OGH 10ObS72/91

OGH10ObS72/9126.2.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Wolf (Arbeitgeber) und Otto Schmitz (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Djure R*****, vertreten durch Dr. Erhard Doczekal, Dr. Rudolf Mayer und Dr. Helge Doczekal, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei PENSIONSVERSICHERUNGSANSTALT DER ARBEITER (Landesstelle Wien), 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7. November 1990, GZ 32 Rs 197/90-41, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 22. Jänner 1990, GZ 8 Cgs 13/89-37, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht wies die auf eine Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß vom 1. Oktober 1988 an gerichtete Klage mit der Begründung ab, daß der Kläger nicht überwiegend in erlernten oder angelernten Berufen iS des § 255 Abs. 1 und 2 ASVG, sondern als nicht derart qualifizierter Spritzlackierer tätig gewesen sei. Weil er zwar nicht mehr als solcher, aber durch andere auf dem Arbeitsmarkt noch bewertete und ihm zumutbare Verweisungstätigkeiten wenigstens die Hälfte des dafür üblichen Entgelts erwerben könne, gelte er nicht als invalid iS des Abs. 3 leg. cit.

Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge, weil es die Rechtsansicht des Erstgerichtes teilte.

Dagegen richtet sich die nicht beantwortete Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinne abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

§ 255 Abs. 1 ASVG wäre auf den Kläger nur dann anzuwenden, wenn er überwiegend in erlernten oder angelernten Berufen tätig gewesen wäre. Nach Abs. 2 erster Satz leg. cit. liegt ein angelernter Beruf im Sinne des Abs. 1 vor, wenn der Versicherte eine Tätigkeit ausübt, für die es erforderlich ist, durch praktische Arbeit qualifizierte Kenntnisse oder Fähigkeiten zu erwerben, welche jenen in einem erlernten Berufe gleichzuhalten sind. Nach Abs. 2 zweiter Satz leg. cit. gelten als überwiegend iS des Abs. 1 solche erlernte (angelernte) Berufstätigkeiten, wenn sie in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate nach diesem Bundesgesetz während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag (§ 223 Abs. 2 ASVG) ausgeübt wurden.

Nach den Feststellungen übte der Kläger während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag ausschließlich die Tätigkeit eines Spritzlackierers bei ein und derselben Firma aus, wobei seine Haupttätigkeit in der Durchführung von Lackierungen mit der Spritzpistole bestand. Die Anlernzeit für eine Spritzlackierertätigkeit dieser Art beträgt drei bis sechs Monate. Der Kläger hatte in dieser Firma nur einen Teil der im dreijährigen Lehrberuf Lackierer, einem dem dreijährigen Lehrberuf Maler- und Anstreicher verwandten Lehrberuf mit gegenseitiger Anrechnungsmöglichkeit je eines Lehrjahres, zu erlernenden Tätigkeiten auszuüben.

Damit steht aber fest, daß der Kläger als Spritzlackierer keine Tätigkeit ausgeübt hat, für die es erforderlich war, durch praktische Arbeit qualifizierte Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben, welche jenen in einem erlernten Beruf, insbesondere den beiden genannten Lehrberufen, gleichzuhalten sind.

Im Vorverfahren 12 a C 71/86 des Schiedsgerichtes der SOZIALVERSICHERUNG FÜR WIEN in Wien (= 8 Cgs 1257/87 des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien) hat der auch im vorliegenden Verfahren bestellte Sachverständige für Berufskunde in seinem schriftlichen Gutachten ON 56 unter Bedachtnahme auf die in der damaligen Aussage des Klägers als Partei ON 51 enthaltene Darstellung seiner Tätigkeit als Maler- und Anstreicher in Jugoslawien ausgeführt, daß sie zu einer Qualifikation, wie sie die Lehrberufe "Maler und Anstreicher" und "Lackierer" erfordern, nicht ausreicht. Derartige Tätigkeiten würden von Hilfsarbeitern bzw. angelernten Arbeitern mit einer Anlernzeit von maximal 3 Monaten ausgeführt. Der Kläger hat daher folgerichtig auch im vorliegenden Verfahren in erster Instanz nicht behauptet, daß er den Beruf eines "Malers und Anstreichers" erlernt hätte oder durch praktische Tätigkeit in Jugoslawien qualifizierte Kenntnisse oder Fähigkeiten erworben hätte, welche jenen im genannten Lehrberuf gleichzuhalten wären. Er hat diesbezüglich in der Klage ausdrücklich vorgebracht, daß er keinen Beruf erlernt habe und in den letzten fünfzehn Jahren immer als Spritzlackierer beschäftigt gewesen sei.

Im Hinblick auf dieses Vorbringen und auf die im erstgerichtlichen Verfahren verlesenen, oben dargestellten Ergebnisse des Vorverfahrens bestand kein Anlaß, den Kläger, der überdies anwaltlich vertreten war, zu einem weiteren Vorbringen anzuleiten oder weitere Feststellungen über seine Tätigkeit als Maler und Anstreicher in Jugoslawien zu treffen.

Der ausreichend festgestellte Sachverhalt wurde daher richtig dahin beurteilt, daß der Kläger nicht überwiegend in einem angelernten Beruf iS des § 255 Abs. 2 ASVG tätig war.

Daß es aber auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch eine Reihe von Tätigkeiten gibt, die der Kläger verrichten könnte, wird in der Revision nicht bestritten.

Deshalb war der Revision nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 77 Abs. 1 Z 2 lit. b. ASGG.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte