OGH 7Ob159/65

OGH7Ob159/6516.6.1965

SZ 38/100

Normen

ABGB §905
VersVG §38
ABGB §905
VersVG §38

 

Spruch:

Die Rechtzeitigkeit der Zahlung bestimmt sich nach dem Zeitpunkt des Überweisungsauftrages, wobei dessen Einlangen bei der Bank des Schuldners maßgebend ist

Entscheidung vom 16. Juni 1965, 7 Ob 159/65

I. Instanz: Landesgericht Salzburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien

Text

Das Erstgericht entschied im Sinne des Klagebegehrens, daß die beklagte Partei dem Kläger aus dem abgeschlossenen Versicherungsvertrag Versicherungsschutz zu gewähren habe. Es stellte fest, der Kläger habe die Polizze über die mit der beklagten Partei abgeschlossene Haftpflicht- und Vollkaskoversicherung am 18. Dezember 1963 erhalten. Der Polizze sei ein Erlagschein zur Einzahlung der ersten Prämie auf das Postsparkassenkonto der beklagten Partei beigelegen. Der Kläger habe am 3. Jänner 1964 um zirka 8.30 Uhr die Raiffeisenkasse L., bei der er ein entsprechendes Konto habe, beauftragt, die Erstprämie mittels des von ihm ausgefüllten Erlagscheines an die beklagte Partei zu überweisen. Der Betrag sei am 7. Jänner 1964 dem Postscheckkonto der beklagten Partei gutgeschrieben worden. Inzwischen habe sich am 3. Jänner 1964 um etwa 9 Uhr mit dem versicherten Lastkraftwagen des Klägers ein Unfall ereignet, bei dem der Wagen schwer beschädigt worden sei. Rechtlich folgerte das Erstgericht, durch Erteilung des Auftrages an die Raiffeisenkasse, die Prämie zu überweisen, sei die Zahlung erfolgt. Diese sei rechtzeitig, weil sie vor dem Unfall erfolgt und tatsächlich in die Hand der beklagten Partei gelangt sei.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab. Es führte aus, auch wenn der Auftrag des Klägers an die Raiffeisenkasse noch vor dem Unfall ergangen sei (was von der beklagten Partei bestritten worden war), sei die Prämie nicht im Zeitpunkt des Versicherungsfalles im Sinne des § 38 (2) VersVG. bezahlt gewesen. Die durch den Kläger vorgenommene Zahlungsart sei von einer Zahlung unmittelbar auf das Postscheckkonto der beklagten Partei zu unterscheiden und nicht anders zu werten, als wenn der Kläger einer Privatperson den Erlagschein mit dem Auftrag übergeben hätte, die Einzahlung zu leisten, und diese die Einzahlung erst am 7. Jänner 1964 durchgeführt hätte. Tatsächlich sei die Prämie der beklagten Partei erst an diesem Tag durch Gutschrift auf ihrem Postscheckkonto zugekommen und die Zahlung daher erst nach Eintritt des Versicherungsfalles erfolgt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Gemäß § 35 VersVG. hat der Versicherungsnehmer die Prämie sofort nach Abschluß des Vertrages zu zahlen. Leistungsort ist nach § 36

(1) VersVG. der Wohnsitz des Versicherungsnehmers, der die Prämie dem Versicherer auf seine Kosten zu übermitteln hat. Die Folgen des Zahlungsverzuges werden im § 38 VersVG. festgelegt. Darnach ist der Versicherer berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten, solang die Prämie nicht bezahlt ist. Außerdem ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn die erste oder einmalige Prämie zur Zeit des Eintrittes des Versicherungsfalles noch nicht bezahlt ist. Für die Leistungsfreiheit ist also der Zeitpunkt der Zahlung der Prämie allein maßgebend, gleichgültig, ob bereits ein Verzug vorliegt oder nicht. Eine vorläufige Deckungszusage oder ein Rücktritt vom Vertrag steht hier nicht zur Erörterung. Bei der Entscheidung 3 Ob 94/62 = EvBl. 1962 Nr. 451, auf die das Berufungsgericht hinweist, handelte es sich um die Zulässigkeit einer Exekutionsführung wegen rückständiger Unterhaltsbeträge, die der Unterhaltsberechtigte tatsächlich erst nach Fälligkeit erhalten hat. Der Oberste Gerichtshof entschied, daß bis zu dem Zeitpunkt der Verfügungsmöglichkeit über den Unterhaltsbetrag der Exekutionsantrag eingebracht werden könne, führte aber aus, daß die der Entscheidung zugrunde liegende Rechtslage mit der Frage, wann und wie durch Zahlung der Schuld der Eintritt von Verzugsfolgen abgewendet werden könne, überhaupt nichts zu tun habe.

