OGH 1Ob16/91

OGH1Ob16/915.6.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helene M*****, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei REPUBLIK ÖSTERREICH, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen Feststellung (Streitwert S 500.000,--) infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 15. Februar 1991, GZ 14 R 235/90-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 27. August 1990, GZ 52 c Cg 1055/89-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 44.965,-- bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 5.827,50 Umsatzsteuer und S 10.000,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen).

Text

Entscheidungsgründe:

Beim Bezirksgericht Floridsdorf war zu 8 E 34/87 das Verfahren zur Zwangsversteigerung jener Hälfte der Liegenschaft EZ 2176 KG Brigittenau anhängig, deren Eigentümer unbekannten Aufenthaltes war und durch einen Abwesenheitskurator vertreten wurde. Der Schätzwert der in Exekution gezogenen Liegenschaftshälfte wurde mit S 1,021.700,-- festgestellt; das geringste Gebot betrug daher S 510.850,--. Der Versteigerungstermin wurde mit Beschluß vom 3. Dezember 1987 auf den 25. Februar 1988 anberaumt.

Am 16. Februar 1988 wurde von dritter Seite der Antrag auf Übernahme der Liegenschaftshälfte um den Preis von

S 1,278.000,-- und Einstellung der Exekution gemäß § 200 Z 1 EO gestellt. Mit Beschluß vom selben Tag ordnete das Exekutionsgericht die Tagsatzung zur Verhandlung über diesen Übernahmsantrag auf den 24. Februar 1988 an und beraumte gleichzeitig den Versteigerungstermin ab.

Am 23. Februar 1988 beantragte die klagende Partei die Übernahme des Exekutionsobjektes um S 1,4 Mio, erbot sich § 200 Z 1 EO gemäß ebenso wie die anderen Übernahmswerber zur Übernahme aller Lasten und erlegte auch einen entsprechenden Betrag als Sicherheit.

Mit Beschluß vom 28. April 1988 wies das Exekutionsgericht den Übernahmsantrag der Klägerin zurück, weil er nicht rechtzeitig vor dem Versteigerungstermin gestellt worden sei, und versagte dem anderen Übernahmsanbot deshalb die Genehmigung, weil die Gläubiger insgesamt Beträge von S 939.959,33 und S 349.785,36 betrieben und diese Forderung im angebotenen Übernahmspreis keine vollständige Deckung fänden. Gegen diesen Beschluß erhob die Klägerin Rekurs, dem das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Gericht zweiter Instanz mit Beschluß vom 26. September 1989 im wesentlichen mit der Begründung Folge gab, daß der Versteigerungstermin nicht mehr aufrecht gewesen sei.

In der Folge wurde die Forderung der betreibenden Partei vollständig befriedigt und die Exekution deshalb eingestellt. Die in Exekution gezogene Liegenschaftshälfte wurde freihändig an jene beiden Personen verkauft, die den zeitlich früheren Übernahmsantrag gestellt hatten.

Die Klägerin erwirkte als Eigentümerin der anderen Hälfte der Liegenschaft EZ 2176 KG Brigittenau ein in Rechtskraft erwachsenes Teilungsurteil. Das Verfahren zur Vollstreckung dieses Urteils ist derzeit noch anhängig.

Die Klägerin begehrte im Amtshaftungsverfahren die Feststellung, daß ihr der beklagte Rechtsträger für alle nachteiligen Folgen aus dem Beschluß des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 28. April 1988 einzustehen habe. Sie habe die Liegenschaftshälfte mit dem Übernahmsantrag um S 1,4 Mio erwerben wollen. Mit der unzutreffenden, aber auch unvertretbaren Begründung, die Klägerin habe die in § 202 Abs 1 EO vorgesehene achttägige Frist versäumt, sei dieser Antrag vom Exekutionsgericht zurückgewiesen worden. Der Versteigerungstermin sei wegen eines anderen Übernahmsantrages bereits abgesetzt gewesen. Wohl sei dem Rekurs der Klägerin Folge gegeben und dem Exekutionsgericht die neuerliche Entscheidung über den Übernahmsantrag aufgetragen worden, doch habe das Erstgericht diesem Auftrag nicht mehr entsprechen können, weil die vom Abwesenheitskurator vertretene verpflichtete Partei die Liegenschaftshälfte in der Zwischenzeit - zu schlechteren Bedingungen als im Übernahmsantrag der Klägerin angeboten - verkauft und die Forderung der betreibenden Partei mit dem Erlös zur Gänze befriedigt habe. Das Exekutionsverfahren sei bereits am 19. Oktober 1988 eingestellt und der Übernahmsantrag der Klägerin deshalb am 18. November 1988 abgewiesen worden. Diesen Beschluß habe das Rekursgericht bestätigt. Zur Schadensminderung habe die Klägerin, um die Liegenschaftshälfte doch noch erwerben zu können, gegen die Erwerber die Klage auf Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft eingebracht; die Miteigentümer hätten den Teilungsanspruch anerkannt. Bisher sei noch kein Versteigerungstermin angeordnet worden. Für den Erwerb der Liegenschaftshälfte werde die Klägerin einen höheren Betrag als S 1,4 Mio aufwenden müssen; der Schaden könne aber noch nicht beziffert werden, weshalb ein Feststellungsbegehren erhoben werde.

Die beklagte Partei wendete ein, das Exekutionsgericht habe sich bei der Zurückweisung des Übernahmsantrages der Klägerin auf eine vertretbare Rechtsansicht gestützt. Schutzobjekte der in Betracht kommenden Vorschriften seien überdies nur die betreibenden Parteien, die an der Pfandsache Berechtigten und der Verpflichtete, nicht jedoch auch der Übernahmswerber.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, aufgrund der gestiegenen Nachfrage und der dadurch erhöhten Marktpreise für solche Objekte werde die Klägerin, falls sie die in Exekution gezogen gewesene Liegenschaftshälfte selbst erwerben wolle, einen höheren Betrag als S 1,4 Mio aufwenden müssen. Rechtlich meinte das Erstgericht, gemäß § 202 Abs 1 EO seien Einstellungsanträge nach § 200 Z 1 EO spätestens acht Tage vor dem anberaumten Versteigerungstermin anzubringen, widrigens sie ohne Verfahren zurückzuweisen seien. Im Sinne des § 1 AHG sei eine Rechtsansicht unvertretbar, wenn sie im äußersten vorstellbaren Wortsinn des Gesetzes keine Deckung finde. Da die genannte Bestimmung ausdrücklich vom anbraumten Versteigerungstermin spreche und ein Versteigerungstermin nicht anberaumt gewesen sei, sei die Rechtsansicht des Exekutionsgerichtes daher als unvertretbar zu beurteilen. Bei alternativ rechtmäßigem Verhalten des Exekutionsgerichtes wäre daher der dem Gesetz entsprechende Übernahmsantrag der Klägerin zu genehmigen gewesen, so daß diese das Eigentum an der Liegenschaftshälfte erworben hätte. Da der Antragsteller bei Zutreffen der Voraussetzungen Anspruch auf Übertragung der in Exekution gezogenen Liegenschaft habe, sei auch der Übernahmswerber vom Schutzzweck des § 200 EO umfaßt.

Das Gericht zweiter Instanz wies das Feststellungsbegehren ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige, die ordentliche Revision jedoch nicht zulässig sei. Es führte in Erledigung der Rechtsrüge aus, die Vorschriften der §§ 200 ff EO dienten dazu, Kauflustigen den Eigentumserwerb zu ermöglichen, ohne sich den mitunter hektischen Vorgängen eines Versteigerungsverfahrens auszusetzen, weil dem Gesetzgeber durch die in § 200 Z 1 EO festgelegten Voraussetzungen gewährleistet erscheine, daß bei deren Einhaltung die Interessen der Verfahrensbeteiligten mindestens ebensogut geschützt seien wie im Versteigerungsverfahren. Deshalb sei auch der Übernahmswerber in den Schutzzweck der in Betracht kommenden Vorschriften einbezogen. Damit sei für die Klägerin jedoch nichts gewonnen. Ein bereits einmal festgesetzter Versteigerungstermin bleibe anberaumt, weil die Tatsache, daß er bereits einmal anberaumt war, auch durch seine Absetzung nicht aus der Welt geschafft werde. Die Auffassung des Exekutionsgerichtes sei also durch den äußersten vorstellbaren Wortsinn des Gesetzes gedeckt und somit vertretbar. Die "Reduktion des Wortsinns durch finale Auslegung" in der Rekursentscheidung entspreche zwar sinnvoller Gesetzesauslegung, decke aber nicht den gesamten Wortsinn des § 202 Abs 1 letzter Satz EO. Überdies sei höchstgerichtliche Judikatur im Sinne der Rekursentscheidung bisher lediglich einmal (RZ 1967, 106) veröffentlicht worden; weder die "Lehrbücher von Heller-Berger-Stix EO4 noch Neumann, EO" behandelten den Fall eines bereits abgesetzten Versteigerungstermines und die erwähnte höchstgerichtliche Entscheidung sei auch nicht in die damals in Gebrauch gestandene 11. Auflage der MGA der Exekutionsordnung aufgenommen worden. Dem Erstgericht sei daher keine herrschende Judikatur zur Auslegung des hier entscheidenden Begriffs des "anberaumten Versteigerungstermins" zur Verfügung gestanden.

Die Klägerin erblicke in dem Betrag, den sie zum Erwerb der Liegenschaftshälfte werde aufwenden müssen, ihren Schaden, soweit er den Betrag von S 1,4 Mio übersteige. Der Schaden sei jedoch dadurch zu ermitteln, daß zunächst der Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis festzustellen und davon der tatsächliche Vermögensstand abzuziehen sei. Falle dem Organ Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last, habe der Rechtsträger "volle Genugtuung", sonst nur "eigentliche Schadloshaltung" zu gewähren. Ginge man nun von einer unvertretbaren Ansicht des Exekutionsgerichtes aus, so könnte dem Organ nur leichte Fahrlässigkeit vorgeworfen werden. Nur bei einem Organverhalten, das objektiv auf einen besonders schwerwiegenden Sorgfaltsverstoß zurückzuführen sei, hafte der Rechtsträger auch für entgangenen Gewinn. Aus den angestellten Erwägungen könnte auch bei Unterstellung unvertretbarer Rechtsauffassung bloß eigentliche Schadloshaltung gewährt werden, die auf den Ersatz des gemeinen Wertes der Sache im Zeitpunkt der Schädigung beschränkt sei. Zur Schadensberechnung wäre daher der Verkehrswert der Liegenschaftshälfte im April 1988 abzüglich eines Betrages von S 1,4 Mio s.A. zu ermitteln. Unerheblich wäre der bei der Versteigerung aufzuwendende Betrag, weil dieser nicht mit dem Verkehrswert der Liegenschaftshälfte in Einklang stehen müsse und eine Wertsteigerung zwischen schädigendem Ereignis und Versteigerung entgangener Gewinn wäre. Da der Berechnung des Schadens kein Hindernis mehr entgegenstehe, somit die Leistungsklage möglich wäre, sei die Feststellungsklage nicht zuzulassen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist berechtigt.

Sie leitet ihren Amtshaftungsanspruch aus dem Beschluß des Exekutionsgerichtes vom 28. April 1988 ab, mit dem ihr Übernahmsantrag zurückgewiesen wurde, weil er nicht rechtzeitig vor dem Versteigerungstermin gestellt worden sei. Dadurch sei die mit dem Übernahmsanbot verbundene günstige Erwerbsgelegenheit vereitelt worden.

Vorerst gilt es zu prüfen, ob die diesem Beschluß vom Exekutionsgericht zugrundegelegte Rechtsansicht, wie vom Erstgericht angenommen, unvertretbar ist oder aber - so der Standpunkt des Gerichtes zweiter Instanz - als noch vertretbar beurteilt werden muß: Gemäß § 200 Z 1 EO ist das Versteigerungsverfahren einzustellen, wenn ein Dritter unter entsprechender Sicherheitsleistung die Liegenschaft um einen Preis übernehmen will, der ihren Schätzungswert um mindestens ein Viertel übersteigt, und sein Anbot den dort näher umschriebenen weiteren Voraussetzungen entspricht. Doch sind solche Einstellungsanträge, die nicht spätestens acht Tage vor dem anberaumten Versteigerungstermin angebracht werden, nach § 202 Abs 1 zweiter Satz EO ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen. Das Exekutionsgericht hat den Übernahmsantrag der Klägerin unter Berufung auf diese Bestimmung zurückgewiesen, obwohl dieser Antrag erst eine Woche nach Abberaumung des Versteigerungstermines gestellt worden war. Zweck der im § 202 Abs 1 EO angeordneten Befristung ist es, die Vereitelung des Versteigerungstermins durch kurz vorher gestellte Übernahmsanträge und die dabei zu gewärtigende Verfahrensverschleppung hintanzuhalten. Diese Absicht kann aber wohl dann nicht unterstellt werden, wenn der Versteigerungstermin bei der Antragstellung noch gar nicht anberaumt oder - wie im vorliegenden Fall - aus anderem Grund schon wieder abberaumt war. Wurde der Versteigerungstermin abberaumt, so sind auch jene Übernahmsanträge zu berücksichtigen, die später als acht Tage nach dem anberaumt gewesenen Termin gestellt wurden (RZ 1967, 106; zuletzt wieder 3 Ob 137/80); zutreffend hat das Rekursgericht im Versteigerungsverfahren deshalb diesen Beschluß auch aufgehoben.

