OGH 1Ob545/92

OGH1Ob545/9218.3.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Reinhold E*****, vertreten durch Dr. Josef Heis und Dr. Markus Heis, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Heinz G***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Gerald Stenitzer, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 175.807,40 sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 5. Dezember 1991, GZ 5 R 131/91-47, womit das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Handelsgerichtes vom 4. April 1991, GZ 10 Cg 14/90-41, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluß des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 33.729,60 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 3.621,60 Umsatzsteuer und S 12.000 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte mit der am 3. März 1989 eingebrachten Klage die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung von S 175.807,40 sA. Er habe am 9. März 1987 von dieser den gebrauchten PKW der Marke BMW 323i, Baujahr 1984, um S 179.000 gekauft. Bei der Besichtigung anläßlich der Kaufverhandlungen habe der Kilometerzähler eine Fahrleistung von 43.000 km ausgewiesen; das Fahrzeug habe einen entsprechenden Eindruck erweckt. Dem Kläger sei die Unfallfreiheit des Fahrzeuges zugesichert worden. Bald nach Übernahme des PKWs hätten sich jedoch verschiedene Mängel herausgestellt. Hierauf habe der Kläger erhoben, daß der Voreigentümer den PKW im Jänner 1986 mit einem Kilometerstand von etwa 14.000 km gleichfalls von der beklagten Partei gekauft habe, die schließlich das Fahrzeug Anfang 1987 wegen immer wieder aufgetretener Mängel zurückgenommen habe. Die Erstbesitzerin sei mit dem PKW in der Bundesrepublik Deutschland in einen schweren Verkehrsunfall verwickelt gewesen. Für die Instandsetzung des Fahrzeugs nach diesem Unfall sei ein Aufwand von DM 20.282 notwendig gewesen; schon damals habe das Fahrzeug einen Kilometerstand von 46.507 aufgewiesen. Hievon habe der Kläger Anfang November 1988 Kenntnis erlangt. Er hätte das Fahrzeug nie gekauft, wären ihm die mindestens um 30.000 km höhere Fahrleistung und die gravierenden Unfallschäden mitgeteilt worden. Da er über entscheidende Eigenschaften des Fahrzeuges falsch informiert worden sei, fechte er den Kaufvertrag wegen List und Irrtums an. Subsidiär machte er Gewährleistung wegen verborgener wesentlicher Mängel geltend und begehre deshalb Wandlung. Den PKW werde er Zug um Zug gegen Zahlung des Klagsbetrages zurückstellen. Dieser Betrag errechne sich aus dem Kaufpreis von S 179.000 zuzüglich des vom Kläger mittlerweile ausgelegten Reparaturaufwandes von S 2.341,68 und S 14.465,72 abzüglich eines Nutzungsentgeltes für die vom Kläger zurückgelegte Fahrstrecke von etwa 30.000 km in Höhe von S 20.000.

Die beklagte Partei wendete insbesondere ein, sie habe dem Kläger keinerlei Zusagen über den Zustand des Gebrauchtwagens gemacht. Vor allem sei diesem weder die Unfallfreiheit noch eine bestimmte Fahrleistung zugesichert worden. Die beklagte Partei habe auch darauf hingewiesen, daß es sich um ein Unfallfahrzeug handle und der Kilometerstand nicht richtig sein müsse, weil der PKW aus der Bundesrepublik Deutschland in gebrauchtem Zustand eingeführt worden sei. Der PKW weise auch keine verborgenen Mängel auf. Für die Reparatur der Bremsen sei vielmehr die sportliche Fahrweise des Klägers ursächlich gewesen. Dennoch habe ihm die beklagte Partei angeboten, die Instandsetzungskosten für die Bremsen zu übernehmen, sollte er auf weitere Garantieleistungen verzichten. Diese Vereinbarung sei mit Einlösung des übermittelten Schecks über die Instandsetzungskosten rechtswirksam geworden. Schon beim Kaufabschluß habe der Kläger den Zustand der Windschutzscheibe, des rechten vorderen Scheinwerfers und des vorderen linken Nebelscheinwerfers sowie den Ölverlust bemängelt; auch die hintere Stoßstange sei ausgerichtet worden. Der Zustand des Gebrauchtfahrzeuges sei ihm somit bekannt gewesen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte aus, der Geschäftsführer der beklagten Partei habe den Kläger weder getäuscht noch sonst in Irrtum geführt. Sie sei auch weder für den beim Unfall in Deutschland entstandenen Schaden noch für allfällige Manipulationen des Importeurs verantwortlich. Die nach dem Erwerb des PKWs durch den Kläger aufgetretenen Mängel seien nicht so gravierend, daß daraus ein Gewährleistungsanspruch abgeleitet werden könne. Mit solchen Mängeln habe der Kläger nach dem Alter und der effektiven Fahrleistung des PKWs rechnen müssen.

Das Gericht zweiter Instanz hob das Urteil zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung durch das Erstgericht auf und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Nach Beweiswiederholung stellte es fest, das in der Bundesrepublik Deutschland zum Verkehr zugelassene Fahrzeug sei in fabriksneuem Zustand in Heilbronn in der Form des Leasings gemietet und bei einem Unfall am 3. September 1985 erheblich beschädigt worden. Die Leasingnehmerin habe es der Leasinggeberin in beschädigtem Zustand zurückgestellt, die vom Kaskoversicherer die mit DM 20.282 (ausschließlich Umsatzsteuer) veranschlagten Instandsetzungskosten begehrt habe. Der Versicherer habe den Schaden abzüglich einer Selbstbeteiligung von DM 650 liquidiert. Der beigezogene Sachverständige habe in seinem Gutachten vom 6. September 1985 festgehalten, er habe den Reparaturaufwand an der untersten Grenze kalkuliert, und als Risiko die Vorder- und die Hinterachse sowie das Getriebe bezeichnet. Den Kilometerstand habe er mit 46.507 km abgelesen. Das Fahrzeug sei in der Folge auf nicht mehr feststellbare Weise nach Österreich gelangt und habe sich danach im Besitz einer Kraftfahrzeug-Reparatur- und Handelsgesellschaft mbH in Graz befunden, die sich vorwiegend mit dem Import havarierter Fahrzeuge aus dem Ausland und deren Weiterveräußerung in unrepariertem oder instandgesetztem Zustand befasse.

Ein Interessent, der den Wagen bei dieser Gesellschaft gesehen habe, sei an den Geschäftsführer der beklagten Partei mit der Bitte herangetreten, ihm dieses Fahrzeug zu beschaffen. Diese habe es auch in der Folge erworben und sogleich am 9. Jänner 1986 an den erwähnten Interessenten weiterveräußert; der Kaufpreis von S 214.000 sei mit einem Sparkassenkredit finanziert worden. Der Kilometerzähler habe damals einen Stand von 14.000 km aufgewiesen. Wer am Kilometerzähler manipuliert habe, um diese von der tatsächlichen Fahrleistung abweichende Kilometeranzeige herbeizuführen, sei nicht feststellbar; "vermutlich" falle dies den Leuten des Importeurs zur Last. Beim Erwerb des Fahrzeugs durch die beklagte Partei sei der Vorschaden deutlich erkennbar gewesen. Nachdem der Käufer mit dem Fahrzeug etwa 32.000 km zurückgelegt und den "manipulierten" Kilometerstand damit auf 46.000 km erhöht habe, sei das Fahrzeug am 23. Februar 1987 um S 150.000 wieder der beklagten Partei verkauft worden, weil der Vorbesitzer damals für einen Hausbau Geld benötigt habe.

Auf Annoncen der beklagten Partei habe sich der Kläger als Interessent für dieses Fahrzeug gemeldet und mit dem Geschäftsführer der beklagten Partei Kaufverhandlungen geführt. Dieser habe die schon erwähnte Kraftfahrzeug-Reparatur- und Handelsgesellschaft mbH in Graz seit langem gekannt und auch gewußt, daß diese Gesellschaft vorwiegend Fahrzeuge aus der Bundesrepublik Deutschland importiere. An der Neulackierung habe er erkannt, daß der PKW einen Vorschaden gehabt haben müsse, dessen Umfang ihm jedoch nicht bekannt gewesen sei. Er habe sich dafür nicht interessiert. Da die Lackierungsarbeiten gut ausgeführt gewesen seien, habe der Kläger als kraftfahrzeugtechnischer Laie den Vorschaden bei der Besichtigung nicht erkennen müssen. Er habe nur den Zustand der Windschutzscheibe, des rechten Scheinwerfers und des linken Nebelscheinwerfers sowie den Ölverlust und einen Schaden an der hinteren Stoßstange beanstandet, den der Geschäftsführer der beklagten Partei auf eine Kollision beim Reservieren zurückgeführt habe. Im übrigen habe dieser versichert, der PKW sei in Ordnung und funktioniere einwandfrei. Der Kaufvertrag zwischen den Streitteilen vom 9.März 1987 laute auszugsweise wie folgt:

"Kaufgegenstand Gebrauchtfahrzeug PKW BMW 323i, Hubraum 23/6,

Farbe silbermetallic, ...... Baujahr 1984.

