Spruch:
Den Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Der am 30.12.1986 verstorbene Rupert M***** hatte in seinem Testament vom 10.1.1962 die Anordnung getroffen: "Zu Erben meines gesamten, welchen Namen auch immer tragenden Vermögens setze ich zu je 1/3 Anteilen meine Geschwister Herrn Johann M*****, Herrn Arnold M***** und und Frau Mathilde K*****, ein". In der Folge wurde ihm am 6.9.1962 Christian H***** als sein unehelicher Sohn geboren. Johann M***** ist unter Hinterlassung der Töchter Christine und Herma M***** vor dem Testator verstorben.
Das Erstgericht nahm die von Christian H***** aus dem Titel des Gesetzes zum gesamten Nachlaß bedingt und die aus dem Titel des Testamentes von Mathilde K***** und von Arnold M***** zu je 1/3 sowie von Christine M***** und Herma M***** zu je 1/6 bedingt abgegebenen Erberklärungen zu Gericht an und teilte gemäß § 125 AußStrG dem Christian H***** die Klägerrolle zu. Die Erbserklärungen der Christine und Herma M***** wurden vom Rekursgericht zurückgewiesen. Christian H***** begehrte sodann in seiner zu 8 Cg 294/88 des Landesgerichtes Innsbruck eingebrachten Klage gegenüber Mathilde K***** und Arnold M***** die Feststellung, das Testament des Erblassers vom 10.1.1962 sei entkräftet (§ 778 ABGB) und es komme ihm im Umfang der zu je 1/3 abgegebenen Erbserklärungen der beiden Beklagten das Erbrecht aufgrund des Gesetzes zu. Dieses Klagebegehren wurde rechtskräftig (siehe 5 Ob 581/90 = ON 36) mit der Begründung abgewiesen, daß Christian H***** den Nachweis seiner irrtümlichen Übergehung durch den Erblasser nicht habe zu führen vermocht. Mit Notariatsakt vom 5.4.1988 verkauften Arnold M*****, Christine M***** und Herma M***** ihre behaupteten Rechte an der Verlassenschaft an Waltraud N*****. Diese hat mit Schriftsatz ON 37 vorgebracht, der frei gewordene Anteil von 1/3 nach Johann M***** komme durch Anwachsung zu gleichen Teilen den Testamentserben Mathilde K***** und Arnold M***** und an dessen Stelle nun ihr zu, weil der Erblasser in seinem Testament die Erben nicht zu bestimmten Teilen, sondern in dem allgemeinen Ausdruck einer gleichen Teilung berufen habe. Aus dem Akte 8 Cg 294/88 des Landesgerichtes Innsbruck ergebe sich auf Grund der Zeugenaussagen mit aller Deutlichkeit, daß der Erblasser den Christian H***** nicht letztwillig habe bedenken wollen. Er habe durch 25 Jahre von dessen Existenz Kenntnis gehabt, im gleichen Orte wie Christian H***** gelebt, aber jeglichen Kontakt zu diesem abgelehnt und das Testament nie geändert. Diese Erklärung wurde vor dem Gerichtskommissär aufrechterhalten und "auch von Mathilde K***** übernommen". Christian H***** entgegnete, eine Akkreszenz sei zufolge der im vorliegenden Falle gegebenen bestimmten Erbseinsetzung im Sinne des § 562 ABGB nicht eingetreten, sodaß der erledigte Erbteil des Johann M***** ihm als gesetzlichem Erben zufalle.
Das Erstgericht wies hierauf hinsichtlich des jeweils beanspruchten 1/3-Anteiles des Johann M***** der Mathilde K***** und der Waltraud N***** die Klägerrolle gegenüber Christian H***** zu und trug ihnen auf, binnen 4 Wochen die Klage bei Gericht einzubringen.
Das Rekursgericht gab weder dem Rekurs des Christian H***** noch jenem der Mathilde K***** und der Waltraud N***** Folge; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteigt und daß der Revisionsrekurs zulässig sei.
Dem Rekurswerber Christian H***** hielt das Rekursgericht entgegen, die Bestimmungen der § 125 ff AußStrG seien immer dann sinngemäß anzuwenden, wenn widerstreitende Standpunkte geltend gemacht würden, von deren Lösung die Fortführung oder Beendigung der Verlassenschaftsabhandlung abhänge. Es schade nicht, daß hier seinerzeit von Mathilde K***** und Arnold M***** (als Rechtsvorgänger der Waltraud N*****) Erbserklärungen jeweils nur zu je 1/3 des Nachlasses abgegeben worden seien. Christian H***** nehme als gesetzlicher Erbe die Auslegungsregel des § 562 ABGB, die für eine bestimmte Erbseinsetzung spreche, in Anspruch. Hingegen machten Mathilde K***** und Waltraud N***** für ihren Standpunkt einer Anwachsung zu ihren Gunsten geltend, der vermutliche Wille des Erblassers sei entgegen dieser Auslegungsregel dahin erforschbar, daß dieser seinen Sohn absichtlich übergangen und ausschließlich seinen Geschwistern seinen geschlossenen Hof in W***** zugedacht habe. Strittig sei sohin im Ergebnis die Auslegung des Testaments (nämlich des dahinterstehenden Testierwillens), die jedoch dem Streitrichter vorbehalten sei. Ob eine Anwachsung eingetreten sei, wie dies die Rekurswerber Mathilde K***** und Waltraud N***** behaupteten, könne somit entgegen deren Ansicht nicht im Verlassenschaftsverfahren entschieden werden. Auch ihr Standpunkt, Christian H***** habe seine Anfechtung im Erbrechtsstreit 8 Cg 294/88 des Landesgerichtes Innsbruck lediglich auf ihre beiden Drittelanteile beschränkt, sodaß es unzulässig erscheine, neuerlich einen Rechtsstreit über den verbleibenden Drittelanteil zu führen, über den schon im Vorprozeß hätte entschieden werden können, sei unzutreffend. Christian H***** sei seinerzeit die Klägerrolle zugewiesen worden, weil er das die Geschwister des Erblassers bedenkende Testament gemäß § 778 ABGB als entkräftet erachtet habe. Der Erbrechtsstreit zu 8 Cg 294/88 des Landesgerichtes Innsbruck könne daher für die nunmehrige Streitfrage, ob der Text des Testaments einer Anwachsung des freigewordenen Erbteils nach Johann M***** entgegenstehe oder ob der Erblasser in Wahrheit ausschließlich seine ihn überlebenden Geschwister habe bedenken wollen, nicht präjudiziell sein. Auch im übrigen werfe der Rekurs der beiden Rekurswerberinnen Fragen auf, die die Auslegung des Willens des Erblassers beträfen und deren Lösung daher dem Zivilrechtsweg vorbehalten sei.
Gegen den rekursgerichtlichen Beschluß erheben Christian H***** sowie Mathilde K***** und Waltraud N***** jeweils Revisionsrekurs mit dem Antrage auf Aufhebung und Rückverweisung der Rechtssache an das Verlassenschaftsgericht zur Fortsetzung der Verlassenschaftsabhandlung und Einantwortung der Verlassenschaft auch hinsichtlich des strittigen Drittels an die jeweiligen Rekurswerber.
Christian H***** bringt vor, die Frage der Feststellung der Erbquoten sei ausschließlich im Außerstreitverfahren zu lösen. Widersprechende Erbserklärungen lägen nur vor, wenn einander widersprechende Berufungsgründe gegeben seien. In Ermangelung widersprechender Erbserklärungen könnten strittige Tatsachen auch vom Verlassenschaftsgericht durch Einholung der entsprechenden Bescheinigungsmittel geklärt werden. Die Frage, ob ein freigewordener Erbteil anwachse oder nicht, sei vom Verlassenschaftsgericht zu entscheiden. Eine Verweisung gemäß § 2 Abs.2 Z 7 AußStrG an den Streitrichter komme für das Verlassenschaftsverfahren zufolge der klaren Bestimmung der §§ 125 ff AußStrG nicht in Betracht. Hier gehe es nicht um strittige Tatfragen, sondern nur um eine Rechtsfrage. Die Frage der Anwachsung habe auf den Fortgang des Verfahrens keinen Einfluß, die Frage der Quoten sei in der Einantwortungsurkunde zu klären, und zwar im Sinne der Verneinung einer Anwachsung. Der ihr Vorliegen dennoch Behauptende habe sodann die Erbschaftsklage gemäß § 824 ABGB zur Verfügung. Die beiden überlebenden Testamentserben hätten zudem nur Erbserklärungen zu je 1/3 abgegeben und auf dieser Basis sei das Verlassenschaftsverfahren zu beenden.
Die Rekurswerberinnen Mathilde K***** und Waltraud N***** vertreten die Rechtsansicht, es sei ihnen als Testamentserbinnen der freigewordene 1/3-Anteil zugewachsen, denn nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung stellten die Bestimmungen der §§ 560 ff ABGB nur Auslegungsregeln dar, sodaß der vermutete Wille des Erblassers zu erforschen sei. Dieser spreche aber für sie. Einer gesonderten Erbserklärung hinsichtlich der angewachsenen Erbquoten habe es nicht bedurft. Da sich Christian H***** zum gesamten Nachlaß erbserklärt, sodann aber die Erbrechtsklage nur hinsichtlich einer 2/3-Quote eingebracht habe, sei es unzulässig, ihnen nunmehr eine Erbrechtsklage aufzutragen. Christian H***** erscheine hinsichtlich eines neuerlichen Rechtsstreites über den 1/3-Anteil präkludiert, denn insoweit liege auch eine Bindungswirkung des zu 8 Cg 294/88 des Landesgerichtes Innsbruck ergangenen Urteiles vor.
Rechtliche Beurteilung
Keiner der Revisionsrekurse ist gerechtfertigt.
Zu der von beiden Rechtsmitteln relevierten Frage der Anwachsung ist im Sinne der Entscheidung SZ 57/157 und der dort angeführten überwiegenden Lehre (vgl hiezu Welser in Rummel ABGB2 Rz 4 zu §§ 560 bis 563; Pfersmann in ÖJZ 1987, 68; Eccher in Schwimann ABGB Rz 3 zu § 560; Koziol-Welser8 II 346) zugrundezulegen, daß die Erbeinsetzung "zu je 1/3 Anteil", wie sie im vorliegenden Testament des Rupert M***** zu Gunsten seiner drei Geschwister erfolgte, eine solche mit Bestimmung des Erbteiles darstellt, sodaß die Regel des § 562 ABGB zur Anwendung kommt, wonach bei Wegfall eines dieser Testamentserben den verbleibenden beiden kein Zuwachsrecht gebührt und der solcherart erledigte Teil grundsätzlich den gesetzlichen Erben zufällt. Der Oberste Gerichtshof hat in der vorgenannten Entscheidung ausgeführt, daß diese entscheidungswesentliche Auslegung eines derartigen, vom Erblasser vielleicht nur zufällig gewählten Ausdruckes allenfalls unbefriedigend erscheinen mag, jedoch nicht übersehen werden darf, daß bei einem formgebundenen Rechtsgeschäft, wie es ein Testament darstellt, sprachlichen Wendungen eben entscheidende Bedeutung zukommt. Demgemäß stelle es nichts Außergewöhnliches dar, daß in derartigen Fällen zufällig gewählte sprachliche Wendungen von entscheidender Bedeutung erschienen, wenn ein gegenteiliger Testierwille nicht feststellbar sei. Koziol-Welser (aaO) erklären, die Anwachsungsregeln, mit denen das ABGB dem "vermuteten" Willen des Erblassers entsprechen möchte, würden tatsächlich nur selten seinem Willen gerecht. Die Auslegung des Testamentes müßte daher vor dieser Vermutung Vorrang haben. Auch Kralik verweist darauf, daß diese Auslegungsregeln dem wie immer bewiesenen anderen Willen des Testators weichen müßten (Kralik-Ehrenzweig3 Erbrecht 176). Der Nachweis eines abweichenden Willens des Erblassers, der die gesetzlichen Erben keinesfalls berufen wollte, kann also geführt werden (Weiß in Klang2 III 248).
Im vorliegenden Falle spricht zwar der Text der letztwilligen Anordnung des Rupert M***** somit gegen eine von den Rekurswerberinnen behauptete Anwachsung des freigewordenen Drittelanteiles des Johann M***** zu ihren Gunsten, sie stützen sich aber auf einen behauptetermaßen von diesem Text abweichenden Willen des Testators, wonach dieser, wie auch sein jahrelanges Verhalten beweise, dem ae. Sohn Christian H***** keinesfalls ein Erbe habe hinterlassen wollen. Sie behaupten damit einen auf das Testament gegründeten Erbanspruch auch auf das freigewordene Drittel und nehmen dieses als auf Grund des Testamentes zu je 1/3-Anteil bereits erbserklärte Erben in Anspruch.
Da die Anwachsung von selbst eintritt, ist keine neue Erbserklärung erforderlich (Weiß aaO 249, 252; Koziol-Welser aaO 346; Welser aaO Rz 5 zu §§ 560 bis 563), die ursprüngliche Erbserklärung erfaßt vielmehr auch die anwachsende Quote und insoweit liegen hier hinsichtlich des zunächst von den Töchtern des Johann M***** beanspruchten Erbdrittels in Wahrheit widerstreitende Erbserklärungen vor: Die Rekurswerberinnen Mathilde K***** und Waltraud N***** nehmen dieses Erbdrittel auf der Grundlage ihrer testamentarischen Berufung und des behaupteten wahren Willens des Erblassers nunmehr erstmals und der Rekurswerber Christian H***** nimmt weiterhin unter Hinweis auf die Berufung als gesetzlicher Erbe auch dieses Drittel ausdrücklich in Anspruch und alle beantragen jeweils dessen Einantwortung.
Im Falle mehrere Erbserklärungen zum Nachlaß abgegeben werden, die miteinander in Widerspruch stehen, sind gemäß § 125 AußStrG zwar alle anzunehmen, das Gericht hat aber nach Vernehmung der Parteien zu entscheiden, welcher Teil gegen den anderen binnen zu bestimmender Frist als Kläger aufzutreten hat, widrigenfalls die Verlassenschaftsabhandlung ohne Berücksichtigung des auf den Rechtsweg verwiesenen Erbanspruches fortzusetzen ist.
Im Hinblick auf die hier zugrundezulegenden widerstreitenden Erbserklärungen ist diese Bestimmung somit im vorliegenden Fall unmittelbar und vollinhaltlich und nicht bloß, wie das Rekursgericht meint, analog anwendbar. Der solcherart grundsätzlich zu Recht ausgesprochenen Verteilung der Parteirollen und Fristsetzung zur Klageeinbringung steht auch die im Erbrechtsstreit 8 Cg 294/88 des Landesgerichtes Innsbruck ergangene Entscheidung nicht entgegen. In dieser wurde nur über die von Mathilde K***** und Arnold M***** damals beanspruchten 2/3-Anteile des Nachlasses, und zwar zu ihren Gunsten, nicht jedoch über den Anspruch auf das verbleibende Drittel und über die Frage einer Anwachsung dieses Drittels entschieden. Das damalige Urteil des Inhaltes, Christian H***** habe das Testament nicht zu entkräften vermocht, entfaltet entgegen der Ansicht aller Rekurswerber daher keine Bindungs- und Tatbestandswirkung in der Richtung, ob auf Grund des diesem nicht entkräfteten Testament zugrundeliegenden Testierwillens hinsichtlich des damals nicht streitverfangenen Drittels Anwachsung eingetreten ist oder nicht. Hätten sich die beiden verbliebenen Testamentserben von Anfang an auch zu diesem Drittel erbserklärt, so hätte sich Christian H***** im Erbrechtsstreit auf die gesetzliche Erbfolge nicht nur zufolge § 778 ABGB, sondern hinsichtlich dieses Drittels weiters auch noch auf die Bestimmtheit der Anteile der beiden Testamentserben und damit die mangelnde Akkreszenz berufen können. Die diesbezüglichen Tat- und Rechtsfragen bedürfen somit erst der Klärung.
Die beiden Rekurswerberinnen Mathilde K***** und Waltraud N***** übersehen schließlich, daß auch nach ihrer eigenen Auffassung über den Inhalt der Auslegungsregeln der §§ 560 ff ABGB der vermutete Wille des Erblassers erst zu erforschen und festzustellen ist. Ob er, wie sie meinen, für sie spricht, steht also derzeit noch nicht fest, sondern muß erst, wie dargelegt, im Rechtswege geklärt werden.
Somit war keinem der Revisionsrekurse Folge zu geben.
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