Nach wie vor steht die beklagte Partei auf dem Standpunkt, der Amtshaftungsanspruch der Klägerin sei schon mangels Rechtswidrigkeitszusammenhanges nicht berechtigt, weil der Übernahmswerber nicht in den Schutzzweck der Bestimmungen der Exekutionsordnung über den Übernahmsantrag einbezogen sei. Nun ist zwar in der Tat aufgrund rechtswidrigen Verhaltens nur für jenen hiedurch verursachten Schaden einzustehen, den die übertretene Verhaltensnorm ihrem Schutzzweck zufolge gerade - oder auch - verhindern sollte (Schragel, AHG2 Rz 121; SZ 61/189 ua), doch übersieht die beklagte Partei dabei, daß der Übernahmswerber Anspruch auf Genehmigung seines Anbotes hat, sofern es den gesetzlich festgelegten Bedingungen entspricht (vgl Heller-Berger-Stix 1410; vgl. auch Feil, EO § 204 Rz 6) und demgemäß auch den Beschluß, mit dem sein Anbot zurückgewiesen wurde, mit Rekurs bekämpfen kann (EvBl 1977/74 ua;

Heller-Berger-Stix 1411). In der - nicht

veröffentlichten - Entscheidung vom 21. September 1966, 3 Ob 99, 100/66 hat der Oberste Gerichtshof zur Rekurslegitimation des Übernahmswerbers ausgesprochen, dessen Stellung gleiche jener des Bieters bei der Zwangsversteigerung. So wie dieser - insbesondere nach § 184 Abs 1 Z 5 EO - zum Widerspruch gegen die Erteilung des Zuschlags und deshalb auch zum Rekurs (§ 187 Abs 1 EO) berechtigt sei, müsse auch dem Übernahmswerber die Befugnis zugebilligt werden, sich gegen die Zurückweisung seines Anbots zu wehren. Dem ist zuzustimmen. Damit ist aber auch der Auffassung der beklagten Partei, der Übernahmswerber sei vom Schutzzweck der exekutionsrechtlichen Vorschriften über den Übernahmsantrag ausgeschlossen, schon deshalb der Boden entzogen, weil diese Bestimmungen gerade auch dessen Interessen ihren Schutz angedeihen lassen.

Allerdings kann nicht jedes rechtswidrige Organverhalten auch schon als schuldhaft beurteilt werden (Schragel aaO Rz 147): Im Amtshaftungsverfahren ist deshalb - anders als im Rechtsmittelverfahren - nicht bloß zu prüfen, ob die beanstandete Entscheidung richtig ist, sondern auch, ob sie auf einer vertretbaren Rechtsauffassung beruht. Unvertretbar ist die Rechtsansicht jedenfalls dann, wenn die anzuwendende gesetzliche Bestimmung eindeutig ist und zudem höchstrichterliche Rechtsprechung als Entscheidungshilfe zur Verfügung steht (SZ 52/56 ua). Die im vorliegenden Fall vom Exekutionsgericht zur Begründung seines Beschlusses herangezogene Vorschrift (§ 202 Abs 1 letzter Satz EO) gebietet die Zurückweisung von Einstellungsanträgen, die nicht spätestens acht Tage vor dem anberaumten Versteigerungstermin angebracht werden. Der Wortlaut dieser Bestimmung läßt gar keine andere Deutung zu, als daß nur der (noch) aufrechte Versteigerungstermin der Zulässigkeit solcher Anträge entgegenstehen kann; jede andere Auslegung würde den Sinn und das Gewicht des Wortes "anberaumt" ins Gegenteil verkehren. Die Meinung des Gerichtes zweiter Instanz, ein einmal festgesetzter Versteigerungstermin bleibe anberaumt, diese Tatsache könne auch durch dessen Absetzung nicht aus der Welt geschaffen werden, die dem beanstandeten Beschluß zugrundegelegte Rechtsansicht des Exekutionsgerichtes finde deshalb noch im äußersten vorstellbaren Wortsinn Deckung (vgl hiezu Vrba-Zechner, Kommentar zum Amtshaftungsrecht, 99 und FN 91) und sei deshalb vertretbar, ist schon deshalb verfehlt, weil nach der Abberaumung von einem "anberaumten Versteigerungstermin" keine Rede mehr sein kann. Die im § 202 Abs 1 zweiter Satz EO vorgesehene Befristung knüpft die Unzulässigkeit der dort zeitlich näher eingeordneten Einstellungsanträge nicht an anberaumt gewesene, sondern an anberaumte Termine. Da zudem veröffentlichte oberstgerichtliche Judikatur zu dieser Frage vorliegt, kann die Rechtsauffassung des Exekutionsgerichtes nicht mehr als vertretbar beurteilt werden.

Aber auch die Frage nach der Art des geltend gemachten Anspruches - die von den Parteien übrigens bis dahin gar nicht aufgeworfen worden war - hat das Gericht zweiter Instanz nicht richtig gelöst. Es erblickt in der Klagsforderung einen Anspruch auf Ersatz entgangenen Gewinns, den die beklagte Partei in der Tat nur bei auffallender Sorglosigkeit ihres Organs zu leisten verpflichtet wäre. Die Klägerin macht aber geltend, sie hätte die in Exekution gezogene Liegenschaftshälfte um S 1,4 Mio erworben, wenn das Exekutionsgericht ihren Übernahmsantrag so wie geboten genehmigt hätte; der Schaden, den sie - möglicherweise - durch die Vereitelung dieser Erwerbschance erleiden werde, werde aber erst feststehen, wenn die Versteigerung der Liegenschaft in Vollstreckung des von ihr gegen die Erwerber der Liegenschaftshälfte erwirkten Teilungsurteiles durchgeführt worden sei. Die Differenz zwischen dem zulässigerweise gebotenen Übernahmspreis und dem auf diese Liegenschaftshälfte entfallenden Meistbot sei ihr Schaden.

Nun macht bei Erwerbschancen die Grenzziehung zwischen positivem Schaden und entgangenem Gewinn gewisse Schwierigkeiten (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht2 I 16). Nach herrschender Auffassung (SZ 52/187 mwN uva; Koziol aaO 16 f; Reischauer in Rummel, ABGB § 1293 Rz 8 und 12) ist die Vernichtung einer Erwerbschance nur dann positiver Schaden, wenn diese im Zeitpunkt der Schädigung einen gegenwärtigen selbständigen Vermögenswert bildet; das ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Geschädigte eine rechtlich gesicherte Position hat, den Gewinn zu erzielen. Die Klägerin hatte einen Übernahmsantrag gestellt, mit dessen Genehmigung sie die Liegenschaftshälfte um S 1,4 Mio erworben hätte. Dieses Anbot hätte das Erstgericht genehmigen müssen; daß der Antrag einzelnen gesetzlichen Voraussetzungen nicht entsprochen habe, hat selbst die beklagte Partei nicht behauptet. Diese rechtlich gesicherte Position der Klägerin wurde nun dadurch vereitelt, daß der Verpflichtete das Exekutionsobjekt verkaufte und die Einstellung der Exekution gemäß § 40 EO erwirkte, ehe noch das Exekutionsgericht über den Übernahmsantrag der Klägerin nach Aufhebung seines Zurückweisungsbeschlusses durch das Rekursgericht neuerlich entschied. Soweit die Klägerin hiedurch einen Schaden erlitten hat, ist dieser daher nicht als entgangener Gewinn, sondern als positiver Schaden zu beurteilen, zu dessen Ersatz die beklagte Partei daher bei jedem Organverschulden - also auch bei leichter

Fahrlässigkeit - verpflichtet ist.

Letztlich kann dem Gericht zweiter Instanz aber auch nicht in dessen Ansicht über das mangelnde Feststellungsinteresse gefolgt werden. Es trifft zwar zu, daß der Schaden der Klägerin an sich in der Differenz zwischen dem Übernahmspreis (S 1,4 Mio) und dem gemeinen Wert der Liegenschaftshälfte im Schädigungszeitpunkt besteht. Die Klägerin betreibt aber die Versteigerung der gesamten Liegenschaft in Vollstreckung eines Teilungsurteiles; würde ihr dort die Liegenschaft um ein Meistbot zugeschlagen werden, dessen auf die in Exekution gezogene Hälfte entfallender Betrag den Übernahmspreis jedenfalls nicht übersteigt, so wäre in ihrem Vermögen kein Schaden eingetreten. Da die Höhe des angesichts der erstinstanzlichen Feststellungen jedenfalls drohenden Schadens noch nicht feststeht, kann ihr daher auch das Feststellungsinteresse nicht abgesprochen werden (ecolex 1990, 406 mwN).

Erweist sich somit das Feststellungsbegehren der Klägerin als berechtigt, ist das erstinstanzliche Urteil in Stattgebung der Revision der Klägerin demgemäß wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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