Spruch:
Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, stellte gemäß § 57 KartG 1988 - soweit dies den Gegenstand der vorliegenden Rekurse bildet - den Antrag, die Antragsgegner zur Anmeldung eines vorliegenden Verhaltenskartelles aufzufordern. Sie brachte vor, die Antragsgegner hätten eine Wettbewerbsregelung auf dem Sektor des Handels mit Kraftfahrzeugen, Ersatzteilen und KFZ-Zubehör unternommen, indem sie mit den Teilnehmern der nachfolgenden Wirtschaftsstufen Verträge abchließen, auf Grund derer der Vertragspartner jeweils nur bestimmte Markenerzeugnisse der Kraftfahrzeugindustrie zum Zweck des Weiterverkaufes erwerben dürfe. Den Teilnehmern der nachfolgenden Wirtschaftsstufen wäre der Handel mit anderen als den im Vertrag bestimmten Waren der KFZ-Industrie untersagt. Diese Vertragsbestimmung sei unter Bedachtnahme auf § 23 Z 1 lit.a KartG bedenklich. Durch sie werde der Wettbewerb zwischen den einzelnen Kraftfahrzeughändlern eingeschränkt. Die Wettbewerbsregelung werde von allen Antragsgegnern dadurch erreicht, daß sie im wesentlichen gleichartige Vertriebssysteme durch Vereinbarungen mit den Kraftfahrzeughändlern einrichteten. Es handle sich um ein offensichtlich aufeinander abgestimmtes Verhalten zum Zweck einer bestmöglichen Gestaltung der Wettbewerbsverhältnisse. Mit dem angefochtenen Beschluß forderte der Stellvertreter des Vorsitzenden des Kartellgerichtes beim Oberlandesgericht Wien die Antragsgegner als Generalimporteure von Erzeugnissen der KFZ-Industrie gemäß § 57 Abs.1 und 2 KartG ohne vorherige Anhörung auf, als Mitglieder eines Verhaltenskartells (§ 11 Abs.1 KartG) binnen einem Monat beim Kartellgericht beim Oberlandesgericht Wien die Genehmigung des im Antrag bezeichneten Kartells zu beantragen. Gleichzeitig wurden die Antragsgegner darüber belehrt, daß die Pflicht zur Einbringung des Genehmigungsantrags nach der neuen Regelung des Kartellgesetzes 1988 unmittelbar die Kartellmitglieder treffe. Da die Zustellung an ein einziges Kartellmitglied genüge (§ 57 Abs.2 KartG) beginne die Antragsfrist bei unterschiedlichen Zustellzeitpunkten mit dem Tag zu laufen, an dem erstmals die Zustellung dieses Beschlusses an eines der Kartellmitglieder bewirkt werden könne. Wenn die Kartellmitglieder die ihnen gesetzte Frist versäumten, dann sei die weitere - auch nur teilweise - Durchführung des Kartells solange verboten, bis sie der Aufforderung nachkämen (§ 57 Abs.3 KartG). Die Generalimporteure wurden gemäß §§ 57 Abs.2, 54 KartG weiters darüber belehrt, daß sich Kartellmitglieder vor dem Kartellgericht und dem Kartellobergericht durch einen im Inland wohnhaften Kartellbevollmächtigten vertreten lassen müssen. Auf den beigeschlossenen Gesetzestext des § 54 KartG werde verwiesen. Der Stellvertreter des Vorsitzenden des Kartellgerichtes begründete seinen Beschluß nur mit dem Hinweis auf § 57 KartG. Nach Abs.2 dieser Vorschrift sei diese Aufforderung ohne Prüfung der tatsächlichen Voraussetzungen zu erlassen.
Gegen diesen Beschluß richten sich die Rekurse sämtlicher Antragsgegner mit Ausnahme der Antragsgegnerin Nr.14 (S*** A*** Gesellschaft m.b.H., die nur eine Stellungnahme abgegeben hat), sowie der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft. Sämtliche Rekurswerber beantragten, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der Antrag abgewiesen oder zurückgewiesen werde. Hilfsweise wird in den meisten Rekursen die Aufhebung des Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Kartellgericht zur neuerlichen Entscheidung sowie die Unterbrechung des Verfahrens und Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof, verschiedene Bestimmungen des Kartellgesetzes, vor allem den § 57 Abs.2 KartG, als verfassungswidrig aufzuheben.
Vor Eingehen auf die Ausführungen in den einzelnen Rechtsmitteln ist die Frage zu prüfen, ob die Rekurse zulässig sind oder allenfalls mangels Beschwer zurückzuweisen wären.
Rechtliche Beurteilung
Die Rekurse sind zulässig.
Gemäß § 43 KartG entscheiden das Kartellgericht und das Kartellobergericht in Angelegenheiten nach diesem Bundesgesetz im Verfahren außer Streitsachen. Nach § 9 AußStrG kann Rekurs erheben, wer sich durch die Verfügung der ersten Instanz über einen Gegenstand der Gerichtsbarkeit außer Streitsachen beschwert erachtet. Voraussetzung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist daher ein schlüssig behaupteter Eingriff in die geschützte Rechtssphäre (SZ 42/176; SZ 50/41 ua.). Unter einer anfechtbaren Verfügung ist eine auf die Erzeugung von Rechtswirkungen gerichtete prozessuale Willenserklärung des Gerichtes zu verstehen, deren Abänderung oder Aufhebung das dagegen erhobene Rechtsmittel bezweckt. Bei Prüfung in dieser Richtung ist kein kleinlicher Maßstab anzulegen. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist also mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung nur dort abzulehnen, wo die Rechtsstellung des Beteiligten nicht gefährdet ist (SZ 50/41 mwN).
Durch den angefochtenen Beschluß wird die Rechtsstellung der Antragsgegner verändert und sie sind hiedurch auch - sollten sie tatsächlich Mitglieder eines Verhaltenskartells sein - beschwert. Bis zum Ablauf der im angefochtenen Beschluß gesetzten Frist durften die Antragsgegner nämlich gemäß § 18 Abs.1 Z 1 KartG ein allenfalls bestehendes Verhaltenskartell auch ohne Genehmigung durchführen. Nach fruchtlosem Verstreichen der im angefochtenen Beschluß gesetzten Frist ist ihnen jedoch die auch nur teilweise weitere Durchführung gemäß § 57 Abs.3 KartG sogar unter strafgerichtlicher Sanktion (§ 130 Abs.1 KartG) verboten.
Die Rekurse der Antragsgegner sind daher zulässig. Die Zulässigkeit des Rekurses der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft ergibt sich aber bereits aus ihrer Stellung als Amtspartei gemäß § 44 Abs.1 KartG.
Die Rekurse sind jedoch nicht berechtigt.
