OGH 4Ob77/90

OGH4Ob77/9030.5.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** R***, Graz,

Salzamtsgasse 3/IV, vertreten durch Dr. Gerhard Schmidt, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei I*** P*** Gesellschaft mbH, Wilhelmsburg, Obere Hauptstraße 36, vertreten durch Dr. Edmund Pointinger, Rechtsanwalt in Bad Hall, wegen Unterlassung (Streitwert S 500.000; Revisionsrekursinteresse S 166.666), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 23.2.1990, GZ 3 R 13/90-10, womit der Beschluß des Landesgerichtes St. Pölten vom 20.11.1989, GZ 4 Cg 208/89-6, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß, der in seinem bestätigenden Ausspruch als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibt, wird im übrigen dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstrichters zur Gänze wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 7.410,60 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 1.235,10 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Begründung

Die Beklagte betreibt das konzessionierte Gewerbe eines Inkassobüros. Sie verwendet für Mahnungen an Schuldner Formulare folgenden Inhaltes:

"Wir setzen Sie in Kenntnis, daß wir mit der Einziehung dieser Forderung betraut wurden.

Alle Zahlungen sind daher ausschließlich an uns zu leisten, da

nur diese eine schuldbefreiende Wirkung haben.

Die Schuld setzt sich wie folgt zusammen: ....".

Mit der Behauptung, aus dieser Formulierung gehe hervor, daß sich die Beklagte entgegen dem ausdrücklichen Verbot des § 307 Abs 2 GewO und damit gegen die guten Sitten im Wettbewerb (§ 1 UWG) die jeweiligen Forderungen zu Zwecken der Einziehung abtreten lasse oder daß sie, falls dies nicht zutreffe, mit dem Hinweis auf die schuldbefreiende Wirkung nur solcher Zahlungen, die an sie geleistet werden, bewußt falsche Angaben mache, begehrt die klagende Rechtsanwaltskammer zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten - soweit für die Behandlung des Revisionsrekurses noch von Bedeutung ist - mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr

a) sich entgegen dem gesetzlichen Verbot des § 307 Abs 2 GewO Forderungen abtreten zu lassen, auch wenn die Abtretung nur zu Zwecken der Einziehung erfolgen sollte,

b) auf Grund einer tatsächlich (im Sinne des Punktes a) erfolgten oder aber auch nur behaupteten Forderungsabtretung in den an die Schuldner gerichteten Mahnschreiben diese darauf hinzuweisen, daß Zahlungen ausschließlich an die Beklagte zu leisten seien, da nur diese eine schuldbefreiende Wirkung hätten.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Sie habe niemals gegen das Verbot der Forderungsabtretung (§ 307 Abs 2 GewO) verstoßen und auch in den Mahnschreiben keine solche Forderungsabtretung behauptet. Ihr Hinweis auf die allein schuldbefreiende Wirkung einer Zahlung an sie sei keine bewußt falsche Angabe; sie erwecke beim Durchschnittsschuldner auch bei nur flüchtigem Lesen keinen unrichtigen Eindruck. Auch sei diese Angabe nicht zu Zwecken des Wettbewerbs gemacht worden, zumal eine Täuschung nur dann wettbewerbswidrig sei, wenn sie geeignet ist, den Entschluß der angesprochenen Interessenten zu beeinflussen. Inwiefern aus dem beanstandeten Verhalten ein Wettbewerbsvorsprung der Beklagten entstehen, also ein Gläubiger dazu veranlaßt werden könnte, mit der Einzieheung seiner Forderung lieber das beklagte Inkassobüro als einen Rechtsanwalt zu betrauen, sei nicht zu erkennen.

