Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.966,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 494,40 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger hatte bei der beklagten Partei einen Antrag auf Abschluß einer Fahrzeugversicherung für seinen PKW VW Golf gestellt. Die Versicherungspolizze, der ein Zahlschein (Bankenerlagschein) für die Erstprämie angeschlossen war, wurde am 20. Jänner 1988 dem Kläger im Postweg übermittelt und langte bei ihm zwischen dem 25. und 28. Jänner 1988 ein. Am 19. Februar 1988 gegen 9,30 Uhr zahlte der Kläger beim Postamt seines Wohnsitzes unter Verwendung des von der beklagten Partei übermittelten Zahlscheines die Erstprämie ein, die nicht vor dem 23. Februar 1988 dem Konto der beklagten Partei gutgeschrieben wurde. Im Anschluß an die Einzahlung fuhr der Kläger mit seinem PKW in die Erdbergstraße, um dort eine Bekannte abzuholen, und von dort in die Allerheiligengasse. Auf der Fahrt dorthin hatte er einen Verkehrsunfall, für den er die Versicherungsleistung begehrt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seiner Auffassung sei die beklagte Partei mangels Zahlung der Erstprämie im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls leistungsfrei. Nur eine rechtzeitige Postaufgabe wirke auf den Zahlungszeitpunkt zurück. Habe sich aber wie hier der Schuldner bereits in Verzug befunden, sei für die Verzugsbeendigung der Tag des Einlangens der Leistung auf dem Konto des Gläubigers maßgebend.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens - mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens - ab und erklärte die Revision für zulässig. Es führte aus, daß von der Frage der Tilgung der Prämienschuld die Frage der Rechtzeitigkeit der Leistung im Sinne des § 38 Abs. 2 VersVG zu unterscheiden sei. Hiefür, namentlich für die Frage, ob ein eingetretener Verzug beseitigt worden sei, komme es auf die Leistungshandlung des Versicherungsnehmers an. Entscheidend sei, wann der Schuldner das für die Übermittlung des Geldes seinerseits Erforderliche getan habe. Da im vorliegenden Fall der Kläger die Erstprämie vor dem Unfall beim Postamt eingezahlt habe, sei die Zahlung rechtzeitig und die beklagte Partei demnach nicht leistungsfrei.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der beklagten Partei ist zulässig, weil sie sich mit neuen Argumenten gegen die bisherige Rechtsprechung wendet; sie ist jedoch nicht berechtigt.
Nach § 35 Satz 1 VersVG hat der Versicherungsnehmer die Erstprämie sofort nach dem Abschluß des Vertrages zu zahlen. Wird die erste oder einmalige Prämie nicht rechtzeitig gezahlt, so ist der Versicherer, solange die Zahlung nicht bewirkt ist, berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten (§ 38 Abs. 1 VersVG). Ist die Prämie zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls noch nicht gezahlt, so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei (§ 38 Abs. 2 VersVG). Was unter Zahlung zu verstehen ist, geht aus dem Wortlaut des § 38 VersVG nicht hervor. In einem vergleichbaren Fall hat der Oberste Gerichtshof dahin entschieden, daß die Zahlung bereits mit dem Einlangen des Überweisungsauftrags bei der Bank des Schuldners unter der Voraussetzung des Einlangens der Prämie bei der Bank des Versicherers erfolgt und der Versicherer daher deckungspflichtig ist, wenn der Versicherungsfall nach Erteilung des Überweisungsauftrags jedoch vor der Gutschrift der Prämie auf dem Konto des Versicherers eintritt (SZ 38/100). In zwei weiteren Entscheidungen (SZ 59/188 und ZVR 1976/297) ging der Oberste Gerichtshof gleichfalls von der Maßgeblichkeit des Überweisungsauftrags aus. Auch nach der in der Bundesrepublik Deutschland herrschenden Ansicht kommt es auf die Leistungshandlung des Versicherungsnehmers und nicht auf die Gutschrift des überwiesenen Betrages auf das Konto des Versicherers an (VersR 1964, 129; Prölss-Martin, VVG24 234 und 243 mwN; Bruck-Möller, VVG8 I 490). Der Vorwurf der Revisionswerberin, die Übernahme dieser Rechtsansicht durch das Berufungsgericht widerspreche dem österreichischen Zivilrecht, ist unberechtigt, weil § 270 BGB, soweit er für die in der Bundesrepublik Deutschland vertretene Rechtsansicht von Bedeutung ist, mit den Bestimmungen des § 36 VersVG und des § 905 ABGB im wesentlichen übereinstimmt. Richtig ist, daß nur die rechtzeitige Zahlung auf den Einzahlungs- bzw. Überweisungsauftrag zurückwirkt, ein Verzug des Schuldners dagegen erst mit dem Einlangen der Leistung beim Gläubiger beendet ist (SZ 46/6; EvBl. 1962/451; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 17 zu § 905). Soweit sich die Revision darauf gestützt gegen die obgenannte Rechtsansicht wendet, ist ihr entgegenzuhalten, daß für die Leistungsfreiheit nach § 38 Abs. 2 VersVG der Zeitpunkt der Zahlung der Prämie allein maßgeblich ist, gleichgültig, ob bereits Verzug des Versicherungsnehmers nach § 35 VersVG vorliegt oder nicht (SZ 38/100). Im Versicherungsverhältnis sind nämlich drei Zeiträume zu unterscheiden: Die Vertragsdauer (vom Abschluß bis zur Beendigung des Versicherungsvertrages), der prämienbelastete Zeitraum (der Zeitabschnitt, für den die Prämie berechnet wird) und der Haftungszeitraum (der Zeitraum, für den der Versicherer die Haftung trägt). Letzterer beginnt zufolge des § 38 Abs. 2 VersVG erst mit der Einlösung der Polizze. Dieses gesetzliche Einlösungsprinzip beruht auf dem Gedanken, daß ein Versicherungsnehmer billigerweise die riskante Gefahrtragungsleistung des Versicherers nicht verlangen kann, wenn er nicht seinerseits zunächst einmal geleistet hat (Bruck-Möller aaO 493). Hat daher der Versicherungsnehmer das nach § 36 VersVG und nach § 905 ABGB Erforderliche getan, um die Prämienschuld dem Versicherer zu übermitteln, ist das Interesse des Versicherers an dem Erhalt der ihm zustehenden Prämie ausreichend gewahrt (vgl. Prölss-Martin aaO 247). Für den Beginn der Gefahrtragung des Versicherers genügt es daher, wenn der Versicherungsnehmer die Prämie vor Eintritt des Versicherungsfalles mittels Postanweisung, Postsparkassen- oder Bankenerlagschein bar aufgibt oder einen Überweisungsauftrag erteilt (wobei im letzteren Fall das Einlangen des Überweisungsauftrages beim kontoführenden Institut des Versicherungsnehmers maßgeblich ist), vorausgesetzt, daß die Prämie bei der Bank des Versicherers einlangt. Unerheblich ist, wann die Gutschrift auf das Konto des Versicherers erfolgt. Im vorliegenden Fall hat der Kläger nach den Feststellungen der Vorinstanzen die Prämie noch vor dem Eintritt des Versicherungsfalls mittels Bankerlagscheins bei der Post bar eingezahlt, die dann dem Konto der beklagten Partei auch gutgeschrieben wurde. Die beklagte Partei kann sich demnach nicht auf Leistungsfreiheit berufen. Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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