Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien haben die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen; die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Zweitbeklagte ist die Medieninhaberin der "Neuen Kronen-Zeitung"; die Erstbeklagte ist persönlich haftende Gesellschafterin der Zweitbeklagten.
Die "Neue Kronen-Zeitung" hatte bereits im Jahre 1986 - in ihren Ausgaben vom 23., 24., 25., 29.5. und vom 4.6.1986 - in verschiedenen Artikeln über die Klägerin berichtet und dazu wiederholt deren Lichtbild veröffentlicht. Gegenstand dieser Berichte war, daß die Klägerin unberechtigt als Psychotherapeutin, Magister der Pharmazie, Doktor der Philosophie und Doktor der Medizin aufgetreten sei und als "falsche Ärztin" in Wiener Spitälern gearbeitet habe.
In der Ausgabe der "Neuen Kronen-Zeitung" vom 17. April 1989 wurde auf den Seiten 8 und 9 unter der über beide Seiten gehenden Schlagzeile "Lainz: Jetzt werden 250 neue Hinweise geprüft" und mit den Untertiteln "Polizei hofft, konkretere Spuren zu bekommen" sowie "Weitere Ärzte wurden in die Mangel genommen" insgesamt 5-spaltig über den Fortgang bei der Aufklärung der Patientenmorde in Lainz berichtet und dabei in der ersten Spalte links ein Lichtbild der Klägerin veröffentlicht; darunter stand: "Falsche Ärztin: Christine
E.".
Im Rahmen des genannten Artikels wurde unter dem Zwischentitel "Hausfrau als falsche Ärztin in Lainz" ab der vierten Spalte folgendes berichtet:
"Weniger folgenschwer war die Affäre um eine falsche Ärztin, die vor drei Jahren für Schlagzeilen sorgte. Damals nahm die Hausfrau und Mutter zweier Kinder, Christine E. (30), an Operationen und Visiten in Lainz teil. Die Wienerin, die nur vier Klassen Hauptschule absolviert hatte, trat als Psychotherapeutin, Magister der Pharmazie, Doktor der Philosophie und Doktor der Medizin auf.
Die langhaarige Brünette wurde vom Sohn der früheren Gesundheitsministerin Dr. Ingrid L*** in das Krankenhaus gebracht. Jenem Dr. Sepp L***, der bis vergangenen Montag provisorischer Leiter des Lainzer Spitals war.
Ihren größten Auftritt hatte die falsche Ärztin am 23. März 1986, als sie in der Fernsehsendung "Wir" Millionen TV-Zusehern Tips für Empfängnisverhütung gab. Nach der Sendung meldete sich der Ex-Mann der Frau im Lainzer Spital und fragte entsetzt: 'Wißt Ihr denn nicht, daß sie gar keine Ärztin ist?'".
Unter Bezugnahme auf dieses Foto und den gesamten Bericht beantragt die Klägerin zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, Personenbildnisse von ihr im Zusammenhang mit einer negativen Berichterstattung über sie, insbesondere
a) im Zusammenhang mit einem Bericht über die Patientenmorde im Krankenhaus Lainz, bei der der Eindruck einer Verwicklung der Klägerin in diese Affäre erweckt wird, und/oder
b) (im Zusammenhang mit) einem Bericht, in dem behauptet wird, die Klägerin habe sich zu Unrecht als Psychotherapeutin, Magister der Pharmazie, Doktor der Philosophie und Doktor der Medizin bezeichnet und sei als solche im Krankenhaus aufgetreten, und/oder behauptet bzw. der Eindruck erweckt wird, sie habe bei Operationen teilgenommen bzw. hieran mitgewirkt,
oder in sonstiger, die Interessen der Klägerin beeinträchtigender Art und Weise ohne deren Zustimmung zu veröffentlichen. Die Beklagten hätten durch die Veröffentlichung des Bildes der Klägerin deren Interessen beeinträchtigt und daher gegen § 78 UrhG verstoßen, weil die Klägerin durch den Begleittext einerseits mit den Patientenmorden in Lainz in Zusammenhang gebracht worden sei und andererseits eine Berichterstattung über eine drei Jahre zurückliegende Affäre keinerlei Nachrichtenwert mehr besitze. In diesem Punkt sei der Bericht überdies unwahr, weil sich die Klägerin im Jahre 1986 niemals als Ärztin oder Akademikerin geriert habe und auch an keinen den Ärzten vorbehaltenen Tätigkeiten beteiligt gewesen sei; die diesbezügliche Strafanzeige gegen sie sei am 26. Mai 1986 von der Staatsanwaltschaft Wien gemäß § 90 StPO zurückgelegt worden.
