OGH 7Ob30/91

OGH7Ob30/9119.12.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerhard Z*****, vertreten durch Dr. Johann Kahrer und Dr. Christian Haslinger, Rechtsanwälte in Ried i.I., wider die beklagte Partei Erste Allgemeine Versicherungs-AG, Linz, Zollamtstraße 1, vertreten durch Dr. Alfred Thewanger ua Rechtsanwälte in Linz, wegen S 125.685,- s.A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 18.Juni 1991, GZ 4 R 46/91-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Ried i.I. vom 19.November 1990, GZ 1 Cg 83/90-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.789,60 (darin S 1.131,60 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei nahm mit Provisionsbrief vom 21.9.1979 das Anerbieten des Ernst N*****, für sie in Österreich als selbständiger, ungebundener Mitarbeiter, nach freier, eigener Initiative in den von ihr betriebenen Versicherungszweigen Versicherungen zu vermitteln und bestehende Versicherungen durch deren Betreuung zu unterstützen, an. Dafür wurden N***** die entsprechenden Provisionen zugesichert. Sein Recht als selbständiger freier Mitarbeiter jede beliebige haupt- oder nebenberufliche Tätigkeit auszuüben, sollte unberührt bleiben. (Weitergehende) Befugnisse sollten ihm von der beklagten Partei nur dann und insoweit eingeräumt werden, als ihm eine schriftliche Vollmacht (dafür) erteilt wird.

Der Kläger hatte für seinen früheren PKW über Vermittlung N***** bei der klagenden Partei eine Kaskoversicherung abgeschlossen. Als er dieses Fahrzeug verkaufte und an seine Stelle ein neues anschaffte, unterfertigte er am 21.9.1989 bei N***** auch einen Antrag auf Abschluß einer Kaskoversicherung bei der beklagten Partei, wie er sie auch für das verkaufte Fahrzeug hatte. Der Kläger äußerte dabei die Meinung, daß nur eine Änderung der Fahrzeugdaten erforderlich sei und daß es zu keinem neuen Versicherungsvertrag komme. N***** holte in Bestärkung dieser Meinung für das Neufahrzeug keine vorläufige Deckungszusage der beklagten Partei ein. Am 4.10.1989 erlitt der Kläger mit seinem neuen Fahrzeug in Jugoslawien einen Verkehrsunfall, wobei dieses schwer beschädigt wurde. Ob vorher der Antrag auf Kaskoversicherung von N***** an die beklagte Partei abgeschickt worden war bzw. bei der beklagten Partei auch eingelangt ist, konnte nicht festgestellt werden. Aufgrund eines Telefonates N***** mit einem Angestellten der beklagten Partei am 5.10.1989 legte letztere eine sogenannte Erstkarteikarte über die vorläufige Deckung ab 5.10.1989 14 Uhr an und übermittelte diese Information N***** per Telefax. Ebenfalls am 5.10.1989 erstattete N***** für den Kläger eine - vorerst

unvollständige - Kfz-Kaksoschadenanzeige, die bei der beklagten Partei am 6.10.1989 einlangte.

Auf dem von N***** unterfertigten Antrag auf Kraftfahrzeugkaskoversicherung vom 21.9.1989, einem Formular der beklagten Partei, findet sich oberhalb der Unterschrift des Klägers die Stampiglie "Ernst N*****: Versicherungsmakler". In der Korrespondenz bezeichnet sich N***** als "unabhängiges Versicherungsbüro". Hätte Ernst N***** am 21.9.1989 bei der beklagten Partei angerufen und die entsprechenden Daten des Klägers durchgegeben, so wäre ihm damals eine vorläufige Deckung für das Klagsfahrzeug zugesagt worden.

Der Kläger begehrte die Verurteilung der beklagten Partei zur Bezahlung von zuletzt S 125.685. Die beklagte Partei habe die mangelhafte Aufklärung durch ihren Versicherungsagenten N***** zu vertreten. Wäre der Kläger über die mangelnde vorläufige Deckung aufgeklärt worden, hätte er bei zahlreichen anderen Versicherungsanstalten die vorläufige Deckungszusage mit dem gewünschten Termin ohne weiteres erhalten.

Die beklagte Partei beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, der Antrag auf Abschluß einer Kaskoversicherung für das Klagsfahrzeug sei bei ihr erst am 9.10.1989, sohin 5 Tage nach dem Unfall, eingelangt. Das "unabhängige Versicherungsbüro" Ernst N***** stehe zur beklagten Partei in keinem Vertragsverhältnis, der Kläger müsse seine Ansprüche gegenüber Ernst N***** verfolgen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es folgerte rechtlich, daß Ernst N***** als Versicherungsagent der beklagten Partei im Sinne des § 43 VersVG anzusehen sei. Die beklagte Partei habe daher für die Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten durch ihn, nämlich dem Bestärken des Klägers in seinem Irrtum, der alte Kaskoversicherungsvertrag gehe auf das neue Fahrzeug über, einzustehen. Aufgrund dieses Irrtums sei keine vorläufige Deckungszusage eingeholt worden. Dieser Umstand begründe die Schadenersatzpflicht der beklagten Partei.

Das Berufungsgericht bestätigte mit der angefochtenen Entscheidung dieses Urteil. Es teilte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes. Da der Versicherungsvertrag mit Wissen und Willen der beklagten Partei vermittelt worden sei, sei N***** eine Hilfsperson der beklagten Partei im Sinne des § 1313 a ABGB gewesen, weshalb sie für die Verletzung vorvertraglicher Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten gegenüber dem Kläger zu haften habe. Der Kläger habe daher darauf vertrauen dürfen, daß er für sein neues Fahrzeug eine Versicherungsdeckung der beklagten Partei habe.

Die gegen diese Entscheidung von der beklagten Partei erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in seiner Entscheidung vom 24.4.1975, 7 Ob 70/75 (JBl.1975, 592 = VersR 1976, 1195 = ZVR 1976, 81 = SZ 48/52 alle mwN) ausgesprochen, daß die Vorschriften der §§ 43 ff VersVG auch auf Gelegenheitsvermittler anzuwenden sind, sodaß Versicherungsagent im Sinne dieser Bestimmungen jeder ist, der mit Wissen und Willen des Versicherers einen Versicherungsvertrag, sei es auch nur gelegentlich, vermittelt oder abschließt. Die Revision vermag keine Bedenken gegen die in dieser Entscheidung geäußerte Rechtsansicht zu erwecken. Nach der österreichischen Vertragsübung gilt jeder als Versicherungsagent, der von einem Versicherer mit der Vermittlung von Versicherungsgeschäften, sei es auch nur bei Gelegenheit, betraut ist (vgl. Ehrenzweig, Versicherungsrecht, 42). Die auch von Prölss (Prölss-Martin25, 269 ff) hervorgehobene Tendenz des Gesetzes, die sehr streitige Rechtsstellung der Agenten in der Zeit zwischen Antrag und Annahme mit betonter Rücksicht auf die Interessen des Publikums zu regeln, wird durch die Überlegung gefestigt, daß dem Versicherungsnehmer in der Regel der nähere Inhalt der Rechtsbeziehungen des für einen Versicherer auftretenden Agenten selbst dann nicht bekannt ist, wenn dieser mit Versicherungsformularen des Versicherers arbeitet, daneben aber auch noch für andere Anstalten tätig ist. Schließlich spricht das Gesetz nur von der Betrauung des Versicherungsagenten mit der Vermittlung von Versicherungsgeschäften, ohne ein Erfordernis ständiger Betrauung klar auszudrücken. Da es andererseits dem Versicherer offensteht, die gesetzliche Vollmacht des Versicherungsagenten nach § 43 VersVG im Einzelfall einzuschränken, ist der Rechtskreis der präsumtiven Versicherungsnehmer des Schutzes des Gesetzes bedürftiger. Die Firmenbezeichnung des einen Versicherungsantrag annehmenden Agenten ist für das Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem Versicherer ohne Bedeutung. Ist ein Versicherungsmakler wie hier nicht nur Vertreter des Antragstellers, sondern Versicherungsagent im Sinn des § 43 VersVG - wenn auch ohne Abschlußvollmacht im Sinn des § 45 VersVG - so haftet der Versicherer nach herrschender Lehre (Koziol, Haftpflichtrecht2 II 73, 373; Prölss-Martin VVG24, 272 ff; Krejci in ÖJZ 1983, 144 und 146 und Wilhelm in JBl.1986, 179) und Rechtsprechung (SZ 48/52, SZ 57/94, ähnlich auch RdW 1986, 271), auch für die Verletzung vertraglicher Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten gegenüber dem in Aussicht genommenen Versicherungsnehmer durch den Versicherungsagenten. Nach § 43 VersVG ist ja auch der Vermittlungsagent befugt, Anträge auf Abschluß einer Versicherung entgegenzunehmen. Die dem Agenten zugegangenen Anträge gelten daher - sofern keine diesbezügliche Beschränkung der Vollmacht im Sinne des § 47 VersVG gegenüber Verbrauchern iVm § 10 Abs.1 letzter Satz KSchG, vorliegt - als dem Versicherer zugegangen. Der Versicherer hat somit durch einen Vertreter Vertragsverhandlungen mit dem Ziel des Abschlusses eines Versicherungsvertrages angebahnt. Demnach treffen die vorvertraglichen Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten gegenüber dem in Aussicht genommenen Versicherungsnehmer nicht nur den Versicherungsmakler (Versicherungsagenten), sondern auch den von ihm vertretenen Versicherer.

Die auf § 93 HGB gestützte Argumentation der Revision übersieht die Feststellung der Vorinstanzen, daß N***** von der Beklagten generell damit betraut war, für sie tätig zu werden. In einem solchen Fall kann keine Rede mehr von einer nicht ständigen Betrauung, die zur Unanwendbarkeit der Bestimmungen der §§ 43 ff VersVG führen würde, sein. Auch nach den in der Revision angeführten Belegstellen ist es unerheblich, ob der Agent ein unselbständiger oder ein selbständiger ist (vgl Krejci ÖJZ 1983, 142, Bruck-Möller VVG8 I Anm 13 vor §§ 43 bis 48). Auch "Gelegenheitsvermittler", das sind Personen, die zwar ständig damit betraut sind, jedoch nur gelegentlich Kunden zuführen, fallen darunter (Bruck-Möller aaO Anm 11 zu § 43). Gerade derartiges haben aber die Vorinstanzen festgestellt. Ob N***** aufgrund seines Berufes im übrigen Handelsmäkler im Sinn des § 93 HGB ist, spielt demnach für die Beurteilung der Haftung der Beklagten für sein Versäumnis in jenen Fällen, in denen er für sie aufgrund der ständigen Betrauung tätig geworden ist, keine Rolle. Die ständige Betrauung und damit der Eintritt in die Stellung nach § 43 VersVG führt aber, wie bereits oben dargelegt wurde, zu der Haftung der Beklagten für Schäden, die N***** einem zugeführten Kunden durch unrichtige oder irreführende Erklärungen zugefügt hat. Der Kläger wollte für sein neues Fahrzeug eine Kaskoversicherung gleich jener für das verkaufte Altfahrzeug. Wurde der beklagten Partei dieser Antrag des Klägers durch ihren als Versicherungsagenten anzusehenden Vermittler N***** nicht übermittelt, so hat sie für dessen Verhalten einzustehen. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, daß die von der beklagten Partei als Courtage-Zusage bezeichnete Vereinbarung bereits ausreichend für die Annahme ist, daß N***** dadurch Versicherungsagent der beklagten Partei im Sinne des § 43 VersVG und damit Erfüllungsgehilfe der beklagten Partei geworden ist.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte