Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung über den Antrag der Antragstellerin unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen. Ein Kostenersatz findet nicht statt.
Text
Begründung
Erna G***** und ihr Gatte (im folgenden Anerbe) waren je Hälfteeigentümer eines 11,6737 ha großen Erbhofes in L*****, Steiermark, Erna G***** verstarb am 25.August 1980. Ihr Nachlaß wurde mit Einantwortungsurkunde vom 2.September 1982 unter Anwendung des AnerbenG dem Witwer zu einem Drittel und den erblasserischen fünf Kindern - wozu auch die nunmehrige Antragstellerin zählt - zu jeweils 2/15tel eingeantwortet. Mit Beschluß vom 2.September 1982 ON 22 wurde rechtskräftig festgestellt, daß die Liegenschaften EZ... einen Erbhof iS des § 1 AnerbenG darstellen. Die Forderung der Verlassenschaft gegen den Anerben für den mit 1,200.000 S geschätzten Hälfteanteil des Erbhofes wurde mit 130.000 S angenommen. Die übrigen (weichenden) Miterben sollten ursprünglich eine Abfindung von je 12.827,17 S erhalten, erhielten aber tatsächlich entsprechend einer Vereinbarung vom 23.Jänner und 23.April 1981 aus dem Gutsbestand des Erbhofes Bauparzellen im Schätzwert von je 307.710 S, dabei die Antragstellerin das GSt... Garten EZ 9 KG L*****. In der Einantwortungsurkunde vom 2.September 1982 wurde die Abschreibung des GSt, die Eröffnung einer neuen EZ in der KG L***** und die Einverleibung des Eigentumsrechtes für die nunmehrige Antragstellerin angeordnet.
Bereits 1982 bis 1985 verkaufte der Anerbe den weitaus überwiegenden Teil der zum Erbhof gehörigen Liegenschaften um insgesamt 3,890.412 S. 1986 bis 1990 erfolgten weitere Verkäufe, die einen Erlös von 747.396 S erbrachten. Die - bis zur Volljährigkeit der Antragstellerin jeweils pflegschaftsbehördlich genehmigten - Verkäufe umfaßten auch die Hofstelle. Verbesserungen des Anerben am Erbhof sind nicht feststellbar, ein Ersatzbetrieb wurde nicht angeschafft. Eine Einigung zwischen dem Anerben und der Antragstellerin über die Leistung eines Abfindungsbetrages kam nicht zustande (vgl ON 82).
Die Antragstellerin beantragte knapp nach erlangter Volljährigkeit (8.August 1986) am 19.September 1986 (ON 40a) unter Bezugnahme auf die Verkäufe des Anerben gemäß § 18 AnerbenG die Einleitung einer Nachtragserbteilung, die Vernehmung des Anerben und die anteilsmäßige Zuweisung des Mehrerlöses.
Das Erstgericht leitete mit Beschluß vom 1.März 1988 ON 57 das Verfahren ein und beauftragte einen Notar mit dessen Durchführung. Mit Beschluß vom 2.Dezember 1988 ON 67 wies das Erstgericht den Antrag zurück und verwies die Antragstellerin zur Geltendmachung ihrer Ansprüche aus der angeordneten Nachtragserbteilung auf den Rechtsweg, weil § 165 AußStrG die Tätigkeit des Abhandlungsgerichtes auf die Herbeiführung einer Einigung zwischen den Nacherben und die abhandlungsgerichtliche Genehmigung der getroffenen Vereinbarung beschränke. Diese eingeschränkte Tätigkeit des Abhandlungsgerichtes komme auch bei einer Nachtragserbteilung nach § 18 AnerbenG zum Tragen. Mangels Einigung der Erben sei eine Erbteilung im außerstreitigen Verfahren unzulässig. Das Rekursgericht hob diese Entscheidung mit Beschluß vom 8.Februar 1989 ON 70 aus hier nicht relevanten Gründen auf. Das Erstgericht verwies mit Beschluß vom 1.März 1990 ON 83 die Antragstellerin zur Geltendmachung ihrer Ansprüche aus der angeordneten Nachtragserbteilung aus den in ON 67 genannten Gründen neuerlich auf den Rechtsweg. Das Rekursgericht hob diese Entscheidung mit Beschluß vom 9.April 1988 ON 88 auf, weil das bisher nicht bekannte Verlassenschaftsvermögen konkret zu ermitteln bzw festzustellen sei.
Im dritten Rechtsgang wies das Erstgericht den Antrag der Antragstellerin, ihren Anspruch aus der Nachtragsabhandlung mit 740.309 S festzustellen und dem Anerben zur Zahlung aufzuerlegen (ON 100), neuerlich zurück und verwies sie auf den Rechtsweg. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung; den Revisionsrekurs ließ es zu. Nach der Rechtsauffassung der zweiten Instanz sei der Rechtsweg zu beschreiten, wenn eine Einigung der Erben in einem Fall wie dem vorliegenden nicht erzielt werden könne.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist gerechtfertigt. Gemäß § 10 Abs 1 AnerbenG BGBl 1958/106 idF BGBl 1973/108 und B-VGNovelle BGBl 1974/444 - die Novelle BGBl 1989/659 ist hier zufolge Art III unanwendbar, weil nach den Feststellungen der Vorinstanzen der Anerbe die wesentlichen Verkäufe aus dem Bestand des Erbhofes bereits vor dem 1.Jänner 1990 durchführte - hat das Verlassenschaftsgericht dann, wenn einer von mehreren Miterben den Erbhof zu übernehmen hat, vor der Einantwortung von Amts wegen eine Erbteilung vorzunehmen. Hiebei ist vorerst der Erbhof dem Anerben zuzuweisen. Dieser wird mit dem Übernahmspreis Schuldner der Verlassenschaft. In die Erbteilung selbst ist der Übernahmspreis des Erbhofs als Forderung der Verlassenschaft einzubeziehen; der Erbhof als solcher scheidet aus. Anstelle des Erbhofes ist somit der Übernahmspreis in die Verlassenschaft einzusetzen, welche nunmehr unter den Miterben einschließlich des Hofübernehmers (Anerben) nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts und unter Anwendung der Verfahrensvorschriften der §§ 165 bis 174 AußStrG verteilt wird (EvBl 1972/345 = NZ 1973, 179 mwN). Im vorliegenden Fall war zwar zuerst die Zahlung von Abfindungszahlungen an die weichenden Miterben einschließlich der Antragstellerin durch den Anerben vorgesehen; tatsächlich genehmigte aber das Verlassenschaftsgericht eine anderweitige Befriedigung der Miterben, nämlich durch Zuweisung einzelner Grundstücke (§ 10 Abs 2 AnerbenG). Die Bestimmung des § 165 AußStrG, wonach die Einantwortung des Nachlasses in der Regel nicht bis zur Erbteilung aufzuschieben ist, ist damit durchbrochen, weil eben vor der Einantwortung von Amts wegen eine Erbteilung vorzunehmen ist (Meyer, Anerbengesetz 46; Kathrein, Anerbenrecht 33).
Ohne Einigung der Erben kann die Erbteilung in einem Abhandlungsverfahren, in dem das AnerbenG nicht zur Anwendung kommt, selbst bei Vorhandensein minderjähriger Erben nicht durchgeführt werden; vielmehr muß in einem solchen Fall auch der minderjährige Erbe eine Erbteilungsklage einbringen. Denn nach § 166 AußStrG beschränkt sich die Tätigkeit des Verlassenschaftsrichters darauf, eine Einigung der Erben herbeizuführen und sich dann schlüssig zu werden, ob die getroffene Abmachung zu genehmigen ist (EvBl 1980/5; SZ 32/8; Hofmeister in Schwimann, § 841 ABGB Rz 4 mwN; Feil, Verfahren außer Streitsachen 444 mwN). Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes hat dagegen in Fällen der bäuerlichen Sondererbfolge sowohl die Feststellung der Erbhofeigenschaft als auch die Festsetzung des Übernahmspreises (§ 11 AnerbenG) im Verlassenschaftsverfahren (SZ 55/150 = EvBl 1983/31; SZ 40/98 = EvBl 1968/123 = RZ 1968, 55 = NZ 1968, 89; zuletzt 6 Ob 14/91), somit im außerstreitigen Verfahren zu erfolgen. Deshalb ist dem Prozeßrichter auch die Befugnis entzogen, diese Frage in einem von ihm zu entscheidenden Rechtsstreit - etwa über eine Pflichtteilsforderung (SZ 55/150) - auch nur als Vorfrage selbständig zu lösen. Gelingt es dem Geschick des Gerichtsabgeordneten nicht, eine Einigung zwischen den Miterben über die Höhe des Übernahmspreises herbeizuführen, endet damit auch seine Tätigkeit. Die Bestimmung des Übernahmspreises nach billigem Ermessen - durch Beschluß - ist Sache des (Verlassenschafts)Gerichtes (Pfeifer, Probleme des Anerbengesetzes in NZ 1959, 18 ff, 20), wobei es auch die Frist für die Auszahlung der Abfindungsansprüche der übrigen Miterben hinausschieben und durch ein Pfandrecht besichern kann (§ 12 AnerbenG). Anders als nach dem AußStrG hat der Richter, wenn er keine Einigung erzielen kann, über die verschiedenen Ansprüche zu entscheiden, sodaß eine Erbteilungsklage nicht zulässig ist (Kralik, Erbrecht3 395).
Nach § 18 Abs 1 AnerbenG aF kann es zu einer Nachtragserbteilung kommen, wenn der Anerbe binnen sechs Jahren nach der Rechtskraft der Einantwortung auf einmal oder stückweise - wie hier - den ganzen Erbhof oder dessen wesentliche Bestandteile - wie hier - verkauft. In diesem Fall ist ein dem inneren Wert des seinerzeitigen Übernahmspreises (§ 11 AnerbenG) übersteigender Mehrerlös auf Antrag - unter anderem eines Miterben (§ 18 Abs 4 AnerbenG) - als nachträglich hervorgekommenes Verlassenschaftsvermögen zu behandeln und hierüber eine Nachtragserbteilung einzuleiten. Hinter dem formellen Antragsrecht der - hier antragstellenden - Miterbin verbirgt sich in Wahrheit das materielle Recht, am Mehrerlös des Anerben beteiligt zu werden (Kralik aaO 399; Kathrein, Anerbenrecht, § 18 Anm 5). Zur Frage, ob die Nachtragserbteilung nach § 18 AnerbenG im außerstreitigen oder streitigen Verfahren abzuführen ist, enthalten die Materialien (76 BlgNR VIII.GP, 25) nichts. Aus der gesamten Regelung des § 18 AnerbenG geht aber hervor, daß eine Nachtragserbteilung nicht nur einzuleiten, sondern auch durchzuführen ist (§ 18 Abs 4 AnerbenG). Diese Nachtragserbteilung führt wie die zwingende Erbteilung nach § 10 AnerbenG dazu, daß nun der Übernahmspreis neu zu bestimmen ist. Für ein Tätigwerden des Abhandlungsgerichtes nach rechtskräftiger Einantwortung bedarf es einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage, wie sie §§ 179 f AußStrG oder eben § 18 AnerbenG enthält (6 Ob 622/90). Gerade weil § 18 AnerbenG eine detaillierte Regelung unter Einschluß von Fristen enthält, wie in bestimmten Fällen eine Korrektur des seinerzeitigen, im Außerstreitverfahren festzusetzenden Übernahmspreises vorzunehmen ist (6 Ob 622/90), hat dies ebenso wie die Bestimmung des Übernahmspreises selbst im Außerstreitverfahren zu erfolgen.
Der Oberste Gerichtshof hat auch in seiner Entscheidung JBl 1960, 258 zur dem § 18 AnerbenG vergleichbaren Bestimmung des § 14 a Kärntner ErbhöfeG die Auffassung vertreten, es liege keine offenbare Gesetzwidrigkeit (§ 16 Abs 1 AußStrG aF) darin, die Nachtragserbteilung gemäß § 14 a Kärntner HöfeG im außerstreitigen Verfahren durchzuführen. In der gleichfalls zum Kärntner ErbhöfeG ergangenen Entscheidung NZ 1970, 72 wurde im Außerstreitverfahren sachlich über die Berechtigung einer weichenden Miterbin entschieden. Die von der zweiten Instanz zitierten Entscheidungen EvBl 1959/118 und EFSlg 37.465, letztere des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien, sind hier deshalb nicht relevant, weil sie keinen Rechtsfall nach dem AnerbenG zum Gegenstand haben. Auch die vom Rekursgericht zitierte Entscheidung SZ 34/191 (= RZ 1962, 141), in der sich der Oberste Gerichtshof mit dem Begriff "wesentliche Teile des Erbhofes" nach § 18 AnerbenG zu befassen hatte, kann mit dem vorliegenden Fall nicht verglichen werden: Nach dem der Entscheidung SZ 34/191 zugrunde liegenden Sachverhalt wurden wesentliche Teile des Erbhofes verkauft; darüber wurde unangefochten ein Außerstreitverfahren abgeführt. Im letzten Satz der genannten Entscheidung wird unter Berufung auf Webhofer (Das neue Anerbengesetz in JBl 1958, 481 ff) die Auffassung vertreten, ein Rechtsstreit wäre erst nach förmlicher Verweisung auf den Rechtsweg anzustrengen. Daraus ist für den vorliegenden Fall nichts zu gewinnen, zumal den Entscheidungsgründen nicht zu entnehmen ist, an welchen Rechtsstreit hier gedacht wurde. Der erkennende Senat vertritt somit die Auffassung, daß im Verfahren nach § 18 AnerbenG nicht nur die Ermittlung des Mehrerlöses, sondern auch die beschlußmäßige Vornahme der Nachtragserbteilung vom Verlassenschaftsgericht im außerstreitigen Verfahren in der Form vorzunehmen ist, daß der korrigierte Übernahmspreis mit Beschluß festgesetzt und der Anerbe gegenüber dem antragstellenden Miterben allenfalls zur Zahlung einer (weiteren) Abfindung verhalten wird. Eine Verweisung der Miterbin auf den Rechtsweg aus den Gründen der Vorinstanzen entspricht somit nicht § 18 AnerbenG (so auch Kathrein aaO Anm 6 und im Ergebnis SZ 55/150).
Demgemäß ist dem Revisionsrekurs mit seinem Eventualaufhebungsantrag Folge zu geben.
Im außerstreitigen Verfahren findet mangels ausdrücklicher Regelung wie hier ein Kostenersatz nicht statt.
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