Da in den 18 Rekursen im wesentlichen übereinstimmende Argumente vorgebracht werden, wird zu diesen gemeinsam Stellung genommen. Das Schwergewicht sämtlicher Rechtsmittel richtet sich dagegen, daß die Aufforderung, die Genehmigung des Verhaltenskartells zu beantragen, vom Stellvertreter des Vorsitzenden des Kartellgerichtes erlassen wurde, ohne zu prüfen, ob ein solches tatsächlich vorliegt. In verschiedenen Rechtsmitteln wird in diesem Zusammenhang auf den Untersuchungsgrundsatz im Verfahren außer Streitsachen (§ 2 Z 5 AußStrG), auf § 477 Abs.1 Z 4 ZPO, auf die Bindung des Kartellgerichtes an Anträge einer Amtspartei und damit auf einen Verstoß gegen die Trennung der Justiz von der Verwaltung sowie darauf verwiesen, daß § 57 Abs.2 KartG das Gericht nur von der Prüfung entbinde, ob eine Beschränkung des Wettbewerbs vorliege, nicht aber auch, ob die übrigen Kriterien des § 11 KartG 1988 vorliegen. Jede andere Auslegung verstoße gegen Art.7 B-VG und Art.6 MRK. Der Beschluß sei daher auch in sinngemäßer Anwendung des § 477 Abs.1 Z 9 ZPO mangels jeglicher Begründung nichtig. Die zum Umfang der Prüfungspflicht erhobenen Einwendungen übersehen, daß die Aufforderung vom Vorsitzenden des Kartellgerichtes zu erlassen ist, die Prüfung, ob materiell ein Verhaltenskartell vorliegt, aber - ausgenommen die Parteien beantragen die Entscheidung durch den Vorsitzenden (§ 101 zweiter Halbsatz KartG) - nur durch den Senat des Kartellgerichtes (§ 102 Abs.1 KartG) auf Grund einer Anmeldung erfolgen kann. In das Verfahren nach § 57 KartG wird dieser aber erst eingebunden, sobald ein Genehmigungsantrag erfolgt ist. Die in § 57 Abs.2 KartG enthaltene Wendung, die Aufforderung sei ohne Prüfung der tatsächlichen Voraussetzungen zu erlassen, kann daher nur so ausgelegt werden, daß im Rahmen des Verfahrens nach § 57 KartG zunächst nicht geprüft wird, ob ein Verhaltenskartell vorliegt oder nicht. Ob der Vorsitzende Anträge zurückweisen könnte, die schon nach ihrem Inhalt keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, daß das behauptete Verhaltenskartell unter keinen Umständen vorliegen kann, muß nicht geprüft werden, weil der Antrag der Finanzprokuratur nach seinem Inhalt die Möglichkeit eines bestehenden Verhaltenskartells jedenfalls nicht ausschließt. Wenn in diesem Zusammenhang von Antragsgegnern eingewendet wird, der Antrag der Finanzprokuratur sei nicht schlüssig, da er keine Behauptung über eine gegenseitige Abstimmung enthalte und die Finanzprokuratur nur den Antrag gestellt habe, die Antragsgegner zur Anmeldung des vorliegenden Verhaltenskartells aufzufordern, während der Vorsitzende des Kartellgerichtes diese aufgefordert habe, die Genehmigung des Kartells zu beantragen, kann dem nicht beigepflichtet werden. Die gegenseitige Abstimmung der Antragsgegner im Sinne des § 11 KartG unterstellt der Antrag wegen der gleichartigen Vorgangsweise der Antragsgegner, wobei die Frage, ob diese allenfalls marktbedingt oder zufällig ist, erst im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens geklärt werden muß. Soweit aber der Antrag der Finanzprokuratur vom Beschluß abweicht, entspricht er der Fassung des § 16 Abs.1 KartG 1972, während im angefochtenen Beschluß richtigerweise die gesetzliche Diktion des § 57 Abs.1 KartG 1988 verwendet wurde. Da sich die Antragstellerin jedoch ausdrücklich auf § 57 KartG 1988 beruft, besteht über den Inhalt des Antrages kein Zweifel, weshalb ein ins Gewicht fallender Widerspruch zwischen dem Antrag und dem Beschluß nicht besteht.
Die Vorschrift des § 57 Abs 2 KartG, wonach die Aufforderung an die Mitglieder von (ua) Verhaltenskartellen, diese beim Kartellgericht anzuzeigen, auf Antrag einer Amtspartei ohne Prüfung der tatsächlichen Voraussetzungen zu erlassen ist, steht nach der zutreffenden Ansicht der Rekurswerber in einem gewissen Widerspruch zu § 2 Abs.2 Z 5 AußStrG, wonach alle Umstände und Verhältnisse, welche auf die richterliche Verfügung Einfluß haben, vom Gericht von Amts wegen zu untersuchen sind. Aber abgesehen davon, daß nach der genannten Bestimmung des Kartellgesetzes die tatsächlichen Voraussetzungen eines Verhaltenskartells auf die richterliche Verfügung eben keinen Einfluß haben sollen, handelt es sich bei dieser Vorschrift um eine lex specialis, die der allgemeinen Vorschrift vorgeht. Diese Regel (vgl Bydlinski in Rummel, ABGB, Rz 18 aE zu § 6) gilt nach dem erklärten Willen des Kartellgesetzgebers 1988 auch für die Bestimmung des § 43 KartG, wonach das Kartellgericht und das Kartellobergericht in Angelegenheiten nach diesem Bundesgesetz im Verfahren außer Streitsachen entscheiden; aus dieser Formulierung "ergibt sich, daß nach den allgemeinen Bestimmungen des Außerstreitgesetzes vorzugehen ist (nur) soweit in dem Gesetz nichts anderes bestimmt wird, ohne daß dies ausdrücklich gesagt werden muß" (EB zu RV des KartG 1988, 633 Blg NR 17.GP, 34).
Damit stellt sich die Frage, ob der Gesetzgeber durch die Regelung des § 57 KartG gegen verfassungsrechtliche Grundsätze verstoßen hat.
Ein solcher Verstoß ist nicht erkennbar.
Grundsätzlich ist gemäß § 18 KartG die auch nur teilweise Durchführung von Kartellen vor der rechtskräftigen Genehmigung verboten. Ausgenommen hievon sind unter anderem Wirkungskartelle und Verhaltenskartelle. Während bei Wirkungskartellen der Grund für diese Ausnahme vor allem der Umstand war, daß den Mitgliedern eines solchen Kartells die Tatsache, daß ein Kartell vorliegt, nicht bewußt ist (Koppensteiner, Wettbewerbsrecht2 I 214; Gugerbauer, Das Kartellgesetz 60; Hanreich, Neuregelungen im Österreichischen Wettbewerbsrecht ÖZW 1988, 108 Ä117Ü), ist dies allerdings bei Verhaltenskartellen nicht der Fall. Wenn der Gesetzgeber dessenungeachtet abgestimmtes Verhalten entgegen dringenden wettbewerbspolitischen Bedürfnissen in gleicher Weise begünstigt (vgl. Koppensteiner aaO 213 f), können sich die Antragsgegner darüber nicht beschweren. Der Gesetzgeber mag bei dieser Regelung, die auch bereits dem § 16 Abs.1 KartG 1972 im wesentlichen zugrunde lag, von der praktischen Erwägung ausgegangen sein, daß das Kartellgericht in der Regel erst auf Grund der Mitteilung einer Interessenvertretung vom Verdacht des Bestehens eines Verhaltenskartells Kenntnis erlangen wird (vgl. dazu die Materialien zum KartellG 1972, 433 Blg NR 13.GP, 32). Das Kartellgesetz 1988 unternahm in diesem Zusammenhang im § 57 den Versuch, den allfälligen Mitgliedern eines solchen Kartells in möglichst einfacher und kostensparender Weise vor Augen zu führen, daß der Verdacht des Bestehens eines Kartells geäußert wurde und die Durchführung eines solchen Rechtsfolgen nach sich zieht. Den Antragsgegnern soll durch die Aufforderung nur zur Kenntnis gebracht werden, daß eine Amtspartei der Meinung ist, es liege ein Verhaltenskartell vor. Sie werden damit in die Lage versetzt, ihrerseits zu prüfen, ob die Annahme der Amtspartei zutreffend ist und sich danach entsprechend zu verhalten. Einer näheren Begründung bedarf es daher nicht, weshalb auch die behauptete Nichtigkeit nicht gegeben ist. Sind die Antragsgegner der Meinung, es liege kein genehmigungspflichtiges Verhaltenskartell vor, weil etwa die Ausnahmen des § 11 Abs.2 KartG gegeben seien, brauchen sie nur der Aufforderung nicht nachzukommen und es entstehen ihnen keinerlei Kosten und, wenn ihre Auffassung zutrifft, auch keine sonstigen Nachteile. Sie haben ferner die Möglichkeit, der Aufforderung Folge zu leisten und die Genehmigung eines allenfalls vorliegenden Kartells zu beantragen, wobei es ihnen durchaus freisteht, im Antrag darauf hinzuweisen, daß nach ihrer Meinung ein solches nicht gegeben sei und die Genehmigung nur vorsichtshalber beantragt wird. In diesem Fall hätte das Kartellgericht zu prüfen, ob ein solches vorliegt, und wenn dies nicht der Fall sein sollte, den Antrag zurückzuweisen. Andernfalls wäre über den Antrag sachlich in Form der Genehmigung oder Untersagung zu entscheiden. In beiden Fällen haben die Antragsgegner im Rahmen dieses Verfahrens volle Parteistellung und rechtliches