Spruch:
Der Revision wird teilweise stattgegeben. Das angefochtene Urteil und das Urteil erster Instanz werden in Ansehung eines Teilbegehrens auf Zahlung von 311.842,67 S samt Nebenforderungen aus dem Titel des Ersatzes unfallsbedingter Pflegekosten sowie im Kostenausspruch aufgehoben. In diesem Umfang wird die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwiesen.
und 2. zu Recht erkannt:
Im übrigen wird der Revision nicht stattgegeben und das angefochtene Urteil in Ansehung des Teilbegehrens auf Zahlung von 279.165,85 S samt Zinsen bestätigt.
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten bleibt dem Endurteil vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 7. Juni 1973 erlitt ein damals 27 Jahre alter Fußgänger bei einem Sturz an einer Straßenbaustelle unter anderem eine Kopfprellung mit Gehirnerschütterung sowie einen Kompressionsbruch mit Verrenkung des 12. Brustwirbels und eine dadurch bedingte komplette Querschnittlähmung. Im Verlaufe der Behandlung und der Rehabilitationsversuche trat auch eine mittelbar unfallsbedingte Harnwegerkrankung auf.
Am 16. Oktober 1973 brachte der Verletzte gegen die Baugesellschaft, die an der Baustelle die Bauführung innehatte, und gegen den Baupolier, den die Bauführerin mit der Absicherung der Baustelle beauftragt hatte, eine Schadenersatzklage an. Das Prozeßgericht erster Instanz fällte im zweiten Rechtsgang, nachdem es sein Verfahren am 23. November 1976 geschlossen hatte, über das auf Zahlung eines auf den Betrag von 200.000 S ausgedehnte Schmerzengeldbegehren und über das bereits mit der Klage erhobene Feststellungsbegehren sein Urteil vom 8. April 1977. Dieses wurde vom Berufungsgericht in der Hauptsache bestätigt und auch die Revision blieb erfolglos (6 Ob 760/77). Das Revisionsurteil wurde beiden Prozeßbevollmächtigten am 10. April 1978 zugestellt. Damit war zwischen dem Verletzten einerseits und der Baugesellschaft sowie dem Polier andererseits bindend festgestellt, daß diese beiden Beklagten zur ungeteilten Hand dem Verletzten für jeden Schaden, der diesem in Zukunft aus dem Unfall vom 7. Juni 1973 noch entsteht, zur Hälfte haften. Im selben Sinne wurde auch dem Schmerzengeldbegehren bloß zur Hälfte stattgegeben.
Nach Beendigung dieses Rechtsstreites trat der Verletzte seine Ersatzforderungen aus dem Schadensfall vom 7. Juni 1973 ohne jede sachliche oder betragliche Einschränkung zum Inkasso an einen Verein ab. Hiezu unterfertigte er eine schriftliche Abtretungserklärung. Die Baugesellschaft und deren Haftpflichtversicherer wurden von dieser Abtretung in Kenntnis gesetzt. Vergleichsgespräche zwischen einem Generalbevollmächtigten des Inkassozessionars und dem Haftpflichtversicherer der Baugesellschaft führten zwar zu einer unpräjudiziellen Akontozahlung des Versicherers von 75.000 S auf die abgetretenen Gesamtansprüche des Verletzten, scheiterten aber in der Folge.
Am 27. Juni 1980 brachte der Verein als Inkassozessionar des Verletzten gegen die Baugesellschaft und deren Polier eine weitere Ersatzklage an. Von dem bereits in erster Instanz zurückgezogenen Teilbegehren auf Ersatz von Verdienstentgang und dem in erster Instanz unangefochten abgewiesenen Teilbegehren auf Leistung einer Verunstaltungsentschädigung abgesehen, begehrte der klagende Zessionar ein weiteres Schmerzengeld (50 % von 500.000 S), (für die Zeit vom 21. Dezember 1973 bis 30. Juni 1981) Ersatz für
Pflegeaufwand (50 % von 863.000 S = 431.500 S, abzüglich
119.657,33 S = 311.842,67 S) sowie Ersatz für die Kosten
unfallsbedingt erhöhter Bedürfnisse und zwar (jeweils für 95 Monate, nämlich die Zeit vom Juli 1977 bis einschließlich Mai 1985) monatlich a) Diätkostenmehraufwand (50 % von 500 S),
b) Telefonkosten (50 % von 500 S), c) PKW-Betriebskosten (50 % von 1.333 S) und d) Privatkrankenversicherungsprämien (50 % von 1.600 S). Auf die Summe dieser Klagsposten (von 748.660,17 S) rechnete der Kläger die vorprozessuale Akontozahlung von 75.000 S an. Zunächst (AS 58) bezifferte der Kläger sein Zahlungsbegehren mit 673.523,82 S (anstatt rechnerisch richtig mit 673.660,17 S) und zuletzt (AS 275/330) mit 685.626,67 S.
Das Prozeßgericht erster Instanz erkannte das Teilbegehren auf
Ersatz verletzungsbedingt erhöhter Bedürfnisse hinsichtlich der
PKW-Kosten erst ab Mai 1980 und daher nur für 61 Monate und
hinsichtlich der Privatkrankenversicherungsprämien nur für die
Zeitspanne von Mai 1978 bis November 1984, also für 79 Monate als
berechtigt und gelangte unter Bedachtnahme auf die Akontozahlung
von 75.000,-- S
zum Zuspruch eines Ersatzes für
vermehrte Bedürfnisse im Teilbetrag
von 104.165,85 S
eines Ersatzes für Pflegekosten-
aufwand im vollen begehrten Betrag
von 311.842,67 S
und zum Zuspruch eines (weiteren)
Schmerzengeldes ebenfalls im vollen
begehrten Betrag von 250.000,-- S
666.008,52 S
und daher nach Abzug der
Akontozahlung von 75.000,-- S
zu einem Zuspruch von 591.008,52 S.
Das Berufungsgericht bestätigte den Zuspruch dieses Kapitalbetrages und nahm lediglich eine Einschränkung im Zinsenpunkt (bezüglich 12,5 % von 100.000 S für die Zeit ab 1. Januar 1988) vor. Die Beklagten fechten das Berufungsurteil in seinem bestätigenden Teil aus den Revisionsgründen nach § 503 Z 2 und 4 ZPO mit einem auf vollständige Klageabweisung gerichteten Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.
Der Kläger strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nach dem Datum der angefochtenen Berufungsentscheidung (Art XLI Z 5 WGN 1989) infolge des 300.000 S übersteigenden Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, als sogenannte Vollrevision zulässig. Sie ist auch teilweise berechtigt.
Nach den Rechtsmittelausführungen sind die Fragen nach der Wirksamkeit einer Globalzession, der Verjährung der abgetretenen Ansprüche, der Angemessenheit des (weiteren) Schmerzengeldes sowie der Notwendigkeit entlohnter Pflegeleistungen zufolge ehelicher Beistandspflicht der Ehefrau des Verletzten und die Anwendung des § 273 ZPO umstritten.
Die Vorinstanzen haben ohne Rechtsirrtum die Abtretung aller einem Geschädigten aus einem bestimmten Anspruch gegen bestimmte Personen erwachsenen und auch erst in Zukunft entstehenden Ersatzansprüche nicht als unbestimmt und daher als wirksam behandelt. Die Ungewißheit, ob einzelne Ansprüche überhaupt und zutreffendenfalls in welcher Höhe entstehen werden, läßt eine Abtretung im Falle des tatsächlichen Entstehens von Ansprüchen aus dem eindeutig umschriebenen Entstehensgrund in keiner Weise als unklar erscheinen. Das gilt ohne Einschränkung auch für Schmerzengeldforderungen, zumal es sich im vorliegenden Fall nur um die Ergänzung eines teilweise bereits gerichtlich geltend gemachten und auch teilweise zuerkannten Schmerzengeldanspruches handelte. Die Abtretung zum Inkasso war nach der - vom Kläger
angenommenen - Erklärung des Verletzten (im Sinne der Urkunde vom 2. August 1979 nach Beilage D) und der gemeinsamen interpretativen Erklärung von Alt- und Neugläubiger (im Sinne der Urkunde vom 4. Dezember 1985 nach Beilage S) ohne jede Einschränkung erfolgt. Mit ihrem Vorbringen über ein Mißverhältnis zwischen den zur Sicherung abgetretenen Schadenersatzforderungen des Verletzten zu den Leistungen des Inkassozessionars machen die Beklagten keine Umstände geltend, die die festgestellte Abtretung ihnen gegenüber sittenwidrig erscheinen lassen könnten. Eine etwaige Benachteiligung des Zedenten im Sinne des § 879 Abs 2 Z 4 ABGB können die Beklagten als Schuldner nicht mit Erfolg einwenden.
Die Vorinstanzen haben auch den Verjährungseinwand der Beklagten überzeugend mit dem Hinweis darauf entkräftet, daß der vor der Abtretung rechtskräftig gewordene Feststellungsausspruch seine verjährungsunterbrechende Wirkung gegenüber einem Neugläubiger ebenso ausübt wie gegenüber dem Altgläubiger, weil die Abtretung nur die Rechtszuständigkeit ändert, spezifische Eigenschaften des abgetretenen Anspruches aber unberührt läßt.
Das Schmerzengeld war im Vorprozeß durch den Geschädigten nach Lage der Umstände ausdrücklich nur in einem Teilbetrag geltend gemacht und auch nur in diesem Sinne zugesprochen worden. Die im anhängigen Verfahren vorgenommene Globalbemessung des Schmerzengeldes mit (200.000 S plus 500.000 S =) 700.000 S durch die Vorinstanzen begegnet nach der Schwere der Verletzung und der Dauerfolgen sowie der wiederholt aufgetretenen verletzungsbedingten Folgeerscheinungen und der damit verbundenen Zustände keinen Bedenken.
Die Schadensausmittlung unter Anwendung der Verfahrensregel des § 273 Abs 1 ZPO ist als angeblicher Verfahrensverstoß nicht mehr anfechtbar. Gegen die Einschätzung der einzelnen Ersatzansprüche im Sinne dieser Bestimmung bestehen aber keine begründeten Bedenken. Lediglich zum Teilbegehren auf Ersatz der dem Verletzten zufolge seiner unfallsbedingten Querschnittlähmung erwachsenen Aufwendungen an Pflegekosten kommt der Revision teilweise Berechtigung zu. Die der Höhe nach unbedenklich ermittelten Pflegekosten sind zwar entgegen den Rechtsmittelausführungen nicht deshalb einer Kürzung zu unterziehen, weil die Ehefrau des Verletzten aufgrund ihrer ehelichen Beistandspflichten zur Unterstützung ihres Gatten in seiner verletzungsbedingten Lage verhalten wäre. Der ehelichen Beistandspflicht kommt in keiner Weise die Funktion zu, den für eine Verletzung des Ehepartners haftpflichtigen Dritten in seinen Schadenersatzpflichten zu entlasten.
Die Ermittlung der dem Geschädigten zufolge Legalzession im Umfang der vom Sozialversicherungsträger gezahlten Hilflosenzuschüsse verbliebenen Forderung auf teilweisen (50 %) Ersatz des Pflegekostenaufwandes erfolgte aber durch beide Vorinstanzen in Verkennung der Grundsätze über das sogenannte Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers innerhalb des Deckungsfonds für die sachlich und zeitlich den Ersatzansprüchen kongruenten Leistungen.
Die funktionelle sachliche Entsprechung von Hilflosenzuschüssen und bürgerlich-rechtlichen Ersatzansprüchen für Pflegekostenaufwand kann nicht zweifelhaft sein und ist auch in der Rechtsprechung anerkannt (SZ 44/24, SZ 51/131, SZ 56/173, ZVR 1984/181 uva). Sozialversicherungsleistungen an Hilflosenzuschuß mindern aber den Schaden nicht, sondern verlagern ihn bloß und lassen den Ersatzanspruch kraft Gesetzes auf den Leistenden übergehen. Die Leistungen an Hilflosenzuschüssen sind daher nicht vor, sondern erst nach Bildung des Deckungsfonds abzuziehen. Das verkennen beide Vorinstanzen. Zur Widerlegung der die in ständiger Rechtsprechung aufrechterhaltenen Regeln über das sogenannte Quotenvorrecht des Legalzessionars vernachlässigenden Ansicht der Vorinstanzen genügt ein Hinweis auf die Begründung gerade jener Entscheidungen (SZ 33/101, ZVR 1961/286 und JBl 1971, 201), die in der vom Berufungsgericht zitierten Kommentarstelle erwähnt sind. Der Kläger selbst hat im übrigen bei seiner Anspruchsableitung im Sinne des Schriftsatzes ON 15 (AS 54 ff) das Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers zutreffend beachtet.
Die Sache ist zur Klagspost Pflegekostenaufwand nicht spruchreif, weil die zeitliche Kongruenz nach den getroffenen Feststellungen nicht geprüft werden kann. In dieser Hinsicht bestehen Feststellungsmängel, die eine Ergänzung der Verhandlung in erster Instanz erforderlich machen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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