftsführer der Beklagten konnte die Receiver erst am 14.11.1991 in Lindau übernehmen. An diesem Tag wurden die Receiver auch verzollt und in das Lager der Beklagten gebracht.
Zwei Testkäufern des Klägers, die am 11.11.1991 die Filiale der Beklagten in Hohenems aufgesucht und sich für die "Einzel-Sat-Anlage mit Receiver Grundig STR" interessiert hatten, wurde von einem Mitarbeiter der Beklagten erklärt, daß diese erst Ende der Woche erhältlich sei, weil der Receiver Grundig STR 12 in den Geschäften der Beklagten noch nicht lagernd sei. Vier Testkäufern des Klägers wurde am 14.11.1991 im Geschäft der Beklagten in Lauterach die Auskunft erteilt, daß etwa 30 bis 35 Satellitenempfangsanlagen mit Grundig-Receivern bereits reserviert bzw verkauft worden seien, daß aber die Möglichkeit bestehe, eine entsprechende Bestellung aufzugeben. Die gleiche Auskunft erhielten zwei weitere Testkäufer des Klägers, die am 15.11.1991 neuerlich die Filiale der Beklagten in Hohenems aufsuchten.
Mit der Behauptung, die Beklagte habe mit ihrem Inserat in einer auflagenstarken Sonntagszeitung den Eindruck erweckt, daß die dort preisgünstig angebotenen Satellitenempfangsanlagen mit allen Bestandteilen am 11.11.1991 bei ihr erhältlich seien, damit aber das angesprochene Publikum im Sinne des § 2 UWG über in Wahrheit nicht vorhandene Warenvorräte getäuscht, begehrt der Kläger zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs "Ankündigungen bzw inserierte Angebote des Inhalts zu machen, wonach Satellitenempfangsanlagen als preisgünstig zum Verkauf angeboten werden, ohne daß diese bzw Bestandteile derselben zum Zeitpunkt der Ankündigung bzw Inserierung tatsächlich vorrätig sind".
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Da ihr der Geschäftsführer der nur wenige Autostunden entfernten Lieferfirma am 6.11.1991 prompte Lieferung und die sofortige Absendung der 30 Grundig-Receiver versprochen habe, sei deren Eintreffen jedenfalls noch am 8.11.1991 zu erwarten gewesen; schon aus diesem Grund könne das Inserat vom 10.11.1991 das Publikum nicht irregeführt haben. Der am 11.11.1991 nicht erreichbare Geschäftsführer der Lieferfirma habe am 12.11.1991 den Lieferverzug damit entschuldigt, daß es Schwierigkeiten mit der Spedition gegeben habe; er habe aber zugesichert, daß er nunmehr die Receiver selbst am 14.11.1991 nach Lindau bringen werde, was dann auch geschehen sei. Am 11.11.1991 sei die Filiale in Hohenems noch adaptiert worden und am Schaufenster die Eröffnung erst für den 15.11.1991 angekündigt gewesen; zur geplanten Eröffnung der Filiale in Hörbranz sei es bisher überhaupt nicht gekommen. Im übrigen würden Satellitenempfangsanlagen - von nicht ins Gewicht fallenden Ausnahmen abgesehen - von Kunden nicht gekauft und sofort mitgenommen, sondern von Fachkräften des Händlers beim Kunden montiert, erfordere doch gerade der Grundig-Receiver, welcher über kein Testbild verfüge, eine Feineinstellung der Frequenzen sowie die Einstellung der horizontalen und vertikalen Ebenen. Der Käufer einer Satellitenempfangsanlage nehme eine solche daher nicht sofort in Empfang, sondern es werde ein späterer Montagetermin vereinbart, zu dem dann die Monteure das Gerät mitbrächten. Auch aus diesem Grund hätte der Receiver keineswegs schon am 11.11.1991 vorrätig sein müssen. Noch viel weniger treffe dies auf den im Sicherungsantrag des Klägers genannten Zeitpunkt der Ankündigung bzw Insertion zu, welcher ja im vorliegenden Fall ein Sonntag gewesen sei.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Zwar habe das Inserat der Beklagten der Anforderung nicht entsprochen, wonach im Geschäftsverkehr zu besonders günstigen Bedingungen angebotene Waren jedenfalls am ersten Geschäftstag nach dem Erscheinen der Ankündigung in ausreichender Menge vorhanden und zu erhalten sein müßten; ein solches Verhalten bilde aber dann keinen Verstoß gegen § 2 UWG, wenn der mangelnde Warenvorrat auf zufälligen Lieferschwierigkeiten oder anderen unvorhersehbaren Ereignissen im Einzelfall beruhe. Einen solchen Ausnahmefall habe die Beklagte bescheinigt, da sie auf Grund der Zusage prompter Lieferung durch ihre Vertragspartnerin damit rechnen konnte, am 11.11.1991 über insgesamt 30 Stück der von ihr beworbenen Grundig-Receiver zu verfügen. Die Lieferverzögerung sei demnach für die Beklagte unvorhersehbar gewesen.
Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Entgegen der Meinung des Erstgerichtes sei der Beklagten die Bescheinigung eines von der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmefalles für die durch ihr Inserat bewirkte Irreführung über die Menge der Warenvorräte nicht gelungen. Aus der ihr zugesagten prompten Lieferung lasse sich selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der Unternehmenssitz ihrer Vertragspartnerin nur wenige Autostunden entfernt gewesen sein mochte, keine Lieferung innerhalb von zwei Tagen ableiten, müsse doch allein für die innerbetrieblichen Maßnahmen bei der Lieferfirma, für die Betrauung des Spediteurs und die Zollformalitäten ein entsprechender Zeitaufwand in Rechnung gestellt werden. Ein späterer Liefertermin als der 8.11.1991 sei demnach für die Beklagte nicht unvorhersehbar gewesen. Die näher gar nicht bescheinigten Schwierigkeiten mit dem Spediteur bedeuteten auch kein zufälliges Ereignis. Da nur entscheidend sei, ob die Ware entsprechend der Werbeankündigung vorrätig ist, komme es auch nicht darauf an, ob ein Kunde den Kaufgegenstand sofort mitnimmt oder ihn "im Regelfall" erst später vom Verkäufer montieren läßt. Im übrigen habe die Beklagte für ihr diesbezügliches Vorbringen ebensowenig parate Bescheinigungsmittel angeboten wie für die Behauptung, daß ihre Filiale in Hohenems am 11.11.1991 noch gar nicht eröffnet gewesen sei. Sie habe daher schon deshalb gegen § 2 UWG verstoßen, weil die von ihr am 10.11.1991 per Inserat angekündigten Satellitenempfangsanlagen mit dem Receiver Grundig STR 12 bei ihr nicht vorhanden gewesen seien. Dadurch seien die angesprochenen Kunden über die Vorratsmenge und die Reichhaltigkeit des Angebotes der Beklagten in Irrtum geführt und unter Umständen dazu verleitet worden, andere - vorrätige - Waren zu kaufen.
Gegen die einstweilige Verfügung des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses.
Der Kläger beantragt, dem Rechtsmittel der Beklagten nicht Folge zu geben.
Der Revisionsrekurs ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Unabhängig davon, ob es sich um sogenannte "Lockangebote" mit
besonders günstigen Bedingungen handelt (ÖBl 1980, 126), müssen
die von einem Gewerbetreibenden angepriesenen Waren - von
zufälligen Lieferschwierigkeiten oder anderen unvorhersehbaren
Ereignissen im Einzelfall abgesehen - in genügender Menge auch
tatsächlich vorhanden und zu haben sein. Wird nämlich im
Einzelhandel der Verkauf bestimmter Waren werbemäßig angekündigt,
dann erwartet der Kunde, daß sie für eine gewisse Zeitdauer in
einer ausreichenden Menge vorhanden sind und die Nachfrage
gedeckt ist; andernfalls wird er über die Vorratsmenge
irregeführt und damit verleitet, andere Waren zu kaufen, die
vorrätig sind (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht16, 901 Rz 360
zu § 3 dUWG; ÖBl 1979, 129; SZ 53/3; ÖBl 1980, 126; ÖBl 1983, 136
uva; zuletzt etwa 4 Ob 18/89; 4 Ob 165/89). Auch bei einer
Inseratenwerbung in Zeitungen erwartet der Verkehr, daß die
angekündigte Ware im Zeitpunkt des Erscheinens der
Werbeankündigung vorrätig ist (Baumbach-Hefermehl aaO Rz 361 zu
§ 3 dUWG). Im vorliegenden Fall hätten daher - da das Inserat in
einer Sonntagszeitung erschienen war - die als besonders
preisgünstig beworbenen Satellitenempfangsanlagen mit Receiver
Grundig STR 12 bei der Beklagten am darauffolgenden Montag
(11.11.1991) tatsächlich vorhanden und zu haben gewesen sein
müssen. Ersteres war zwar unbestrittenermaßen nicht der Fall; die
Beklagte hat aber geltend gemacht, daß dies auf für sie
unvorhersehbare Umstände zurückzuführen gewesen sei. Damit hat
sie auf die von der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmefälle
Bezug genommen. Der Verkehr erwartet nämlich vom Werbenden nichts
Unmögliches; seine Erwartung geht vielmehr dahin, daß der
Werbende mit der Sorgfalt eines redlichen Kaufmanns alles in
seiner Macht stehende getan habe, um einen der normalen Nachfrage
genügenden Warenvorrat anbieten zu können. Beruht daher das
Fehlen eines ausreichenden Warenvorrates auf unvorhersehbaren Umständen, für die der Werbende nicht schlechthin verantwortlich ist - wie zB bei überraschendem Lieferverzug seines Vertragspartners -, dann greift § 2 UWG nicht ein, weil die Ankündigung ja ursprünglich richtig war und die von ihr angesprochenen Verkehrskreise gar nicht erwarten konnten, daß sie sich auch auf Fälle beziehe, in denen die Ware aus Gründen höherer Gewalt oder sonst ohne Verschulden des Werbenden nicht zum Verkauf gestellt werden kann (Baumbach-Hefermehl aaO 902 Rz 363 a und 903 f Rz 364 zu § 3 dUWG). Die Beweis- (im Provisorialverfahren: Bescheinigungs-)last für das Vorliegen einer solchen nicht voraussehbaren Lieferunfähigkeit trifft jedoch stets den werbenden Händler (Baumbach-Hefermehl aaO 902 Rz 363 b und 904 Rz 364 zu § 3 dUWG).
Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall verweist die Beklagte mit Recht darauf, daß ihr entgegen der Meinung des Rekursgerichtes zur Zeit der Aufgabe des Inseratenauftrages die künftige Lieferunfähigkeit keineswegs erkennbar war, hatte sie doch zuvor am 6.11.1991 von ihrer deutschen Vertragspartnerin die Zusage der "prompten", also der baldigstmöglichen, sofortigen (Kramer in Straube, HGB, Rz 32 zu § 346 HGB), Lieferung von 30 Grundig-Receivern erhalten; sie konnte demnach im Hinblick auf die in nur wenigen Autostunden überwindbare Entfernung zwischen den beiden Geschäftspartnern durchaus damit rechnen, daß sie die Ware jedenfalls spätestens am 11.11.1991 zu ihrer Verfügung haben werde, zumal auch die Verzollung - wie sich ja später gezeigt hat - ohne weiteres noch am Einfuhrtag selbst zu bewerkstelligen war. Das genügt aber bei der hier angepriesenen Ware bereits dafür, daß sie den angesprochenen Kunden am ersten Verkaufstag nach dem Erscheinen des Inserates im Sinne der obigen Ausführungen zur Verfügung stand. Bei manchen Waren kommt es nämlich dem Kunden weniger darauf an, daß er sie sofort mitnehmen kann, als vielmehr darauf, daß er sie in dem Geschäft zu dem angegebenen Preis überhaupt kaufen kann (Baumbach-Hefermehl aaO 901 Rz 361 zu § 3 dUWG). Das trifft schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch auf die hier in Rede stehenden Satellitenempfangsanlagen für Fernsehgeräte zu, bedürfen doch solche Anlagen einer fachkundigen Montage, weshalb nur jene Käufer in Ausnahmefällen die Gerätekombination sofort ausgefolgt haben wollen, die entweder die erforderlichen Sachkenntnisse und Hilfsmittel für die Selbstmontage besitzen oder doch einen bekannten oder befreundeten Monteur zur Hand haben. Die überwiegende Mehrzahl der Kunden will aber eine solche Anlage nur kaufen können und wird sich mit deren Lieferung aus Anlaß der beim Verkäufer bestellten späteren Montage zufrieden geben.
Da somit die Beklagte sogar noch zum Zeitpunkt der beanstandeten Ankündigung eine mit hinreichender Sicherheit am darauffolgenden Tag zu erwartende Ware angeboten hat, ist ihr im vorliegenden Fall die Bescheinigung einer für sie nicht voraussehbaren Lieferunfähigkeit gelungen; dem vom Kläger erhobenen Vorwurf einer Irreführung über die Vorratsmenge ist daher insoweit der Boden entzogen. Ob die Beklagte auch eine Unzulänglichkeit des von ihr bestellten Receiver-Vorrates zu verantworten hätte, weil die bestellte Stückzahl später noch am Tag ihres Einlangens bereits abverkauft war, kann schon deshalb ungeprüft bleiben, weil ein solcher Verstoß im beantragten Sicherungsgebot keine Deckung findet.
In Stattgebung des Revisionsrekurses war demnach der den Sicherungsantrag zur Gänze abweisende Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen. Bei dieser Sachlage erübrigt sich ein näheres Eingehen auf die von der Beklagten noch weiter aufgeworfenen Rechtsfragen.
Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 402 Abs 2, § 78 EO und §§ 41, 50 Abs 1 und 52 Abs 1 ZPO; Bemessungsgrundlage konnte dabei aber nur der vom Kläger mit 125.000 S angegebene Streitwert des Provisorialverfahrens sein.
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