OGH 8Ob602/91

OGH8Ob602/9126.9.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Graf, Dr. Jelinek und Dr. Schinko als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder Johannes-Eric K***** und Marie-Therese K*****, infolge Revisionsrekurses der beiden Minderjährigen, vertreten durch die Mutter Anne-Marie Ida K*****, diese vertreten durch Dr. Werner Sporn, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 18.April 1991, GZ 47 R 223/91-25, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 25.Februar 1991, GZ 2 P 124/90-21, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern der beiden mj. Kinder Johannes-Eric und Marie-Therese K***** wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 16.November 1989 rechtskräftig geschieden. Die Obsorge betreffend die beiden Minderjährigen steht der Mutter zu. Der Vater Dkfm. Dr. Johann Franz K***** ist seit 1.11.1989 zu monatlichen Unterhaltsbeiträgen von je S 6.000,-- pro Kind verpflichtet.

Mit den Anträgen vom 21.10.1990 und 14.1.1991 begehrte die Mutter, den Vater im Hinblick auf seine behauptete diesbezügliche außergerichtliche Verpflichtungserklärung zur Zahlung folgender weiteren, für die beiden mj. Kinder aufgewendeten und im übrigen Sonderbedarf betreffenden Beträge zu verpflichten:

Landschulwoche S 2.000,--

Kassettenhalter " 198,--

Schulbedarf " 500,--

Uhrbatterie " 120,--

Schuhreparatur " 220,--

Haarspangen " 200,--

Essensmarken Schule " 400,--

Hose " 968,--

Kleider " 3.656,--

Reparatur Kopfpolster " 106,--

Schulbedarf " 1.124,90

Schulbedarf " 1.970,--

Buch " 210,--

Nachhilfe " 1.625,--

Schule " 111,--

Schule " 101,--

S 13.889,90

Uhrband S 230,--

2 Wecker samt Batterien " 408,--

Rucksack und Zeichendreieck " 484,--

Schulbedarf " 400,--

Theater " 300,--

Englischnachhilfe " 200,--

Schulbedarf " 157,50

Schulbedarf " 155,--

Schulbedarf " 129,--

Schulbedarf " 156,30

Schulbedarf " 100,40

Eislaufen " 70,--

Bücher " 269,80

Bücher " 1.402,--

Spiele " 1.040,--

Kleidung " 1.724,--

Kleidung " 1.600,--

Kleidung " 450,--

Kleidung " 930,--

Kleidung " 820,--

Kleidung " 341,--

Kleidung " 455,-- S 11.682,--

Jahresmitgliedsbeiträge

beim Tennisverein je S 3.900,-- " 7.800,--

Der Vater erklärte in seinen Stellungnahmen, zur zusätzlichen Zahlung dieser Beträge neben dem laufenden Unterhalt nicht verpflichtet zu sein.

Das Erstgericht wies beide Anträge ab.

Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig. In seiner Entscheidungsbegründung führte es aus:

Das Wesen des Sonderbedarfes bestehe darin, daß er durch das Moment der Individualität und Außergewöhnlichkeit bestimmt werde. Einem Bedarf, der wenn auch nicht laufend aber doch mit weitgehender Regelmäßigkeit für die Mehrzahl unterhaltsberechtigter Kinder anfalle, könne die Wertung als Individualbedarf nicht zuerkannt werden. Demgemäß seien Kosten, die etwa im Rahmen der üblichen Schulausbildung entstünden und im wesentlichen alle Kinder beträfen, wie etwa Schulskikurse, Schullandwoche oder Schulbedarfsartikel im allgemeinen nicht als Sonderbedarf anzusehen. Dies gelte im besonderen Maße auch für die hier im einzelnen geltend gemachten Kleidungskosten und Essensmarken, weil der laufende Unterhalt gerade diese Kosten abdecken sollte. Ebensowenig bildeten Sportausübungskosten wie etwa für Tennisunterricht einen Individualbedarf. Inwieweit die Kosten für Nachhilfestunden als Sonderbedarf zu qualifizieren seien könne hier dahingestellt bleiben, denn der Vater erbringe laufende Unterhaltsleistungen, die den Durchschnittsbedarf der mj. Kinder ganz erheblich überstiegen, sodaß die auf den Monat umgelegten Kosten der Nachhilfestunden durchaus untergebracht werden könnten. Die von der Rechtsprechung für die Unterhaltsbemessung herausgearbeiteten Entscheidungshilfen (Prozentsätze, Durchschnittsbedarf) seien immer nur als Orientierungshilfen anzusehen, die Erfahrungswerte lieferten, welche im allgemeinen eine Verteilungsgerechtigkeit im Sinne des § 140 ABGB ermöglichten. Gerade in Grenzsituationen, d.h. bei besonders niedrigem oder hohem Einkommen oder bei einer Vielzahl von Sorgepflichten, dürfe es zu keiner starren Anwendung des Prozentsystems kommen, weil dies im Einzelfall zu unrealistischen Ergebnissen führe. Bei erheblich über dem Durchschnitt liegenden Einkommensverhältnissen Unterhaltspflichtiger seien im allgemeinen die maßgeblichen Prozentsätze nicht voll auszuschöpfen, sondern den Kindern solche Unterhaltsbeträge zuzusprechen, die zur Deckung ihrer an den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen orientierten Bedürfnisse erforderlich seien. Hier erhielten die Kinder monatliche Unterhaltsbeträge, die ganz erheblich über dem Durchschnittsbedarf Gleichaltriger (= je S 3.020,-- monatlich) lägen. Mit diesen Beträgen könnten daher auch beträchtlich über dem Durchschnitt liegende, allenfalls sogar Luxus-Bedürfnisse in angemessener Weise befriedigt werden. Ein Teilhaben der Kinder am allenfalls überdurchschnittlichen Einkommen des Vaters sei damit entsprechend gesichert. Somit habe es hier einer Überprüfung des Einkommens des unterhaltspflichtigen Vaters nicht bedurft. Die geltend gemachten "Sonderausgaben" seien zudem von vornherein nicht als Individualbedarf anzusehen. Dem Rekursvorbringen, die behauptete außergerichtliche Verpflichtung des Vaters, für Extraausgaben der Kinder im Zusammenhang mit kulturellen und sportlichen Aktivitäten usw aufzukommen, sei nicht geprüft worden, sei zu erwidern, daß eine solche Verpflichtungserklärung vom Vater bestritten worden sei und nur im Rechtsweg durchgesetzt werden könne. Das Rekursbegehren, die gegenständlichen Anträge bei Verneinung des Vorliegens des damit geltendgemachten Individualbedarfes als Anträge auf Unterhaltserhöhung aufzufassen, übersehe, daß auch im außerstreitigen Antragsverfahren die Parteien an ihre Sachanträge gebunden seien.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der beiden mj. Kinder mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Antragsstattgebung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Rechtsmittelwerber bringen vor, für den gemäß § 140 ABGB ausgemessenen Unterhalt gelte keine Obergrenze, die Praxis orientiere sich zwar häufig am zweieinhalbfachen Durchschnittsbedarf, grundsätzlich sei jedoch von den Umständen des Einzelfalles auszugehen. Im vorliegenden Falle hätte der in überdurchschnittlichen Lebensverhältnissen stehende Vater - sein Einkommen und Vermögen sei nicht festgestellt worden - nach der Prozentmethode einen wesentlich höheren Unterhalt als monatlich je S 6.000,-- zu leisten, obzwar schon diese Beträge erheblich über dem Durchschnittsbedarf lägen. Ein "übermäßiger Luxus" sei den Kindern aber auch bei Zuerkennung der zusätzlich begehrten Beträge nicht möglich. Diese Ansprüche stellten zudem einen Sonderbedarf und höchstens zum Teil einen vom Vater nach seinen Lebensverhältnissen ebenfalls zu tragenden "Luxus-Sonderbedarf" dar, der auch als "höherer monatlicher Unterhalt" geltend gemacht werden könne.

Der Revisionsrekurs ist aus nachstehenden Gründen unzulässig und daher zurückzuweisen:

Rechtliche Beurteilung

Auch in Unterhaltssachen ist die Anrufung des Obersten Gerichtshofes gemäß § 14 Abs 1 AußStrG nur wegen erheblicher Rechtsfragen zulässig (6 Ob 556/90). Hier steht zunächst die Frage zur Entscheidung, unter welchen Voraussetzungen bei erheblich über dem Durchschnittsbedarf liegenden Unterhaltsleistungen des Vaters ein allfälliger Sonderbedarf dennoch zusätzlich geltend gemacht werden kann. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in mehreren Entscheidungen (1 Ob 585/90;

6 Ob 608/90; 3 Ob 1502/91) ausgesprochen, daß der vom

Unterhaltsschuldner zu bestreitende Sonderbedarf des

Unterhaltsberechtigten dann streng geprüft werden muß, wenn

ersterer ohnehin Unterhaltsleistungen erbringt, die den

Regelbedarf beträchtlich überschreiten. Eine solche Prüfung führt

dazu, daß der Unterhaltspflichtige zur Deckung eines

Sonderbedarfes nur dann verhalten werden darf, wenn der

Unterhaltsberechtigte dartut, daß er trotz der den Regelbedarf

erheblich übersteigenden Unterhaltsbeträge außerstande wäre,

diese Kosten auf sich zu nehmen. Ein solcher Beweis gelänge dem

Unterhaltsberechtigten etwa dann, wenn er nachweisen kann, daß

der Überhang der regelmäßigen Unterhaltsleistungen durch die

Bestreitung anderen anerkennenswerten Sonderbedarfes bereits

aufgezehrt ist.

Im vorliegenden Fall hat das Rekursgericht zugrundegelegt, daß

die vom Vater den beiden mj. Kindern geleisteten

Unterhaltsbeträge ganz erheblich über dem Durchschnittsbedarf

liegen (= das rund Zweifache desselben betragen) und jedenfalls

auch die Abdeckung der hier geltend gemachten, im übrigen nach

Ansicht des Rekursgerichtes insgesamt gar nicht als Sonderbedarf

zu qualifizierenden Aufwendungen zuließen. Damit hat das

Rekursgericht eine Prüfung und Beurteilung im Sinne der

vorstehenden oberstgerichtlichen Rechtsprechung vorgenommen und

auf deren Grundlage eine Zahlungsverpflichtung des Vaters

verneint. Ob der eine oder andere der oben wiedergegebenen

Einzelposten im allgemeinen Sonderbedarf darstellen könnte, ist

demgemäß für die Entscheidung im vorliegenden Falle

bedeutungslos. Eine Rechtsfrage von der in § 14 Abs 1 AußStrG

vorausgesetzten Bedeutung liegt nicht vor.

Auch mit der Ausführung, die geltend gemachten Beträge seien vom

Rekursgericht gegebenenfalls als "erhöhter laufender Unterhalt"

zuzuerkennen gewesen, kann die Zulässigkeit des Rechtsmittels

nicht begründet werden. Es wurde bereits in zahlreichen

Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes ausgesprochen

(ÖAmtsVd 1990, 109; 3 Ob 1509/90; 7 Ob 671/90 ua), daß bei einem

überdurchschnittlichen Einkommen des Unterhaltspflichtigen die

Prozentkomponente nicht voll auszuschöpfen ist, sondern den

Kindern Unterhaltsbeträge zuzusprechen sind, die zur Deckung

ihrer - an den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen

orientierten - Lebensbedürfnisse erforderlich sind. Ob dabei ein

"Unterhaltsstopp" im Einzelfall beim Zweieinhalbfachen des

Regelbedarfes oder schon beim rund Zweifachen davon eintreten

soll, stellt nach diesen Entscheidungen keine erhebliche

Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG dar. Demgemäß ist

aber auch hier die Frage, ob den beiden mj. Kindern nach dem

Inhalt des gestellten Antrages allenfalls ein höherer laufender

Unterhalt zugesprochen werden könnte, obschon sie bereits das

Zweifache des Regelbedarfes erhalten, von vornherein einer Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof entzogen.

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