Gehör und können ihrerseits alle ihrem Rechtsstandpunkt dienenden Argumente vorbringen. Damit liegt aber weder ein Verstoß nach § 477 Abs.1 Z 4 ZPO vor, noch bestehen Bedenken, daß § 57 KartG gegen Art.7 B-VG oder Art.6 MRK verstoßen könnte. Die Antragsgegner werden durch die Aufforderung nach § 57 Abs.1 KartG nicht schlechter gestellt als die Mitglieder aller anderen Kartelle durch § 18 KartG. Schließlich haben die Antragsgegner aber auch noch - sollte ein Verhaltenskartell vorliegen - die Möglichkeit, von der weiteren Durchführung des Kartells Abstand zu nehmen (vgl. 633 Blg NR 17.GP, 36). Daß die Aufforderung ohne weitere Prüfung erfolgt, bedeutet daher auch nicht, daß das Kartellgericht an den Antrag einer Amtspartei gebunden wäre und es dadurch zu einem Verstoß gegen das Gebot der Trennung der Justiz von der Verwaltung käme. Denn die rechtlichen Wirkungen gehen nicht über jene hinaus, denen andere Kartelle gemäß § 18 KartG von allem Anfang an unterliegen. Das Bestehen eines Verhaltenskartells wird erst im weiteren Verfahren über Antrag des oder der betreffenden angeblichen Mitglieder oder, falls kein solcher Antrag erfolgt, im Rahmen eines allfälligen Verfahrens nach § 130 KartG geprüft. In diesen Verfahren haben die Antragsgegner jedoch volles Gehör mit allen daraus entspringenden Rechten. Von einem auf Grund des § 57 Abs.3 KartG gegebenen prima facie-Beweises gegenüber den einzelnen Antragsgegnern kann daher entgegen der Meinung der Viertantragsgegnerin keine Rede sein, und auch die von der Sechstantragsgegnerin aus § 57 Abs.3 KartG gezogenen Schlußfolgerungen, Verträge würden ohne Prüfung als Kartellverträge beurteilt, treffen nicht zu.
Soweit in mehreren Rekursen ausgeführt wird, das Kartellgericht und das Kartellobergericht seien keine Tribunale im Sinne der Menschenrechtskonvention, weil den Amtsparteien auch das Nominierungsrecht der Mitglieder dieser Gerichte zustehe, geht dieses Argument schon deshalb ins Leere, weil im Rahmen des § 57 KartG nur der Vorsitzende tätig wird, der Berufsrichter ist. Im übrigen hat das Kartellobergericht bereits in seiner Entscheidung vom 20.9.1989, Okt 2/89 ÄWBl 1989, 369Ü, die Auffassung vertreten, gegen die Zusammensetzung der Senate bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Wäre die Auffassung der Rechtsmittelwerber zutreffend, daß von einem Tribunal im Sinne der Menschenrechtskonvention nicht gesprochen werden könne, wenn den Amtsparteien das Nominierungsrecht zustehe, dann könnten die Zivilgerichte, deren Berufsrichter von Organen der Republik Österreich ernannt werden, niemals in Verfahren Recht sprechen, in denen die Republik Österreich als Partei beteiligt ist. Daß dies nicht der Fall sein kann, ist augenscheinlich und bedarf keiner näheren Begründung. Die Ausgewogenheit in der Zusammensetzung des Kartellgerichtes und des Kartellobergerichtes wird dadurch hergestellt, daß den Senaten ein Berufsrichter als Vorsitzender angehört, während die nichtrichterlichen Mitglieder von der Bundesregierung auf Grund von Vorschlägen der Kammern dem Bundespräsidenten zur Ernennung vorgeschlagen werden, wozu noch rechtskundige Beamte