OGH 5Ob581/90

OGH5Ob581/9027.11.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christian H***, Vertragsbediensteter, 6414 Wildermieming Nr. 51, vertreten durch Dr. Peter Greil, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1.) Mathilde K***, Pensionistin, 6414 Wildermieming Nr. 49, vertreten durch Dr. Josef Heis, Rechtsanwalt in Innsbruck und

2.) Arnold M***, Pensionist, 6414 Barwies Nr. 291, vertreten durch Dr. Hermann Plochberger, Rechtsanwalt in Telfs, wegen Feststellung des Erbrechtes infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 14. Dezember 1989, GZ 2 R 292/89-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 9. Mai 1989, GZ 8 Cg 294/88-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes in der Hauptsache wieder hergestellt wird. Der Kläger ist schuldig, den Beklagten folgende Kosten des Verfahrens aller Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen:

  1. a) der Erstbeklagten:

    S 119.606,40 (einschließlich S 18.266,90 Umsatzsteuer und S 10.000,- sonstige Barauslagen);

  1. b) dem Zweitbeklagten:

    S 133.358,80 (einschließlich S 20.559,80 Umsatzsteuer und S 10.000,- sonstige Barauslagen).

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 6. 9. 1962 geborene Kläger ist der uneheliche Sohn des am 30. 12. 1986 ledig und ohne sonstige Nachkommen verstorbenen Rupert M***. Dieser hatte am 30. 12. 1962 die Vaterschaft zum Kläger anerkannt und bis dessen Selbsterhaltungsfähigkeit Ende Oktober 1980 Unterhalt geleistet.

Rupert M*** hatte mit Testament vom 10. 1. 1962 seine Geschwister, darunter die beiden Beklagten, zu je 1/3 als Erben eingesetzt. Dieses Testament hielt er bis zu seinem Tod unverändert aufrecht.

Im Verlassenschaftsverfahren nach Rupert M*** gab der Kläger aufgrund des Gesetzes zum gesamten Nachlaß, die beiden Beklagten zu je 1/3 des Nachlasses aufgrund des Testamentes vom 10. 1. 1962 Erbserklärungen ab. Dem Kläger wurde zur Erhebung der Erbrechtsklage rechtskräftig die Klägerrolle zugewiesen.

Der Kläger begehrt die Feststellung, daß das Testament des Erblassers vom 10. 1. 1962 entkräftet sei und in diesem Umfang dem Kläger das Erbrecht aufgrund des Gesetzes zukomme. Er begründete dies damit, er sei beim Tod des Erblassers dessen einziger Noterbe gewesen. Durch seine Geburt nach der Testamentserrichtung und die durch das UeKindG ihm zugekommene Noterbenstellung sei das Testament nach § 778 ABGB ungültig geworden. Der Erblasser habe den Kläger gegenüber den Beklagten nicht hintansetzen wollen, sondern sich wegen der dominierenden Stellung der Erstbeklagten nur nicht getraut, das Testament zugunsten des Klägers abzuändern. Die Beklagten wendeten ein, Rupert M*** habe dem Kläger bewußt übergangen und deswegen das Testament vom 10. 1. 1962 nicht abgeändert. Er sei insbesondere immer der Ansicht gewesen, nicht der Vater des Klägers zu sein. Da er aber in dem kleinen Dorf Wildermieming kein Aufsehen habe erregen wollen, habe er die Vaterschaft anerkannt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte zusätzlich zu den oben wiedergegebenen unbestrittenen Sachverhalt fest Rupert M*** habe es beim ursprünglichen Testament belassen, weil er sich bis zu seinem Tod nicht sicher gewesen sei, wirklich der leibliche Vater des Klägers zu sein. Er habe ab dem 7. Lebensjahr des Klägers - nach Schürung von Zweifeln durch die Erstbeklagte an der leiblichen Vaterschaft des Rupert M*** zum Kläger - den auch schon vorher nur lose gepflogenen Kontakt zum Kläger und seiner Mutter abgebrochen und ihn in der Öffentlichkeit nur noch dann gegrüßt, wenn er sich unbeobachtet fühlte. Es könne aber nicht festgestellt werden, daß Rupert M*** bis zu seinem Ableben davon ausging, daß der Kläger keinen Pflichtteilsanspruch habe. Es sei auch nicht erwiesen, daß Rupert M*** noch vor seinem Tod der Erstbeklagten bzw deren Tochter erklärt habe, der Kläger werde von ihm nichts erben, weil er ohnedies schon lange genug für ihn gezahlt habe.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, daß nach der neueren Rechtsprechung der vermutliche Wille des Erblassers zur Beurteilung der Hinfälligkeit eines Testamentes nach § 778 ABGB geprüft werden müsse. In dem hier zu beurteilenden Fall sei die Sorge des Testators ausschlaggebend, doch nicht der leibliche Vater zu sein. Deswegen habe Rupert M*** unabhängig von möglichen zusätzlichen erbrechtlichen Erwägungen das Testament aufrechterhalten. Nur wenn erwiesen wäre - was wegen des Todes des Rupert M*** nicht mehr der Fall sein könne -, daß der Testator der Vater des Klägers sei und daß er über diesen Umstand geirrt habe, käme eine erfolgreiche Entkräftung des gegenständlichen Testaments durch den Kläger in Betracht. Mangels Erfüllung dieser Voraussetzungen sei die Klage aber abzuweisen.

Das Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil im klagestattgebenden Sinn ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,- übersteige.

Das Berufungsgericht wiederholte zum Teil die Beweisaufnahme und traf im Gegensatz zum Erstgericht folgende negative Feststellungen:

Es stehe nicht fest

a) ob Rupert M*** das Testament vom 10. 1. 1962 absichtlich bis zu seinem Tod nicht widerrufen und nicht abgeändert habe;

b) aus welchem Grund er es bei dem Testament vom 10. 1. 1962 belassen habe;

c) ob er dieses Testament deswegen aufrecht erhielt, weil er der Ansicht gewesen wäre, der Kläger sei nicht sein leiblicher Sohn;

d) ob Rupert M*** ernstlich der Ansicht gewesen wäre, der Kläger sei nicht sein leiblicher Sohn;

e) daß Rupert M*** es deswegen bei diesem Testament beließ, weil er der Ansicht gewesen sei, der Kläger bekomme ohnehin von seiner Mutter einen Hof.

Der für die rechtliche Beurteilung maßgebende Sachverhalt ließe sich daher wie folgt zusammenfassen:

Zum Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes vom 10. 1. 1962 war der Kläger noch nicht geboren. Rupert M*** wußte damals auch nicht, daß Rosa H*** schwanger war; dies sei zwar nicht festgestellt, aber aufgrund des Geburtszeitpunktes anzunehmen. Rupert M*** anerkannte am 30. 12. 1962 die Vaterschaft zum Kläger. Ob er der Überzeugung war, daß der Kläger sein Sohn sei, oder ob er ernstliche Zweifel an der Vaterschaft hatte, steht genauso wenig fest wie allfälliger Irrtum über die leibliche Vaterschaft oder Nichtvaterschaft. Aus welchen Gründen es der Erblasser in der letztwilligen Verfügung beließ, steht gleichfalls nicht fest.

Rechtlich führte das Berufungsgericht im wesentlichen aus:

Wesentlich für die Entkräftung des letzten Willens nach § 778 Fall 2 ABGB sei das Vorliegen eines Irrtums des Erblassers über die Existenz eines einzigen Noterben. Ein solcher Irrtum sei anzunehmen, wenn der Erblasser, der zum Zeitpunkt der Errichtung seines letzten Willens keine Nachkommen hatte, nachträglich einem pflichtteilsberechtigten Nachkommen erhalte und für diesen Fall keine Anordnungen getroffen habe. Für die erbrechtlich erhebliche Motivation zur Einsetzung als Erbe oder Übergehung eines leiblichen Nachkommens sei diesem gegenüber die Überzeugung des Erblassers von der leiblichen Abstammung dieser Person von ihm wesentlich. Im vorliegenden Fall habe der Erblasser weder von der Existenz des Klägers zum Zeitpunkt der Errichtung seines Testamentes etwas gewußt noch - mangels Kenntnis von der Schwangerschaft - damit rechnen müssen. Allerdings habe der Kläger die Noterbenstellung nicht durch die Geburt, sondern erst durch die später eingetretene Rechtsänderung (Schaffung eines Pflichtteilsrechtes des unehelichen Kindes durch das UeKindG) erlangt. Dies ändere aber nichts am wesentlichen Irrtum des Erblassers über die physische Existenz eines Nachkommens. In der bloßen Unterlassung einer neuen letztwilligen Verfügung nach der Geburt des Klägers selbst durch viele Jahre könne keinen zwingenden Schluß auf eine bestimmte Absicht des Erblassers rechtfertigen. Mindestens gleich schwer wiege das Argument, daß der Erblasser auf den Schutz dieses Kindes durch das Gesetz habe vertrauen können.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Im Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung vom 10. 1. 1962 war dem Testator nicht einmal die eventuell bereits erfolgte Zeugung des Klägers bekannt. Durch die Geburt des Klägers wurde das genannte Testament nicht gemäß § 778 Fall 2 ABGB entkräftet, weil dem Kläger als unehelichem Kind damals nicht die Stellung eines Noterben zukam. Diese Stellung erlangte er erst durch das Inkrafttreten des UeKindG, BGBl 1970/342, am 1. 7. 1971. Dadurch allein wurden aber vor diesem Zeitpunkt errichtete letztwillige Verfügungen der Väter (vor diesem Zeitpunkt geborener) unehelicher Kinder nicht berührt (SZ 47/134 = JBl 1975, 427 mwN; zustimmend Pfersmann, Bemerkenswertes aus der SZ 47, ÖJZ 1977, 562 f; im wesentlichen zustimmend auch Eccher in der Entscheidungsbesprechung JBl 1975, 429).

Der erkennende Senat hat für den vorliegenden Fall (Errichtung des Testamentes und nachträgliche Geburt des Klägers vor Inkrafttreten des UeKindG) folgendes erwogen:

Der Wortlaut des § 778 Fall 2 ABGB macht die Entkräftung des Testamentes eines kinderlosen Erlassers von der objektiven Tatsache abhängig, daß dieser später einen Noterben

(= pflichtteilsberechtigtes Kind) erhält. Der Testator erhielt (vor dem UeKindG) ein pflichtteilsberechtigtes Kind durch (eheliche) Geburt oder ein Rechtsgeschäft, das einer Person die Rechtsstellung eines ehelichen Kindes verschaffte (Adoption, Legitimation). Durch das Inkrafttreten des UeKindG wurde jedoch den damals bereits geborenen unehelichen Kindern lediglich ein Erb- und Pflichtteilsrecht bei sonst unveränderter Rechtsstellung gewährt. Die bloße Gesetzesänderung fällt gar nicht unter § 778 Fall 2 ABGB. Diese Bestimmung hat nämlich nur die Einbeziehung von Personen in den Kreis der Erben zum Gegenstand, die bereits durch ihre Geburt oder durch einen willentlichen Akt des Erblassers Noterben wurden, nicht aber Personen, die bei ihrer Geburt nicht Noterben waren und die diese Position nur durch einen späteren gesetzgeberischen Akt erlangt haben. Legt man nämlich der erwähnten Bestimmung Bedeutung im irrtumsrechtlichen Sinn bei (s Welser in Rummel2 Rz 7 zu § 778 mwN), so ergibt sich ihr Zweck derart, daß Personen berücksichtigt werden sollten, die der Erblasser zumindest bei ihrer Geburt oder willentliche Akte, die die Personen ehelichen Kindern gleichstellten, als Noterben in seine Erwägungen miteinbeziehen hätte können. Dies ist bei Personen, die die Noterbeneigenschaft erst später durch einen gesetzgeberischen Akt erlangt haben, nicht der Fall. § 778 Fall 2 ABGB hat nur Änderungen im Tatsachenbereich im Auge, nicht aber Gesetzesänderungen. Er gilt daher für u.e. Kinder nur, wenn diese nach dem Inkrafttreten des UeKindG geboren wurden oder wenn das Testament nach diesem Zeitpunkt errichtet wurde. Da aber nur bei Verwirklichung eines dem § 778 Fall 2 ABGB zu subsumierenden Sachverhaltes die Vermutung für den Irrtum und dessen Kausalität für die Übergehung streitet und demgemäß die Beweislast für mangelnden Irrtum oder mangelnde Kausalität beim eingesetzten Erben liegt, bleibt es in anderen Fällen - wie etwa in dieser Rechtssache - bei der allgemeinen Beweislastregel, daß der Kläger die anspruchsbegründenden Tatsachen zu beweisen hat. Dies ist ihm nach den getroffenen Feststellungen nicht gelungen. Es war daher der Revision Folge zu geben und das klageabweisende Urteil des Erstgerichtes in der Hauptsache wieder herzustellen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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