OGH 1Ob12/90

OGH1Ob12/9021.5.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*** Gesellschaft mbH, Transportunternehmen, St. Andrä i. L., vertreten durch Dr. Gert Seeber, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen S 88.818,33 samt Anhang (hier: Wiederaufnahme) in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Wiederaufnahmsklage wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die UGS Sondermüllbeseitigung und Grundwasserschutzgesellschaft mbH (im folgenden: UGS) und die Teerag-Asdag AG, Zweigniederlassung Klagenfurt (im folgenden: Teerag-Asdag), vereinbarten nach einem Probebetrieb am 20. November 1986, daß die Teerag-Asdag verunreinigtes Erdreich, bestehend aus 1000 t Braunkohlenteerschlamm, 700 bis 800 t Sägespäne, 1500 t Wasser, 2600 t Erdreich mit 0,2 bis 0,5 % Phenol und 8,82 % Schwefel zu verglühen habe. Sollte durch Einschreiten der Behörde und ähnlichem eine Weiterführung der Entkontaminierung nicht möglich sein, bestehe keine Verpflichtung der Teerag-Asdag, das restliche Material weiterzuverarbeiten; die UGS müsse in diesem Fall das angelieferte Material auf ihre Kosten von Wunderstätten wegschaffen, wobei der Zeitpunkt des Abtransportes von der Behörde bestimmt werde.

Die klagende Partei erhielt von der UGS den Auftrag, diese 6000 t kontaminiertes Erdreich aus Bärnbach abzuholen und nach Wunderstätten zur Teerag-Asdag zu transportieren. Nach Beginn dieses Transportes wurde am Wochenende (22. und 23.November 1986) eine politisch gezielte Pressekampagne - die Lagerung des Sondermülls war von der Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg genehmigt worden - gegen die Müllablagerung und Verbrennung gestartet. Die klagende Partei stellte darauf am 24.November 1986 den Mülltransport ein. Über Weisung des Landesamtsdirektorstellvertreters nahm der Bezirkshauptmann der Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg Dr. Gerhard G*** mit dem vertretungsbefugten Gesellschafter der klagenden Partei Hans K*** telefonisch Kontakt auf. Er fragte ihn, ob er wegen der negativen Pressemeldungen bereit sei, freiwillig ohne ein großes Verfahren (zur Vermeidung der Einleitung eines Verfahrens) den Sondermüll wieder nach Bärnbach zurückzutransportieren. Hans K*** erkundigte sich nur, ob das Land Steiermark bereit sei, das Material wieder zurückzunehmen. Dr. Gerhard G*** erwiderte, dies sei mit dem steirischen Landesrat Hans R*** bereits abgesprochen. Hans K*** versprach darauf, den Rücktransport in den nächsten Tagen durchzuführen. Dr. Gerhard G*** drängte darauf, der Transport müsse am nächsten Tag durchgeführt werden, der Rücktransport werde von der Kärntner Landesregierung überwacht werden. Über die Transportkosten wurde nichts gesprochen. Am 25. November 1986 führte die klagende Partei mit ihren Sattelzügen gegen den Widerstand der UGS unter Aufsicht eines Beamten der Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg den Rücktransport durch. Da sich der Geschäftsführer der UGS geweigert hatte, einen Begleitschein auszustellen, fragte die Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg beim interimistischen Leiter der Wasserrechtsabteilung der Kärntner Landesregierung Dr. Adolf K*** an, ob der Transport durchgeführt werden könne, Dr. Adolf K*** antwortete, der Ausstellung eines Begleitscheines bedürfe es nicht, wenn der Rücktransport von der Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg angeordnet werde. Ein Begleitschein wurde nicht ausgestellt.