Kaufpreis brutto S 179.000,-- .......

Sonstige Vereinbarungen: zu reparierende Windschutzscheibe,

vorderer rechter Scheinwerfer, Ölverlust, Nebelscheinwerfer

links, hintere Stoßstange ausrichten. Lieferzeit 20.3.1987

Lieferort ......."

Schon kurze Zeit danach sei der Kläger mit Reklamationen an die beklagte Partei herangetreten. So habe er die Abnützung der Bremsbelege sowie eine Funktionsstörung am Kofferraumschloß bemängelt. Die Parteien hätten sich darauf geeinigt, daß die beklagte Partei dem Kläger die damit verbundenen Reparaturkosten ersetze. Sie habe dem Kläger am 19. Mai 1987 einen später von dieser eingelösten Scheck über S 7.341,68 sowie den Einzelgenehmigungsbescheid für das Fahrzeug übermittelt. Der Schlußsatz des Begleitschreibens lautet:

"Weiters erklären Sie sich mit der Annahme des beiliegenden Schecks bereit, keine weiteren Garantieleistungen von uns zu fordern."

Mit Schreiben vom 10. Jänner 1989 habe der Kläger Preisminderung und mit der Behauptung, daß er vom Unfall in der Bundesrepublik Deutschland erst nachträglich erfahren habe, die Zahlung von S 20.000 zuzüglich der Kosten gefordert, was die beklagte Partei indessen abgelehnt habe. Etwa einen Monat nach dem Kauf sei der Kläger mit dem PKW von Innsbruck nach Norddeutschland gefahren. Wegen Aufleuchtens der Bremskontrolleuchte habe er eine Werkstätte aufgesucht, bei der ihm mitgeteilt worden sei, daß die Bremsbeläge weitgehend abgenützt seien. Im Mai 1988 seien auf einer Fahrt nach Kärnten Klopfgeräusche aufgetreten, die durch einen defekten Zahnriemen verursacht worden seien.

Der vom Erstgericht beigezogene Sachverständige habe nach Besichtigung des Fahrzeuges am 9. Mai 1990 erhoben, daß die Karosseriereparatur nach dem Unfall nicht in allen Punkten mit der gebotenen Sorgfalt ausgeführt worden sei, die Gebrauchsfähigkeit des PKWs dadurch aber nicht beeinträchtigt worden sei, die Hinterachse die Toleranzgrenze des Spurwertes zwar geringfügig überschreite, die Behebung dieser minimalen Abweichung jedoch nicht mehr als S 4.000 kosten werde, die Bremsanlage ausreichend dimensioniert sei, Bremsbeläge und Bremsscheiben in Ordnung seien und das Hängen der vorderen Bremszange vermutlich auf einen Korrosionsschaden zurückzuführen sei. Weiters habe der Sachverständige ermittelt, der Zahnriemenantrieb sei in Ordnung, ein Motorölverlust könne nicht festgestellt werden, der Motor laufe überdies im Stand ruhig und gleichmäßig. Der in der Folge behobene Vorschaden (der unter anderem zu deutlichen Spuren einer Ausrichtarbeit am Fahrzeug geführt habe) sei zwar für einen qualifizierten Fachmann schon durch bloßen Augenschein ersichtlich, für einen Laien dagegen auf diese Weise nur schwer erkennbar gewesen. Der Kläger habe erst nach dem Auftreten der Mängel durch Erhebungen Ende 1988 von den Vorschäden und dem manipulierten Kilometerstand Kenntnis erlangt.

