OGH 8Ob633/90

OGH8Ob633/9024.1.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Graf und Dr. Jelinek als Richter in der Pflegschaftssache der ***** mj. Doris V***** infolge Revisionsrekurses der Minderjährigen, vertreten durch das Amt für Jugend und Familie des Magistrates der Stadt Wien, 19. Bezirk, Gatterburggasse 14, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 28. Juni 1990, GZ 47 R 353/90-201, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 8. März 1990, GZ 2 P 37/85-198, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden derart abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Die der Minderjährigen mit dem Beschluß des Erstgerichtes vom 9. 2. 1987, 2 P 37/85-48, gewährten Unterhaltsvorschüsse werden für die Zeit vom 1. 8. 1988 bis 31. 12. 1989 auf monatlich S 1.700,- und ab 1. 1. 1990 bis 31. 1. 1990 auf monatlich S 1.900,-, beides jedoch höchstens in der Höhe des jeweiligen Richtsatzes für pensionsberechtigte Halbwaisen nach § 293 Abs 1 lit c bb erster Fall, 108 f ASVG, erhöht."

Text

Begründung

Mit dem Beschluß des Erstgerichtes vom 9. 2. 1987 wurden der Minderjährigen gemäß den §§ 3, 4 Z 1 UVG für die Zeit vom 1. 2. 1987 bis 31. 1. 1990 Unterhaltsvorschüsse von monatlich S 600,- gewährt. Mit dem Beschluß vom 13. 10. 1989 wurde die Unterhaltsverpflichtung der Unterhaltsschuldnerin für die Zeit vom 5. 7. 1988 bis 22. 1. 1989 auf monatlich S 1.700,- sowie ab 23. 1. 1989 auf monatlich S 1.900,- erhöht. Dem dagegen erhobenen Rekurs der Unterhaltsschuldnerin gab das Rekursgericht mit dem Beschluß vom 18. 1. 1990 nicht Folge.

Das Erstgericht wies den Antrag der durch das zuständige Bezirksjugendamt vertretenen Minderjährigen auf rückwirkende Anpassung der gewährten Unterhaltsvorschüsse für die Zeit vom 5. 7. 1988 bis 31. 1. 1990 auf Titelhöhe ab. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil die Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz zu diesem Fragenkomplex uneinheitlich sei. Nach Auffassung des erkennenden Rekurssenates könnten die für die Zeit vom 1. 2. 1987 bis 31. 1. 1990 gewährten Vorschüsse auf Grund eines erst im März 1990 gestellten Antrages entgegen anderslautenden Entscheidungen von Rekurssenaten keine rückwirkende Erhöhung erfahren.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Revisionsrekurs der Minderjährigen mit dem Begehren auf Stattgebung des Antrages; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Rechtsansicht des Rekursgerichtes sei unrichtig; sie beruhe auf einer mißverständlichen Auslegung der EBzRV zu § 19 Abs 2 UVG. Die hier gebrauchte Formulierung, daß die Erhöhung der Vorschüsse nur für den noch offenen Teil des gewährten Vorschußzeitraumes angewendet werden dürfe, begrenze nur zukünftige Vorschußzeiträume, schließe jedoch im Gegensatz zur Auffassung des Rekursgerichtes eine Anpassung der Vorschüsse auf abgelaufene Vorschußzeiträume nicht aus.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat schon mehrfach die Frage der Anpassung gewährter Unterhaltsvorschüsse auf die Höhe auferlegter Unterhaltsbeiträge behandelt (7 Ob 582/90; 7 Ob 608/90; 7 Ob 630/90; 1 Ob 619/90). Er hat ausgesprochen, daß dann, wenn bei laufender Vorschußgewährung der Unterhaltsbeitrag erhöht wird, auch die Erhöhung der Vorschüsse mit dem der Unterhaltserhöhung folgenden Monatsersten anzuordnen ist. Aus dem Wortlaut des § 19 Abs 2 UVG ergibt sich, daß die im Falle der Erhöhung des Unterhaltsbeitrages anzuordnende Erhöhung des Unterhaltsvorschusses zugleich mit der Erhöhung des Unterhaltsbeitrages wirksam werden soll. Dies war auch die Absicht des Gesetzgebers. Der § 19 Abs 2 UVG erhielt seine derzeitige Fassung durch das BG BGBl 1980/278. Es wurde wegen des damit verbundenen Nachteils für die Kinder und wegen der gelegentlichen Schwierigkeiten der Vollziehung als unbefriedigend empfunden, daß nach der damaligen Rechtslage Unterhaltserhöhung und Vorschußerhöhung zu einem unterschiedlichen Zeitpunkt wirksam werden konnten. Künftig sollten daher, wenn bei laufender Vorschußgewährung der Unterhaltsbeitrag erhöht wird, zugleich auch die Vorschüsse hinaufgesetzt werden können

(276 BlgNR 15. GP 14). Durch die Wortfolge: "bis zum Ende des im zuletzt gefaßten Beschluß über die Gewährung oder Weitergewährung bestimmten Zeitraums", sollte, wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, lediglich klargestellt werden, daß die Erhöhung der Vorschüsse nur für den noch offenen Teil des zuletzt anläßlich der Gewährung (§ 8) oder Weitergewährung der Vorschüsse (§ 18 Abs 1) bestimmten Zeitraums angeordnet werden darf. Diese Beschränkung betrifft nach dem Wortlaut des Gesetzes und nach der Absicht des Gesetzgebers lediglich den Endzeitpunkt. Sie beruht auf der Erwägung, daß im Falle der Vorschußerhöhung sich das Gericht auf die Prüfung bloß der Wirksamkeit der Unterhaltserhöhung zu beschränken hat, die ursprünglich für die Vorschußgewährung bestimmte Frist aber nur nach Durchführung eines Verfahrens nach § 18 verlängert werden kann

(276 BlgNR 15. GP 14). Es soll verhindert werden, daß ohne Durchführung des gesetzlich hiefür vorgesehenen Verfahrens mit der Erhöhung zugleich auch der Zeitraum, für den die Vorschüsse gewährt oder weitergewährt werden, verlängert wird.

Der Oberste Gerichtshof hat aber auch ausgesprochen, daß eine rückwirkende Einstellung gewährter Vorschüsse selbst dann erfolgen kann, wenn die Zeit, für die die Vorschüsse gewährt wurden, abgelaufen ist (7 Ob 601/90). Es wäre eine nicht zu rechtfertigende Schlechterstellung des Minderjährigen, wenn demgegenüber eine rückwirkende Erhöhung der Vorschüsse unter den oben dargelegten Voraussetzungen nach Ablauf der Vorschußzeit nicht möglich wäre. Das Gesetz (§ 19 Abs 2 UVG) sieht für den Erhöhungsantrag keinerlei Befristung vor. Auch für die Erhöhung von Amts wegen ist keine Frist normiert. Unter diesen Umständen wäre es nicht zu rechtfertigen, die Antragstellerin auf die amtswegige Erledigung des berechtigten Erhöhungsbegehrens zu verweisen, gleichzeitig aber ihren darauf abzielenden Antrag als verspätet abzuweisen. Die Auffassung des Rekursgerichtes, daß eine Erhöhung eines Unterhaltsvorschusses "nur für die laufende Vorschußperiode erfolgen könne und rückwirkend über deren Beginn hinaus eine Anpassung auf vorhergehende Vorschußperioden ausgeschlossen sei", hat der Oberste Gerichtshof aber bereits in der Entscheidung 1 Ob 619/90 widerlegt.

Es war daher dem Revisionsrekurs der Antragstellerin Folge zu geben und spruchgemäß zu erkennen.

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