des Bundesministeriums für Justiz und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten kommen. Den Senaten gehören daher auch Mitglieder an, die auf Vorschlag der gesetzlichen Interessenvertretung der Antragsgegner bestellt wurden. Diese Zusammensetzung der Senate des Kartellgerichtes und des Kartellobergerichtes gewährleistet, daß zu den wirtschaftlichen Problemen aus allen denkbaren Blickwinkeln (aus der Sicht der Arbeitnehmer und Konsumenten, der gewerblichen Wirtschaft und öffentlichen Interessen) Stellung genommen werden kann. Mehrere Antragsgegner führen ferner aus, die Bestellung eines Kartellbevollmächtigten sei wegen der widerstreitenden Interessen der Antragsgegner nicht möglich. Sie übersehen dabei, daß die Bestimmung des § 54 Abs 1 KartG, wonach sich die Kartellmitglieder vor dem Kartellgericht und dem Kartellobergericht durch einen im Inland wohnhaften Kartellbevollmächtigten vertreten lassen müssen, erst anzuwenden ist, wenn feststeht, daß ein Kartell vorliegt. Solange die Partei im Verfahren vor dem Kartellgericht dies bestreitet, und darüber vom Kartellgericht noch nicht rechtskräftig im Sinne des Bestehens eines Kartells abgesprochen wurde, können sich die Parteien durch einen gewählten Rechtsfreund vertreten lassen. Bis zu einer solchen Entscheidung sind nämlich weder Gemeinschaftsrechte auszuüben noch werden solche betroffen (vgl § 54 Abs 2 KartG und Jelinek, ÖBl 1968, 25 (28)). Jede andere Auslegung würde dazu führen, daß zur Lösung einer prozessualen Frage die materiellrechtliche Entscheidung vorweggenommen werden müßte, was aber ohne ein Verfahren nicht möglich wäre. Für dieses Verfahren ist aber wiederum Voraussetzung, daß die Vertretung der Parteien klargestellt ist. Ob die Tatsache, daß die Aufforderung gemäß § 57 Abs.2 KartG nur an ein einziges Kartellmitglied zugestellt werden muß, im Hinblick darauf, bedenklich sein könnte, daß damit die Rechtswirkungen des § 57 Abs.3 KartG und § 130 KartG verbunden sind, kann dahingestellt bleiben, weil im vorliegenden Fall der Beschluß ohnedies sämtlichen Antragsgegnern zugestellt wurde, sodaß eine nähere Prüfung dieser Bestimmung nicht erforderlich ist. Alle Hinweise auf Art.85 Abs.3 EWG-Vertrag in Verbindung mit Art.3 der Verordnung Nr.123/85 der Kommission vom 12.12.1984, aus denen abgeleitet wird, daß das den Antragsgegnern vorgeworfene Verhalten zufällig und marktbedingt sei, übersehen, daß die Fragen der Zufälligkeit oder Marktbedingtheit erst in einem auf Grund eines Genehmigungsantrages erfolgenden Verfahren vor dem Kartellgericht oder ohne einen solchen Antrag in einem allfälligen Strafverfahren nach § 130 KartG geprüft werden können. Dies gilt auch für das Vorbringen in sämtlichen Rekursen der Antragsgegner, worin übereinstimmend die Auffassung vertreten wird, sie seien nicht Mitglieder eines Verhaltenskartells sowie für die Frage, ob ein abgestimmtes Verhalten der Antragsgegner im Sinne des § 11 Abs.1 KartG vorliegt und welchen Inhalt die Händlerverträge der einzelnen Antragsgegner tatsächlich haben.
Den Rekursen war daher ein Erfolg zu versagen.
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