OGH 10ObS288/91

OGH10ObS288/9112.11.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Herbert Vesely (Arbeitgeber) und Reinhard Horner (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Günter S*****, ohne Beschäftigung, ***** vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wider die beklagte Partei PENSIONSVERSICHERUNGSANSTALT DER ARBEITER, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vertreten durch durch Dr. Anton Rosicky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Invaliditätspension, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3. Juni 1991, GZ 33 Rs 75/91-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 25. Jänner 1991, GZ 4 Cgs 125/90-21, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Das Erstgericht erkannte die beklagte PENSIONSVERSICHERUNGSANSTALT DER ARBEITER schuldig, dem Kläger ab 1. 11. 1989 die Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren und eine vorläufige Zahlung von S 6.000,- monatlich zu leisten. Es gelangte zu dem Ergebnis, daß dem am 12. 1. 1954 geborenen Kläger, der in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag überwiegend als Lackierer tätig war, Berufsschutz als angelernter Lackierer zukomme, daß er auf Grund von gesundheitsbedingten Beeinträchtigungen (in erster Linie Morbus Bechterew) nicht mehr in diesem oder einem verwandten Beruf arbeiten könne und daß er daher die Voraussetzungen des § 255 Abs.1 und 2 ASVG erfülle.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Sache an das Erstgericht zurück. Es billigte die Auffassung, daß der Kläger Berufsschutz genieße, hielt aber den Sachverhalt in Ansehung des medizinischen Leistungskalküls für ergänzungsbedürftig.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Berufungsgericht für zulässig erklärte und daher gemäß § 47 Abs.2 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des § 46 Abs.1 ASGG zulässige Rekurs der beklagten Partei ist nicht berechtigt.

Die allein bekämpften Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes zur Frage des Berufsschutzes als angelernter Lackierer sind zutreffend, weshalb es ausreicht, auf deren Richtigkeit hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist der Rekurswerberin, die geltend macht, der Kläger habe nicht alle Kenntnisse und Fähigkeiten im Sinne der einschlägigen Ausbildungsvorschriften erworben, folgendes entgegenzuhalten:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist der Berufsschutz nicht erst dann zu bejahen, wenn der Versicherte alle Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt, die nach den Ausbildungsvorschriften zum Berufsbild eines Lehrberufes zählen und daher einem Lehrling während der Lehrzeit zu vermitteln sind. Es kommt vielmehr darauf an, daß er über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die üblicherweise von ausgelernten Facharbeitern des jeweiligen Berufes in dessen auf dem Arbeitsmarkt gefragten Varianten (Berufsgruppe) unter Berücksichtigung einer betrieblichen Einschulungszeit verlangt werden. Hingegen reicht es nicht aus, wenn sich die Kenntnisse oder Fähigkeiten nur auf ein Teilgebiet oder mehrere Teilgebiete eines Tätigkeitsbereiches beschränken, der von ausgelernten Facharbeitern allgemein in viel weiterem Umfang beherrscht wird (SSV-NF 1/48, 3/70, 4/111 ua).

Nach den Feststellungen hatte der Kläger in seiner nahezu 14 Jahre währenden Beschäftigung als Lackierer nahezu alle Tätigkeiten zu erbringen, wie sie dem Berufsbild des Lackierers im Sinne der Ausbildungsvorschriften BGBl. 1987/240 entsprechen, ausgenommen die Technik des Tauchens und Flutens (Position 11 des Berufsbildes), Imprägnieren, Neutralisieren und einfache Isolierarbeiten (Position 7 des Berufsbildes). Tauchen und Fluten sind aber aufgrund der Ergebnisse des Beweisverfahrens dem vom Kläger beherrschten, schwerer zu erlernenden Spritzen gleichwertig und bedürften im Bedarfsfall keiner besonderen weiteren Einschulung oder Anlernung. Bei den anderen genannten Tätigkeiten wie etwa Isolieren handelt es sich, wie auch der berufskundliche Sachverständige darlegte, bloß um seltener verlangte und nicht wesentliche Nebentätigkeiten des Lackierens. Die Ansicht der beklagten Partei, der Kläger habe nicht alle wesentlichen Teiltätigkeiten ausgeübt und beherrscht, steht im Gegensatz zu den Tatsachenfeststellungen. Daß der Kläger überwiegend gleichartige Werkstücke (nämlich Motoren) zu bearbeiten hatte, ist nicht ausschlaggebend. Die im Rekurs hervorgehobene Technik der Elektrophorese ist nur ein spezielles Tauchverfahren (vgl. Berufslexikon, Band Lehrberufe unter Stichwort "Lackierer/Lackiererin", Seite 199) und im Berufsbild der oben zitierten Ausbildungsvorschriften gar nicht besonders genannt. Nicht übersehen werden darf schließlich, daß der Kläger 2 1/2 Jahre lange den verwandten Beruf Maler und Anstreicher lernte (wenngleich er die Lehre nicht beendete) und die dabei erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten in seinen später ausgeübten Beruf einbringen konnte.

Insgesamt unterscheidet sich damit sein Fall wesentlich von dem der Entscheidung des erkennenden Senates vom 26. 2. 1991, 10 Ob S 72/91, zugrundeliegenden Sachverhalt: Dort führte der Versicherte lediglich Lackierungen mit einer Spritzpistole und damit nur einen Teil der zu erlernenden Tätigkeiten durch, so daß Berufsschutz nicht angenommen werden konnte.

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind nicht entstanden.

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