Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
Die Rechtssache wird an das Berufungsgericht zur neuen
Entscheidung zurückverwiesen.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Über das Vermögen der Ing.Karl S*** Gesellschaft mbH KG wurde mit Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 24.5.1985 (AZ 20 S 26/85) über Antrag mehrerer Gläubiger (erster Antrag der Bauarbeiter-Urlaubskasse gestellt am 4.4.1985, 20 Nc 182/85) der Konkurs eröffnet und Rechtsanwalt Dr.Josef F*** zum Masseverwalter bestellt.
Die beklagte Partei hat vor Konkurseröffnung ab Jänner 1985 teils zur Hereinbringung fälliger Sozialversicherungsbeiträge Fahrnisexekution (E 489/85, E 1002/85) und Forderungsexekution (E 1731/85, E 1732/85 und E 1733/85), teils zunächst zur Sicherstellung noch nicht fälliger Sozialversicherungsbeiträge Fahrnisexekution (E 1003/85) bewilligt erhalten. Während keiner der Drittschuldner Zahlung leistete, wurden der beklagten Partei als Ergebnis der Fahrnisexekutionen Realisate von S 435.097,04, davon S 8.705,-- erst nach Konkurseröffnung, überwiesen.
Der Kläger stellte unter Geltendmachung der Anfechtungstatbestände des § 30 Abs 1 Z 1 KO (Begünstigung der beklagten Partei vor anderen Gläubigern durch Erlangung inkongruente Deckung) und des § 31 Abs 1 Z 2 KO (Erlangung von Sicherstellung und Befriedigung in Kenntnis bzw. verschuldeter Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der Gemeinschuldnerin bzw. Kenntnis vom Konkurseröffnungsantrag) die Begehren auf
a) Ausspruch der Unwirksamkeit und Ungültigkeit der bewilligten Pfändungen von Fahrnissen und Forderungen, und
b) Zahlung von S 450.097,04 (= oben genannter Betrag von
S 435.097,04 und Wert noch gepfändeter Fahrnisse von S 15.000,--). Ein konkretes, über die Wiedergabe des Gesetzestextes hinausgehendes Tatsachenvorbringen erstattete der Kläger zum Anfechtungstatbestand des § 31 Abs 1 Z 2 KO nicht.
Die beklagte Partei wendete unter anderem ein, sie habe einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Sicherstellung gehabt, sodaß die auf Grund vor Konkurseröffnung erworbener Pfandrechte erhaltene Deckung nicht inkongruent sei. Von einer Zahlungsunfähigkeit der späteren Gemeinschuldnerin hätte die beklagte Partei weder etwas gewußt noch wissen müssen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte zusätzlich zum einleitend wiedergegebenen unbestrittenen Sachverhalt unter anderem folgende Tatsachen fest:
Obgleich die Gemeinschuldnerin die der beklagten Partei geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge nicht immer regelmäßig, in einzelnen Fällen sogar erst nach vorangegangenen Exekutionsbewilligungen zahlte, hatte die beklagte Partei keine exakte Kenntnis von der wirtschaftlichen Lage der Gemeinschuldnerin. Es war den zuständigen Organwaltern der beklagten Partei vor allem nicht bekannt, daß die Gemeinschuldnerin jedenfalls im Frühjahr 1985 zahlungsunfähig war.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, daß die Anfechtungsvorschriften der §§ 27 ff Konkursordnung lediglich die Gleichbehandlung der privatrechtlichen Gläubiger im Verhältnis zum Gemeinschuldner sicherstellen wollten, sich aber nicht auf Forderungen des öffentlichen Rechtes bezögen. Sollten aber die Anfechtungstatbestände der Konkursordnung auch auf Forderungen von Sozialversicherungsträgern anwendbar sein, könnte die Klage dennoch nicht erfolgreich sein, weil dadurch das Recht der Beklagten auf Eintreibung geschuldeter Sozialversicherungsbeiträge nicht beeinträchtigt werden dürfe. Die beklagte Partei hätte daher keine inkongruente Deckung erlangt. Der Anfechtungstatbestand nach § 31 Abs 1 Z 2 KO sei nicht verwirklicht, weil die beklagte Partei die Zahlungsunfähigkeit der späteren Gemeinschuldnerin weder kannte noch vermuten mußte.
Das Berufungsgericht hob das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es erachtete auch Absonderungsrechte, welche für öffentliche Abgaben begründet wurden und die Befriedigung solcher Gläubiger nach den §§ 27 ff KO mangels im Gesetz zugunsten solcher Gläubiger vorgesehener Ausnahmen für anfechtbar, bejahte hinsichtlich des Zahlungsbegehrens von S 15.000,-- (Schätzwert gepfändeter Fahrnisse) und S 8.705,-- (erst nach Konkurseröffnung zugekommener Verkaufserlös) Spruchreife in klageabweisendem Sinn, ohne jedoch - wegen der Geringfügigkeit der Beträge - ein Teilurteil für zweckmäßig zu halten. Es verneinte auch die Erfüllung des Anfechtungstatbestandes nach § 30 Abs 1 Z 1 KO, den der Kläger in der Berufung nur noch in Ansehung der zu E 1003/85 des Bezirksgerichtes Hartberg bewilligten Exekution aufrecht erhalten hatte.
Zu dem für das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof nach dem Inhalt des Rekurses der beklagten Partei und der Rekursbeantwortung des Klägers allein noch relevanten Anfechtungsgrund nach § 31 Abs 1 Z 2 KO erachtete das Berufungsgericht die erstgerichtliche Beweiswürdigung als derart mangelhaft, daß in Wahrheit überhaupt keine überprüfbare Beweiswürdigung vorliege. Den erstgerichtlichen Feststellungen sei zwar zu entnehmen, daß bereits der Jahresabschluß der Gemeinschuldnerin zum 31.3.1984 eine Überschuldung von etwas mehr als 11,5 Millionen S ausgewiesen und die Gemeinschuldnerin sich bis zur Konkurseröffnung wirtschaftlich nicht mehr erholt habe. Das Erstgericht habe weder festgestellt, wann dieser Jahresabschluß erstellt worden und sein Inhalt daher bekannt gewesen sei oder allenfalls hätte bekannt sein müssen, noch habe es sich in seiner Beweiswürdigung mit der Frage auseinandergesetzt, ob bzw. wann die beklagte Partei von dieser Überschuldung - unabhängig vom Zeitpunkt des Eintrittes der Zahlungsunfähigkeit - Kenntnis erlangt habe. Die Beweisaufnahmen ließen auch nicht erkennen, daß das Erstgericht an die Zeugen und Parteien Fragen gestellt hätte, die auf die Kenntnis von einer Überschuldung der Gemeinschuldnerin Bezug nehmen. Diesbezüglich müsse das Beweisverfahren ergänzt werden. Darüber hinaus müsse auch die Prüfung einer allfälligen Kenntnis der beklagten Partei vom Konkurseröffnungsantrag der Bauarbeiterurlaubskasse, der schon am 4.4.1985 gestellt worden sei, erfolgen. Der Umstand, daß der Kläger in erster Instanz diesbezüglich keine ausdrückliche Behauptung aufgestellt habe, sei unbeachtlich, weil die Anführung der entsprechenden Gesetzesstelle die Prüfung des Tatbestandsmerkmales "Kenntnis vom Konkurseröffnungsantrag" einschließe.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der beklagten Partei ist im Sinne des in ihrem Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrages berechtigt. Der Anfechtungstatbestand des § 31 Abs 1 Z 2 KO enthält als subjektives Merkmal, daß dem Anfechtungsgegner
a) die Zahlungsunfähigkeit bzw., wenn es sich beim Gemeinschuldner um eine Handelsgesellschaft handelt, bei der - wie hier - kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist (§ 67 KO), die Überschuldung oder der Eröffnungsantrag bekannt ist oder
b) bekannt sein mußte.
Ob die Zahlungsunfähigkeit (Überschuldung) dem anderen Teil bekannt sein mußte, ist eine rechtliche Beurteilung (König, Die Anfechtung im Konkurs RN 281 mit Judikaturnachweisen, insbesondere SZ 35/20, SZ 40/146 und SZ 53/25), die auf Grund vom Anfechtenden zu behauptender und zu beweisender Umstände vorzunehmen ist. Derartige Behauptungen stellte der Kläger nicht auf. Die bloße Wiedergabe des Gesetzestextes - also eines den Tatbestand umschreibenden Rechtssatzes, dem erst ein bestimmter, allenfalls erwiesener Sachverhalt zu subsumieren wäre - vermag eine solche notwendige Tatsachenbehauptung nicht zu ersetzen. Daraus folgt, daß der Anfechtungstatbestand der verschuldeten Unkenntnis der Überschuldung der späteren Gemeinschuldnerin gar vom Kläger nicht wirksam geltend gemacht wurde. Darauf ist also - entgegen dem vom Berufungsgericht bei Monierung vom Erstgericht unterlassener diesbezüglicher Feststellungen gemachten Hinweis - nicht weiter Bedacht zu nehmen. Hingegen stellt die in der Klage enthaltene, wenn auch mit dem Gesetzeswortlaut übereinstimmende Behauptung, die beklagte Partei habe die Zahlungsunfähigkeit (Überschuldung) oder den Eröffnungsantrag gekannt, eine ausreichende Tatsachenbehauptung dar. Die hiefür vom Kläger angebotenen Beweise sind daher aufzunehmen und - je nach Überzeugung der Tatsacheninstanzen vom Gelingen dieses Beweises - die entsprechenden Feststellungen zu treffen. Das Erstgericht traf die Feststellung, daß die beklagte Partei keine Kenntnis dieser Umstände hatte, wenn auch mit der zwar weiten, aber gerade deswegen etwas unscharfen Formulierung, die beklagte Partei hätte keine exakte Kenntnis von der wirtschaftlichen Lage der Gemeinschuldnerin gehabt. Die knappe Beweiswürdigung des Erstgerichtes hiezu ist aber nachvollziehbar und - betrachtet man die hiezu vorliegenden Beweisergebnisse - nicht offensichtlich willkürlich. Dies ändert aber nichts daran, daß das Berufungsgericht möglicherweise Bedenken gegen das Ergebnis der erstgerichtlichen Beweiswürdigung hat oder daß es eine genauere Befragung der zum einzigen noch relevanten Beweisthema der tatsächlichen Kenntnis der beklagten Partei von Überschuldung und Konkurseröffnungsantrag beantragten und vernommenen Personen für erforderlich hält. In diesem Fall ist es aber Aufgabe des Berufungsgerichtes, selbst die entsprechende Beweisaufnahme durchzuführen und sodann auf Grund eigener Beweiswürdigung die für richtig erachteten Tatsachenfeststellungen zu treffen.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
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