OGH OKT2/92

OGHOKT2/9227.4.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch seinen Vorsitzenden Vizepräsident des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr. Petrasch und seine weiteren Mitglieder KommRäte Dr. Bauer, Dr. Placek, Dr. Rauter, Dr. Reindl, Dr. Schwarz und Dkfm. Dr. Zeilinger in der Kartellrechtssache der Antragstellerin REPUBLIK ÖSTERREICH, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien 1,

Singerstraße 17-19, wider die Antragsgegner P***** Gesellschaft mbH & Co. *****, und weitere *****Kundendienstbetriebe Österreichs, sämtliche vertreten durch Dr. Karl Endl und Dr. Michael Pressl, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Aufforderung zum Antrag auf Genehmigung eines Wirkungskartells, infolge Rekurses der Antragsgegner gegen den Beschluß des Stellvertreters des Vorsitzenden des Kartellgerichts beim Oberlandesgericht Wien vom 5.November 1991, 5 Kt 356/90-27, den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit dem angefochtenen Beschluß forderte der Stellvertreter des Vorsitzenden des Kartellgerichts beim Oberlandesgericht Wien die Erstantragsgegnerin P***** Gesellschaft mbH & Co sowie 332 weitere Mitglieder der Vertriebsbindung der Marken Audi, VW und Porsche gemäß § 57 Abs.1 und 2 KartG auf, als Mitglieder eines Wirkungskartells (§ 10 Abs.1 KartG) binnen einem Monat beim Kartellgericht die Genehmigung dieses Kartells zu beantragen.

Der dagegen von der Antragsgegnerin und weiterer

325 Antragsgegnern erhobene Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Rekurswerber selbst zutreffend anführen, hat das Kartellobergericht beim Obersten Gerichtshof mit dem Beschluß Okt 4/90 vom 22.5.1990 den Beschluß des Stellvertreters des Vorsitzenden des Kartellgerichts beim Oberlandesgericht Wien vom 24.11.1989, Kt 1333/89-3, bestätigt, womit die dortigen Antragsgegner (darunter der jetzt Erst-Antragsgegner) als Generalimporteure von Erzeugnissen der Kfz-Industrie gemäß § 57 Abs.1 und 2 KartG ohne vorherige Anhörung aufgefordert worden waren, als Mitglieder eines Verhaltenskartells (§ 11 Abs.1 KartG) binnen einem Monat die Genehmigung des Kartells zu beantragen. Das Kartellobergericht hat in jenem Beschluß die in § 57 Abs.2 KartG enthaltene Wendung, daß die Aufforderung ohne Prüfung der tatsächlichen Voraussetzungen zu erlassen ist, dahin ausgelegt, daß im Rahmen des Verfahrens nach § 57 KartG zunächst nicht geprüft wird, ob ein Verhaltens- (hier Wirkungs-)Kartell vorliegt oder nicht. Die Vorschrift stehe zwar in einem gewissen Widerspruch zu § 2 Abs.2 Z 5 AußStrG, wonach alle Umstände und Verhältnisse, welche auf die richterliche Verfügung Einfluß haben, vom Gericht von Amts wegen zu untersuchen sind. Abgesehen aber davon, daß nach der genannten Bestimmung des Kartellgesetzes die tatsächlichen Voraussetzungen eines Verhaltens- (hier Wirkungs-)Kartells auf die richterliche Verfügung eben keinen Einfluß haben sollen, handle es sich bei dieser Vorschrift um eine lex specialis, die der allgemeinen Vorschrift vorgehe. Aber auch ein Verstoß dieser Regelung gegen verfassungsrechtliche Grundsätze sei nicht erkennbar. Den Antragsgegnern solle durch die Aufforderung nur zur Kenntnis gebracht werden, daß eine Amtspartei der Meinung ist, es liege ein Verhaltens- (hier Wirkungs-)Kartell vor. Sie würden damit in die Lage versetzt, ihrerseits zu prüfen, ob die Annahme der Amtspartei zutreffend sei, und sich danach entsprechend zu verhalten. Es bedürfe deshalb weder einer näheren Begründung der Aufforderung, so daß auch eine behauptete Nichtigkeit nicht vorliege, noch einer Prüfung der Meinung der Antragsgegner, wonach in Wahrheit kein genehmigungspflichtiges Verhaltens- (hier Wirkungs-)Kartell vorliege. Die Antragsgegner hätten die Möglichkeit, der Aufforderung Folge zu leisten und die Genehmigung eines allenfalls vorliegenden Kartells zu beantragen, wobei es ihnen frei stehe, schon im Antrag darauf hinzuweisen, daß nach ihrer Meinung ein solches nicht gegeben sei und die Genehmigung nur vorsichtshalber beantragt werde. Verträten sie hingegen die Meinung, es liege (mit Sicherheit) kein genehmigungspflichtiges Verhaltens- (hier Wirkungs-)Kartell vor, so bräuchten die Antragsgegner der Aufforderung nicht nachzukommen und es entstünden ihnen, wenn ihre Auffassung zuträfe, weder Kosten noch sonstige Nachteile. Es bestünden deshalb auch keine Bedenken, daß § 57 KartG gegen Art.7 B-VG oder Art.6 MRK verstoßen könnte (im einzelnen wird auf die dortige Begründung verwiesen).

Der Meinung der Rekurswerberin, die damalige Auffassung des Kartellobergerichts halte einer näheren rechtlichen Überprüfung nicht stand, kann nicht gefolgt werden. Wohl müßten die Antragsgegner bei Unterlassung der Antragstellung auf Genehmigung des vermuteten Wirkungskartells mit der Einleitung eines Strafverfahrens rechnen. Es geht aber nicht darum, daß "die Klärung einer derartig komplizierten Materie durch ein Strafverfahren für die betroffenen Parteien unzumutbar" sei; denn die Antragsgegner können in jedem Zweifelsfall einem Strafverfahren durch die aufgetragene Antragstellung entgehen und, wie bereits im Beschluß des Vorverfahrens näher dargestellt wurde, schon in diesem Genehmigungsantrag auf ihren Standpunkt verweisen, daß in Wahrheit kein Kartell vorliege und deshalb der bloß vorsichtsweise gestellte Genehmigungsantrag nach sachlicher Prüfung abzuweisen sein werde. Die vorliegende Entscheidung greift deshalb der Prüfung des Vorliegens des behaupteten Kartells durch das Kartellgericht nicht vor. In gleicher Weise ist aber hier auch nicht über das Vorliegen eines Wirkungskartells zu entscheiden, weil eben die Bestimmung des § 57 KartG nur den Zweck hat, bei Bedenken gegen das (Nicht-)Vorliegen eines Wirkungskartells den Antrag auf Einleitung eines Prüfungsverfahrens aufzutragen. Im vorliegenden bloßen Auftragsverfahren ist nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 57 Abs.2 KartG die Aufforderung ohne Prüfung der tatsächlichen Voraussetzungen zu erlassen.

Damit kommt auch eine Verletzung des Grundsatzes des beiderseitigen Gehörs in diesem Zwischenverfahren nicht in Betracht. Überdies hatten die Antragsgegner die Möglichkeit, und sie haben diese Möglichkeit auch ausgenützt, in ihrem Rekurs, für den das Neuerungsverbot nicht gilt (§ 10 AußStrG iVm § 43 KartG), ihre tatsächlichen und rechtlichen Einwände vorzutragen, so daß im Ergebnis das rechtliche Gehör ohnehin gewährt wurde.

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