OGH 1Ob597/57

OGH1Ob597/5725.4.1958

SZ 31/67

Normen

AO §23
Bauarbeiter-Urlaubsgesetz 1957 §§1 ff
AO §23
Bauarbeiter-Urlaubsgesetz 1957 §§1 ff

 

Spruch:

Forderungen der Bauarbeiter-Urlaubskasse gegen Dienstgeber auf Zahlung des Geldwertes nicht oder nicht in entsprechender Höhe geklebter Urlaubsmarken sind im Ausgleichsverfahren nicht bevorrechtet.

Entscheidung vom 25. April 1958, 1 Ob 597/57.

I. Instanz: Bezirksgericht Linz; II. Instanz: Landesgericht Linz.

Text

Am 28. Februar 1957 wurde über die Klägerin zu Sa 5/57 des Landesgerichtes Linz das Ausgleichsverfahren eröffnet. Bei der Tagsatzung am 28. Mai 1957 wurde ein Ausgleich abgeschlossen, wonach die Gläubiger der Klägerin, sofern ihre Forderungen kein Vorrecht genießen, eine 60%ige Quote innerhalb 18 Monaten nach Annahme des Ausgleichs zu erhalten haben. Der Ausgleich wurde mit Beschluß vom 6. Juni 1957 bestätigt.

Auf Grund des vollstreckbaren Bescheides des Magistrates, der Landeshauptstadt Linz vom 18. April 1957, GZ. 01-12/1-1957, hat die Klägerin an die Beklagte einen Betrag von 66.193 S 60 g zu zahlen. Es handelt sich hiebei um einen Bescheid nach § 10 Abs. 3 des Bauarbeiter-Urlaubsgesetzes in der Fassung der 2. Novelle zum Bauarbeiter-Urlaubsgesetz, BGBl. Nr. 268/56, jetzt § 12 Abs. 3 des Bauarbeiter-Urlaubsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 128, über den Geldwert der von der Klägerin nicht oder nicht in entsprechender Höhe geklebten Urlaubsmarken (Rückstand) an die Urlaubskasse der Arbeiter in der Bauwirtschaft. Auf Grund dieses Exekutionstitels wurde der Urlaubskasse der Arbeiter in der Bauwirtschaft, die im Exekutionsantrag auf das für diese Forderung zustehende Vorrecht nach § 23 Abs. (richtig Z.) 1 AO. hinwies, am 24. Mai 1957 die Fahrnisexekution durch Pfändung und Verkauf bewilligt (10 E 4588/57 des Bezirksgerichtes Linz).

Die Klägerin bestreitet in der am 24. Juni 1957 beim Bezirksgericht Linz eingebrachten Klage das Vorrecht der Forderung der Beklagten und begehrt die Unzulässigerklärung der Exekution.

Außer Streit gestellt wurde, daß es sich bei den Ansprüchen der Beklagten um Urlaubsansprüche (soll wohl richtig Ansprüche auf den Gegenwert der von der Klägerin nicht geklebten Urlaubsmarken heißen) für mehrere Arbeiter der Klägerin handelt, wobei kein einzelner Anspruch über 9600 S liegt.

Das Erstgericht wies die von der Beklagten erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges rechtskräftig zurück und wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, daß die Forderung der Beklagten ein Vorrecht nach § 23 Z. 3 AO. genieße.

Der von der Klägerin erhobenen Berufung gab das Berufungsgericht mit der Begründung keine Folge, daß der Anspruch der Beklagten nach § 23 Z. 1 AO. als öffentliche Abgabe im Ausgleichsverfahren der Klägerin bevorrechtet sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge und erklärte die mit Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 24. Mai 1957, 10 E 4588/57, bewilligte Exekution für unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Auf eine Prüfung der Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges konnte nicht mehr eingegangen werden, weil das Erstgericht die von der Beklagten erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges rechtskräftig zurückgewiesen hat (vgl. JB. 63 neu).

Die Entscheidung in der Hauptsache hängt davon ab, ob die betriebene Forderung der Beklagten im Ausgleichsverfahren nach § 23 AO. ein Vorrecht genießt.

Anzuwenden ist auf den vorliegenden Rechtsfall das Bauarbeiter-Urlaubsgesetz 1957 in der Fassung der Kundmachung der Bundesregierung vom 14. Mai 1957, BGBl. Nr. 128.

Nach den Bestimmungen des Bauarbeiter-Urlaubsgesetzes 1957 haben die im § 3 angeführten Arbeiter gegenüber ihrem Dienstgeber unter bestimmten Voraussetzungen einen Urlaubsanspruch §§ 4 ff.). Nach § 13 Abs. 4 haben diese Arbeiter auch Anspruch auf Urlaubsentgelt. Dieser Anspruch richtet sich jedoch nach der ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung nicht gegen den Dienstgeber, sondern gegen die Urlaubskasse. Nach § 13 Abs. 5 hat der Dienstgeber, der den Urlaub gewährt, das Urlaubsentgelt bei der Urlaubskasse oder der von ihr bestimmten Stelle zeitgerecht zu beheben und es dem Arbeiter am letzten Arbeitstag vor Antritt des Urlaubes nach Einbehaltung der gesetzlichen Abzüge auszuzahlen. Der Dienstgeber hat daher bei der Übermittlung des Urlaubsentgelts von der Urlaubskasse an den Dienstnehmer nur die Funktion einer Auszahlungsstelle und eines Treuhänders der Urlaubskasse. Die Urlaubskasse kann nach § 13 Abs. 6 das Urlaubsentgelt an den Arbeiter unmittelbar auszahlen, wenn der Dienstgeber bereits einmal ein behobenes Urlaubsentgelt schuldhafterweise nicht ausgezahlt hat. Nach § 8 haben die Dienstgeber zur gemeinsamen Deckung des Aufwandes an Urlaubsentgelt einschließlich des hiefür zu leistenden Dienstgeberanteiles an Sozialversicherungsbeiträgen, Abfindungen und Verwaltungskosten für jede Arbeits- und Urlaubswoche eines Arbeiters einen Zuschlag zum Lohn bzw. zum Urlaubsentgelt zu leisten. Zu den Verwaltungskosten gehört auch die Aufsichtsgebühr nach § 20, die dem Bundesministerium für soziale Verwaltung aus der Aufsicht der Urlaubskasse erwächst. Nach § 12 hat der Dienstgeber für die Zuschläge, die er nach § 8 zu leisten hat, Urlaubsmarken mit entsprechenden Werten bei der Urlaubskasse oder den von ihr bestimmten Stellen einzulösen. Die Urlaubsmarken hat der Dienstgeber in das Urlaubsbuch zu kleben. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, so hat nach vorheriger Aufforderung der Urlaubskasse an den Dienstgeber, die fehlenden Urlaubsmarken zu kleben, auf Antrag der Urlaubskasse die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde einen Bescheid des Inhalts zu erlassen, daß der Dienstgeber den Geldwert der nicht oder nicht in entsprechender Höhe geklebten Urlaubsmarken (Rückstand) an die Urlaubskasse unter Beifügen des Urlaubsbuches zu entrichten hat. Ein in Rechtskraft erwachsener Bescheid ist ein Exekutionstitel im Sinn des § 1 EO. Sobald der Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist, hat die Urlaubskasse den Geldwert der fehlenden Urlaubsmarken im Urlaubsbuch einzutragen und dieses dem Dienstgeber zurückzustellen. Aus § 13 Abs. 1 geht andererseits hervor, daß es für den Rechtsanspruch des Arbeiters auf Urlaubsentgelt gegen die Urlaubskasse belanglos ist, ob für jede Arbeitswoche Urlaubsmarken in entsprechendem Wert tatsächlich geklebt wurden. Nach § 19 wird zur gemeinsamen Aufbringung der Mittel für die Befriedigung der Ansprüche nach dem Bauarbeiter-Urlaubsgesetz und zur Durchführung der damit zusammenhängenden Ausgaben die "Urlaubskasse der Arbeiter in der Bauwirtschaft" errichtet, die Rechtspersönlichkeit hat.

Die Bestimmung im früheren § 11 Abs. 3: "Der Dienstgeber haftet der Urlaubskasse für den Schaden, der aus der Nichterfüllung der ihm nach § 10 obliegenden Verpflichtungen verursacht wird" wurde bei der durch die 2. Novelle zum Bauarbeiter-Urlaubsgesetz, BGBl. Nr. 268/56, erfolgten Novellierung des Gesetzes nicht mehr übernommen.

Aus diesen gesetzlichen Bestimmungen ergeben sich folgende rechtliche Schlußfolgerungen:

Die Urlaubskasse der Arbeiter in der Bauwirtschaft hat zwar nach § 19 Abs. 2 des Bauarbeiter-Urlaubsgesetzes 1957 Rechtspersönlichkeit, sie ist aber nicht eine Körperschaft öffentlichen Rechts. Sie ist nicht berechtigt, selbst Bescheide zu erlassen. Es sind ihr nur im Interesse der gesamten Arbeiter der im § 1 aufgezählten Gewerbe und Unternehmungen bestimmte Aufgaben übertragen. Zur Deckung des Aufwandes haben die Arbeitgeber in der im Gesetz geregelten Weise Beiträge zu leisten. Diese Beiträge sind jedoch keine öffentlichen Abgaben. Öffentliche Abgaben sind Geldleistungen, die ohne sichtliche Gegenleistung an eine öffentliche Körperschaft zu erbringen sind und für öffentliche Aufgaben dienen. Diese Voraussetzungen fehlen hier. Die Bauarbeiter-Urlaubskasse ist mangels gesetzlicher Vorschriften keine Körperschaft öffentlichen Rechts, sie hat aber auch nicht öffentliche Aufgaben zu erfüllen. Sie soll nur den Bauarbeitern, die in der Regel ununterbrochene Beschäftigungszeiten längerer Dauer nicht erreichen, die Bezahlung des Urlaubsentgelts sichern.

Es kann auch den Ausführungen der Beklagten, daß es sich bei den Forderungen der Bauarbeiter-Urlaubskasse auf Grund eines Bescheides der Verwaltungsbehörde nach § 12 Abs. 3 des Bauarbeiter-Urlaubsgesetzes 1957 um Forderungen handle, für die der Bauarbeiter-Urlaubskasse auf Grund einer Legalzession nach § 1358 ABGB. ein Vorrecht nach § 23 Z. 3 AO. zustehe, nicht gefolgt werden. Das auf Grund des Bauarbeiter-Urlaubsgesetzes 1957 den Bauarbeitern zustehende Urlaubsentgelt ist nicht ein Teil des Arbeitslohnes; es kann dies auch nicht aus § 16 über den Pfändungsschutz geschlossen werden. Der Anspruch auf Urlaubsentgelt steht dem Arbeiter nicht gegen den Dienstgeber, sondern gegen die Urlaubskasse zu. Er ist ein Anspruch auf Grund der Bestimmungen des Bauarbeiter-Urlaubsgesetzes. Die Mittel für die Urlaubskasse werden nur in Form eines Zuschlages zum Arbeitslohn berechnet und grundsätzlich in der Weise berichtigt, daß Urlaubsmarken bei der Urlaubskasse oder den von ihr bestimmten Stellen eingelöst werden müssen. Nur für den Fall der Verletzung dieser Pflicht durch den Arbeitgeber kommt es zu einem Bescheid der Bezirksverwaltungsbehörde nach § 12 Abs. 3 des Gesetzes. § 1358 ABGB. kann nicht angewendet werden, weil die Urlaubskasse bei Bezahlung des Urlaubsentgelts nicht eine fremde Schuld, sondern eine eigene Schuld bezahlt. Es steht ihr nur ein Regreßanspruch gegen die Arbeitgeber zu, die ihren Verpflichtungen zur Einlösung der Urlaubsmarken nicht nachkommen, worüber auf ihren Antrag ein Verwaltungsbescheid erlassen werden kann.

Es handelt sich hier um eine Gesetzeslücke, die nur vom Gesetzgeber ausgefüllt werden kann. Eine Erweiterung der taxativ aufgezählten bevorrechteten Forderungen durch Analogie ist unzulässig (SZ. X 282).

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