Rechtlich meinte das Berufungsgericht, § 870 ABGB unterscheide bei listiger Irreführung weder zwischen Geschäfts- und Motivirrtum noch zwischen wesentlichem und unwesentlichem Irrtum. Auch ein durch List hervorgerufener unwesentlicher Irrtum berechtige zur Vertragsanfechtung selbst dann, wenn er sich nicht auf die in den §§ 871 bis 873 ABGB erwähnten Punkte beziehe. Beeinflusse jemand einen anderen bewußt in seinem Entschluß, ein Rechtsgeschäft überhaupt oder doch mit einem bestimmten Inhalt abzuschließen durch Vorspiegelung falscher oder Verschweigung wahrer Tatsachen, handle er im Sinne des § 870 ABGB arglistig. Verschweige der danach befragte Verkäufer bekannte Vorschäden, sei der Käufer zur Irrtumsanfechtung berechtigt. Der Irrtum über das Vorhandensein von Vorschäden sei wesentlicher Irrtum, weil solche Schäden die Fahreigenschaft beeinträchtigen könnten. Die wahrheitsgemäße und vollständige Aufklärung über bekannte Vorschäden gehöre zu den Sorgfaltspflichten des Verkäufers, die dieser im vorliegenden Fall verletzt habe. Ein Verschulden des Verkäufers sei keine Voraussetzung für die erfolgreiche Anfechtung wegen Irrtums; das Verschulden sei nur für darauf gestützte Schadenersatzansprüche bedeutsam. Mit Rücksicht auf die erheblichen Vorschäden, die der Geschäftsführer der beklagten Partei aufgrund seiner Fachkunde bereits aus der Neulackierung hätte erschließen können, die Verschweigung dieser Umstände und dessen Versicherung, daß der PKW in Ordnung sei und einwandfrei funktioniere, sei Täuschung über einen Sachmangel anzunehmen. Die Beteuerung des Geschäftsführers, er habe den Kläger über den Vorschaden nicht bewußt in Irrtum geführt, stütze den Standpunkt der beklagten Partei nicht. Eine nach § 870 ABGB relevante Täuschung könne auch durch Unterlassung begangen werden, wenn - wie hier - Aufklärung geboten gewesen sei. Dem Geschäftsführer der beklagten Partei sei infolge der kleineren Bemängelungen des PKW durch den Kläger bei der Besichtigung erkennbar gewesen, daß der Kläger besonderen Wert auf das Fehlen erheblicher Vorschäden gelegt habe. Dieser habe durch Einlösung des Schecks zur Abdeckung der Kosten der zunächst gerügten Mängel auf die Vertragsanfechtung nicht schlechthin verzichtet, weil er den Scheck im Mai 1987 eingelöst, vom Vorschaden dagegen erst Ende 1988 Kenntnis erlangt habe. Auf das Anfechtungsrecht nach § 870 ABGB könne aber im vorhinein nicht verzichtet werden. Der Kläger habe aber auch durch Weiterbenützung des PKWs nicht schlüssig auf die Vertragsanfechtung verzichtet. Bei erfolgreicher Anfechtung des Vertrages wirke dessen Aufhebung auf den Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses zurück, weshalb die Streitteile die aufgrund des Vertrages erhaltenen Leistungen gemäß § 877 ABGB wieder zurückzustellen hätten. Die beklagte Partei habe dem Kläger somit den Kaufpreis und dieser den PKW zurückzustellen und die von ihm verursachten Schäden sowie die Wertminderung durch die Benutzung zu ersetzen. Das Erstgericht werde deshalb im fortgesetzten Verfahren die Ansprüche der Höhe nach zu prüfen haben.

Der von der beklagten Partei dagegen erhobene Rekurs ist im Ergebnis berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger stützt sein Begehren auf Rückabwicklung des Kaufvertrages über das Gebrauchtfahrzeug ausdrücklich (ON 1, S 4) auf "List und Irrtum" und "subsidiär" (also wohl hilfsweise) auch auf Gewährleistung; als Gegenstand des Irrtums bzw. als Sachmangel des PKWs bezeichnet er ebenso ausdrücklich den Unfallschaden und den unrichtigen Kilometerstand.