Im Vorprozeß stützte die klagende Partei den Zuspruch auf Zahlung des Betrages von S 88.818,33 samt Anhang darauf, daß sie den Rücktransport über Auftrag der Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg als Wasserrechtsbehörde durchgeführt habe. Das Erstgericht des Vorprozesses gab dem Klagebegehren statt. Über den feststehenden Sachverhalt hinaus könne nicht festgestellt werden, daß die Behörde (Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg) einen Nottransport angeordnet habe. Da Hoheitsverwaltung ausscheide liege ein Akt der Privatwirtschaftsverwaltung vor. Der Bezirkshauptmann habe im Auftrag der Kärntner Landesregierung gehandelt und somit einen Transportvertrag über den Rücktransport des Sondermülls abgeschlossen, der der beklagten Partei zuzurechnen sei. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Der Geschäftsführer der klagenden Partei habe zwar auf Grund des Ersuchens des Bezirkshauptmannes davon ausgehen können, daß ihm ein privatrechtlicher Auftrag zur Durchführung von Transportleistungen erteilt worden sei, den er angenommen habe. Da die klagende Partei aber nicht einmal behauptet habe, daß der Landeshauptmann von Kärnten oder der Bezirkshauptmann der Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg im Rahmen einer Auftragsverwaltung tätig geworden seien und sich solche Umstände auch nicht aus dem Akteninhalt ergäben, scheide ein der beklagten Partei zurechenbarer Vertrag samt daraus abgeleitetem Entgeltsanspruch aus. Der Oberste Gerichtshof gab der zulässigen Revision der klagenden Partei mit Urteil vom 5.Juli 1989, 1 Ob 9/89, nicht Folge.

Er führte aus: Der Beurteilung der Vorinstanzen, die klagende Partei habe mit wem auch immer einen nach bürgerlichem Recht zu beurteilenden Vertrag abgeschlossen, kann nicht beigetreten werden. Die Streitteile gehen übereinstimmend davon aus, die Voraussetzungen für ein Einschreiten der Behörde nach § 31 Abs. 3 WRG und § 7 Sonderabfallgesetz, BGBl 1983/186 in der im November 1986 maßgeblichen Fassung, seien vorgelegen. Der klagenden Partei wäre zu folgen, daß die Behörde, wollte oder konnte sie nicht selbst den gesetzlichen Zustand herstellen, berechtigt gewesen wäre, sich dazu eines Dritten zu bedienen, mit dem dann, würde er nicht in Pflicht genommen worden sein, ein zivilrechtliches Vertragsverhältnis zustande gekommen wäre. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Die zuständige Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg hat nach den Feststellungen weder gegen die Teerag-Asdag bzw die UGS, noch gegen die klagende Partei in Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt einen behördlichen Akt gesetzt. Der zivilrechtliche Ersatzanspruch des Dritten gegen den Bund setzte aber voraus, daß die Behörde in Ausübung der ihr zustehenden unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt gehandelt hat. Ein nach bürgerlichem Recht zu beurteilendes Vertragsverhältnis sei gleichfalls auszuschließen. Die klagende Partei begehrt mit der beim Obersten Gerichtshof eingebrachten Wiederaufnahmsklage, ihr die Wiederaufnahme des Verfahrens zu bewilligen und im wiederaufgenommenen Verfahren dem Klagebegehren stattzugeben. Sie führt aus, auf Grund eines mit Gerhard L*** am 10.April 1990 geführten Gespräches sei die klagende Partei davon informiert worden, daß die Aussagen des ehemaligen Bezirkshauptmannes von Wolfsberg Dr. Gerhard G*** im Verfahren 20 Cg 32/88 des Landesgerichtes Klagenfurt, es sei überhaupt kein Einschreiten der Behörde vorgelegen, unrichtig seien; es könne vielmehr mit Eindeutigkeit erwiesen werden, daß die Unterbindung des von Gerhard L*** übernommenen Auftrages mit Brachial- und Zwangsgewalt der Behörden erfolgt sei, daß also die Behörden sehr wohl und sehr massiv tätig geworden seien und den Rücktransport angeordnet hätten. Diese Anordnung des Rücktransportes stelle sich gegenüber Gerhard L*** als Hoheitsakt dar, der zu Schadenersatzansprüchen und Ansprüchen nach dem Amtshaftungsgesetz führe, gegenüber der klagenden Partei aber als zivilrechtliche Beauftragung im Sinne der Ausführungen des Obersten Gerichtshofes. Dies ergebe sich auch aus einem gegen Gerhard L*** auf Grund einer Anzeige des Gendarmeriepostens Lavamünd eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahrens, in dem ausdrücklich festgestellt worden sei, daß der Rücktransport behördlich angeordnet worden sei. Mit der Beischaffung dieses Verwaltungsstrafaktes und der Einvernahme der die Anzeige erstattenden Beamten werde sich mit Eindeutigkeit erweisen lassen, daß Bezirkshauptmann Dr. Gerhard G*** sehr wohl den Rücktransport behördlich angeordnet habe, was aber wiederum beweise, daß die Angaben des Geschäftsführers der klagenden Partei richtig gewesen seien, wonach der Bezirkshauptmann auf seine Frage, wer die Kosten des Rücktransportes trage, erklärt habe, es handle sich um einen behördlich angeordneten Nottransport. Dies bedeute, daß die Kosten von der Behörde getragen werden müßten. Hätte das Erstgericht solche Feststellungen zusätzlich getroffen, so wäre dem Klagebegehren Folge gegeben worden. Die klagende Partei sei ohne ihr Verschulden außerstande gewesen, diese Beweismittel vor Schluß der mündlichen Verhandlung geltend zu machen. Es habe Gerhard L*** gegenüber kein Rechtsanspruch auf Auskunftserteilung bestanden. Gerhard L*** sei vielmehr in hohem Maße unerfreut darüber gewesen, daß die klagende Partei im November 1986 den Auftrag der Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg übernommen und das in Lavamünd lagernde kontaminierte Material nach Bärnbach rücktransportiert habe. Erst jetzt, veranlaßt durch ein Vorbringen der R*** Ö*** im Prozeß gegen Gerhard L*** habe sich dieser aus freien Stücken entschlossen, der klagenden Partei die entsprechenden Informationen zugänglich zu machen.

