OGH 1Ob563/90

OGH1Ob563/9020.6.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Hans Eckhard R***, Rechtsanwalt, Salzburg, Gaisbergstraße 14, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der K*** Textilhandelsgesellschaft mbH, wider die beklagte Partei K*** Handelsgesellschaft mbH, Salzburg, Ignaz-Harrer-Straße 45, vertreten durch Dr. Günther Pullmann, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 125.850 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 21. Dezember 1989, GZ 4 R 334/89-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 3. Oktober 1989, GZ 5 Cg 236/89-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 125.850 S samt 4 % Zinsen seit 1. November 1988 sowie die Prozeßkosten binnen 14 Tagen zu bezahlen, abgewiesen wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 9.605,40 S (darin 1.600,90 S Umsatzsteuer) und 13.142,60 S (darin 857,10 S Umsatzsteuer und 8.000 S Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten erster und zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit 16.172,20 S (darin 1.028,70 S Umsatzsteuer und 10.000 S Barauslagen) bestimmten Revisionskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Über das Vermögen der K*** Textilhandelsgesellschaft mbH (im folgenden: K***) wurde vom Landesgericht Salzburg am 5. Februar 1988 der Ausgleich und wegen dessen Nichterfüllung am 6. September 1988 der Konkurs eröffnet. Der gleichfalls am 5. Februar 1988 vom Landesgericht Salzburg über das Vermögen der Beklagten (vormals: BBV Betriebs-Beteiligungs- und Verwaltungsgesellschaft mbH) eröffnete Ausgleich wurde hingegen angenommen, rechtskräftig bestätigt und erfüllt. Die Beklagte war Gesellschafterin der K*** mit einer Stammeinlage von 425.000 S, wovon sie 215.250 S einbezahlt hatte. Im Ausgleich der Beklagten wurde von der K*** die restliche Stammeinlage von 215.250 S nicht geltend gemacht. Der Kläger als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der K*** forderte mit Schreiben vom 26. September 1988 die restliche Stammeinlage von 209.750 S ein, die Beklagte bezahlte hierauf den der 40-%igen Ausgleichsquote entsprechenden Betrag von 83.900 S. Der Kläger begehrte von der Beklagten die Bezahlung der restlichen Stammeinlage an der K*** von 125.850 S sA. Die Beklagte stellte das Klagebegehren der Höhe nach außer Streit und bestritt es dem Grunde nach mit der wesentlichen Behauptung, durch den bestätigten Ausgleich hätten sich alle nicht bevorrechteten Forderungen, auch die der K*** auf Zahlung der restlichen Stammeinlage, auf die die bereits bezahlte Ausgleichsquote ermäßigt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Klagsforderung sei im Ausgleich über das Vermögen der Beklagten von den Ausgleichswirkungen nicht erfaßt worden, weil sie vom Kläger erst Ende September 1988 fällig gestellt worden sei und vor Konkurseröffnung über das Vermögen der K*** nicht hätte geltend gemacht werden können. § 63 Abs 3 GmbHG verbiete es auch, einzelnen Gesellschaftern die Erfüllung der Einlagepflicht zu erlassen oder zu stunden, weil dies den gesetzlich garantierten Haftungsfonds der Gesellschaftsgläubiger schmälere.

Das Berufungsgericht bestätigte. Es ließ die Revision zu. Daß die im Ausgleich der Beklagten als fällig geltende Stammeinlagenforderung der K*** hätte berücksichtigt werden können oder müssen, bedeute nicht, daß für sie der generelle Forderungsnachlaß gelte. Die E JBl. 1988, 729 sei nicht unmittelbar anwendbar, weil sie die Rechtsverhältnisse zwischen der Kommanditgesellchaft und ihrem insolvent gewordenen Kommanditisten beurteile; auch dort sei jedoch ausgesprochen worden, daß die persönliche Haftung des Kommanditisten gegenüber den Gesellschaftsgläubigern (als die von ihm zu erbringende Hafteinlage) durch den Ausgleich nicht berührt werde. Hier gehe es um vergleichbare Interessen, nämlich um die Erhaltung des Garantiefonds für die Gesellschaftsgläubiger. Die Grundaussage der Entscheidung, daß sich der Ausgleich über das Vermögen eines Gesellschafters nicht zum Nachteil der Gesellschaftsgläubiger auswirken dürfe, gelte auch hier. Fraglich könnte nur sein, ob der Kläger bei der Einforderung der aushaftenden Stammeinlage ausschließlich Gesellschafts- oder auch Gläubigerinteressen verfolge, weil eine dem § 171 Abs 2 HGB entsprechende Vorschrift im GmbHG fehle. Gerade bei Kapitalgesellschaften mit der fehlenden persönlichen Haftung der Gesellschafter müsse das den Gläubigern haftende Kapital zur Gänze aufgebracht und erhalten werden; § 63 Abs 3 GmbHG sei als solche Gläubigerschutzvorschrift zu verstehen. Auch im Ausgleich seien die Vorschriften der §§ 54 ff GmbHG über die Kapitalherabsetzung einzuhalten, wenn sich der generelle Schuldennachlaß auf die Stammeinlagenverpflichtung erstrecken solle. Zumindest wäre die Beteiligung der Gesellschaftsgläubiger am Ausgleich des Gesellschafters zu fordern. Damit sei die analoge Anwendung des materiellen Ausgleichsrechtes auf Stammeinlagenforderungen abzulehnen, soweit Interessen der Gesellschaftsgläubiger auf dem Spiel stünden. Daß die AO die Stammeinlagenforderung der Gesellschaft mbH nicht ausdrücklich iS des § 23 AO bevorzuge, erkläre sich durch die ohnehin bestehenden Gläubigerschutzvorschriften des GmbH-Rechtes.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist berechtigt.

Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob bei der Gesellschaft mbH eine Gesellschafterin, die die von ihr übernommene Stammeinlage nicht voll eingezahlt hat, im Fall des rechtskräftig bestätigten Ausgleichs über ihr Vermögen die gesamte noch aushaftende Stammeinlage oder nur einen der Ausgleichsquote entsprechenden Teil zu leisten hat.

Gemäß § 53 Abs 1 AO wird der Schuldner durch den rechtskräftig bestätigten Ausgleich von der Verbindlichkeit befreit, seinen Gläubigern den Ausfall, den sie erleiden, nachträglich zu ersetzen oder für die sonst gewährte Begünstigung nachträglich aufzukommen, gleichviel, ob sie am Verfahren oder an der Abstimmung über den Ausgleich teilgenommen oder gegen den Ausgleich gestimmt haben. Eine Ausnahme bildet nur der hier nicht in Betracht kommende Fall des § 53 Abs 6 AO. Daß sich die selbst insolvent gewordene Gesellschaft am Ausgleich der Beklagten als ihrer Gesellschafterin unbestritten nicht beteiligte, ist unerheblich. Alle Ausgleichsforderungen werden von den Rechtswirkungen des Ausgleichs ohne Rücksicht darauf erfaßt, ob sie im Ausgleichsverfahren angemeldet wurden oder nicht (JBl. 1979, 511; SZ 40/130 ua; Bartsch-Pollak2 II 434 f, 125 f; Wegan, Österr. Insolvenzrecht 271 f). Vom Ausgleich nicht berührt werden Aus- und Absonderungsrechte (§§ 11, 21, 46 Abs 1 AO), Geschäftsführungsforderungen (§ 8 AO), aufrechenbare (§ 19 Abs 1 AO) und bevorrechtete Forderungen (§§ 10 Abs 4, 23, 46 Abs 2 AO). Der Anspruch auf Bezahlung der offenen Stammeinlage durch die beklagte Gesellschafterin, für die der Masseverwalter einforderungsberechtigt ist (NZ 1917, 284; 4 Ob540, 1517, 1518/89; Reich-Rohrwig, Das Österr. GmbH-Recht 584; Gellis-Feil Kommentar zum GmbH-Gesetz2, § 63 Anm. 2; Arnold, GmbH-Handbuch 22), fällt nicht in den Kreis der genannten Forderungen, namentlich nicht in den der bevorrechteten Forderungen (Gellis-Feil aaO, § 63 Anm. 6), die in § 23 AO taxativ aufgezählt sind und deren Erweiterung durch Analogie ausgeschlossen ist (EvBl 1969/258; SZ 31/67, SZ 12/197 ua; vgl. zum Konkurs SZ 52/150 = JBl. 1980, 492; Petschek-Reimer-Schiemer, System 747; Bartsch-Pollak aaO, 274 und FN 9; Heller-Berger-Stix, EO4 118). Gewiß ist es einer der wichtigsten Grundsätze des GmbH-Rechtes, daß der Gesellschaft das Stammkapital möglichst ungeschmälert zur Verfügung stehen soll. Demgemäß kann nach § 63 Abs 3 GmbHG die Erfüllung der Zahlungspflicht des Gesellschafters zur Einzahlung der von ihm übernommenen Stammeinlage einzelnen Gesellschaftern weder erlassen noch gestundet werden, wobei es gleichgültig ist, ob der Gesellschafter bereits bei Gründung der Gesellschaft oder erst derivativ eine Stammeinlage erworben hat. Gemäß § 54 Abs 2 GmbHG gilt als Herabsetzung des Stammkapitals jede Verminderung der im Gesellschaftsvertrage bestimmten Höhe des Stammkapitals, mag dieses in der gänzlichen oder teilweisen Befreiung der Gesellschafter ... von der Verpflichtung zur Volleinzahlung der Stammeinlagen erfolgen. Die Befreiung eines Gesellschafters von der Verpflichtung zur Leistung der Einzahlungen auf nicht voll eingezahlte Stammeinlagen ist somit auch zugleich eine effektive Herabsetzung des Stammkapitals (Reich-Rohrwig aaO, 584). Diese Gläubigerschutzbestimmungen stellen aber auf vertragliche (Verzicht, Stundung) Minderungen des Haftkapitals zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern ab (Reich-Rohrwig aaO, 584;

Fischer-Luther-Hommelhoff aaO; Schneider aaO, Rz 27; Rowedder, GmbHG2, § 19 Rz 12) und bedeuten inhaltlich keine Ausweitung der in der AO abschließend und ausschließlich genannten Voraussetzungen, unter denen ungeachtet des bestätigten Ausgleichs eine Forderung von den Ausgleichswirkungen nicht berührt wird. Für den Fall, daß eine Stammeinlage nicht hereingebracht werden kann, greift - auch ohne Durchführung des Kaduzierungsverfahrens - die Haftung der Mitgesellschafter Platz (Reich-Rohrwig aaO 601).

Die Beklagte kann sich demgemäß als Gesellschafterin gegenüber der Gesellschaft mbH (K***) auf die Rechtswirkungen des § 53 Abs 1 AO berufen, der gerichtlich bestätigte Ausgleich des Gesellschafters einer Gesellschaft mbH reduziert dessen Verpflichtung zur Leistung der noch offenen Stammeinlage auf den der Ausgleichsquote entsprechenden Betrag (Reimer, Die Ausgleichsordnung und ihre Anwendung auf die Gesellschaft mbH und die Aktiengesellschaft und ihre Gesellschafter ÄAktionäreÜ in FS Hämmerle Ä1972Ü, 297 ff, 304; für den deutschen Rechtsbereich Ulmer in Hachenburg, GmbHG7, § 19 Rz 27; Fischer-Luther-Hommelhoff, GmbH-Gesetz Kommentar12, § 19 Anm. 9; vgl. auch die E JBl. 1988, 729 für den Kommanditisten). Demgemäß waren die Entscheidungen der Vorinstanzen im klagsabweisenden Sinn abzuändern. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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