Nach den berufungsgerichtlichen Feststellungen war der PKW dem Kläger am 20. März 1987 abzuliefern (vgl. Beil A). Am 19. Mai 1987 - an diesem Tag übermittelte die beklagte Partei dem Kläger einen Scheck zur Abgeltung von eingeforderten Reparaturkosten (Beilage E) - muß sich der Wagen bereits in der Gewahrsame des Klägers befunden haben. Als der Kläger die Klage am 3. März 1989 beim Erstgericht einbrachte, war somit die sechsmonatige Gewährleistungsfrist (§ 933 Abs 1 ABGB), deren Ablauf - geht er aus den Prozeßakten klar hervor - von Amts wegen wahrzunehmen ist (SZ 54/81 ua), somit längst abgelaufen. Die Frist zur Geltendmachung von Sachmängeln beginnt auch dann von der Ablieferung an zu laufen, wenn er bei Übergabe der Sache nicht erkennbar war (SZ 63/37 ua). Daß die beklagte Partei dem Kläger die Unfallfreiheit bzw. eine bestimmte Fahrleistung garantiert hätte (in welchem Fall die Gewährleistungsfrist erst vom Zeitpunkt der sicheren Erkennbarkeit des Mangels an zu laufen begonnen hätte - SZ 39/7 ua), ist nicht erwiesen. Das hilfsweise erhobene Wandlungsbegehren scheiterte deshalb schon an der Verfristung, ohne daß noch geprüft werden müßte, ob die Einlösung des Schecks durch den Kläger als schlüssiger Verzicht auf weitere Gewährleistung (arg. "weitere Garantieleistungen" in Beilage E) zu beurteilen ist.

Dagegen ist der Verzicht auf das Recht zur Anfechtung wegen List im vorhinein überhaupt unwirksam (SZ 59/126 ua): Der Kläger erlangte nach den Feststellungen erst nach Einlösung des Schecks Aufklärung über den Vorschaden des PKWs. Ansprüche auf Aufhebung bzw. Korrektur des Vertrages wegen Irrtums sind zwar an sich auch im voraus verzichtbar (SZ 41/33 uva), doch hat der Kläger schon nach dem Inhalt des Begleitschreibens vom 19. Mai 1987 nur auf "weitere Garantieleistungen" verzichtet, so daß ein schlüssiger Verzicht auf das Recht zur Anfechtung wegen Irrtums schon deshalb nicht in Betracht kommt.

Mit Recht wendet sich die beklagte Partei gegen die Annahme des Gerichtes zweiter Instanz, ihr Geschäftsführer habe den bereits vorhandenen Irrtum des Klägers über die Unfallfreiheit ausgenützt, dieser könne daher die Rechtsfolgen der List (§ 870 ABGB) für sich ins Treffen führen. Die Täuschung des Vertragspartners kann nun zwar auch im Verschweigen bekannter, diesem aber unbekannter Tatsachen gelegen sein, Voraussetzung für die erfolgreiche Anfechtung aufgrund eines solchen Sachverhaltes ist es freilich, daß der Vertragspartner, der diese für den Abschlußwillen des anderen Teils bestimmenden Umstände verschweigt positive Kenntnis davon hat, daß der andere Teil irrt (WBl. 1987, 345; JBl. 1982, 36; SZ 53/13; SZ 47/158 uva). Ob der Vertragspartner, der den Irrtum des anderen Teils heraufbeschwört, absichtlich oder doch wenigstens bewußt vorgegangen ist, ist eine dem Tatsachenbereich zuzurechnende Frage (JBl. 1971, 304 ua), und somit nicht revisibel.

Nun hat das Berufungsgericht zwar festgestellt, der Geschäftsführer der beklagten Partei habe gewußt, daß sich die Gesellschaft in Graz, die den PKW aus der Bundesrepublik Deutschland eingeführt hatte, vorwiegend mit dem Import havarierter Fahrzeuge befaßt, er habe wegen der Neulackierung des PKWs überdies auch erkannt, daß der Wagen "einen Vorschaden gehabt haben mußte", er habe aber keine Kenntnis davon gehabt, in welchem Umfang das Fahrzeug von diesem Schaden betroffen war. Er habe dem Kläger dennoch erklärt, der PKW sei "in Ordnung" und funktioniere "einwandfrei". Im Zuge der rechtlichen Beurteilung zog das Berufungsgericht schließlich aus einer Reihe von ihm aufgezeigter Umstände den - unzweifelhaft rechtlichen - Schluß, es sei für den Geschäftsführer der beklagten Partei erkennbar gewesen, "daß der Kläger besonderen Wert auf das Nichtvorliegen erheblicher Vorbeschädigungen legte" (ON 47, S 18). Das bedeutet aber lediglich, daß er diese dem Kläger unterstellte Vorstellung - und damit auch den diesem unterstellten Irrtum - wohl bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen müssen, nicht aber auch, daß er dessen Irrtum tatsächlich erkannt hat. Selbst wenn man für die "positive Kenntnis" des Irrtums bedingten Vorsatz genügen läßt (vgl. hiezu Rummel in Rummel, ABGB2 § 870 Rz 2), müßte doch festgestellt sein, daß der Geschäftsführer der beklagten Partei den Irrtum des Klägers ernstlich für möglich gehalten und sich doch damit abgefunden hat (vgl. § 5 Abs 1 StGB), um Täuschung durch Unterlassung (vgl. Rummel aaO Rz 4) annehmen zu können. Derartiges kann den zweitinstanzlichen Feststellungen indessen nicht entnommen werden. Fehlt aber dem Sachverhalt ein die Annahme von List rechtfertigendes subjektives Element, kann der Kläger die in § 870 ABGB daran geknüpften Rechtsfolgen - also die Vertragsanfechtung wegen List - nicht mit Erfolg in Anspruch nehmen.

Er hat den Vertrag jedoch auch wegen (wesentlichen) Irrtums angefochten. Gerade der Irrtum über die Unfallfreiheit und die aus der Anzeige des Kilometerzählers ersichtliche Fahrleistung des Gebrauchtwagens kann wesentlich sein, weil diese Umstände schon an sich die Fahreigenschaft des Fahrzeugs beeinträchtigen können (JBl. 1981, 203 uva). Daß der Kläger - wie er behauptet hat - den Vertrag bei Information über den Vorschaden bzw. über die unrichtige Kilometeranzeige nicht gekauft hätte, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Ist aber - wie in diesem Fall - nicht festgestellt, daß der Kläger den Kaufvertrag nicht abgeschlossen hätte, wäre ihm mitgeteilt worden, daß der PKW bestimmte Vorschäden aufwies bzw. der angezeigte Kilometerstand unrichtig war (das Gegenteil hätte auch der Parteiaussage des Klägers nicht entnommen werden können), kann die hier streitentscheidende Frage, ob die festgestellten Mängel als wesentlich zu beurteilen sind, nur danach beantwortet werden, wie Vertragsteile in gleicher Situation redlicherweise gehandelt hätten (SZ 53/108 ua).

Nun steht aber fest, daß die Gebrauchsfähigkeit des Fahrzeuges selbst am 9. Mai 1990 (ON 26, S 1), also rund dreieinhalb Jahre nach dem angefochtenen Kaufvertrag und etwa sechseinhalb Jahre nach dessen Erstzulassung (Beilage O) nicht beeinträchtigt war, die Bremsanlage sowie der Zahnriemenantrieb in Ordnung waren und auch kein Ölverlust festzustellen war (diese Umstände hatte der Kläger der beklagten Partei gegenüber reklamiert). Dem Gutachten des vom Erstgericht beigezogenen Sachverständigen (ON 26, S 3) ist ferner zu entnehmen, daß der Kläger nach seinem Vorbringen (ON 1, S 2) mit dem PKW selbst rund 77.000 km zurückgelegt hat.

Berücksichtigt man ferner, daß der Kläger seit dem 9. Mai 1988

keine weitere Reparatur mehr vornehmen lassen mußte (ON 11, S 40)

und noch weniger als zwei Monate vor der Klagseinbringung bloß

"Preisminderung" von S 20.000 begehrt hatte, obwohl er damals

bereits von dem Unfallschaden Kenntnis hatte, und nimmt man

überdies darauf Bedacht, daß auch der Voreigentümer keinerlei

Einwände gegen den Zustand des Fahrzeuges hatte, sondern den PKW

lediglich deshalb an die beklagte Partei zurückverkaufte, weil er

wegen eines Hausbaus Geldmittel benötigte, kann nicht angenommen

werden, daß ein redlicher Käufer bei vollem Wissensstand, aber

auch mit dem Interesse des Klägers an diesem sportlichen Fahrzeug

mit hohem Neupreis von dem Kauf Abstand genommen hätte. Bei

Abwägung aller für den Kaufentschluß des Klägers bestimmenden

Umstände kann daher von einem wesentlichen Irrtum nicht gesprochen werden.

Ob ein unwesentlicher, aber erheblicher Irrtum (§ 872 ABGB)

anzunehmen wäre, kann deshalb nicht geprüft werden, weil der

Kläger bloß einen auf wesentlichen Irrtum gestützten Rückabwicklungsanspruch geltend gemacht hat.

Da der Kläger weder einen Willens- noch einen Sachmangel unter Beweis stellte, der die Rückabwicklung des Kaufvertrags über das Gebrauchtfahrzeug rechtfertigte, ist in Stattgebung des Rekurses das erstinstanzliche Urteil wieder herzustellen (§ 519 Abs 2 zweiter Satz ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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