Die Beklagten beantragen die Abweisung des Sicherungsantrages. Die Klägerin sei in dem beanstandeten Artikel nicht mit der Mordserie in Lainz in Zusammenhang gebracht worden; die Beklagten hätten ihre Leser nur daran erinnert, daß schon vor drei Jahren in diesem Krankenhaus ein Mißstand aufgetreten war. Es überwiege daher das Interesse der Öffentlichkeit an einer Aufklärung und Warnung vor einer "falschen Ärztin". Die Klägerin sei von 1984 bis zu ihrer Verhaftung am 22. Mai 1986 sehr wohl in der Öffentlichkeit als Ärztin aufgetreten; sie sei auch in der Folge verwaltungsbehördlich wegen unbefugter Führung akademischer Grade rechtskräftig "verurteilt" worden.
Das Erstgericht erließ - insoweit rechtskräftig - die zu lit a) beantragte einstweilige Verfügung; den zu lit b) gestellten Sicherungsantrag wies es ab und nahm dazu noch als bescheinigt an, daß vor der Berichterstattung vom 17. April 1989 der Journalist Erich S*** neuerlich über die Klägerin recherchiert und dabei in Erfahrung gebracht habe, sie habe sich in der Zwischenzeit sowohl beim Arbeiter-Samariterbund wieder fälschlicherweise als Ärztin einführen wollen als auch anläßlich des Opernballes 1989 der Johanniter-Unfallhilfe ihre ärztliche Hilfe angeboten, wobei sie sich als Psychotherapeutin ausgegeben habe; sie habe auch versucht, im Rahmen der Organisation der Johanniter-Unfallhilfe als Ärztin Aufnahme zu finden, und sich dabei auf ihrem Bewerbungsfoto als "Dr. D***" bezeichnet. Rechtlich folgerte das Erstgericht daraus, daß sich die Klägerin nicht nur im Jahre 1986 der näher bezeichneten unrichtigen Selbstdarstellung bedient habe, sondern dies auch jetzt noch tue.
Das Rekursgericht gab auch dem zu lit b) gestellten Sicherungsantrag mit der Maßgabe statt, daß es den Beklagten verbot, Personenbildnisse der Klägerin ohne deren Zustimmung im Zusammenhang mit einem Bericht zu veröffentlichen, wonach sich die Klägerin von 1984 bis Mai 1986 zu Unrecht als Psychotherapeutin, Magister der Pharmazie, Doktor der Philosophie und Doktor der Medizin bezeichnet habe und als solche im Krankenhaus aufgetreten sei und/oder behauptet bzw. der Eindruck erweckt werde, sie habe bei Operationen teilgenommen bzw. hieran mitgewirkt; es sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei.
Das Gericht zweiter Instanz nahm noch ergänzend als bescheinigt an, daß die von der Bundespolizeidirektion Wien-Sicherheitsbüro gegen die Klägerin erstattete Strafanzeige wegen Verdachtes nach §§ 108, 184 StGB am 26. Mai 1986 von der Staatsanwaltschaft Wien gemäß § 90 StPO zurückgelegt worden ist. Die Klägerin habe mit dem noch in Rede stehenden Teil ihres Sicherungsantrages das Verbot einer Veröffentlichung ihres Bildnisses in Zusammenhang mit einem neuerlichen Bericht über drei Jahre zurückliegende Ereignisse begehrt; tatsächlich habe die "Neue Kronen-Zeitung" am 17. April 1989 das Lichtbild der Klägerin auch im Zusammenhang mit einem solchen Bericht veröffentlicht. Die Beklagten könnten sich daher nicht auf ein aktuelles Verhalten der Klägerin gemäß den - insoweit überschießenden - Bescheinigungsannahmen des Erstgerichtes berufen, weil ein solches gar nicht Gegenstand der Berichterstattung gewesen sei. Durch die Bildnisveröffentlichung im Zusammenhang mit der Berichterstattung über drei Jahre zurückliegende Ereignisse seien aber berechtigte Interessen der Klägerin verletzt worden. Dem stehe kein überwiegendes Interesse der Beklagten gegenüber, weil allfälligen Informationsinteressen bereits durch die Berichterstattung des Jahres 1986 Rechnung getragen worden sei. Es komme daher auch nicht mehr auf die Richtigkeit der Berichterstattung an. Die Tatsache allein, daß eine Person einmal die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich gezogen habe, berechtige nicht dazu, über sie nun zeitlebens Berichte zu bringen. Auch liege keine sachliche Berichterstattung vor, weil die Zurücklegung der gegen die Klägerin erhobenen Strafanzeige verschwiegen worden sei. Die Bildnisveröffentlichung im Zusammenhang mit der Wiederholung von Berichten aus dem Jahre 1986 verletze überdies das durch § 10 MedienG rechtlich anerkannte Interesse der Rehabilitation dessen, der durch Medienberichte mit einer strafrechtlichen Untersuchung in Zusammenhang gebracht wurde; die Zeitung der Zweitbeklagten habe daher auch insoweit gegen § 78 UrhG verstoßen.
Gegen die einstweilige Verfügung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin hält das Rechtsmittel für unzulässig und stellt den Antrag, ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist wegen der Eigenart der Persönlichkeitsrechte, zu denen auch der im UrhG geregelte Bildnisschutz gehört, ebenso wie auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes und des sich mit diesem überschneidenden Immaterialgüterrechtes nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 und § 528 Abs 2 ZPO zulässig (ÖBl. 1988, 162; MR 1989, 54 ua); dies umsomehr, als § 78 Abs 1 UrhG durch sein Abstellen auf "berechtigte Interessen des Abgebildeten" eine Generalklausel enthält, die als "ausfüllungsbedürftiger Wertungsmaßstab" keine Entscheidung unmittelbar aus dem Gesetz heraus zuläßt, sondern jeweils eine sachliche Lösung unter Heranziehung der Wertungsmaßstäbe der gesamten Rechtsordnung verlangt (Buchner in FS 50 Jahre Urheberrechtsgesetz 21 ff Ä25Ü). Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.
Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens (Verstoß gegen das Neuerungsverbot) liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die Beklagten wenden sich nicht mehr gegen die zutreffende Ansicht des Rekursgerichtes, daß auch durch die Veröffentlichung des Lichtbildes der Klägerin im Zusammenhang mit dem Begleittext über ihr drei Jahre zurückliegendes angebliches Verhalten als "falsche Ärztin" an sich berechtigte Interessen der Klägerin verletzt worden sind, weil sie diese "in keinem günstigen Licht erscheinen lassen"; sie beharren jedoch darauf, daß in diesem Fall ein überwiegendes berechtigtes Interesse der Tageszeitung an der Veröffentlichung bestanden habe, weil es darum gegangen sei, die Bevölkerung vor dem Auftreten einer "falschen Ärztin" zu warnen.
Richtig ist, daß dann, wenn sich der Veröffentlicher - wie hier - seinerseits auf ein geschütztes Interesse beruft, eine Interessenabwägung vorzunehmen ist (Buchner aaO 30 mwH auf Lehre und Rechtsprechung in FN 58 und 59; SZ 48/73; SZ 50/22; MR 1989, 52 ua). Hiezu hat aber bereits das Rekursgericht zutreffend darauf hingewiesen, daß Gegenstand einer solchen Interessenabwägung stets nur die tatsächlich vorgenommene, mit einer Veröffentlichung des Bildes verbundene Berichterstattung sein kann, weil nur sie Gegenstand des Provisorialverfahrens ist (SZ 50/22). Mit dem hier noch in Rede stehenden Begleittext der Bildnisveröffentlichung vom 17. April 1989 ist aber ausschließlich auf ein bereits drei Jahre zurückliegendes strafbares Verhalten der Klägerin Bezug genommen worden; es war keine Rede davon, daß sie ein solches noch immer fortsetze. Mit einem aktuellen Verhalten der Klägerin kann daher ein Veröffentlichungsinteresse der "Neuen Kronen-Zeitung" überhaupt nicht begründet werden.
Die Beklagten haben in erster Instanz als eigenes Interesse an der Veröffentlichung des Bildes der Klägerin in diesem Zusammenhang auch nur die Erinnerung ihrer Leser an einen in Wiener Spitälern vor drei Jahren aufgetretenen Mißstand sowie ein damit verbundenes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit im Sinne einer Aufklärung und Warnung vor einer "falschen Ärztin" geltend gemacht. Wenn es aber um eine Bildnisveröffentlichung im Zusammenhang mit einer Darstellung von Unregelmäßigkeiten oder Straftaten geht, hängt die Entscheidung vor allem davon ab, ob die Umstände des konkreten Falles ein Interesse der Öffentlichkeit nicht nur an der Bekanntgabe der Tatsachen, sondern auch an der Veröffentlichung des Bildes des Betroffenen rechtfertigen, und diesem Interesse der Öffentlichkeit ein höheres Maß an Berechtigung zukommt als dem begreiflichen Interesse des Abgebildeten am Unterbleiben einer solchen bildlichen "Anprangerung" (SZ 48/73). Insoweit gilt daher der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit des Eingriffes (Buchner aaO 36); auch das echte Informationsbedürfnis darf nicht weiter als unbedingt notwendig gehen, so daß nicht in allen Fällen, in denen die Öffentlichkeit Anlaß hat, sich mit einer Einzelperson zu befassen, auch ein echtes Bedürfnis danach bejaht werden kann, ein Bild dieser Einzelperson zu sehen (Rehm, Das Recht am eigenen Bild, JBl 1962, 1 ff Ä15Ü). Ob das im Einzelfall aber doch zutrifft, also der Veröffentlichung des Bildes der Klägerin im Zusammenhang mit dem hier noch in Rede stehenden Begleittext überhaupt ein schutzwürdiger "Nachrichtenwert" (vgl. Buchner aaO 33 ff) zukommt, ist gleichermaßen nach objektiven Kriterien zu prüfen (Rehm aaO). Damit muß aber die erforderliche Interessenabwägung im vorliegenden Fall schon deshalb zum Nachteil der Beklagten ausfallen, weil der Öffentlichkeit jedenfalls kein Anspruch darauf zugebilligt werden kann, das Aussehen einer Frau kennenzulernen, die vor drei Jahren im Verdacht gestanden war, in Wiener Spitälern oder sonst in der Öffentlichkeit fälschlich als Ärztin oder Akademikerin aufzutreten. Bei dieser Sachlage kann es der Zweitbeklagten auch nicht ernstlich darum gegangen sein, die Allgemeinheit durch die Veröffentlichung und Verbreitung des Bildes der Klägerin vor dieser zu warnen, weil hiefür nach so langer Zeit kein objektiv gerechtfertigtes Bedürfnis der Öffentlichkeit mehr bestehen konnte.
Da somit selbst ein im Zusammenhang mit den im Krankenhaus Lainz nunmehr aufgedeckten Todesfällen allenfalls anzunehmender Nachrichtenwert eines Berichtes über ein schon drei Jahre zurückliegendes Auftreten der Klägerin als "falsche Ärztin" nicht mehr deren Abbildung rechtfertigen könnte, hat die Zweitbeklagte auch durch die Veröffentlichung des Bildnisses der Klägerin samt dem hier in Rede stehende Begleittext jedenfalls gegen § 78 UrhG verstoßen; es kommt daher nicht mehr darauf an, ob die Berichterstattung in diesem Zusammenhang der Wahrheit entsprochen hat und ob sie unvollständig war, weil nicht auf die seinerzeitige Zurücklegung der Strafanzeige durch die Staatsanwaltschaft Bedacht genommen wurde, so daß auch aus diesem Grund ein schutzwürdiges Interesse der Zweitbeklagten an der beanstandeten Bildnisveröffentlichung zu verneinen wäre. Die Erstbeklagte haftet als persönlich haftende Gesellschafterin für diesen Verstoß gemäß § 18 UWG, §§ 128, 161 HGB auch dann, wenn sie daran nicht unmittelbar beteiligt war (ständige Rechtsprechung: ÖBl. 1978, 154;
ÖBl. 1981, 51; zuletzt unter ausdrücklicher Ablehnung der gegenteiligen Ansicht Koppensteiners Äin Wettbewerbsrecht2, 287 und in Straube, HGB Rz 13 zu § 128Ü: RdW 1989, 192; 4 Ob 6/89;
4 Ob 90/89 ua).
Dem Revisionsrekurs mußte bereits aus diesen Gründen ein Erfolg versagt bleiben.
Der Ausspruch über die Rechtsmittelkosten der Beklagten gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 2 EO und §§ 40, 50, 52 Abs 1 ZPO, jener über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung auf § 393 Abs 1 EO.
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