Spruch:
Ohne Einigung der Erben kann die Erbteilung im Abhandlungsverfahren selbst bei Vorhandensein minderjähriger Erben nicht durchgeführt werden. In einem solchen Fall muß auch der minderjährige Erbe die Erbteilungsklage einbringen.
Entscheidung vom 21. Jänner 1959, 1 Ob 505/58.
I. Instanz: Bezirksgericht Döbling; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Gustav H., der am 16. März 1957 gestorben ist, hinterließ seine Gattin, die Erstbeklagte, und seine Kinder, die Klägerin und die Zweit- bis Sechstbeklagten. Nachdem sich die Erstbeklagte zu einem Viertel und die Kinder zu je einem Achtel auf Grund des Gesetzes bedingt erbserklärt hatten, wurde ihnen mit Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 11. Februar 1958 der Nachlaß den angegebenen Anteilen entsprechend eingeantwortet. Da eines der erblasserischen Kinder, die Klägerin, minderjährig ist, bemühte sich das Verlassenschaftsgericht nach §§ 165, 166 AußStrG., die gerichtliche Erbteilung herbeizuführen. Es stellte sich jedoch heraus, daß die Erben nicht einig werden konnten, inwieweit die Wohnungseinrichtung und einzelne Schulden in den Nachlaß gehörten, wie das früher vom Erblasser betriebene Flaschengroßhandelsunternehmen verwertet werden solle und in weichem Ausmaß der erblasserischen Witwe das Vorausvermächtnis nach § 758 ABGB. gebühre. Aus diesem Grund wurde die Kollisionskuratorin der minderjährigen Klägerin mit dem Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 3. Juli 1958 beauftragt, für die Minderjährige die Erbteilungsklage zu erheben.
Das Erstgericht, bei dem die Erbteilungsklage anhängig gemacht wurde, erklärte sein Verfahren für nichtig und wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Da am Verlassenschaftsverfahren nach Gustav H. eine minderjährige Erbin beteiligt sei, müsse - so meint das Erstgericht - nach §§ 166, 170 AußStrG. die Erbteilung vom Verlassenschaftsgericht durchgeführt werden. Die ausschließliche Zuständigkeit des außerstreitigen Richters ergebe sich insbesondere aus dem § 168 Abs. 2 AußStrG., wonach die Vormundschafts- und Kuratelsbehörde zu beurteilen habe, ob Natural- oder Zivilteilung den Interessen des Pflegebefohlenen entspreche. Diese Auffassung stehe auch im Einklang mit § 21 ABGB., wonach Minderjährige unter dem besonderen Schutz des Gesetzes stunden. Dieser besondere Schutz sei grundsätzlich im außerstreitigen Verfahren zu gewähren. Da anläßlich der Erbteilung anders als nach § 841 ABGB. bei der Aufhebung einer anderen Eigentumsgemeinschaft die Frage, ob zu teilen sei, nicht entstehen könne, und da die Art der Durchführung der Erbteilung nicht von streitigen Tatsachen, sondern nur vom richterlichen Ermessen abhänge, bestunden gegen die Zuweisung der Erbteilung an den außerstreitigen Richter keine praktischen Bedenken. Sollten sich aber bei der Erbteilung streitige Tatumstände ergeben, werde es Sache des außerstreitigen Richters sein, die Parteien nach § 2 Abs. 2 Z. 7 AußStrG. auf den Rechtsweg zu verweisen.
Infolge Rekurses der Klägerin hob das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluß auf und beauftragte das Erstgericht, das Prozeßverfahren fortzusetzen. Wenn am Abhandlungsverfahren Minderjährige beteiligt seien, müsse - wie das Rekursgericht ausführt - die Erbteilung nach den §§ 165 ff. AußStrG. unter Mitwirkung des Gerichtes vorgenommen werden. Daraus folge jedoch nur, daß bei Beteiligung minderjähriger Erben die Erbteilung nicht außergerichtlich oder ohne Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes vor sich gehen dürfe. Wenn mit den Mitteln des außerstreitigen Verfahrens eine Einigung der Erben auch unter Mitwirkung des Abhandlungsgerichtes nicht erzielt werden könne und das Verlassenschaftsverfahren, wie im vorliegenden Fall, ohne Durchführung der Erbteilung beendet werde, so stehe auch dem minderjährigen Erben zur Durchsetzung der Erbteilung der Klageweg offen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Erstbeklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Nach den §§ 165, 166 AußStrG. ist in den Fällen, wo Minderjährige oder Pflegebefohlene als Erben einschreiten, die Erbteilung allerdings vom Verlassenschaftsrichter, sei es vor, sei es nach der Einantwortung, vorzunehmen. Der Zweck dieser gesetzlichen Bestimmung liegt darin, daß die Nachlaßgegenstände unter der Kontrolle des Verlassenschaftsrichters verteilt werden sollen, damit nicht durch eine außergerichtliche Erbteilung die Rechte der Minderjährigen oder Pflegebefohlenen verkürzt werden. Die Befugnisse des außerstreitigen Richters gehen aber nicht so weit, daß er selbst mit bindender Wirkung für die Beteiligten und ohne Rücksicht auf deren Wünsche die Nachlaßgegenstände auf die Erben verteilen könnte. Wie sich aus § 166 AußStrG. ergibt, beschränkt sich die Tätigkeit des Verlassenschaftsrichters darauf, eine Einigung der Erben herbeizuführen und sich dann schlüssig zu werden, ob die getroffene Abmachung zu genehmigen ist. Wenn aber bei der Erbteilung "in wichtigen Punkten von der Anordnung des Gesetzes oder des Erblassers durch besondere Übereinkunft abgegangen oder über zweifelhafte Rechte ein Vergleich geschlossen werden" soll (§ 27 AußStrG., der im § 166 AußStrG. ausdrücklich angeführt wird), ist die Genehmigung der Vormundschafts- oder Kuratelsbehörde nötig. Die Vorschrift des § 168 Abs. 2 AußStrG., wonach es mit Rücksicht auf das Interesse der Pflegebefohlenen der Beurteilung der Vormundschafts- oder Kuratelsbehörde überlassen bleibe, ob auch eine Naturalteilung vorgenommen werden soll, bedeutet nicht, daß dem Vormundschafts- oder Pflegschaftsrichter (oder etwa sogar dem Verlassenschaftsrichter) das Recht zustunde, die Art der Verteilung festzusetzen. Dem Ermessen des Richters soll nur die Beurteilung überlassen werden, ob einer etwa vereinbarten Naturalteilung die Zustimmung gegeben werden soll (weitergehend die Entscheidung ZBl. 1918 Nr. 271). Daß das Gesetz keine autoritäre Erbteilungsentscheidung des Verlassenschaftsgerichtes im Auge hat, ergibt sich auch aus dem im § 168 Abs. 3 AußStrG. zitierten und bei Schuster - Bonnott, Kommentar zum AußStrG., 4. Aufl. S. 287. abgedruckten alten Formular VI einer Teilungsurkunde, die als gerichtlich genehmigte Erbteilungsabmachung der Erben gefaßt ist. Auch im § 169 AußStrG. wird nur von einem bestätigten Originalteilungsinstrument und nicht von einer Verfügung oder einer Entscheidung des Richters gesprochen.
Im vorliegenden Fall ist es vor dem Gerichtskommissär zu einer Einigung der Erben nicht gekommen, ohne daß anzunehmen wäre, daß der Abhandlungsrichter selbst eine Einigung hätte herbeiführen können. Es herrscht nämlich nicht nur über den Umfang des Nachlasses, sondern auch über die Art der Verteilung des Nachlaßvermögens weitgehende Uneinigkeit. In einem solchen Fall versagt die dem Schutz der Pflegebefohlenen dienende Mitwirkung des Verlassenschaftsgerichtes bei der Erbteilung, und auch der minderjährige Erbe ist so wie der großjährige gezwungen, die Erbteilung mit Klage zu erwirken (so auch ausdrücklich ZBl. 1923 Nr. 235; vgl. Rintelen, Grundriß des Verfahrens außer Streitsachen, S. 83; Schuster - Bonnott a. a. O. S. 284, 292; Klang 2. Aufl. III 1124; Weiss ebenda S. 167.; Ehrenzweig 2. Aufl. II/2 S. 507; Anders, Grundriß des Erbrechts, 2. Aufl. S. 74; Prochnig, Die Erbteilung, NotZ. 1956 S. 6). Die Erbengemeinschaft ist ja nur ein Fall der Eigentumsgemeinschaft, bei der die Teilung nach § 841 ABGB. gleichfalls mit Klage begehrt werden muß.
Das Rekursgericht ist daher mit Recht zur Überzeugung gekommen, daß für die Erbteilungsklage der minderjährigen Klägerin der Rechtsweg offensteht.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)