Was unter Zahlung zu verstehen ist, ob damit der Zahlungsvorgang oder erst der damit erstrebte Erfolg, nämlich die Erfüllung der Prämienschuld zu verstehen ist, geht aus dem Wortlaut des § 38 VersVG. nicht hervor. Diese Frage ist nach § 36 VersVG. zu beurteilen, der im wesentlichen mit dem für Geldschulden geltenden Bestimmungen des § 905 ABGB. übereinstimmt. Es ist daher auf diese Bestimmungen zurückzugreifen. Darnach sind Geldschulden im Zweifel Schickschulden. Der Schuldner ist daher berechtigt, den geschuldeten Betrag durch seine Bank an die Bank des Gläubigers überweisen zu lassen. Ist bei der Schuldnerbank die entsprechende Deckung vorhanden, dann wird die Wirkung der bei der Gläubigerbank eingelangten Zahlung auf den Zeitpunkt des Überweisungsauftrages zurückbezogen. Die Rechtzeitigkeit der Zahlung bestimmt sich nach dem Zeitpunkt des Überweisungsauftrages (vgl. SZ, XXVII 286, Gschnitzer in Klang[2], IV 386/369, Stanzl in Klang[2], IV 696), wobei das Einlangen des Auftrages bei der Bank des Schuldners maßgebend ist (RgR K. zu § 270 BGB. Anm. 10, Soergel - Schmidt, BGB. zu § 270). Der Schuldner hat die Prämie dem Gläubiger zwar auf seine Gefahr und Kosten zu übermitteln, er muß also noch einmal leisten, wenn die Zahlung beim Gläubiger nicht ankommt, Leistungsort ist jedoch der Wohnsitz des Schuldners. Die Übermittlung des Geldes gehört daher nicht mehr zu seiner Leistung. Er hat seine Übermittlungspflicht erfüllt, wenn er die Übermittlung veranlaßt hat, vorausgesetzt, daß der Betrag später beim Gläubiger tatsächlich eingeht oder seinem Konto gutgeschrieben wird, was ja hier der Fall war. Für die Rechtzeitigkeit der Zahlung kommt es nicht auf die Gutschrift des überwiesenen Betrages an, denn sonst würde nicht mehr auf die Leistungshandlung, sondern auf den Leistungserfolg abgestellt werden und man würde vom Schuldner über seine Verpflichtung hinaus, das Geld dem Gläubiger zu übermitteln, mehr fordern, als er selbst tun kann (vgl. NJW. 1964 S. 499). In Lehre und Rechtsprechung (vgl. die zitierten Entscheidungen und Kommentare) wird kein Unterschied gemacht, ob die Anweisung zur Zahlung der Schuld der Bank des Gläubigers oder einem davon verschiedenen Geldinstitut erteilt wird, wenn nur bei diesem Institut des Schuldners die erforderliche Deckung vorhanden ist, was hier der Fall war (so auch Spruch 228). Die Einwände, man wisse nicht, ob die beauftragte Stelle bereit sei, den Auftrag zu erfüllen, der Schuldner könne die Überweisung noch bis zur Erteilung der Gutschrift auf dem Gläubigerkonto widerrufen, welches Argument auch das Berufungsgericht anführt, sind nicht stichhältig. Die Frage der Rechtzeitigkeit der Zahlung erhebt sich ja überhaupt erst dann, wenn es tatsächlich zu einer Zahlung gekommen ist. Wird ein Überweisungsauftrag nicht ausgeführt, dann fehlt es an jedem Zahlungsvorgang und können die Bestimmungen der §§ 36 VersVG., 905 ABGB. nicht angewendet werden. Auch durch den möglichen Widerruf unterscheidet sich eine Überweisung im Verkehr zwischen zwei verschiedenen Banken nicht von einer Geldübermittlung durch Wertbrief, eine Postanweisung oder Zahlkarte. Auch ein Wertbrief oder eine Postanweisung können zurückgenommen werden, solang die Sendung dem Empfänger noch nicht ausgehändigt ist. Es bedarf daher auch nicht bei einem Überweisungsauftrag an eine von der Bank bei der der Gläubiger ein Konto hat, verschiedene Bank, für die Rechtzeitigkeit der Zahlung der Gutschrift des überwiesenen Betrages auf dem Gläubigerkonto.

Hat der Kläger den Überweisungsauftrag an sein Geldinstitut, bei dem hinreichende Deckung vorhanden war, wie sich aus der tatsächlich durchgeführten Überweisung ergibt, vor dem Unfall erteilt, wie das vom Erstgericht festgestellt wurde, dann ist die Zahlung der Prämie rechtzeitig erfolgt und die beklagte Partei gemäß § 38 (2) VersVG:

nicht von ihrer Verpflichtung zur Leistung aus dem Versicherungsvertrag frei. Das Berufungsgericht hat aber diese Feststellung des Erstgerichtes, die von der beklagten Partei in der Berufung ausdrücklich bekämpft worden war, nicht überprüft. Die Rechtssache mußte daher an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte