OGH 7Ob643/90

OGH7Ob643/9027.9.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudy M***, Veranstaltungsmanager, Radfeld, Innstraße 1, vertreten durch Dr. Bernhard Stanger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Josefine W***, Inhaberin eines Realitätenvermittlungsbüros, Altmünster, Frühlingsbachweg 1, vertreten durch Dr. Heinz Ortner, Rechtsanwalt in Gmunden, wegen S 91.496,89 s.A. infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 26. Juli 1990, GZ 5 R 89/90-13, womit der Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 11. Juni 1990, GZ 3 Cg 350/89-10, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das in der ersten Tagsatzung vom 15.1.1990 gefällte Versäumungsurteil wurde der Beklagten unter der Anschrift ihres Büros in Gmunden, Kirchengasse 9, am 17.1.1990 durch Hinterlegung zugestellt. Die hinterlegte Briefsendung gelangte am 8.2.1990 als nicht behoben an das Erstgericht zurück. Die Beklagte wohnt in Altmünster, Frühlingsbachweg 1. Sie war vom Jänner bis Mitte Februar 1990 erkrankt und anläßlich der Zustellvorgänge betreffend die Klage und die Ladung zur ersten Tagsatzung (3.1. und 4.1.1990) sowie das Versäumungsurteil (17.1.1990) nicht in ihrem Büro anwesend. Der Zusteller fand damals das Realitätenvermittlungsbüro der Beklagten versperrt vor. Der Beklagten kam die Anzeige über die Zustellung des Versäumungsurteiles durch Hinterlegung Mitte Februar 1990 zu. Das Erstgericht wies - ohne auf die Frage der Gesetzmäßigkeit der Zustellung einzugehen - den Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung des Widerspruchs gegen das Versäumungsurteil (der weitere, wegen der Versäumung der ersten Tagsatzung erhobene Wiedereinsetzungsantrag ist nicht mehr Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens) mit der Begründung "ab", daß die Beklagte Mitte Februar 1990 ihren Briefkasten in ihrem Realitätenvermittlungsbüro in Gmunden entleert und dabei habe erkennen können, daß ihr das Versäumungsurteil zugestellt worden sei. Der erst am 9.4.1990 beim Erstgericht eingelangte Wiedereinsetzungsantrag sei daher verspätet. Dennoch sei der Antrag abzuweisen gewesen, weil die Verspätung nicht offenkundig gewesen sei, sondern sich erst im Verfahren ergeben habe.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß mit der Maßgabe, daß es den Wiedereinsetzungsantrag zurückwies. Weiters sprach es aus, daß der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig ist. Die Zustellung des Versäumungsurteiles durch Hinterlegung am 17.1.1990 (die Angabe des Hinterlegungstages im angefochtenen Beschluß mit 7.1.1990 beruht offenbar auf einem Schreibfehler) habe nicht den Vorschriften des ZustG entsprochen, weil die Beklagte vom Jänner bis Mitte Februar 1990 wegen einer Erkrankung nicht in ihrem Büro anwesend gewesen sei. Anläßlich ihrer Rückkehr an die Abgabestelle Mitte Februar 1990 habe die Zustellung nicht mehr wirksam werden können, weil damals die Abholfrist bereits abgelaufen gewesen sei. Das Versäumungsurteil sei nach der Aktenlage daher noch nicht an die Beklagte zugestellt worden. Die mit der Zustellung der Ausfertigung eines Versäumungsurteiles beginnende Widerspruchsfrist sei daher noch nicht in Lauf gesetzt worden. Der mit dem Wiedereinsetzungsantrag verbundene Widerspruch sei daher rechtzeitig erhoben worden. Somit sei der mangels Versäumung einer Frist entbehrliche Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 147 Abs 1 ZPO zurückzuweisen gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluß richtet sich der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene "außerordentliche Rekurs" (richtig: Revisionsrekurs) des Klägers mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen. Der nachträglich vorgelegte, lediglich Verbesserungen der Rechtschreibung enthaltende, sonst aber mit dem zuerst erhobenen Rekurs gleichlautende Revisionsrekurs ist kein weiteres Rechtsmittel des Klägers, über das der Oberste Gerichtshof zu entscheiden hätte.

Der Revisionsrekurs ist ungeachtet der Beschränkung des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO zulässig: Voraussetzung für die Annahme eines zur Gänze bestätigenden Beschlusses ist es, daß die vom Gesetz gebotene Erledigungsart in beiden Instanzen übereinstimmt und zwar in dem Sinn, daß entweder meritorisch oder formell entschieden wurde. Daß die Entscheidung des Rekursgerichtes dabei aus anderen Gründen erfolgt, ändert nichts an ihrem Charakter als bestätigende Entscheidung. Die ständige Rechtsprechung hält daher auch in diesen Fällen den Revisionsrekurs für unzulässig (JBl 1964, 42; EvBl 1963/286; EvBl 1965/28; EvBl 1970/211; EFSlg. 21.589; MietSlg. 27.685; MietSlg. 35.817; SZ 49/87). Übereinstimmende Entscheidungen werden aber dann nicht angenommen, wenn die Rechtskraftwirkung der Entscheidungen verschieden ist. Die Anfechtbarkeit eines die Sachentscheidung ablehnenden Beschlusses hängt nicht von dem rein negativen Inhalt des Spruches, sondern von dem durch die Begründung bestimmten Umfang der Rechtskraftwirkung ab (SZ 12/311; JBl 1971, 94; MietSlg 24.588; SZ 49/87).

Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht die auf Grund seiner Rechtsansicht vorzunehmende Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages der Beklagten mit dessen Verspätung begründet. Das Rekursgericht hingegen ist davon ausgegangen, daß tatsächlich keine Säumnis bei der Erhebung des Widerspruches gegen das Versäumungsurteil vorliegt und hat den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten gemäß § 147 Abs 1 ZPO mangels eines Rechtsschutzinteresses an einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Frist zurückgewiesen. Die Rechtskraftwirkungen derartiger Entscheidungen sind aber, soweit sie den Ausgang des Verfahrens betreffen, verschieden. Der - weder die Parteien noch Gerichte bindende - Ausspruch des Rekursgerichtes gemäß § 500 Abs 2 Z 2 ZPO ist daher ohne Belang.

Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.

Nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen steht außer Zweifel, daß sich die Beklagte in der Zeit vom Jänner bis Mitte Februar 1990 nicht in ihrem Realitätenbüro, an dessen Anschrift die Zustellung des Versäumungsurteiles vorgenommen wurde, aufgehalten hat. Soweit der Revisionsrekurs diese Feststellung in Zweifel zieht, ist er nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt.

Abgabestelle im Sinne des § 4 ZustG ist der Ort, an dem die Sendung dem Empfänger zugestellt werden darf. Das ist die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder der Arbeitsplatz des Empfängers. Für jede dieser möglichen Abgabestellen besteht die erst die Wirksamkeit der Zustellung begründende Voraussetzung, daß sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, also von kurzfristigen Abwesenheiten abgesehen, immer wieder an die Abgabestelle zurückkehrt (Walter-Mayer, Zustellrecht 91; SZ 57/141; SZ 60/226). Die Ersatzzustellung an einer derartigen Abgabestelle gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte (§ 16 Abs 5 ZustG). Die hinterlegte Sendung gilt nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig von dem Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte (§ 17 Abs 3 ZustG). Den Empfänger, der eine Abgabestelle längere Zeit nicht benützt, trifft nicht die Pflicht, einen Nachsendeauftrag zu erteilen (SZ 60/227).

Die am 17.1.1990 vorgenommene Zustellung des Versäumungsurteiles war demnach - wie das Rekursgericht zutreffend angenommen hat - unwirksam. Ausgehend davon, daß eine weitere Zustellung nicht beurkundet ist, erweist sich daher auch die Ansicht des Rekursgerichtes, daß der bereits vorliegende Widerspruch gegen das Versäumungsurteil rechtzeitig ist, als frei von Rechtsirrtum. Das hat aber zur Folge, daß an der Erhebung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung des Widerspruches gegen das Versäumungsurteil kein rechtliches Interesse besteht (§ 147 Abs 1 ZPO). Mit Recht hat daher das Rekursgericht diesen Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekurses gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.

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