Der Erstrichter wies den Sicherungsantrag ab. Daß sich die Beklagte die eingemahnten Forderungen tatsächlich abtreten läßt, sei nicht bescheinigt. Der beanstandete Hinweis auf die schuldbefreiende Wirkung von Zahlungen an die Beklagte sei zwar irreführend; die Beklagte habe aber dabei nicht zu Zwecken des Wettbewerbes gehandelt. Das Rekursgericht änderte diesen Beschluß, der in seinem Punkt a) als unangefochten unberührt geblieben war, im Punkt b) dahin ab, daß es der Beklagten für die Dauer des Rechtsstreites verbot, im geschäftlichen Verkehr auf Grund einer entgegen dem gesetzlichen Verbot des § 307 Abs 2 GewO tatsächlich erfolgten oder auch nur behaupteten Forderungsabtretung, auch wenn die Abtretung nur zu Zwecken der Einziehung erfolgen sollte, Schuldner in den an sie gerichteten Mahnschreiben darauf hinzuweisen, daß Zahlungen ausschließlich an die Beklagte zu leisten seien, da nur diese eine schuldbefreiende Wirkung hätten; zugleich sprach es aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der - nach § 14 UWG legitimierten - Klägerin sei zuzustimmen, daß die Beklagte zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt habe. Es liege auf der Hand, daß die Beklagte als Inkassobüro durch eine aggressive, gesetzwidrige Art der Mahnung besondere Erfolge erzielen könne; daraus ergebe sich ein Wettbewerbsvorsprung gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern, insbes. auch Rechtsanwälten, die insoweit mit den Inkassobüros in einem Wettbewerbsverhältnis stünden. Die Wettbewerbsabsicht der Beklagten sei somit zu bejahen. Der Verstoß gegen § 307 Abs 2 GewO als eine sittlich fundierte Norm sei unlauter. Die Beklagte gebe vor, daß eine solche unzulässige Abtretung erfolgt sei, und erwecke damit den Schuldnern gegenüber den Anschein einer stärkeren Stellung, als sie ihr nach dem Gesetz zustehe. Dem Sinn und Zweck des Leistungswettbewerbs widerspreche es jedoch, wenn ein Wettbewerber dadurch einen Vorsprung vor seinen Mitbewerbern erlangt, daß er die durch Gesetz oder Vertrag festgelegten Bedingungen mißachtet, an die sich seine Mitbewerber halten. Das Verhalten der Beklagten bewirke eine Täuschung der Schuldner, die erfahrungsgemäß in der Regel keine Kenntnis der entsprechenden gewerberechtlichen Vorschriften hätten. Es verstoße gegen § 1 UWG, unerfahrene Personen unter Ausnützung ihrer Unkenntnis oder Ahnungslosigkeit irrezuführen und ihre Scheu vor Auseinandersetzungen gezielt auszunützen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluß des Erstrichters wiederherzustellen.

Die Klägerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt allerdings nicht vor: Von einer Verletzung des § 405 ZPO kann keine Rede sein, hat doch das Rekursgericht nur - im Sinne des Rekursantrages - dem Punkt b) des Sicherungsantrages stattgegeben und dabei anstelle der Verweisung auf den - im Spruch nicht wiedergegebenen - Punkt a) die "tatsächlich im Sinne des Punktes a) erfolgten" Forderungsabtretungen als "entgegen dem gesetzlichen Verbot des § 307 Abs 2 GewO tatsächlich erfolgte" Abtretungen näher bezeichnet. Ob diese Fassung des Spruches mit der Annahme vereinbar ist, daß sich die Beklagte in Wahrheit keine Forderungen hat abtreten lassen, ist keine Frage einer Mangelhaftigkeit des Verfahrens, sondern eine solche der rechtlichen Beurteilung.

Der Beklagten ist hingegen darin beizupflichten, daß der beanstandete Hinweis "ALLE ZAHLUNGEN SIND DAHER AUSSCHLIESSLICH AN

UNS ZU LEISTEN, DA NUR DIESE EINE SCHULDBEFREIENDE WIRKUNG HABEN"

nicht den allein auf § 2 UWG gestützten (S. 7 f) Unterlassungsanspruch nicht rechtfertigt:

§ 2 UWG verbietet alle Angaben geschäftlicher Art, die zu Wettbewerbszwecken im geschäftlichen Verkehr gemacht werden und geeignet sind, einen nicht unerheblichen Teil der betroffenen Verkehrskreise über das Angebot irrezuführen (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht15, 1053 Rz 1 zu § 3 dUWG), also bei einem nicht unerheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen über das Angebot hervorzurufen und seine Kaufentschließung irgendwie zu beeinflussen (Baumbach-Hefermehl aaO 1107 Rz 87). Zwischen dem Umstand, daß die durch die Angabe des Werbenden hervorgerufene Vorstellung nicht den Tatsachen entspricht, und dem Entschluß, sich mit dem Angebot zu befassen, muß demnach ein Zusammenhang bestehen (SZ 54/97; ÖBl 1987, 18 uva). Die beanstandete Behauptung, daß die Schuldner nur an die Beklagte mit schuldbefreiender Wirkung zahlen könnten, ist zwar unrichtig, weil auch im Fall der Bestellung eines zum Empfang geeigneten Machthabers an den Gläubiger selbst wirksam gezahlt werden kann (§ 1424 ABGB); sie ist aber nicht irreführend im Sinne des § 2 UWG, weil sie nicht gegenüber jenen Personen gemacht wird, die das beklagte Inkassobüro umwirbt, also gegenüber den Gläubigern, sondern gegenüber denjenigen Personen, bei denen die Forderungen der Kunden einzutreiben sind, also gegenüber den Objekten ihrer Tätigkeit. Eine Irreführung der Schuldner wird aber diese nicht dazu veranlassen, zu Kunden (Auftraggebern) der Beklagten zu werden. Sofern jedoch auch Gläubiger von dem beanstandeten Formulartext der Beklagten Kenntnis erlangen, können sie zwar allenfalls zu der irrigen Auffassung kommen, ihre Schuldner könnten nach der Einschaltung eines Inkassobüros nur noch an dieses zahlen; daß aber diese unrichtige Annahme, die Schuldner dürften nun nicht mehr den Gläubigern selbst das Geld übermitteln, für diese einen Anreiz bilden sollte, gerade deshalb die Beklagte - und nicht zB einen Rechtsanwalt - mit der Eintreibung zu betrauen, kann nicht angenommen werden. Liegt aber eine für den Entschluß, sich der Dienste der Beklagten zu bedienen, ausschlaggebende Irreführung nicht vor, dann hat die Beklagte auch nicht gegen § 2 UWG verstoßen. Für die Klägerin wäre im übrigen auch dann nichts zu gewinnen, wenn sie sich auch auf § 1 UWG berufen hätte: Das beanstandete Verhalten der Beklagten verstößt entgegen der Meinung des Rekursgerichtes nicht gegen die guten Sitten. Inwiefern nämlich die Behauptung, der Schuldner könne mit schuldbefreiender Wirkung nur an den Inkassanten zahlen, Schuldner einschüchtern und eher zu einer Zahlung veranlassen könnte als eine Mahnung ohne diesen Hinweis, ist nicht zu sehen. Der von der Klägerin aufgezeigte Umstand, daß Inkassobüros zugunsten der von ihnen vertretenen Gläubiger Schuldner unter Umständen - durch höhere Gebühren und Spesen odgl. - mehr unter Druck setzen, als es Rechtsanwälten gestattet ist, bedarf keiner rechtlichen Würdigung, weil er nicht Gegenstand des - hier allein zu beurteilenden - Punktes b) des Sicherungsantrages ist. Aus diesen Erwägungen war dem Revisionsrekurs Folge zu geben und der abweisende Beschluß des Erstrichters zur Gänze wiederherzustellen.

Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 2 EO, §§ 41, 50, 52 ZPO.

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