Rechtliche Beurteilung

Der angerufene Oberste Gerichtshof ist für diese Wiederaufnahmsklage nicht zuständig. Nach der individuellen Zuständigkeit des § 532 Abs. 2 ZPO (Fasching, Lehrbuch2 Rz 2076) muß die auf § 530 Abs. 1 Z 7 ZPO gestützte Wiederaufnahmsklage beim Prozeßgericht erster Instanz, wenn aber nur eine in höherer Instanz erlassene Entscheidung von dem geltend gemachten Anfechtungsgrund betroffen wird, bei dem bezüglichen Gericht höherer Instanz eingebracht werden. Die klagende Partei geht selbst davon aus, die Tatsache, daß das Erstgericht nicht habe feststellen können, die Behörde habe den Transport hoheitlich als Nottransport angeordnet, sei für die Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes entscheidend gewesen. Hätte sich die Behörde gemäß § 31 Abs. 3 WRG zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes eines Dritten bedient und diesen Dritten nicht hoheitlich in Pflicht genommen, so wäre zwischen dem öffentlichen Rechtsträger und dem Dritten ein zivilrechtliches Vertragsverhältnis zustande gekommen (SZ 59/140 mwN). Die klagende Partei bringt vor, erst am 10. April 1990 wäre sie in Kenntnis von Tatsachen und Beweismitteln gelangt, auf Grund derer ihr der Beweis gelingen werde, daß die Wasserrechtsbehörde im oben aufgezeigten Sinn hoheitlich vorgegangen sei, die Aussagen des Bezirkshauptmannes der Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg im Vorprozeß daher unrichtig gewesen seien. Daraus folgt, daß Tatsacheninstanz der nunmehr bekämpften Feststellung das Prozeßgericht erster Instanz, bei dem die klagende Partei vorsorglich ohnedies eine gleichlautende Wiederaufnahmsklage eingebracht hat, ist. Das Prozeßgericht erster Instanz ist daher auch für die vorliegende Wiederaufnahmsklage individuell zuständig. Daß der Oberste Gerichtshof im Vorprozeß die Tatsachenfeststellung der Untergerichte rechtlich anders beurteilte als die Vorinstanzen, begründet nicht seine Zuständigkeit zur Entscheidung über eine auf den Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs. 1 Z 7 ZPO gestützte Wiederaufnahmsklage (EvBl 1964/166 ua, zuletzt 9 Ob A 107/88). Die Klage war daher, zumal bereits ohnedies bereits beim zuständigen Prozeßgericht erster Instanz gleichlautend eingebracht, zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte